COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel am 28.09.2008 Diagnose positiv - Wie Leistungssportler mit schwierigen Krankheiten umgehen Von Ute Burtke und Margarete Wohlan Manuskript 1. MUSIK 1. O-Ton Claudia Grundmann Also grundsätzlich ist es wirklich ne nervige Krankheit eigentlich. Weil man muss immer Blutzuckermessgerät, die ganzen Spritzen, Insulin, man muss es immer dabei haben, also das ist schon mal ne Sache, die extrem nervig ist. Aber da muss man einfach diese Disziplin an den Tag legen und es wirklich immer dabei haben und es auch benutzen. 1 ATMO: Eisbahn / Eishockey 1. Sprecherin Claudia Grundmann, 32 Jahre alt, Mitglied der Frauen-Eishockey- Nationalmannschaft. Mit 23 Jahren wird bei ihr Diabetes diagnostiziert. 2. ATMO: Schwimmen in der Schwimmhalle 2. O-Ton Jerome Becher Also ich bin Freiwasserschwimmer am liebsten, das heißt man ist meistens im See und meistens Kilometer vom Ufer weg, wenn der Anfall kommt, da kommt auch jedes Boot zu spät. Aber da vertraue ich einfach auf mein Körpergefühl und ich denke, das müssten einfach viel, viel mehr machen. 2. Sprecherin Jerome Becher, 29 Jahre alt. Leistungssportler im Langstreckenschwimmen und Epilepsiepatient. 3. ATMO: Schwimmen in der Schwimmhalle 3. O-Ton Sandra Völker Zu dem Zeitpunkt konnte ich mir das überhaupt nicht vorstellen, ein Leben ohne Schwimmen. Also, es war ja die Spontanreaktion, dass ich gesagt habe, dann muss ich aufhören. Aber im Grunde genommen wollte ich das gar nicht, weil ich halt ein sehr ehrgeiziger Mensch bin und ich hatte ja bestimmte Ziele und ich wollte einfach nicht annehmen, dass das schon alles gewesen ist. 3. Sprecherin Sandra Völker, 34 Jahre alt. Mitten in ihre Karriere als Leistungsschwimmerin platzt die Diagnose Asthma. 4. ATMO: Skiabfahrt 4. O-Ton Christian Graßl Ich habe meinen 18. Geburtstag noch groß gefeiert, da waren hundert Leute bei uns im Haus LACHT und den 19. Geburtstag mehr oder weniger da war es dann schon so weit, dass ich an der Dialyse war. 4. Sprecherin Christian Graßl, 39 Jahre alt. Der Skirennläufer holt mit einer transplantierten Niere mehrfach Goldmedaillen bei den "World Transplant Games". 2. MUSIK 5. Sprecherin Spenderniere und Wintersport? Epilepsie und Schwimmen? Diabetes und Eishockey? Kann das funktionieren? Es gibt keine allgemein gültigen Regeln darüber, ob und wie man trotz schwerwiegender Krankheit Sport - noch dazu Leistungssport - treiben kann. Jeder muss seinen eigenen Weg finden. 5. ATMO: Eishockey 6. Sprecherin So wie Eishockeynationalspielerin Claudia Grundmann. 5 O-Ton Claudia Grundmann Also bei mir war es grundsätzlich so, ich war immer ein bisschen kränklich, war eigentlich Dauerpatient beim Arzt. So Monat einmal ne Erkältung war eigentlich Standard. Und ich hab ja ursprünglich mal mit Leichtathletik begonnen, da war das auch schon immer ein Thema. Und wir hatten ja jährlich immer diese Trainingskontrollen, da wurde man auch durchgecheckt, vom Gesundheitszustand und da haben die nie irgendwas groß festgestellt. Also deshalb hab ich mir da auch nie Gedanken drüber gemacht. Dann hab ich angefangen, Eishockey zu spielen und grade in den Wintermonaten war ich noch extremer krankheitsanfällig. Und dann sind wir 1999 nach Finnland geflogen, war meine erste Weltmeisterschaft, war natürlich total aufgeregt, total happy, und es kam wie's kommen musste: dicke fette Erkältung, diesmal aber soweit, dass ich nicht spielen konnte, kam dann