COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Für Hessen ein Top-Thema -Der Streit um den Länderfinanzausgleich- Autor Anke Petermann Red. Claus Stephan Rehfeld Länge 19.11 Minuten Sdg. 15.11.11 - 13.07 Uhr Moderation Ja, ja, der Föderalismus im Jahre 2011. Erst machte der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Mappus die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs zum Wahlkampfthema. Er musste trotzdem abtreten. Dann schlug der hessische Ministerpräsident Bouffier auf die Pauke. Notfalls würde Hessen allein gegen das seiner Ansicht nach ungerechte Ausgleichssystem vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Das Geberland Baden-Württemberg, jetzt grün-rot regiert, bevorzugt inzwischen nämlich leisere Töne. Aber der dritte Geber, also Bayern will auch nach Karlsruhe, wenn die Länderchefs auf der Nehmerseite nicht zuvor einlenken und einer Reform zustimmen. In Hessen avanciert das Tauziehen um das komplizierte Ausgleichspaket alle paar Wochen zum Topthema. Wieso, weshalb, warum? Anke Petermann verschafft uns den nötigen Einblicken. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Atmo 1 Plakatkleben Sprecher Ja, ist denn in Hessen schon Wahlkampf? Ja, haben wir was verpasst? Autorin Zwei Männer in eleganten dunklen Anzügen zücken die Quaste, tunken sie in einen Kleistereimer und beginnen, an einer unwirtlichen Bushaltestelle in Mainz-Kastel ein Plakat zu kleben. Pressefotografen halten drauf. Atmo 2 Klicken Autorin Von Mainz-Kastel aus blickt man zwar aufs Mainzer Rathaus auf der gegenüberliegenden Rheinseite, aber der Stadtteil gehört zu Wiesbaden. Die beiden kleisternden Männer im feinen Zwirn sind die hessischen Landtagsabgeordneten Christean Wagner und Florian Rentsch, als Fraktionschefs von CDU und FDP die Säulen von Schwarzgelb im Land. Sprecher "Liebe Rheinland-Pfälzer, willkommen im Bildungsland Hessen! Hessen: plus 2500 Lehrer, Rheinland-Pfalz: minus 2000 Lehrer", Autorin ... behauptet das Plakat, das Wagner und Rentsch da mit Hingabe glattstreichen. Die Botschaft ist folgende: das Geberland Hessen spart und investiert trotzdem in die Bildung. Warum Schwarzgelb das plakatieren muss, obwohl die nächste Landtagswahl frühestens Ende 2013 ansteht? Weil sich die die schwarzen Hessen so geärgert haben über die roten Rheinland-Pfälzer auf der gegenüber liegenden Rheinseite. Die hatten nämlich im Wahlkampf des vergangene Sommers an ihrem Ufer plakatiert: Sprecher "Liebe Hessen, willkommen im Land der gebührenfreien Bildung", Take 1 ... und ich fand das besonders dreist, dieses Plakat, denn das wurde von hessischen Steuerzahlern bezahlt - das, wofür sich die Rheinland-Pfälzer brüsten, denn wir bezahlen erhebliches Geld in den Länderfinanzausgleich wie sie wissen, und Rheinland-Pfalz bekommen sehr viel Geld, Autorin schimpft Christean Wagner, den ein weiteres Plakat auf der rheinland-pfälzischen Rheinseite erzürnte. Sprecher "Liebe Hessen, willkommen im Land der gebührenfreien Kindergärten!" Autorin Da kommen so manche jungen Eltern in Wiesbaden tatsächlich ins Grübeln darüber, ob sie nicht auf der falschen Seite des Rheins leben. Oder noch schlimmer für Schwarz-Gelb in Hessen: junge Väter fragen sich, ob auf der hessischen Rheinseite nicht die falsche Politik gemacht wird. Wie Gregor Mathey, der in Wiesbaden einen Kita-Platz ergatterte, als seine Tochter zwei wurde. Das war im vergangenen Jahr, als Rheinland-Pfalz in einem letzten Schritt