Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Wo das Holzrecht noch gilt - Das unterfränkische Iphofen und die Protokolle von 1748 - Autor Bettina Weiz Red. Claus-Stephan Rehfeld Sdg. 07.11.2012 - 13.07 Uhr Länge 19'15" MUSIK : Titel: "Sara che cessi" Komponist: Alessandro Striggio Interpreten: Capella de la Torre Album: Ministriles, Piffari, Stadtpfeiffer - Instrumentalmusik des 16. und 17. Jahrhunderts BR-Abrufmusik Nr. M 0016523Z00 BRKL Musik 1 Aufnahmedatum: 17.02.2011 daraus verwendet : 2'30", davon 10" freistehend Moderation Sich die Wärme für die gute Stube aus dem nächsten Wald holen - im Mittelalter war das landauf, landab üblich. Aber die meisten Deutschen haben das Recht darauf längst verloren. Sie müssen sich die Heizenergie von Öl- oder Holz-Händlern oder vom Gas-, Strom- oder Fernwärmeversorger kaufen, natürlich gegen bares Geld. Den Wald nutzen sie allenfalls als Kulisse fürs Spazierengehen oder Mountainbiken. Nicht so in Iphofen. In jenem Städtchen, dessen Altstadt rundum von einer wehrhaften Doppelmauer umgeben ist, haben sich die Bürger die alten Rechte auf Holznutzung erhalten, außerdem die dazugehörige Art, den Wald zu bewirtschaften und mit ihm zu leben. Iphofen liegt in Unterfranken am Schwanberg, dem ersten Ausläufer des Steigerwaldes am Rand der weiten Main-Ebene. Bettina Weiz war dort. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag BW: Montags bis freitags sitzt Walter Kreußer aus dem unterfränkischen Iphofen in Anzug und Krawatte an seinem Arbeitsplatz in einer Bank. Am Wochenende schlüpft er in Waldarbeiter-Kluft. Atmo Holzspalten Kreußer: gurgelnd Melber: Jetzt hast'n. Kreußer: da springen sie wenigstens, wenn sie gefroren san. Hämmern auf Metall Holz springt, er keucht BW: Mit der Axt schlägt Kreußer eine Bresche in den Stamm auf dem Waldboden. Ein Keil. Gezielte Hammerschläge. Dann birst das Holz. machen wir noch einen! Melber: Vorsicht, wenn der überschlägt, wird's gefährlich schmeiß den mal rüber Kreußer muss mal den Kittel ausziehen, wird zu warm. Geht der Dampf raus 1. Zuspielung: Walter Kreußer keuchend: Spalten hab ich gelernt von meinem Vater. BW: Nun hat er seinen Sohn mitgebracht. 2. Zuspielung: Walter Kreußer Dass er's lernt, dass er mal an der frischen Luft ist, dass er net nur vor dem Computer sitzt, und im Winter haben wir es dann auch schön warm. BW: Der Vierzehnjährige ist kein Mann der großen Worte. Auf die Frage, ob er auch schon Holz spalten kann, antwortet er... 3. Zuspielung: Maximilian Jaaa. BW: ...nimmt die Axt und schlägt zu. Schon der erste Hieb sitzt. Atmo: Maximilian spaltet Vater Kreußer: Genau, haste schon richtig reingehackt, und jetzt hau mal drauf hack, hack, hack Jetzt noch nen Keil, dann klappt das einwandfrei. Hack, hack, hack, kling! Und nochmal hack, hack Vater: Fehlt noch n bisschen Kraft und Technik. Aber das Ergebnis lässt sich sehen, oder?! Gell? Einwandfrei. BW: Sie holen sich das Holz zum Heizen. Dabei gehört ihnen der Wald gar nicht. Es ist Stadtwald. Ster um Ster bringen sie heim, und zahlen dafür - außer einer Verwaltungsgebühr - nichts. Sie sind Rechtler, haben das Bürgerrecht, den Wald zu nutzen. In ganz Deutschland war das im Mittelalter so. Für den Heizbedarf schlug man besonders den Niederwald ein, also die jungen Bäume. August Melber, auch ein Rechtler, klopft lässig gegen so einen kleinen Feldahorn. 