nach Hause, war bei meiner Hausärztin, die hat dann gesagt, jetzt schaun wir mal. Und ich hab super schlecht gesehen. Und dann bin ich halt von einem Augenarzt zum nächsten gerannt, der hat mir dann eine Brille nach der nächsten verschrieben. Und keiner ist aber darauf gekommen, dass es vielleicht irgendeine andere Ursache haben könnte. Ja, irgendwann war's dann so, dass ich daheim vorm Fernseher saß und es gab nen Bericht im Berliner Fernsehen, dass auf dem Flughafen Tempelhof blinde Leute Auto fahren durften. Es war ein total lustiger Bericht, da war ne junge Frau dabei, die hatte unheimlich viele Spaß. Und blinde Leute können ja normal nicht Auto fahren und die ist da abgegangen und es war echt so Michaela Schuhmacher so ungefähr. Und dann wurde nachgefragt, wieso denn eigentlich ja und dann hat sie erzählt, sie ist noch nicht ihr Leben lang blind, sondern es ist dadurch entstanden, dass bei ihr Diabetes zu spät diagnostiziert wurde. Das ist auf die Augen gegangen und dann ist sie erblindet. Und das war bei mir so: klick. Das war so völlig naheliegend, weil meine Großmutter war Diabetikerin. Es liegt also auch in der Familie. Dann bin ich zu meiner Hausärztin gegangen und hab gesagt: lass mal auf Diabetes, lass mal den Zucker checken. Die dann auch so oh Gott. Das war bei ihr das Gleiche: na klar. Dann bin ich ins Krankenhaus eingeliefert worden und dann habe ich die Diagnose Diabetes bekommen. Und dann kam halt die Ärztin und meinte, ihren Leistungssport können Sie aber vergessen. Und das war es dann, wo ich dachte, jetzt stimmt was nicht. Das war eher die Hiobsbotschaft für mich, nicht die Krankheitsdiagnose, sondern kein Leistungssport mehr. 6. ATMO: Schwimmen in der Schwimmhalle 7. Sprecherin Freiwasserschwimmer Jerome Becher war noch ein Kind, als er seinen ersten epileptischen Anfall bekam. 6. O-Ton Jerome Becher Mein erstes Mal, wenn man das so nennen soll, war '89. Ich war zehn Jahre alt und hatte auf dem Weg zum Training meinen ersten großen Anfall, wo ich dann komplett weg war. Vorher gegangen waren aber zwei Anfälle, die ich nicht als Anfälle als Kind nicht als Anfälle erkannt habe, und das war in der Schule, wo mein Arm einfach nur zuckte - was witzig war in dem Moment, weil ich habe allen gesagt, ich mach's nicht, aber schaut mal, und der erste Anfall, wo ich wirklich gemerkt habe, dass es nix Gutes ist, war dann abends am selben Tag, wo ich dann auch bewusstlos war und für 3 Tage dann erstmal komatös im Krankenhaus lag. Als erstes wurde gesagt, ich sollte mit dem Sport aufhören, ich durfte nur noch Schulsport, und wenn auch nur schauen, ob das nicht gefährlicher Sport wär, Barren zum Beispiel durfte ich nicht, aber meine Eltern haben früh angefangen zu merken, dass der Rat vom Arzt nicht sehr clever war, weil ich als Kind nicht mehr aufnahmefähig war. Also ich bin sehr schneller Mensch, auch schon als Kind sehr hibbelig gewesen, ich musste meine Energie irgendwie rausposaunen, und das ist dann so gelaufen, dass ich immer schon Sport gemacht habe, und als ich dann keinen Sport machen durfte, war natürlich ein Riesenproblem. Ich glaube, als Kind ist es so, wenn man nicht will, dann ist es okay, aber wenn man es aufgezwungen bekommt, dann ist immer doppelt geärgert. Und dann haben wir früh angefangen, mich zum Sport zu lassen. Mein Trainer wusste davon Bescheid und der hatte immer drauf geachtet, dass ich beim Schwimmen noch irgendwie reaktionsfähig war, weil er einfach auch nicht wusste, wie ich reagiere beim Anfall, was er machen muss, weil sicher ist die größte Sorge - das ist sie immer noch - wenn ich im Wasser nen Anfall bekomme, ich glaub jeder der mal bewusstlos war, und dann bewusstlos im Wasser zu sein, das ist einfach, das ist ne Sekundensache da, haben wir nicht viel Platz mit. 8. Sprecherin Das Schwimmen war auch für Sandra Völker ihr Ein und Alles - dann der Schock: Asthma - eigentlich das Aus für ihre Karriere. 