Länderreport-Magazin 17.4.2012 Zerfallserscheinungen bei der FDP. Die Liberalen in den Ländern Autoren: Dietrich Mohaupt, Susanne Schrammar, Anke Petermann, Michael Watzke Redaktion: Heidrun Wimmersberg Die angeschlagene FDP in Schleswig-Holstein Autor: Dietrich Mohaupt Anmoderation: Für die FDP sieht es schlecht aus. Nicht nur in bundesweiten, auch in Umfragen in den Ländern kommen die Liberalen kaum über vier Prozent hinaus. Das macht vor allem den FDP-Verbänden Kummer, die zurzeit im Wahlkampf sind wie zum Beispiel in Schleswig-Holstein oder im nächsten Jahr damit konfrontiert werden. So wie in Niedersachsen, Hessen und Bayern. Diese Landesverbände können noch darauf hoffen, dass sich innerhalb eines Jahres noch viel ändern kann. Doch darauf können die Liberalen in Schleswig-Holstein nicht setzen. Dort wird am 6. Mai gewählt. Dietrich Mohaupt: ________________________________________________________________ 4 Prozent - wie einbetoniert steht diese Zahl in den letzten Wochen für die schleswig- holsteinische FDP in den Wahlumfragen. Trotzdem, für den Landesvorsitzenden Heiner Garg stellt sich mit der Wahl am 6. Mai nicht die Frage nach dem Schicksal der Liberalen. "Ich halte überhaupt nichts von solchen Attributen wie Schicksalswahlen für die FDP. Ich bin seit über 20 Jahren Mitglied in der FDP und habe - glaube ich - gefühlt schon 120 Schicksalswahlen angekündigt bekommen. Und insofern ist das aus meiner Sicht eine Wahl wie die meisten anderen auch..." Spätestens seit der Landtagswahl im Saarland, bei der die FDP mit 1,2 % die Größenordnung einer Splitterpartei erreicht hat, dürfen solche Aussagen zumindest als mutig gelten. Eine Wahl wie die meisten anderen ... das ist die Landtagswahl in Schleswig-Holstein auf jeden Fall für den liberalen Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki nicht. Immer wieder hatte der Chef der Landtagsfraktion in den vergangenen Jahren betont, dass er für einen Ministerposten nicht zur Verfügung stehe - dann aber, Anfang März beim Landesparteitag, kündigte er an: "Ich gebe meine Bescheidenheit, bisher nicht in ein Kabinett einzutreten, auf - und sage von dieser Stelle ausdrücklich: Wenn es denn die Wählerinnen und Wähler wollen, werde ich mich darum bemühen, Finanzminister in Schleswig-Holstein zu werden." Wie heißt es doch so schön: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommste ohne ihr. Bei 4 % liegt die schleswig-holsteinische FDP aktuell, da braucht es schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, von Regierungsbeteilung und Ministerposten zu reden. Von Selbstkritik, von Zweifeln am eigenen Kurs - keine Spur. Wolfgang Kubicki ist felsenfest davon überzeugt: Umfragen taugen nichts, was seine Partei wirklich wert ist... "...das sehen wir erst am Wahlabend,. Alles andere ist momentan Schall und Rauch. Wir wissen, dass bei den Meinungsumfragen vor der Saarlandwahl die Institute völlig daneben gelegen haben, immer mehr Menschen entscheiden sich auch, bei solchen Nachfragen was falsches zu sagen und immer weniger Menschen können übers Festnetz erreicht werden. Insofern ist es eine Momentaufnahme, über die man auch nachdenken kann, aber sie beschreibt nicht das Wahlverhalten am Wahltag." Optimismus pur - der Kubicki-Effekt eben, auf den auch die Parteibasis und die liberale Gefolgschaft im Land setzt, überwiegend jedenfalls. Letzter Hoffnungsträger der FDP - eine Rolle in der Kubicki auf jeden Fall polarisiert. "Ich denke schon, dass er die