4. Zuspielung: August Melber Fällen kann man es selber, weil die sind ja net stark, die Stangen, die kann jeder mit am normalen Sägla, mit dem kleinsten Sägla kann man die umhau. BW: Als junger Mann hat er viele Dollar damit verdient, dass er für die Soldaten der US-Armee in der Kreisstadt beim Boxen als Sparrings-Partner herhielt, erzählt August Melber. Fünf Jahrzehnte lang hat er in seiner Freizeit Holz gemacht, und mit über 70 wirkt er immer noch stärker als der Baum neben ihm. 5. Zuspielung: Walter Kreußer Das Geld fürs Fitness-Studio lässt sich dann für andere Dinge verwenden. Das können wir uns sparen. Melber: Wenn man im Wald richtig schafft, dann braucht man keine Sauna. BW: Die kleinen, dünnen Bäume zu fällen war besonders vorteilhaft in Zeiten, bevor es Motorsägen gab und Bäume noch schweißtreibend mit Axt und Handsäge gefällt wurden. Außerdem profitiert die Niederwald-Wirtschaft von einer besonderen Eigenart von Laubbäumen, und so ist es kein Wunder, dass der Iphöfer Stadtwald vor allem aus Buchen und Eichen besteht: anders als bei Nadelbäumen lebt deren Wurzel weiter, auch wenn man den Stamm darüber kappt. Der Stock schlägt immer wieder aus, entwickelt neues Holz - und zwar dank der Kraft der Wurzel viel schneller als Bäumchen, die langwierig aus Samen heranwachsen. Schon nach 30 Jahren lohnt es sich, denselben Wurzelstock wieder abzuernten. Atmo Holzspalten hoch. Darauf weiter BW: Um die Übersicht zu behalten, ist der Stadtwald von Iphofen in Bereiche unterteilt. Wenn einer abgeerntet ist, kommt er erst drei Jahrzehnte später wieder an die Reihe. So kann das Holz darauf nachwachsen - und Walter Kreußer, August Melber, Hans Muth und die anderen Iphöfer Holzrechtler lernen im Lauf der Jahre den gesamen Stadtwald kennen wie ihre Anoraktasche. Geiernester, Schellenberg, Poppengrund, Sattlerrangen, Rossberg, Winterrangen... 6. Zuspielung: Hans Muth Vom Holzmachen. Also dass man die Namen weiß und so weiter, das ist vom Holzmachen. August Melber: Wenn ich's noch erleb, wenn wir da rüberkommen, bin ich das 3. Mal da. Stark: Ich bin das 2. Mal dann da. Melber: 1947 war ich das erste mal, 48. Als Bübla, kann ich mich noch entsinnen, da war ich mit dem Onkel da, da haben wir Holz gefahren, mit dem Pferd, Renaissance-Musik ("Sara che cessi von Alessandro Striggio, BR-Abrufmusik M 0016523Z00, Spielzeit: 2´12) Darauf BW: Spätestens mit Beginn der Neuzeit versucht die Obrigkeit landauf, landab, der Baumfällerei ihrer Untertanen Grenzen zu setzen. Die Grundherren wollen das Holz selbst haben, und sie wollen, dass die Bäume groß werden, wollen Hochwald. Die langen, kräftigen Stämme füllen ihnen die Kassen besonders gut. Sie werden auf Flüssen wie dem Main zum Rhein und dann hinab bis nach Amsterdam geflößt. Das erlebt gerade sein goldenes Zeitalter. Schiffe für die Fahrt in immer neue Welten werden gebaut; Amsterdam selbst ruht auf Abertausenden von Eichenpfosten. In Forstwirtschaftsplänen in Iphofen und anderswo taucht das Wort "Holländerholz" für besonders