7. O-Ton Sandra Völker Das Asthma bei mir hat sich so gezeigt, dass ich wirklich das Gefühl hatte, dass sich mein Hals oben zugeschnürt hat. Also der normale Asthmatiker beschreibt es eigentlich eher so, dass der Asthmaanfall von den Bronchien herkommt. Also dass man wirklich das Gefühl hat, man muss husten, man bekommt keine Luft mehr und es geht zwar noch Luft rein, aber nicht wieder raus. So ist der typische Asthmatiker. Bei mir war's eher so, dass ich das Gefühl hatte, ich hab ne Ventilatmung. Also dass ich wenn ich atme, es richtig zu ist im Hals und ich wie so angeschwollen und es überhaupt nicht mehr die Möglichkeit gibt, richtig Luft zu bekommen. Deshalb bin ich ja dann irgendwann beim Lungenfacharzt gelandet und da habe ich dann einen richtigen Belastungstest gemacht und auch einen Atemtest, und ich hab dann tatsächlich einen Asthmaanfall bekommen dort und damit war das dann natürlich klar in dem Moment, wo ich den hatte, wusste ich natürlich schon, dass ich das hab und ich hab so zugemacht, ich hab gesagt, das ist mir alles egal und jetzt gibt's für mich nur noch: ich hör auf zu schwimmen oder ich nehm Ihre Medikamente, und Ihre Medikamente nehm ich schon mal gleich gar nicht und dann bin ich gegangen. 7. ATMO: Skiabfahrt 9. Sprecherin Die Leidenschaft für den Wintersport hat Christian Graßl aus Berchtesgaden den Weg aus seiner Krankheit gewiesen. 8. O-Ton Christian Graßl Bei mir ist es so gewesen, es ist eigentlich ein akutes Nierenversagen gewesen. Also, ich hatte vielleicht drei Wochen so Grippe ähnliche Symptome, die sind dann wieder besser geworden, dann waren sie mal schlechter, und da war eben das Wochenende dann, das war im März '87, wo ich so schlechte Blutdruckwerte hatte, dass man mich eben dann am Wochenende sofort ins Krankenhaus zur Untersuchung überwiesen hatte und darauf gleich mit nem Hubschrauber ins nächstgelegene Krankenhaus nach Traunstein geflogen hat - also es war ziemlich akut, die ganze Geschichte, ich war drei, vier Tage auf der Intensivstation, habe sofort Blutwäsche und die Dialyse eben gemacht und dann ja ist mir eben das gesagt worden: Sie müssen an die künstliche Niere, die Nieren sind total kaputt. Die Dialyse war extrem anstrengend, also, Bluthochdruck kommt noch dazu, Kopfschmerzen, nur ich habe immer gesagt: ich wusste, ich habe noch eine schwierige Operation vor mir, du musst schauen, dass du auf einen hohen Fitnessstand bist, wer fit ist, der übersteht eben eine Operation besser und kann wieder schneller zurück ins normale Leben. 2. MUSIK 10. Sprecherin Jerome Becher konnte sich ein Leben ohne Schwimmen nicht vorstellen - und hatte Glück, dass sowohl seine Eltern als auch sein Trainer ihn unterstützten. 