den Kita-Besuch auch für Zweijährige von Gebühren befreite. Take 2 Man schaut natürlich schon neidisch rüber, ärgert sich, dass man nicht auf der anderen Seite wohnt, aber gut - man kann da ja einfach nichts machen. Ich glaube schon, dass es ein richtiger Schritt wäre, wenn es kostenfrei wäre, weil es dann auch mehr in Richtung kinderfreundliches Deutschland gehen würde. So ist es ja noch mal ein großer Kostenblock von 300 bis 500 Euro, der für die Familien halt noch mal ein großer Block ist. Deswegen finde ich diese Politik von Rheinland-Pfalz schon sehr vernünftig. Autorin Dass ihre Bürger die benachbarten Rheinland-Pfälzer um die Wohltaten sozialdemokratischer Politik beneiden - unerträglich für Christdemokraten und Liberale in Hessen. Da drängt sich der Verdacht auf: Schwarzgelb ist selbst nur neidisch, nämlich auf den familienfreundlichen Coup, den der Pfälzer SPD-Frontmann Kurt Beck da gelandet hat. Wann also wird Hessen endlich die Gratis-Kita für alle Jahrgänge plakatieren können? CDU-Fraktionschef Wagner: Take 3 Ja, das ist eine Frage der Finanzlage. Im Augenblick machen das die Rheinland-Pfälzer zulasten des hessischen Steuerzahlers, und wir haben klare Prioritäten, dass wir das Staatsdefizit deutlich reduzieren wollen, zurückführen wollen. Die kommenden Generationen haben Anspruch darauf, dass wir eines Tages einen möglichst schuldenfreien Haushalt haben wollen, das ist unser Ziel. Autorin Was die hessischen Christdemokraten aber nicht davon abhielt, gemeinsam mit der SPD in großer Ausgabenkoalition die millionenschwere Landesparty namens Hessentag für die kommenden Jahre fortzuschreiben, mochten sich Grüne und Linke noch so mokieren über die "Mega-Sause". Mit Blick auf die Ausgabenpolitik der Nachbarn ging FDP-Fraktionschef Florian Rentsch so weit, Kurt Beck "parasitäres Verhalten" vorzuwerfen. Das war jedoch sogar dem hessischen Finanzminister Thomas Schäfer von der CDU zu dick aufgetragen. Take 4 Schmarotzertum - so weit würde ich nicht gehen. Es ist einfach eine Frage des Wettbewerbs, und wir glauben einfach, dass die Wettbewerbsbedingungen nicht mehr stimmen. Autorin Oder, so formuliert es Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, CDU: Take 5 Das jetzige System ist einfach falsch. Es bestraft die, die sich besonders anstrengen, weil sie dafür wieder mehr hergeben müssen. Und es belohnt diejenigen nicht, die sich anstrengen, die Nehmerländer sind, weil das was sie zusätzlich erwirtschaften, kriegen sie beim Ausgleich wieder abgezogen, das ist Unsinn. Und der, der gar nichts tut und sagt, ich hab' ein noch größeres Loch, der geht zu den Gebern und sagt, ich brauch jetzt vielleicht mehr. Autorin Die Stärke der Bundesländer, da sind sich Schwarze und Gelbe in Hessen einig, müsse auch nach dem Länderfinanzausgleich noch sichtbar bleiben. Nämlich insofern, so fordert Hessens christdemokratischer Finanzminister, Take 6 ... dass der, der mehr leistet, der mehr einnimmt, am Ende auch zumindest in einem berechtigten Umfang auch mehr hat am Ende als der, der nur nimmt. Hessen ist das Land mit dem pro Kopf höchsten Wirtschaftseinkommen Deutschlands. Die Erwartungslage an ein Land wie Hessen ist natürlich, dass wir die Infrastrukturvoraussetzungen, was Straßenbau, Schienenwege und anderes angeht, schaffen und unterhalten, die notwendig sind, um dieses Wachstum, diese wirtschaftlichen Zahlen zu generieren. Auf der anderen Seite lässt uns das System nicht die