dicke, rentable Eichen auf. Zusätzlich ist der Holzbedarf der Bergwerke immens. Musik kurz hoch. Darauf BW: Auch nach Iphofen kommt eines Tages um 1583 der Bischof von Würzburg geritten. Ihm gehört die Stadt und deren Wald. Er sieht sich darin um, und... Sprecher: Aus aigenem personlichem eingenummenen Augenschein BW: ...ist er gar nicht zufrieden damit. Viel zu wenig Holz! Also greift er durch, mit einer Forstordnung und dazugehörigen Durchführungsbestimmungen, die der Stadtrat beschließt. Sprecher: Damitt der Wald alß das fürnembste Kleinod und Schatz dieser Stadt Iphoven gehalten werdt, auff daß wir unsern Nachfahrn nichts wenigers, alß unsere Vorfahrn unß gelassen undt ein merers wo müglich befinden möchten. BW: Nicht mehr entnehmen als nachwächst - dieses Prinzip wird später als "Nachhaltigkeit" gefeiert werden. Entstanden ist es als Parole der Obrigkeit im Konflikt mit den Bürgern um gutes Holz. Sprecher: Damitt keiner der Unwissenheit sich zu entschuldigen habe... BW: ...also damit keiner so tun könne, als habe er von nichts gewusst, nennt die Iphöfer Waldordnung von 1583 die wichtigsten Regeln. Innerhalb des Bereiches, der in einem Jahr zur Holzernte ansteht, darf nicht jeder Bürger irgendwo loshacken, sondern nur in seinem Streifen davon. "Laube" heißt der offiziell in Iphofen, in alten Dokumenten und im Dialekt auch "Laib" und "Leeben". Musik weg. Atmo Waldbegehung. Darauf BW: Jeden Herbst wandern Vertreter der Stadt durch den Wald und markieren die Lauben. Sie beginnen mit dem Untergang. So heißt in dem reichhaltigen Iphöfer Wald-Wortschatz eine Grenzlinie. Manchmal ist der Untergang zugleich ein Holzweg. Von ihm teilen die Forstleute im rechten Winkel die einzelnen Lauben ab. Vertreter der Bürger wie Siegfried Popp schauen ihnen dabei genau auf die Finger, beziehungsweise auf die Gerten. So nennen sie die Dachlatten, mit denen sie die Lauben abmessen. Sie haben das alte Maß zwölf Nürnberger Schuh. 7. Zuspielung: Siegfried Popp Dann werden immer die 3 Längen weitergeschlagen dann, und dann oben - unten, und dann jeweils werden dann die Lauben gekennzeichnet mit Nummern. BW: Eine Laube misst 880 Quadratmeter. Aber in Iphofen spricht man noch von Quadratruten. Eine Laube ist also 66 Quadratruten groß. 8. Zuspielung: Siegfried Popp Wir machen es auf uralte Weise noch. Unter folgendem Text Kreuzblende Atmo Waldbegehung mit Atmo: Kinder spielen im Wald. Kurz hoch. Darauf BW: Am Ende ist der herbstliche Wald voller orangener Punkte und Ringe, roter Kreuze und Querstriche sowie hell-lila Tupfen. Die Kinder üben sich damit im Spurenlesen, überhaupt entdecken sie den Wald für sich. Gerade beugen sich zwei über den dicken Stock eines Baumes. 9. Zuspielung: Tilman Stark Die Jahreskreise zählen. ? und wie alt ist er? weiß ich noch nicht. BW: Ein stattliches, kerngesundes Exemplar, das der Vater soeben abgesägt hat. Nicht gerade, sondern schräg. Nur dann schlägt der Wurzelstock wieder gut aus. Der Vater macht das nicht aus Eigennutz, sondern weil es sich so gehört und aus Gemeinsinn. Denn obwohl er persönlich gesägt hat, werden er oder seine Kinder nie die Triebe ernten können. Niemand kann davon ausgehen, dass er in 30 Jahren dasselbe