ausfüllen kann, ja / Ich weiß es nicht...ich denke ja./ Schlagfertig ist er natürlich schon, aber er ist einer der Politiker, die ich am wenigsten leiden kann. / Wenn die FDP hier in Schleswig-Holstein die 5%-Hürde schafft dann denke ich, haben wir das zum größten Teil auch ihm zu verdanken." Mit der 5%-Hürde - oder gar mehr - haben andere in der Partei dagegen schon ihren Frieden gemacht. Mit dem Absturz der FDP von knapp 15 % bei den Landtagswahlen im Oktober 2009 ist auch Frust und Enttäuschung in die Partei eingekehrt. Als eine von immerhin 14 Abgeordneten war z.B. Kirstin Funke damals in den Landtag eingezogen - voller Tatendrang, der aber bei der Aufstellung der Landesliste für die kommende Wahl massiv ausgebremst wurde. "Es war eine sehr spannende, eine sehr rasante, eine sehr anstrengende Zeit. Nun hatte ich vier Sprecherfunktionen und war natürlich auch mit dem Ziel wieder angetreten - ich bin damals auf Platz 7 gestartet bei der Landesvertreterversammlung - meine Arbeitsbereiche in der nächsten Legislaturperiode auch wieder fortzuführen." Es sollte aber nicht sein - das Gedrängel um die vorderen, vermeintlich wenigstens halbwegs sichern Listenplätze war zu heftig, irgendwann zog die 39jährige die Notbremse und kandidierte nicht weiter. Damit steht fest: nach gut 2einhalb Jahren Landtagsarbeit ist Schluss - jetzt steht die Jobsuche ganz im Focus, denn auf den Arbeitsplatz den sie vor dem Ausflug in die Politik hatte, kann sie nicht zurück. "Natürlich ist es so, gerade in Wahlkampfzeiten, dass man hin und her gerissen ist zwischen dem Wahlkampf für die Partei, für die Sache - auf der anderen Seite muss man natürlich auch sehen, dass der persönliche Lebensweg eben weiter geht, dass man beruflich weitermachen kann." Die FDP in Schleswig-Holstein knapp 3 Wochen vor der Landtagswahl: Einzelne Abgeordnete sind schon auf Jobsuche, die Parteispitze dagegen verbreitet unverdrossen Optimismus an der Grenze zur Selbstüberschätzung - unter dem Strich bleibt das Bild einer Partei, die sich nur bedingt erfolgreich gegen einen scheinbar übermächtigen Trend stemmt. 9 Monate vor der Wahl - FDP in Niedersachsen hofft auf Wiedereinzug ins Landesparlament Autorin: Susanne Schrammar Anmoderation: In Niedersachsen haben die Landespolitiker noch ein bisschen Zeit bis zur Wahl, erst in neun Monaten, am 20. Januar 2012, wird der Landtag gewählt. Dennoch werden politische Befindlichkeiten auch hier mit großer Aufmerksamkeit betrachtet, Trends können ja auch über Ländergrenzen überschwappen. Die FDP ist in Niedersachsen seit 2003 Juniorpartner in einer schwarz-gelben Koalition unter CDU-Ministerpräsident David McAllister. Bei der letzten Landtagswahl 2008 holten die niedersächsischen Liberalen 8,2 Prozent der Wählerstimmen und regierten in den vergangenen Jahren relativ konflikt- und geräuschlos mit der CDU. Auch mit der Bundesspitze, die viele für die Wahldesaster der vergangenen Monate mitverantwortlich machen, geht die Niedersachsen-FDP nicht auf Konfrontationskurs - Parteivorsitzender Phillip Rösler und Generalsekretär Patrick Döring kommen schließlich aus Hannover. Bleibt die FDP in der Kuschelfalle hängen? Susanne Schrammar über die Stimmung der Liberalen in Niedersachsen. __________________________________________________________________ Augen auf bei der Berufswahl - diesen Spruch hat Björn Försterling einst klug berücksichtigt. Bis zu seinem Einzug in den niedersächsischen Landtag 2008 war der heute 29jährige als