9. O-Ton Jerome Becher Ich hatte Angst ohne Ende, aber, ich weiß nicht, das war so, ich wollte einfach genau sein wie alle anderen. Weil das Blödeste was war, es war in der Grundschule, das war in der 4. Klasse, weiß ich ziemlich genau, weil die ganze Klasse mich besucht hatte, und es war immer so: wenn ich irgendwie in die Klasse kam, war es immer kurzzeitig still, oder wenn ich irgendwo hinkam, war es immer kurzzeitig still, weil alle wussten, ich habe Epilepsie, und das gibt nix Döferes, als dass die Freunden irgendwie einen als anders betrachten. Und das war bestimmt auch ein Anlass, warum ich gesagt hatte, jetzt zeigst aber auch, dass du ganz normal Sport machen kannst mit allen anderen - meine Freunde waren damals auch im Schwimmverein - also, warum mach ich nicht weiter?! Und ja, wo ich drauf aufpassen muss, vor jedem Wettkampf - was ich auch immer tue - wenn ich nicht genug schlafe, starte ich nrigendwo, wenn ich nicht genug schlafe, dann arbeite ich auch nirgendwo, weil ich weiß, es ist mir mehr wert einfach anfallsfrei zu bleiben, als dass ich irgendwas jetzt auf Brechen und Biegen durchziehe und einen Anfall riskiere - also um Gotteswillen. Früher war es so, dass ich einfach, wenn die anderen noch mal trainiert haben, habe ich noch mal geschlafen. 11. Sprecherin Für Eishockeynationalspielerin Claudia Grundmann bedeutete die Diagnose Diabetes eine komplette Umstellung ihres bisherigen Lebens - nur den Sport wollte sie nicht aufgeben. 10. O-Ton Claudia Grundmann Man muss ja erstmal lernen zu spritzen, ich bin früher bei jeder Spritze in Ohnmacht gefallen, also das war für mich ein Unding mich selber zu pieksen, ist mittlerweile, jetzt mach ich das fast 10 Jahre, ist immer noch ganz schön dramatisch, aber es geht mittlerweile. Und dann hat die Ärztin ne Diätassistentin an die Seite gestellt, die sozusagen diese ganze Schulung mit mir gemacht hat. Und diese Diätassistentin hat mich dann so'n bisschen zur Seite genommen, hat mir verschiedene Bücher gegeben, wo ich mich erstmal einlesen konnte, was das jetzt alles bedeutet. Und hat dann gesagt wir probieren das einfach mal aus; es gibt Mittel und Wege irgendwo sich damit zu arrangieren und wenn wir es gut einstellen können, den Zucker, ist auch Leistungssport weiterhin möglich. Man muss es halt einfach austesten und dann haben wir in Unwissenheit der Ärztin so'n bisschen experimentiert. Ich hab dann angefangen auf dem Fahrradergometer so meine ersten Erfahrungen mit Belastung zu machen und gesehen, wie mein Zucker darauf reagiert hat. Und das ist eigentlich sehr positiv gewesen alles und ich war dann insgesamt drei vier Wochen im Krankenhaus und kaum war ich raus hatten wir zwei Wochen später schon wieder den ersten Lehrgang mit der Nationalmannschaft, da war ich natürlich auch schon wieder dabei. Und da war das ganz gut, dass mein Trainer damals selber einen Bruder hatte, der Diabetiker war und er sich mit der Krankheit super auskannte und auch ein bisschen auf mich schauen konnte. Der hat schon immer gesehen, wenn meine Koordination anders war als normal da hat er mich schon immer rausgewunken, da wusste ich selber noch nicht, dass ich grade vorm Unterzuckern war, da hat er das schon gesehen und gesagt Claudi, mess mal deinen Zucker oder meinen Mannschaftskollegen waren immer so, wenn sie gesehen haben dass ich zickig wurde, ich bin grundsätzlich eigentlich eher ein netter Mannschaftskollege, sag ich jetzt mal, und wenn ich dann ausgerastet bin und irgend jemand blöd angemacht habe, dann haben die mich immer angeguckt und eigentlich gar nicht drauf geachtet, was ich gesagt habe, sondern haben immer gesagt als Gegenargument: miss mal deinen Zucker. Also selbst wenn wirklich mal was los