Waldstück, dieselbe Laube nocheinmal bekommt. Atmo kurz hoch. Darauf BW: Beim Iphöfer Brennholzmachen haben sich Bräuche über Jahrhunderte angesammelt - und verfeinert und verästelt. Es geht um die Verteilung des wichtigen Gutes Heizenergie, und das ohne Markt und Preis. Gerechtigkeit wird mit anderen Methoden angezielt. Atmo Kinder kurz hoch. Darauf BW: Natürlich bietet jede Laube unterschiedlich viel Holz. Pech für den, der eine schlechte abbekommt. Deswegen verlosen sie die Lauben. Wirtschaftswissenschaftler würden das Verfahren "Randomisieren" nennen. Die Iphöfer nennen es "Laubenziehung" und praktizieren es seit dem 18. Jahrhundert. Atmo: Laubenziehung. Darauf BW: Die Laubenziehung findet jedes Jahr um Martini herum statt, also Mitte November. An einem Tisch in der Verkündhalle des barocken Rathauses sitzen der Bürgermeister, ein Schreiber und der Stadtförster. Die Bürger stehen im Halbkreis um sie herum. Der Förster hat ein Buch vor sich, groß wie ein Weltatlas. Daraus verliest er die Namen der Rechtler. Wer aufgerufen ist, tritt vor und zieht vor den Augen aller das Los. Fell: Schmidt Ernst?! Mann: Net anwesend. Frau: Der hört nichts. Fell: Der hört nichts? Wo isser denn? Mend: Also Schmidt Ernst 44 - 171, 4 Euro Bürgerholz. Darauf BW: Zwanzig Euro Verwaltungsgebühr plus eventuell ein paar Euro für dickere Bäume - falls solche in der Laube stehen, falls sie gefällt werden dürfen und falls der Loszieher sie haben will: das ist alles. Mehr Geld müssen die Rechtler der Stadt fürs Brennholz nicht zahlen. Atmo wieder hoch Fell: Wirt Marion! Mend: Wirt Marion, Nummer 71 - 173 und 4 Euro Bürgerholz. Fell: Franz Alfons Mend: Franz Alfons die Nummer 5 - die Nummer 103 und 2 Euro Bürgerholz. Darauf BW: Zwar darf der Pfarrer jedesmal das erste Los ziehen. Dann aber wird der Gerechtigkeit halber die Reihenfolge jedes Jahr gewechselt, ein Stadtviertel nach dem anderen. Atmo wieder hoch. im Hintergrund: Vollmacht für die Laubenziehung... Mend: Heide Anneliese, 94 und 156. Fell: Schubert Hedwig Mend: Schubert Hedwig BW: Um das Risiko noch weiter zu verteilen und die Gerechtigkeit zu erhöhen, umfasst jedes Los nicht eine ganze Laube, sondern zwei halbe. Die sind, wie die Bürgervertreter vorher bei der Waldbegehung und Parzellierung sorgfältig notiert haben, verschieden stark bewachsen. 10. Zuspielung: Walter Kreußer Ich hab zwei, die eine ist relativ gut, bei der anderen bisschen wenig, aber ok, so ist es. BW: Mit zwei halben Lauben bekommen vielleicht manche ein bisschen weniger Holz als möglich. Dafür geht aber keiner ganz leer aus. Musik: "Sara che cessi" s. o., Spielzeit: ca. 1/2 Minute BW: Die bunten Punkte, Striche und Kreuze an den herbstlichen Iphöfer Waldbäumen zeigen aber nicht nur räumliche Grenzen - also die Lauben - an. Sie geben auch Hinweise auf eine Wirtschaftsform, die die erste Forstordnung von Iphofen festschreibt, gewissermaßen als Kompromiss im Konflikt von hohen Herren und niederem Volk, von Hoch- und Niederwald: den Mittelwald. Danach müssen die Rechtler pro Laube eine genau vorgeschriebene Zahl von Bäumen, die "Hegreiser", stehen und groß werden lassen; im Dokument von 1583 heißt es: Sprecher: Soll ein jeder Bürger so