Steuerinspektor beim Finanzamt tätig. Sollte seine FDP bei der Landtagswahl 2013 aus dem Parlament fliegen und Försterling seinen Status als Berufspolitiker verlieren, müsste sich der Finanzbeamte keinen neuen Job suchen - wie vielleicht andere FDP-Kollegen. Doch dies sei nicht der einzige Grund, versichert der Landtagsabgeordnete, warum er trotz liberaler Talfahrt relativ entspannt auf die Niedersachsen-Wahl im nächsten Januar blicken könne. FÖRSTERLING: Also, man darf nicht zu entspannt sein, aber man darf jetzt in der Tat nicht die Nerven verlieren. Wir haben solche Zeiten öfters erlebt: 1998 nach der Bundestagswahl, wir hatten 99 Ergebnisse in Berlin, die lagen auch um die 1,6 - 1,7 Prozent und wir haben uns auch aus dieser Phase wieder erholt. Wir müssen kontinuierlich weiter arbeiten und dann geht es auch wieder aufwärts. Nur nicht bange machen lassen - das ist die Parole der FDP in Niedersachsen. Erst in knapp neun Monaten wird der Landtag in Hannover gewählt. In der schnelllebigen Politik kann so viel Zeit von Vorteil sein, glaubt der FDP-Landesvorsitzende und niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner. BIRKNER: Die Stimmung ist bei uns gut, sie ist kämpferisch und zuversichtlich, dass wir das hinkriegen werden. Verlässlichkeit, Stabilität und Leistung - das sind die Werte, mit denen die FDP bei der niedersächsischen Landtagswahl punkten will. Heißt: Den Wähler auf die Errungenschaften der schwarz-gelben Landesregierung aufmerksam machen und darauf hoffen, dass sich die Niedersachsen eine Fortsetzung dieser Arbeit wünschen. BIRKNER: Wir haben gute Ergebnisse in Niedersachsen vorzuweisen seit 2003. Die gemeinsame Landesregierung, die gut, harmonisch, konstruktiv zusammenarbeitet, die die Probleme in Niedersachsen angeht, die in der Bildungspolitik gute Ergebnisse vorweisen kann, in der Arbeitsmarktpolitik, in der Wirtschaftspolitik, insbesondere in der Finanz- und Haushaltspolitik. Und das Ganze äußert sich ja auch darin, dass es in Niedersachsen rund 60 Prozent der Menschen diese Landesregierung für gut oder sehr gut befinden und das macht uns optimistisch und zuversichtlich. Doch offenbar hat die FDP Niedersachsen ein Vermittlungsproblem. In einer Frühjahrsumfrage des NDR gaben gerade mal drei Prozent der Befragten an, für die Liberalen stimmen zu wollen - der Wähler schreibt die Erfolge demnach maßgeblich dem Koalitionspartner CDU zu. Und das kann ausgerechnet am niedersächsischen Kuschelkurs liegen. Sonst durchaus übliche - und oft gescholtene - öffentliche Auseinandersetzungen zwischen den Regierungsparteien gibt es in Niedersachsen nicht. Keine in den Medien ausgetragenen Querelen, kein überraschendes Ausscheren - in Niedersachsen läuft die schwarz-gelbe Zusammenarbeit fast geräusch- und reibungslos. Christian Dürr, FDP- Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag. DÜRR: Auch CDU und FDP hier in Niedersachsen sind unterschiedliche Parteien und das heißt, man hat auch mal Meinungsunterschiede und ich glaube, das muss in der Demokratie auch erlaubt sein, das muss nicht immer als Streit ausgelegt werden. Wichtig ist, und das machen wir hier, glaube ich, ganz gut, dass man sich dann zusammensetzt und die Themen klärt und dann zu einer Entscheidung kommt. Das erwarten die Menschen von einer Regierungspartei und genau das ist, was wir hier jetzt machen. Doch die Harmonie geht in diesem Fall auch auf Kosten der Liberalen, die die eigene Position so nur schwer erkennbar von der CDU