war, wenn ich mich aufgeregt habe, dann waren die immer so: Ja, ja, Claudi irgendwas stimmt mit deinem Zucker nicht. Nach dem Motto: die spinnt schon wieder. Das war ganz lustig eigentlich. (2'05) 12. Sprecherin Für Sandra Völker, die trotz Asthma weiter Karriere machte und sie erst im März 2008 beendete, war die Diagnose zunächst aus einem Grund schockierend: 11. O-Ton Sandra Völker Ich hab so im Hinterkopf gehabt, man darf keine Cortisonpräparate nehmen bei uns, das steht auf der Dopingliste, also bedeutet das für mich, wenn ich so was nehmen muss, dann kann ich aufhören zu schwimmen, weil, ich nehm keine Dopingmittel. Und dann hat der Arzt mich dann aufgeklärt, dass es ja, als Asthmatiker hat man eine Krankheit und wenn man eine Krankheit hat kriegt man einen Attest, man muss dieses auch immer wiederholen, man muss immer wieder zum Arzt gehen, dass man sozusagen nachweisen kann, dass man ja auch Asthmatiker ist. Und diese Medikamente nehmen darf, weil mit den Medikamenten komm ich ja auf einen Normalstand, also ich kann normal atmen, ich kann ja nicht besser atmen als andere, sondern für mich ist es dann ein Normalzustand, der wiederhergestellt wird. Insofern ist es ja auch kein Dopingmittel, sondern es ist ein Medikament, was mir bei meiner Krankheit hilft. Und ich möchte aber, dass die Menschen wissen, warum ich diese Medikamente nehme. Ich möchte nicht, dass mich irgendwann jemand sieht, wie ich das Öffnerspray nehme oder das andere Medikament und denkt ja die Völker alles klar, dann nimmt die auch Dopingmittel. Hab ich gesagt, das will ich nicht und ich möchte damit in die Öffentlichkeit gehen. Und deshalb habe ich mit meinem damaligen Management die Stiftung ins Leben gerufen, für asthma- und allergiekranke Kinder, weil ich eben halt erfahren habe, dass es ne Schattenkrankheit ist, es gibt ganz viele Menschen, die es überhaupt nicht wagen zu erwähnen, weil sie ganz große Angst davor haben, dass sie ihren Job verlieren und dass sie im Leben nicht mehr ernst genommen werden. und dass sie immer nur als halber Mensch im Grunde wahrgenommen werden. Und da habe ich gesagt ok, das ist sehr gut, dass ich diese Krankheit habe, weil dann kann ich die Menschen darauf aufmerksam machen, dass man mit dieser Krankheit auch richtig leben kann. 13. Sprecherin Für Skirennläufer Christian Graßl begann der Weg in den Leistungssport erst mit seiner Nierenerkrankung. 12. O-Ton Christian Graßl Ich hab so Schülerrennen gemacht bei uns, in der Schule, Skifahren konnte ich immer schon gut wir haben quasi 100 Meter Luftlinie einen Lift gehabt, und von daher hab ich wie gesagt das Skifahren halt, das lieb ich nach wie vor, also das ist ja so wie gesagt der Winter, das ist eigentlich die schönste Zeit für mich, obwohl es kalt ist, aber man kann Skifahren - und das ist einfach ganz wichtig gewesen, damals auch schon. 1987 bin ich an die Dialyse gekommen, dann habe ich Dialyseskirennen mit gemacht in Österreich, in der näheren Umgebung, und da bin ich immer Erster geworden. Da habe ich aber noch nicht gewusst, dass es praktisch neben den Paralympics auch für Organtransplantierte Weltmeisterschaften gibt. Da war die Begeisterung aber geboren. 