viel Hegreiser in seiner Laib alß viel Gerdten einer hatt, die lengsten und besten desselbigen Holtzgewechs neben den aldten Hegreisern stehen lassen. BW: Spätere Rechtsbeschriebe führen das im Detail aus: Vier junge Bäume müssen die Iphöfer Holzrechtler pro Laube stehen lassen, außerdem alle, die in Brusthöhe gemessen einen Durchmesser von14 Zentimeter und mehr haben. Musik weg. Atmo Waldbegehung. Darauf BW: Auch heute verteidigt der Stadtförster das grundherrschaftliche Interesse gegenüber den Bürgern - und steht mitunter im Wald und feilscht bis auf den Zentimeter. 11. Zuspielung: Rainer Fell Also Sie haben das Recht, Stangenholz bis 14 cm Brusthöhe, alles, was stärker ist, ist Eigentum der Stadt, Melber: Aber noch vor 30 Jahren war 21 cm Brusthöhe! Das ist alles geändert worden. Fell: Herr Melber, erzählen'S kei' so Zeug, der Rechtsbeschrieb ist von 1748, da sind 14 cm BHD drin. Melber: Da ist so gesagt gewesen, bis 21 cm anderer Mann: 20 cm hat es schon immer geheißen. Kleines Getümmel Melber: Stimmt net. BW: Die Bürger sind auf der Hut - die Erfahrung aus Jahrhunderten hat ihnen gezeigt, dass die Obrigkeit ihre Rechte ständig nehmen oder einschränken wollte. Eine Regel von 1738 gewährt nur noch Anwohnern mit Bürgerrecht eine Brennholz-Laube. Neubürger müssen warten, bis alte Bürger und deren Witwen sterben, die Lauben sozusagen frei werden. Seit 1748 müssen sie zudem noch ein eigenes Haus haben. Im ganzen Land löst die Herrschaft ab dem 18. Jahrhundert Waldrechte ab - gegen Geld oder gegen winzige Eigentumsflächen, wenig rentabel. Sie verbannt die Kühe und Schweine, die ihre Untertanen bis dahin zur Weide in den Wald getrieben haben. Aus lichtem Nieder- und Mittelwald soll dichter, hoher Forst werden, mit kerngesunden, strammen, hohen Bäumen in Reih und Glied, genau das, was die geistige Strömung der Zeit, die Romantik, als "deutsch" ideologisch überhöht. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts gilt diese Hochwald-Doktrin, erklärt Rainer Fell, der Stadtförster von Iphofen. 12. Zuspielung: Rainer Fell Ich hab noch im Studium gelernt: Niederwald, Mittelwald: ertragsschwach - ablösen - fertig. Richtung Hochwald entwickeln, nicht mehr weitermachen, sondern beenden und Richtung Hochwald. Also Hochwald ist für Produktion in erster Linie gewerbliche Sortimente, und dann fallen noch vorwiegend Brennholz an, das kann man raustun oder kann es im Wald liegenlassen, verrotten. Das war die Forstverwaltung, die dazu geraten hat, um eben die Forstwirtschaft wirtschaftlicher zu gestalten. BW: Heute gilt das Iphöfer Holzrecht nur für Eigentümer eines Hauses innerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern. Sie müssen es selbst bewohnen und eine Feuerstelle unterhalten. Wenn einer mehrere Häuser besitzt, kann er trotzdem nur ein Holzrecht haben. Neue Holzrechte können nicht mehr begründet werden, spätestens die Bayerische Gemeindeordnung unterbindet das. Seit 1964 bezahlt die Stadt Iphofen jedem Bürger 500 Euro, wenn er sein Holzrecht aufgibt. Möglich ist das alles, seitdem die fossilen Brennstoffe zur Verfügung stehen. 