abgrenzen können. Die unterschiedlichen Standpunkte - etwa zum Erhalt der Gymnasien oder in der Flüchtlingspolitik - gehen fast unter. Anders als z.B. in Schleswig-Holstein wird die niedersächsische FDP im kommenden Wahlkampf wohl auch kaum darauf setzen, sich von der Bundesparteispitze zu distanzieren. Dies wäre ein Dolchstoß, denn sowohl Parteivorsitzender Phillip Rösler als auch Generalsekretär Patrick Döring haben ihre Wurzeln im niedersächsischen Landesverband. Stattdessen setzen die Kollegen aus Niedersachsen auf eine gemeinsame Linie: Wie die Parteispitze wollen sie im Wahlkampf den Schwerpunkt auf die öffentlichen Finanzen legen. DÜRR: Haushaltskonsolidierung und Schuldenbremse in die Landesverfassung - ein gutes Thema, auch ein gutes landespolitisches Thema und Nachbarländer wie Bremen oder Nordrhein-Westfalen zeigen ja gerade, wie's schief laufen kann, das wollen wir in Niedersachsen nicht haben. Der junge Abgeordnete Björn Försterling würde das Finanzamt gern auch für eine zweite Legislaturperiode gegen den Landtag eintauschen. Doch sollte der Wähler der FDP am 20. Januar 2013 in Niedersachsen eine klare Abfuhr erteilen - untergehen würde die Welt davon auch nicht, sagt der 29jährige pragmatisch. FÖRSTERLING: Wenn wir am Ende des Tages tatsächlich aus dem Landtag fliegen sollten, dann muss man halt die nächsten fünf Jahre daran arbeiten, dass es beim nächsten Mal wieder heißt: Die FDP ist in den Landtag eingezogen. Länderreport: FDP in Turbulenzen - auch im liberalen Vorzeigeland Hessen Autorin: Anke Petermann Anmod. Hessen - bislang ein liberales Musterländle: bei der Landtagswahl 2009 fuhr die FDP grandiose 16% ein und regiert seither weitgehend geräuschlos mit der CDU. Doch auch in Hessen zeigt die blaugelbe Fassade Risse - Anke Petermann berichtet. Script Der Steueranwalt Leif Blum galt als Nachwuchshoffnung in Partei und Fraktion. Als scharfer Rechner machte er sich in der schwarz-gelben Koalition einen Namen. Doch seit Ende vergangenen Jahres setzt der smarte Mittdreißiger seine Überzeugungskraft mehr zur Verteidigung in eigener Sache ein als zur politischen Attacke. Er habe Firmen bei "fragwürdigen Finanztransfers in die Schweiz" beraten, berichtete die Frankfurter Rundschau im Herbst. Da leitete Blum noch einen Untersuchungsausschuss im Hessischen Landtag. Er habe nicht mitgewirkt an den Steuererklärungen der Firmen, die ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten waren, erklärte er vor dem Ausschuss. Insofern habe ich mir persönlich nicht vorzuwerfen, insoweit gehen wir jetzt wieder an die Arbeit, und damit ist es gut. Doch gut wurde es so schnell nicht. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Leif Blum selbst - wegen des Verdachts, als ehemaliger Firmengeschäftsführer Steuern hinterzogen zu haben. Nach dem Ausschussvorsitz gab der Liberale unlängst auch seine Aufgaben als Parlamentarischer Geschäftsführer und finanzpolitischer Sprecher der Fraktion ab. Das heißt nicht, dass sich Leif Blum von der politischen Bühne verabschiedet hat - im Gegenteil. Beeilt sich Alexander Noll zu versichern, Blums Nachfolger als finanzpolitischer Sprecher der FDP Fraktion im Hessischen Landtag. Atmo Ausschuss Im Haushaltsausschuss muss Alexander Noll aber ganz allein das liberale Fähnchen hochhalten. Blum ist ja ausgeschieden, ein weiterer Fraktionskollege erkrankt, ein anderer hat einen Termin im Heimatwahlkreis. Dabei geht es bei der Anhörung um ein wichtiges Thema für die