Finanzmittel, um das zu realisieren. Das kann nicht zusammenpassen. Autorin 2010 zahlten die drei großen Geberländer fast sieben Milliarden Euro in den Länderfinanzausgleich ein, 2009 nur geringfügig weniger. Anfang dieses Jahres bekräftigten die damals noch ausnahmslos unionsregierten Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen, gegen den Länderfinanzausgleich Verfassungsklage in Karlsruhe einreichen zu wollen, wenn die Nehmerländer keine Bereitschaft zeigten, das Steuertransferpaket in Verhandlungen neu zu schnüren. Denn, so hieß es im Kabinettsbeschluss der drei Geberländer von Anfang des Jahres: Sprecher Der Finanzausgleich ist leistungsfeindlich, ungerecht und erfüllt nicht seine Funktion als Hilfe zur Stärkung der Eigenständigkeit. Autorin Klagen gegen den Länderfinanzausgleich. Jörg Feuerhake befremdet das. Der junge Vater stammt aus Berlin und ist unlängst von Wiesbaden nach Mainz gezogen. Seinem Sohn erspart er den Kita-Wechsel und zahlt als Neu-Rheinland-Pfälzer brav Gebühren für die Kita auf der hessischen Rheinseite. Take 7 Also, es ist ja wohl irgendwo in der Verfassung festgeschrieben, dass wir gleichartige Lebensbedingungen wünschen, und das führt eben zu einem Länderfinanzausgleich. Da darf man sich eben nicht so haben. Wenn das auseinanderdriftet, dann ist das überhaupt gar nicht gut. Autorin Prinzipiell wollen die Geberländer den im Grundgesetz verankerten Transfer zugunsten gleichwertiger Lebensbedingungen überall in Deutschland gar nicht antasten. Ändern wollen sie nur die derzeitige politische Ausgestaltung. Wenn möglich in Verhandlungen. Und, darauf beharrten zuletzt noch die beiden Regierungschefs von der Union Volker Bouffier und Horst Seehofer: falls nötig mit Klage. Take 8 Welche Summen dabei rauskommen, muss man sich anschauen, entscheidend ist: so wie es ist, kann es nicht bleiben. Und wenn es denn aus der Sicht der anderen so bleiben muss, dann bleibt ja nur der Weg zum Gericht, aber so weit sind wir noch nicht. Autorin ... formuliert vorsichtig der hessische Ministerpräsident. Bislang zeigten sich die Nehmer hartleibig. Rheinland-Pfalz und das Saarland drohten sogar Gegenklage an. Sachsen-Anhalts sozialdemokratischer Finanzminister Bullerjahn fordert die reichen Westländer auf, strenger bei der Steuerprüfung vorzugehen, anstatt Unternehmen zu schonen und damit unfaire Standortpolitik zu betreiben. Äußerst verschnupft reagieren die Nehmerländer außerdem darauf, wenn ein Geberland ihnen in die Politik reinredet. Schwarzgelbe Kritik am gebührenfreien Kindergarten verbittet sich der Mainzer Finanzminister Carsten Kühl von der SPD: Dass Hessen nach allen Ausgleichsmechanismen immer noch vor Rheinland-Pfalz rangiere, sei zwar in Ordnung. Take 9 Aber dann muss man auch gelten lassen, dass jede Landesregierung eine politische Entscheidung trifft, wo sie ihr Geld ausgibt, und Rheinland-Pfalz gibt sein Geld aus guten Gründen für die Bildungspolitik aus, weil das Zukunftspolitik ist, und die Hessen müssen entscheiden, wo sie ihre höheren Pro-Kopf-Ausgaben als Rheinland-Pfalz tätigen. Das ist Sache der hessischen Landesregierung. Aber die Ausgabenpolitik des Landes Rheinland-Pfalz hindert die hessische Landesregierung nicht, ihre Schwerpunkte in Bildung und Kinderbetreuung zu legen. Sprecher Aus drei mach zwei - die Klagefront bröckelt. Autorin In Baden-Württemberg löste im Frühjahr Grün-Rot die Landesregierung Mappus ab, der abgewählte Ministerpräsident