13. Zuspielung: Hans Muth Wo das mit dem Öl angange ist, da ist es so gewesen. Ja, da war es bequemer, das Gas, und wo das Öl noch nen Pfennig gekostet hat, lachend da ham alle auf Öl umgestellt, ne. Ist klar. BW: Hans Muth schüttelt den Kopf, wenn er an die rund 150 Iphöfer denkt, die in den letzten drei Jahrzehnten ihr Recht auf Brennholznutzung aus dem Stadtwald aufgegeben haben. Denn sie bekommen es nie wieder - auch wenn dann das Öl teuer und die Holzheizung wieder modern wird und die Energiewende ansteht. Er ist einer der 106 eingefleischten Rechtler, die gar nicht daran denken aufzugeben, auch nicht für 500 Euro. 14. Zuspielung: Hans Muth Es geht um das Recht, es geht nicht um das Geld. Wir halten zusammen, dass das Recht net weggeht. Siegfried Popp: Sowas mach ich net, ein altes Recht verkauf ich net! Das behalt ich! BW: Dabei macht das Recht auch Arbeit: Wer bei der Laubenziehung mitmacht, darf seine zwei halben Lauben nicht nur nutzen, er muss es auch. Wenn er die Fläche nicht "sauber" macht, wie es auf dem Loszettel steht, muss er die städtischen Waldarbeiter zahlen, die es für ihn machen, und das selbst, wenn auf der Laube nur unrentable Dornen wuchern. 15. Zuspielung: Hans Muth Der Schweiß, wo da dranhängt, lächelnd, ist schon harte Arbeit. Ist schon harte Arbeit. Atmo: Hacken und Motorsägen. Darauf BW: Von Martini an hallt der Wald von Iphofen von Motorsägen wider. 16. Zuspielung: Hans Muth Mach ich gern, ja. Das ist einfach - vom Wald her, wenn im Winter dann Schnee ist, und wenn man dann rauffährt, und die Straßen aufpassen muss, also da gehört vieles dazu. BW: Auch Gefahr. 17. Zuspielung: Hans Muth Man fällt schon mal hin, jah. Anderer Mann: Nase, Nase - Nasenbein gebrochen. BW: Die Zeit drängt. Bis zum ersten März des Folgejahres muss das Unterholz eingeschlagen sein, bis zum ersten Oktober alles Brennholz aus dem Wald abtransportiert. Außerdem beginnt im Frühjahr wieder die Arbeit im Weinberg. Ein paar Spaliere Reben haben viele Iphöfer traditionell nämlich auch - das alles zusätzlich zu Familie und Beruf. Siegfried Popp etwa war Polizist. 18. Zuspielung: Siegfried Popp Wald, Weinberg, Haus - ich frag mich heut noch zB, wie ich das geschafft hab, vor 15, 20 Jahr, wie ich das Haus gebaut hab, das alles unter einen Hut zu bringen. BW: Aber Stress hin, Stress her: Siegfried Popp hat nie erwogen, sich kein Brennholz mehr aus dem Wald zu holen. Jetzt ist er pensioniert - und heilfroh über den Iphöfer Biorhythmus mit Wein und Wald. 19. Zuspielung: Siegfried Popp Wenn ich nach Kitzingen kommen bin. War mein Dienstort, und hab dann gesehen, wie die pensionierten Kollegen dann von einem Fenster zum anderen Fenster gelaufen sind und ham sich da umgeguckt, denk ich "Ihr seid doch arme Hund!" Wenn ich zB dazu verurteilt bin, meine Freizeit damit zu verbringen, von Schaufenster zu Schaufenster - weil ich nichts anderes hab oder keine anderen Interessen hab! Ne, da hab ich mich wirklich glücklich gefühlt, dass ich mich bewegen kann, die Arbeit, die ich da mach, ist doch sinnvoller. Und gesund dazu. Darunter: Atmo Wald weg. Atmo: Holzplatz. Kurz hoch, darauf BW: Um das Holz aus dem Stadtwald zu trocknen, bis es verbrannt werden kann, gibt es einen städtischen Lagerplatz. Holzstapel reiht sich dort an Holzstapel. Die meisten sind proper. In manchen sind die Stämme aber schon alt und verpilzt. Schade um die viele Arbeit, schade um das Holz, meint Siegfried Popp. Aber es geht nicht, dass jemand den überschüssigen Brennstoff verkauft oder sein Holzrecht ein paar Jahre lang aussetzt. 