schwarzgelbe Koalition in Hessen: um den äußerst umstrittenen finanziellen Schutzschirm für die Kommunen. Der rettet nach Auffassung vieler Kommunalpolitiker die Städte und Gemeinden nicht aus ihren Finanznöten. Im Gegenteil: er knebele sie, indem er für die Schuldenhilfe zu harte Bedingungen stelle. Die hessischen Liberalen lassen sich durch die Klagen der Kommunen nicht beirren. In der schwarzgelben Koalition wollen sie sich als Sparer und Sanierer profilieren. Bis jetzt sind wesentliche Beiträge zur Reduzierung des Defizits aus FDP- Ministerien gekommen. Denken sie an die Frage, wie man trotz Bildungsausbau dennoch Bildung effizienter organisiert im Kultusministerium. Strahlt Alexander Noll, der die FDP in der stundenlangen Anhörung einsam, aber stolz vertritt: mit blaugelber Krawatte und blaugelbem Sticker am Revers. Mehr Lehrer und mehr Selbständigkeit für hessische Schulen, das könnte Bildungsministerin Dorothea Henzler als liberale Erfolge verkaufen. Doch die Ressortchefin scheut große Auftritte vor der Presse, wirkt oft unsicher. Henzler ist übrigens die einzige Frau in der 20köpfigen Fraktion. Weil sie bei Landtagsdebatten auf der Regierungsbank sitzt, gibt die FDP im Wiesbadener Plenum ein Gruppenbild ohne Dame ab. Die Partei werde dominiert von jungen, männlichen Karrieristen - das musste sich die hessische FDP unlängst sogar aus den eigenen Reihen vorwerfen lassen. "Frauen- und familienfeindlich" nannte die Wiesbadener Stadtverordnete Brigitte Pöpel ihre Partei und trat aus. Damit endete die politische Laufbahn der ehemaligen Chefin der Liberalen Frauen Hessen, noch bevor sie richtig begonnen hatte. Ein Einzelfall, wiegelt Fraktionschef Florian Rentsch ab: Und ich glaube, dass wir einfach darauf achten müssen, dass wir bei der nächsten Listenaufstellung mehr gute Frauen auf unsere Listen kriegen, die müssen dann auch kandidieren wollen, und insofern glaube ich, wird das alsbald kein Thema mehr sein. Allerdings kann die FDP bei den Landtagswahlen Ende 2013 kaum auf ein so komfortables Ergebnis wie 2009 zählen. Das Gerangel um die vorderen Listenplätze dürfte entsprechend heftig ausfallen. Was die Versprechen der männlichen Führungsriege wert sind - hessische FDP-Politikerinnen bleiben skeptisch. Unlängst erst wurden sie enttäuscht: unter den acht Liberalen, die in der Bundesversammlung den Bundespräsidenten wählten, war nur eine Frau - "Chance vertan" monierte Dagmar Döring als neue Chefin der Liberalen Frauen Hessen. Länderreport: FDP - Lage in Bayern Autor: Michael Watzke _________________________________________________________________________ Das Restaurant "Pasta e Vino" in Augsburg. Hier trifft sich der FDP-Ortsverband Göggingen regelmäßig zum Mitglieder-Stammtisch. Das heißt: wenn genügend Mitglieder kommen. Viele sind nicht mehr übrig, gibt der liberale Versammlungsleiter Markus Arnold zu: 1 "Also wir haben in der FDP Augsburg schon einen Mitglieder-Rückgang zu verzeichnen. Heute sitzt hier der harte Kern der FDP-Mitglieder, sehr überzeugte FDP-ler, die in guten und schlechten Zeiten zur FDP stehen." Derzeit sind die Zeiten eher schlecht. Niemand wüsste das besser als das Augsburger FDP- Urgestein Ferdinand Dehnert. Der Rentner mit den schlohweißen Haaren ist 69 Jahre alt und davon 42 Jahre bei den Liberalen: 2 "Wir hatten natürlich auch in der Vergangenheit schon eine Menge Krisen und schwierige Situationen. Aber momentan, das ist, glaube ich, schon eine existenzbedrohende Situation, in der