war Vorkämpfer für die Klage. Anreiz- und leistungsfeindlich findet zwar auch Mappus' grüner Nachfolger den Länderfinanzausgleich. Anstatt jedoch alle zehn Jahre dagegen vor Gericht zu ziehen, so meint Winfried Kretschmann, sollten Geber und Nehmer das Ausgleichssystem in einer neuen Föderalismus-Kommission selbst reformieren. Eine Klage schließt auch Baden-Württemberg nicht aus. Aber: Die Politik dürfe nicht darauf vertrauen, dass Gerichte es schon richteten, sagte der erste grüne Ministerpräsident beim 60jährigen Jubiläum des Bundesverfassungsgerichts. Kretschmann spricht einen wunden Punkt an. Nämlich, dass Karlsruhe im Jahr 1999 den Ländern ihren Finanzausgleich sozusagen als verfassungswidrig um die Ohren haute. "Das Gericht gab dem Gesetzgeber auf, sachgerechte Maßstäbe für die Steuerverteilung bis spätestens 2002 zu beschließen", so schrieb Stefan Homburg Ende 1999 im Handelsblatt. Andernfalls werde das Finanzausgleichsgesetz verfassungswidrig und nichtig, konstatierte der Professor für Öffentliche Finanzen in Hannover. Und lobte das Urteil: Sprecher Der Bund ist erstmals gefordert, etwaige Vergünstigungen folgerichtig zu begründen. Durch die Entkopplung von Maßstäben einerseits und Finanzverteilung andererseits kann der Bund zudem seine Schiedsrichterfunktion wirksam wahrnehmen. Das von Karlsruhe geforderte Verfahren kann man kaum anders als genial bezeichnen: Der Bund, der in der mündlichen Verhandlung noch argumentiert hatte, die bestehenden Sonderregeln seien schon auf Grund ihrer Tradition verfassungsgemäß, wird nun ein wenig tiefer nachdenken müssen, ob Vergünstigungen für Stadtstaaten, Küstenländer, kleine Länder, arme alte Länder, neue Länder und bankrotte Länder tatsächlich einer vernünftigen Prüfung standhalten. Autorin Der heutige hessische Finanzminister Thomas Schäfer leitete damals das Büro des Wiesbadener Justizministers und erinnert sich: Take 10 Das damalige Urteil hat festgestellt, dass die damalige Regelung mit der Verfassung nicht übereinstimmt und hat der Politik aufgegeben, bevor man konkret über Ausgleichsbeträge redet, ein Maßstäbegesetz zu erlassen, was abstrakt festlegt, nach welchen Regeln der Länderfinanzausgleich funktionieren soll. Das ist bis heute nicht gelungen. Autorin Denn anstatt sich zu schämen, dass sie es versäumt hatten festzulegen, nach welchen Regeln Vergünstigungen gewährt werden sollten, missachteten die Länder die Mahnung des Bundesverfassungsgerichts und mauschelten weiter. Zwei Jahre nach dem Urteil von 1999 schnürten Bund und Länder die aktuelle Version des Ausgleichspakets, gültig seit 2005. Mit am Verhandlungstisch beim damaligen Bundesfinanzminister Hans Eichel von der SPD saßen natürlich auch die Geberländer, Hessen seinerzeit repräsentiert von Ministerpräsident Roland Koch von der CDU. Take 11 Und sie haben sich damals feiern lassen für das Verhandlungsergebnis, für den damals neuen Länderfinanzausgleich, und heute beklagen sie sich und wollen vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das ist natürlich schon ein wenig widersprüchlich, Autorin meint Norbert Schmitt, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion in Hessen. Wenn also die unionsgeführten Geberländer damals daran mitgewirkt haben, das ineffiziente System fortzuschreiben, warum wollen sie dann erneut dagegen klagen? Die Geber hätten sich immer einer Übermacht der Nehmer gegenübergesehen, versucht der Wiesbadener Finanzminister Schäfer