20. Zuspielung: Siegfried Popp Da steht das wieder zB im Holzbeschrieb dagegen wieder. Heißt ja "jährliche Nutzung". Die könnten das verkaufen. Aber rein vom Beschrieb her dürften sie das net machen. Selbst nutzen heißt das. BW: Die Menschen werden immer mobiler, die Motorsägen immer schlagkräftiger, der Holztransport immer einfacher, die Öfen heizen immer besser mit weniger Brennstoff, andererseits erleben Kaminöfen eine neue Blüte - alles ändert sich. Nur die Rechte bleiben gleich. In früheren Jahrhunderten wurden sie immer wieder neu gefasst, sich wandelnden Wirklichkeiten angepasst. Das schränkte sie aber immer weiter ein. Kein Wunder, dass die Iphöfer Rechtler von heute äußerst vorsichtig gegenüber jeglichen Neuerungen sind. 21. Zuspielung: August Melber Dann geht es wieder den Bach runner. Sobald wie da irgendetwas verändert wird, ist das gefährlich. Dass das Recht verloren geht. Das muss auf dem alten Ding bestehen, so wie das festgesetzt ist, da danach richtet sich das. BW: Man denkt in langen Zeiträumen... 22. Zuspielung: Walter Kreußer Ich hab erst angefangen, ich bin erst 15 Jahre dabei. BW: ...so wie es in der Forstwirtschaft generell üblich ist. Aber auch da ändert sich gelegentlich etwas. Zum Beispiel nach der Debatte ums Waldsterben. Das betraf besonders jene Forste, die im 19. Jahrhundert eingerichtet worden waren, also zur Zeit der Hochwald-Doktrin. Hinterher ist neben dem Reinertrag auch die Stabilität und die Vielfalt in das Blickfeld der Förster geraten. 23. Zuspielung: Rainer Fell Erst mit dem Naturschutzgedanken, in den 80er Jahren, kam auf: also wir haben noch Relikte an historischer Waldnutzung. Und die sollten eigentlich erhalten bleiben. Also man hat dann in Bayern auch, speziell 1986 diese sagen wir mal Verfahrensweise geändert und hat gesagt "auch ordnungsgemäße Nieder- und Mittelwaldwirtschaft ist ordnungsgemäße Forstwirtschaft im Sinne des Gesetzes". Was es vorher nicht war. Und dann hat man gesagt: Dort, wo diese Relikte noch vorhanden sind und ordnungsgemäß weitergeführt werden, gelten sie jetzt als ordnungsgemäße Forstwirtschaft und sollen wenn möglich aus Artenschutzgründen, als Traditionspflege, und, und, und weitergepflegt werden. BW: Der Förster Rainer Fell blickt sich um, vom dichten Unterholz bis zu den breiten Kronen der Mittelwald-Bäume. Irgendwo nisten bestimmt die seltenen Mittelspechte, sind Hirschkäfer unterwegs. Und Rechtler, die Holz machen. 24. Zuspielung: Rainer Fell Also wir begreifen unseren Mittelwald ähnlich wie unsere Stadtmauer mittlerweile als n flächiges Denkmal, ja, das wir erhalten. -ENDE Beitrag- MOD Wo das Holzrecht noch gilt. Das unterfränkische Iphofen und die Protokolle von 1748. Bettina Weiz nahm statt Axt und Säge das Mikrofon mit. Morgen dann im Länderreport ab 13.07 Uhr : "eine große persönliche Freiheit". Friedrich Schiller in Berlin. Ein Streiflicht zur Berlin- & Preußengeschichte. -ENDE Ablaufplan-