1994 waren dann die ersten Winterweltspiele - also für mich natürlich ganz großer Auftrieb, und glücklicherweise bin ich ein halbes Jahr vorher transplantiert worden, also im August '93 transplantiert, und im Januar eben schon in Tinie in Frankreich bei den ersten Winterweltspielen für Organtransplantierte dabei gewesen. Also ehrgeizig bin ich immer schon gewesen, und dann die extrem lange Wartezeit von sechseinhalb Jahren an der Dialyse, da staut sich einiges an, dann will man sich eben auch einmal beweisen, aber man macht es nicht ohne Hirn oder so, also man hat immer noch im Hinterkopf die Sache, dass so was auch schnell wieder zu Ende gehen kann. Man, ja man fährt nicht auf hundert Prozent, also ich mach das jetzt mit dem Skifahren schon lange Zeit, dass man sich ziemlich sicher auch ist. Ich meine, das kann aber jeden Sportler treffen. Wenn's den richtig schmeißt, dann passiert immer was, das ist der Lauf der Dinge. Sie liegen im Krankenhaus, dann die Skifahrer, monatelang, fangen aber auch wieder an. 3. MUSIK 14. Sprecherin Der Leistungssport gehört zu ihrem Leben. Dafür geben die vier alles. Und doch ist das, was jeder einzelne aus seinen Erfahrungen zieht, unterschiedlich. Sandra Völker: 13. O-Ton Sandra Völker Also der Leistungssport hilft mir dabei, diese Sachen vielleicht klarer zu sehen oder besser zu sortieren. Was man ja im Leistungssport lernt, ist, sehr diszipliniert zu sein. Also wenn jemand zu mir sagt, du musst jetzt diese Medikamente nehmen und du musst dich eigentlich daran halten, das und das nicht zu essen, und ein Leben so und so einzustellen, damit es dir wirklich gut geht, habe ich, glaube ich, weniger Probleme damit, weil ich diese Ansagen gewohnt bin. Mein Leben lang habe ich von Trainern oder irgendwelchen anderen Menschen immer irgendwelche Ansagen bekommen, die ich versucht habe umzusetzen. Aus der heutigen Sicht würde ich sagen, dass ich mein Asthma wirklich besiegt habe. Ich kann aber nicht sagen, ob sich das in der Zukunft noch mal wieder verändert. Ehrlich gesagt, weil es gibt einfach zu viele Veränderungen, die angekündigt werden in der Umwelt, allein was die Allergiegeschichten angeht, da ist ja ne Prognose vorausgesagt, die macht einem ja eigentlich Angst und die nächste Stufe von Allergie ist dann Asthma. Und ich glaube, man kann nie sagen, ich bleibe, bis ich sterbe, gesund. Also das kann man nicht ausschließen. Aber was ich für die Stiftung eben halt mir wünsche ist, dass sie sich wirklich soweit aufbaut, dass sie den Menschen helfen kann, mit dieser Krankheit entweder gut leben zu können, um zu wissen, ich hab sie noch, aber ich kann damit sehr gut leben oder wirklich beschwerdefrei zu sein und wirklich eines Tages sagen zu können: ich sage, ich habe kein Asthma mehr. 8. Atmo: Schwimmen 15. Sprecherin: Jerome Becher: 14. O-Ton Jerome Becher Ich darf Auto fahren, ich darf alles machen, ich fahr wie ein Henker mit dem Fahrrad, ohne Helm, LACHT aber, nee, so schnell fahr ich ja nicht, aber vom Arzt wird immer ganz klar gesagt, sobald du älter wirst, ist die Gefahr einfach mehr als doppelt so hoch als bei jedem anderen. Mein Vorteil ist, dass ich, glaub ich, einfach auch meinen Körper sehr gut im Griff habe, d.h. ich weiß ganz genau, wenn ich zu wenig schlafe, geht's los, oder kann es losgehen, und es gibt immer so alle paar Monate, so ein Gefühl wie vor dem Anfall. Das ist ne ziemlich fiese Sache, das ist so wie als würde man schlafen wollen, man kann aber nicht schlafen. Und das ist so ein zwischen Wachheitszustand und schläfrigem Zustand, und dann fängt der Körper an zu zittern, und bei mir ist eben der rechte Finger, der kleine Finger, der dann anfängt zu zucken, und das ist so, ich, eigentlich