von der CDU zu erklären. Immerhin habe die Neuregelung von 2001 zur Folge gehabt, Take 12 ... dass das Land Hessen im Verhältnis zur vorherigen Regelung einen dreistelligen Millionenbetrag jedes Jahr erspart hat, das war schon ein Erfolg. Jetzt haben wir aber langjährige Erfahrung - das sind mehr als zehn Jahre nach der Entscheidung - dass die gefundenen Maßstäbe, die aus unserer Sicht nicht vernünftig angewandt worden sind, jedenfalls zu einer sehr viel intensiveren Ausgleichswirkung führen, als es das Bundesverfassungsgericht damals sicher im Blick hatte, deshalb haben wir große Hoffnungen, dass das Bundesverfassungsgericht diesmal in die Details einsteigt und sich die Einzelregelungen anschaut. Autorin Die Liberalen im Wiesbadener Landtag verstehen sich als Urheber der Idee, erneut nach Karlsruhe zu ziehen, und als Antreiber. Vom Bundesverfassungsgericht erwartet Fraktionschef Florian Rentsch, Take 13 dass es klare Aussagen dazu trifft, was neu gestaltet werden muss und möglicherweise dieses auch mit klaren Vorgaben zeitlicher Art versieht. Diese Entscheidung wird das Verfassungsgericht treffen müssen. Die letzte Entscheidung war zurückhaltender, und da die von der Politik nicht richtig befolgt wurde, muss diese Entscheidung deutlich konkreter sein, aber das wissen, glaube ich, auch die Richter in Karlsruhe, dass das so ist. Autorin Was den potentiellen Klägern die Zuversicht gibt, dass Bund und Länder ein erneutes Urteil des Bundesverfassungsgerichts in die politische Realität umsetzen würden, bleibt offen - bislang jedenfalls haben sich alle Akteure viel Mühe gegeben, das Urteil von 1999 zu ignorieren. Sprecher Klagen sie nun, oder klagen sie nicht? Autorin Zoff herrscht nicht nur zwischen Gebern und Nehmern. Zoff gibt's im Geberland Hessen auch zwischen Finanzministerium und Kommunen. In dem erbitterten Streit verlangen Städte und Gemeinden, dass das Land ihnen die 350 Millionen Euro zurückgibt, die es ihnen in diesem Jahr weggenommen hat. Und auch das hat mit dem Länderfinanzausgleich zu tun. In den müssen die Hessen nämlich so viel einzahlen, weil die Kommunen im Land besonders hohe Steuereinnahmen haben. Die schwarz-gelbe Landesregierung missbrauche den Länderfinanzausgleich als Vorwand, um Städte und Gemeinden zu schröpfen, schimpft Kassels Kämmerer Jürgen Barthel. Der SPD-Politiker sitzt dem Finanzausschuss des Hessischen Städtetags vor. Take 14 Das Land sagt, die kommunale Steuerkraft wird im Länderfinanzausgleich berücksichtigt, und sagt, das ist nicht gerecht, und nimmt uns als Kompensation 350 Millionen weg, und da sagen wir wiederum, das ist ebenfalls nicht gerecht, das Land soll sich mit den anderen Ländern auseinandersetzen, aber nicht bei uns kürzen. Autorin Denn die Kommunen ächzten unter immer mehr Aufgaben, die das Land ihnen aufbürde, ohne dafür zu zahlen. Greift also das reiche Hessen in Raubrittermanier bei den eigenen klammen Kommunen ab, was es bei den sturen Nehmerländern nicht bekommen kann? Finanzminister Schäfer von der CDU hält dagegen. Take 15 Die hessischen Kommunen waren im Jahr 2010 die mit weitem Abstand steuerstärksten in ganz Deutschland. Sie haben pro Einwohner 1063 Euro eingenommen, die Bayern, die auch steuerstark sind, 970 Euro, fast 10 Prozent weniger. Und weil die hessischen Kommunen im Verhältnis zum Bund so steuerstark sind, müssen wir aus dem Landeshaushalt, aus Landesmitteln an andere Bundesländer Geld überweisen, und da können Sie