wir uns befinden." Die Mitgliederzahlen der FDP in Bayern sind seit drei Jahren im freien Fall. Und das, obwohl die FDP seit 2008 den bayerischen Wirtschaftsminister stellt und die Wirtschaft in Bayern so gut läuft wie noch nie. Aber die Lorbeeren dafür erntet Ministerpräsident Horst Seehofer von der CSU. Das ärgert Thomas Hacker, den FDP-Fraktionschef im bayerischen Landtag: 3 "Der Ministerpräsident hat natürlich eine mediale Durchschlagskraft, und die Mehrheit der Ministerien in Bayern ist in CSU-Hand. Aber mit unseren beiden Ministern Martin Zeil und Wolfgang Heubisch, mit unserer Staatssekretärin Katja Hessel und mit der gesamten FDP- Fraktion setzen wir die Akzente, geben wir den Takt vor." In den Umfragen spiegelt sich das bisher nicht wieder. Zwischen zwei und drei Prozent erreicht die FDP in Bayern derzeit. Deshalb versuchen die Liberalen seit einigen Wochen, ihr Profil zu schärfen. Etwa beim Thema Schlecker-Insolvenz. Die CSU wollte eine Auffanggesellschaft für die entlassenen Schlecker-Verkäuferinnen. Die FDP widersetzte sich erfolgreich: 4 "Eine Transfer-Gesellschaft schafft keinen einzigen neuen Arbeitsplatz. Das ist in der öffentlichen Diskussion etwas untergegangen. Sie verzögert allenfalls den Abbau von Arbeitsplätzen um wenige Wochen, vielleicht einige Monate. Und eine Transfer-Gesellschaft macht höchstens dann Sinn, wenn an einem Ort eine Vielzahl von Arbeitskräften freigesetzt wird. Das ist bei Schlecker nicht der Fall. Deshalb hilft eine Transfergesellschaft nicht." Mit der Blockade im Fall Schlecker konnte die FDP bei ihrer Kernwählerschaft punkten. Die CSU und Ministerpräsident Seehofer allerdings zögerten nicht, den Koalitionspartner als herzlos und inkompetent zu porträtieren. Die Stimmung der schwarz-gelben Bündnispartner im bayerischen Landtag ist schlecht. Seit die Liberalen den neuen Bundespräsidenten Joachim Gauck gegen den anfänglichen Willen der Union durchsetzten, ließen viele CSU-Abgeordnete durchblicken: dafür werde man die Gelben in Bayern bestrafen. FDP-Fraktionschef Hacker macht sich längst keine Illusionen mehr: 5 "Eine Koalition ist ein Zweckbündnis auf Zeit, das wissen wir. Geschmiedet durch einen Koalitionsvertrag auf fünf Jahre. Dann kommt der Wahltag. Da muss jedes der Koalitionsmitglieder für sich ein möglichst gutes Ergebnis erzielen. Deshalb ist es notwendig, je näher der Wahltag kommt, auch die Unterschiede noch mal deutlicher zu machen." Etwa beim Dauerstreitpunkt Betreuungsgeld, das der CSU so sehr am Herzen liegt. Manche Liberale nennen die geplante Leistung ganz offen "Herdprämie". Thomas Hacker stichelt: 6 "Das Betreuungsgeld könnten wir besser investieren. Nur: in einer Koalition kann man leider nicht jeden eigenen Punkt durchsetzen, auch wenn wir das Geld an anderer Stelle sinnvoller gebrauchen könnten." Bis zur Landtagswahl in Bayern sind es noch knapp anderthalb Jahre. Auch wenn manch siegessicherer CSU-Abgeordneter schon mit vorgezogenen Neuwahlen kokettierte, um damit Druck auf die FDP auszuüben, die es derzeit nicht über die 5%-Hürde schaffen würde. Am FDP-Stammtisch in Göggingen bei Augsburg schüttelt die liberale Basis ob solcher taktischer Spielchen nur den Kopf. Der junge Liberale Stefan Mack sehnt sich nach... 7 "... Ruhe, Kontinuität. Das, was eigentlich schon seit der Bundestagswahl gefehlt hat. Wir kriegen einfach keine Ruhe rein. Wir müssen endlich wieder in ruhiges Fahrwasser kommen: anpacken, arbeiten. Und diese elenden Debatten beenden." 1