warte ich immer drauf, dass es passiert, damit hab ich für die nächsten Monate eben frei quasi, aber das ist so, da muss ich mich sofort hinlegen und Ruhe haben, ansonsten riskiere ich einen Anfall. Also es bringt nichts, da so ne Angst zu haben und Angst zu leben. Das macht mehr Probleme, weil man immer angespannt ist, und drauf wartet quasi: kommt der Anfall, kommt der Anfall, kommt der Anfall? Das ist natürlich Mist. Also, bei mir ist es sicher genial gelaufen, ich hatte natürlich auch Probleme und Rückschläge, jeder experimentiert mit den Medikamenten rum, klar, das wirft einen zurück, aber bis jetzt hab ich es so gut hingekriegt und auch eigentlich nur durch meine Familie und durch die Unterstützung, weil andererseits würde ich bis dato kein Sport machen, weil der Arzt mir das verboten hatte. Und da bin ich einfach nur riesendankbar, dass es so geklappt hat, also, ist natürlich ein Riesenlos. 9. Atmo Eishockey 16. Sprecherin Claudia Grundmann: 15. O-Ton Claudia Grundmann Es gibt ja viele Diabetiker, die es so'n bisschen verschweigen. Warum auch immer, ich versteh's nicht, aber es gibt welche, die sich dafür schämen oder nicht so an die Öffentlichkeit wollen, weil es ist ja immer so, wenn man ne chronische Krankheit hat, gilt man ja als nicht so belastbar wie jemand anders. Aber ich finde halt oder ich hab die Erfahrung gemacht, dass je offener man damit umgeht, dann haben die Leute auch einfach Vertrauen, dass man diese Krankheit einfach händeln kann und man einfach weiß, was passiert und weiß, wie man reagiert. Und wenn man dann halt sagt, he hör zu, wenn mal die und die Situation auftritt, könnt ihr mir so und so helfen, dann ist es für die auch nicht so blöd, damit umzugehen, weil nichts ist schlimmer, du hast jemanden, du weißt, der hat ne Krankheit, der hat irgendwas und plötzlich passiert mal so ne Stoffwechselentgleisung und du stehst dann da und weißt nicht, was du machen sollst. Na es gab einmal nen Fall, da bin ich so doll unterzuckert, dass ich in die Bewusstlosigkeit gefallen bin und da hatte ich halt auch ne Mannschaftskollegin, die mit mir auf dem Zimmer war, die toi toi toi zum Glück richtig reagiert hat. Da gibt es so ne Notfallspritze, die muss man dann erstmal besonders aufziehen und mir dann in den Oberschenkel haun und spritzen und das ist einfach auch nicht jedermanns Sache, und deshalb ist es schon wichtig, dass die Leute wissen, wie sie reagieren können, was sie machen können, wenn jetzt mal wirklich Not am Mann ist. 10. Atmo - Skirennen 17. Sprecherin Christian Graßl: 16. O-Ton Christian Graßl Ich habe schon einige Pokale, Medaillen zuhause. Gut, ich habe jetzt eine Familie gegründet, eine Frau und einen neun Monate alten Sohn, also das ist jetzt alles nach der 2. Transplantation, was ich jetzt noch zum Nachholen gehabt habe, auch noch gekommen, und was will man dann noch mehr?! Wenn man sieht das Kind aufwachsen, und das ist jetzt wirklich der normalste Level, den man sich da jetzt eben vorstellen kann, und man sieht, dass man das alles erreichen kann. Man muss bloß dranbleiben, und man muss eben die Zeit dann ja über sich ergehen lassen, die Dialysezeit, und wenn die Transplantation da ist, dann gibt's wieder neuen Aufschwung. Dann läuft das wieder alles. SCHLUSS-MUSIK verwendete Musik Apocalyptica von der CD "reflections", Take 5 "Drive", LC 04909, Komp.Eicca Toppinen Lambchop: The lone official aus dem Musikspeicher von Deutschlandradio Kultur 13