sich vorstellen, dass wir das nicht besonders gerecht finden, Geld, was bei den Kassen der Kommunen bleibt, an andere Länder zu bezahlen, und deshalb mussten wir die Einnahmesituation an der Stelle ein Stück korrigieren, Autorin ... nämlich nach unten, aber immerhin nicht so weit nach unten, wie die vom Land beauftragten Gutachter empfohlen hatten, versucht der Finanzminister zu beschwichtigen. Vergeblich, denn gleichzeitig hat er den Kommunen angekündigt, sie im kommenden Jahr um noch mehr Geld erleichtern zu wollen. Da gehen selbst CDU-Landräte gegen die eigene Regierung auf die Barrikaden, wie Robert Fischbach im Kreis Marburg-Biedenkopf. In einem aber geben die kommunalen Spitzenverbände der schwarzgelben Landesregierung Rückendeckung: sie soll endlich nach Karlsruhe gehen. Wenn Sie's nur mal täte, fleht Fischbach, Präsident des Hessischen Landkreistages. Take 16 Ich würde das sehr begrüßen, und da würden wir das Land auch 100 Prozentig unterstützen, wenn es vor das Verfassungsgericht zieht, um gegen den Länderfinanzausgleich zu klagen, denn das ist nicht in Ordnung, das ist völlig klar. Autorin Bislang aber sind die Regierungschefs von Hessen und Bayern noch nicht in offizielle Gespräche mit den Chefs der Nehmerländer eingetreten, Allenfalls angetippt wurde das Thema in geheimer Kaminrunde auf der Lübecker Ministerpräsidentenkonferenz Ende Oktober. Still ist es um den Länderfinanzausgleich geworden, seit Mappus' Wahlkampf-Reden verklungen sind. Wollen sie nun oder wollen sie nicht - verhandeln oder klagen oder beides? Sie zögern, weil sie ahnen, dass eine Klage ein gehöriges Risiko birgt, mutmaßt Norbert Schmidt, Finanzexperte der Wiesbadener SPD-Fraktion: Take 17 Wir haben den Finanzminister darauf hingewiesen, dass im eigenen Gutachten, das erstellt worden ist für das Land Baden-Württemberg und Bayern, aber auch für Hessen, die Frage der Einnahmen der Kommunen angesprochen wurde, und wenn die Einnahmen der Kommunen im Länderfinanzausgleich zu 100 Prozent angerechnet würden, ist sogar nachgewiesen, dass sich die Zahlungen des Landes Hessen nicht verringern, sondern deutlich erhöhen würden, deshalb könnte die Klage auch zu einem Eigentor werden. Autorin Ein Risiko gebe es, gesteht Florian Rentsch ein, aber die Chance, dass der Weg nach Karlsruhe zu einem fairen Ausgleichssystem mit Leistungsanreiz führe, sei größer. Mögen Bouffier und Seehofer den Länderfinanzausgleich vorerst ein wenig aus den Augen verloren haben - der jungdynamische Wiesbadener FDP-Fraktionschef will nicht locker lassen. Der Gang nach Karlsruhe zum Jahresende ist vom Tisch, aber klar sei, Take 18 ... dass 2012 das Jahr der Klage werden wird, denn ich sehen nicht, wie es möglich sein soll, eine Einigung herbeizuführen. Autorin 2019 läuft das Transfersystem ohnehin aus. Die Nehmer sehen keinen Vorteil darin, vor dieser Frist in den Clinch mit den Gebern zu gehen. Ende des Jahres feiert Deutschland Silvester, das steht fest. Darauf, dass im Neuen Jahr tatsächlich geklagt wird, sollte man besser kein Glas Sekt verwetten. Dass der Länderfinanzausgleich immer mal wieder zum Topthema avanciert, wenn es der Selbstdarstellung eines Geberlandes dient - darauf aber kann man ruhig eine ganze Flasche Schampus setzen. -ENDE BEITRAG- MOD Für Hessen immer wieder ein Top-Thema. Der Streit um den Länderfinanzausgleich. Anke Petermann nahm sich des leidigen Themas an. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung-