COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 22. Juni 2009, 19.30 Uhr Vom Bürgerrecht zur Ware? - Sicherheit wird zur Boombranche Eine Sendung von Martin Hartwig Spr. vom Dienst Vom Bürgerrecht zur Ware? - Sicherheit wird zur Boombranche Von Martin Hartwig Atmo Verschiedene Situationen mit Sicherheitsdiensten Sprecherin Wir haben uns an sie gewöhnt. Kein Wunder, man trifft sie ja auch überall: Sie patrouillieren in U-Bahnhöfen, stehen vor den Eingängen der Shopping-Malls oder im Kassenbereich herum. Sie sagen uns, wann wir durch die Kontrollschleuse ins Gate gehen sollen und ob wir in die Diskothek dürfen oder nicht. Mit vielen von Ihnen kommen wir in sehr engen Kontakt, sie tasten uns vor Konzerten oder Fußballspielen ab, durchsuchen unsere Taschen oder zeichnen unsere Körperkontur mit einem Metalldetektor nach. Viel Geld bekommen sie dafür meistens nicht: O-Ton (Tischler) Es ist absolut üblich in der Branche, durchgängig zwölf Stunden zu arbeiten, allein aus dem Zwang heraus, weil die Leute mit nem 8-Stundenarbeitstag, mit ner 40- Stunden Woche schlicht und ergreifend nicht überleben können. Bei 160, 170 Stunden im Monat zwischen 5 und 6 Euro die Stunde brutto, was hat man denn da raus? Von 600, 650 Euro netto im Monat kann niemand existieren, also gehen die Leute Minimum 200 bis 240 Stunden arbeiten, um ihre 900 oder 1000 Euro netto raus zu haben. Sprecher Andreas Tischler, der seinen echten Namen nicht im Radio nennen möchte, hat jahrelang als Angestellter für verschiedene Berliner Sicherheitsunternehmen gearbeitet und ist seit einigen Jahren selbstständig - meist, wie branchenüblich, als Subunternehmer für größere Betriebe, die so ihren Personalstamm klein halten. O-Ton (Tischler) Das geht auf die Gesundheit, zwölf Stunden irgendwo auszuharren, in meistens derselben Position stehen oder sitzen. Pausenregelungen findet der Auftraggeber in der Regel: Wieso soll ich denn jemanden bezahlen, dass er in der Kantine sitzt, also in diesem 12 Stunden findet man in der Regel nicht mal die Zeit, in Ruhe eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, na ja der Toilettengang, der wird gerade noch so akzeptiert. Zu den Bedingungen, zu denen das heute stattfindet, ist das eigentlich menschenunwürdig. Sprecher Obwohl oder gerade weil die Beschäftigten durch die Bank weg wenig verdienen, geht es der Branche insgesamt nicht schlecht - zumindest kann sie seit Jahrzehnten stabil hohe Wachstumsraten vorweisen. Harald Olschok, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Wach- und Sicherheitsunternehmen: O-Ton (Olschok) Wenn sie von 2003 auf 2008 gehen, haben die Beschäftigungsverhältnisse um neun Prozent zugenommen, also wenn ich mal auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten eingehe. Der Umsatz hat zugenommen von 4 Milliarden auf 4,5 Milliarden also ein Plus und das hängt auch damit zusammen, dass auch immer mehr Sicherheit mit Technik gemacht wird. Mit Videoüberwachung, mit Alarmempfangszentralen, so dass also Zuwachs des Umsatzes etwas höher ist als die Zahl der personellen Dienstleistungen. Sprecher Etwa 170.000 Beschäftige hat die Branche derzeit. Ein großer Teil des Wachstums der letzten 20 Jahre erklärt sich durch Outsourcing bei den Kunden - durch die Auslagerung von früher im Unternehmen angesiedelten Serviceabteilungen wie dem Werkschutz, Hauspost und Pförtner an externe Dienstleistungsunternehmen. Neben diesen quasi volumenneutralen Umschichtungen haben sich den Betrieben in den letzten Jahrzehnten jedoch noch eine ganze Reihe neuer Geschäftsbereiche erschlossen, etwa die Flughafensicherheit. Harald Olschok kommt gerade vom Berliner Flughafen Tegel: O-Ton (Olschok) Durch Vorgaben der EU nach dem 11. September müssen hier ja ganz andere Kontrollen durchgeführt werden und allein in Tegel sind über 1000 Beschäftigte eines privaten Sicherheitsunternehmens im Einsatz, um die Gepäck- und die Fluggastkontrolle durchzuführen. Hinzu kommen die Eigenschutzmaßnahmen des Flughafens, also Aviation ist ein sehr sensibler Bereich, der sehr stark privat abgedeckt wird. Natürlich - ganz klar ist das eine staatliche Aufgabe, aber das Doing, die Kontrollen, das muss kein Beamter machen, muss kein Polizist machen, das können Private machen. Sprecher Nicht nur an Flughäfen werden mehr und mehr private Sicherheitsdienste eingesetzt. In Folge der Anschläge vom 11. September 2001 wurden auch für die Seehäfen und den internationalen Containerumschlag verschärfte Kontrollen eingeführt, die größtenteils von Privaten durchgeführt werden. Das Bedürfnis nach Sicherheit hat in den letzten Jahren beständig zugenommen. Und Horrorszenarien fördern die Nachfrage. Volker Eick, Politikwissenschaftlicher an der Freien Universität Berlin und langjähriger Beobachter und Kritiker der Branche. O-Ton (Eick) Das private Wach- und Sicherheitsgewerbe hat ein exorbitantes Interesse daran, Gefahrenlagen in möglichst schrillen Farben zu zeichnen, weil das die Möglichkeit eröffnet, neue Aufträge zu kriegen, Wenn Sie sich die Webseiten der Unternehmen ansehen, werden sie immer drei Bereiche finden, die genannt werden: Die nie enden wollende Gefahr des Terrorismus, das subjektive Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung und das hilfreiche Wirken des Wach- und Sicherheitsgewerbes, um Steuergelder zu sparen. Sprecher An den so Kritisierten perlen diese Vorwürfe allerdings einfach ab, denn alle drei Argumente sorgen, auch wenn sie weder neu noch originell sind, nach wie vor für volle Auftragsbücher. Zumindest bei den 15 bis 20 Unternehmen der Branche, die einen Großteil des Marktes unter sich aufteilen. Harald Olschok: O-Ton (Olschok) Sicher ist die Bevölkerung auch sensibler geworden und will vielleicht auch geschützt werden. Ein anderer Aspekt ist, dass sich die Polizei teilweise aus der Fläche zurück zieht. Früher konnte ich mal die Polizei noch so holen. Heute ist die im Umfeld eines ganzen Landkreises unterwegs. Sprecher Ganz grundsätzlich profitiert die Branche von einem gesellschaftlichen Großtrend. O-Ton (Eick) Die generelle Voraussetzung für den Einsatz privater Sicherheitsdienste liegt in der Regel darin, dass sie auf privatem Grund tätig werden müssen, weil im öffentlichen Raum das erste Zugriffsrecht nach wie vor die Polizei hat. Das bedeutet in dem Maß, wie privatisierte oder halböffentliche Flächen wachsen - also die Deutsche Bahn AG beispielsweise behandelt ihre Bahnhöfe als Visitenkarten der Innenstädte und erhebt Kontrollansprüche da drauf und hat einen privaten Sicherheitsdienst dafür gegründet, bzw. verschiedene Sicherheitsdienste angestellt, Shopping Malls wären ein weiteres Beispiel für halböffentliche Räume, in denen private Sicherheitsdienste tätig werden können. Das sind Bereiche, in denen die staatliche Polizei auch kein gesondertes Interesse hat tätig zu werden - insofern nachrangige Bereiche auf den ersten Blick, die aber einen großen Einfluss darauf haben, wie das alltägliche Leben der Leute organisiert ist. Atmo Bahnhof Marzahn [unterlegen] Sprecherin S-Bahnhof Berlin-Marzahn. Die Station liegt direkt im neuen Zentrum des Quartiers, dem Eastgate, einem riesigen Einkaufszentrum, das 2005 seine Tore öffnete. Wie das in diesem Zusammenhang fast schon sprichwörtliche Raumschiff liegt das ovale Gebäude vor den massigen Wohnblocks, für die Marzahn bekannt ist. Eine schmale Fußgängerbrücke führt über die Bahngleise direkt zum Eingang des Centers, das auf 32 000 Quadratmeter die bundesweit übliche Mischung von Saturn, Mc Donalds und Douglas bietet. Die Zahl der potentiellen Kunden des Centers hat in den letzten Jahren allerdings abgenommen. Viele von denen, die es sich leisten könnten, dort einkaufen, sind weggezogen. Obwohl die Betreiber des Eastgate angesichts dieser Entwicklung um jeden Besucher werben, sind dort doch nicht alle erwünscht. O-Ton (Sindy) Wo man sich trifft ist Beispiel am Eastgate, was schon ein öffentlicher Raum ist, wo es auch klare Eigentumsgrenzen gibt, die von der einen Seite vom Eastgeate und von der anderen Seite von den Anwohnern, also von der DEGEWO, weil es dann die Marzahner Promenade ist - da hat zum Beispiel das Eastgate einen Sicherheitsdienst, der dann einschreitet, wenn dann Jugendliche sich in einem bestimmten Gebiet vor dem Eastgate treffen und wenn sie dann ein Stück weit woanders sind, dann kommt halt die Privatsecurity von wem auch immer ins Spiel. Sprecherin Sindy gehört zum dreiköpfigen Betreuerteam von "Gangway-Marzahn", einem Straßensozialarbeitsprojekt, das sich an Jugendliche richtet. Die Kundschaft von Gangway trifft immer wieder auf private Sicherheitsdienste. Auf dem Gelände des Einkaufszentrums sorgt der vom Center beschäftigte Dienst dafür, dass es dort nicht zu Ansammlungen von Jugendlichen kommt, draußen treffen sie auf die Mitarbeiter von Flashsecurity. Deren Geschäftsführer ist Christian Rücker: O-Ton (Rücker) Bei uns begann der Bereich City Streife 2001 mit der ersten Nachfrage von pribat geführten Unternehmen und ist gleich sehr gut angenommen worden. Ursprünglich mit dem Gedanken, Ruhestörungen, Vandalismus dem entgegenzuwirken. Einfach den Graffiti-Sprayer zu greifen, zu überführen und dafür zu sorgen, dass die Wohnanlagen besser aussehen. Und dann stellte sich heraus, dass sowohl innerhalb des Hauses Streitigkeiten zwischen den Mietern besser geschlichtet werden können, Ruhestörungen werden in neun von zehn Fällen ohne Polizei gelöst und der Vermieter hat ein gutes Bild seiner Mieterschaft. Sprecherin Seit 2004 "bestreifen", wie es in der Sicherheitsbranche heißt, die Mitarbeiter von Flashsecurity im Auftrag des DEGEWO-Wohnungsbaukonzerns das Viertel rund um das Eastgate. Das heißt, dass sie über gut 17.000 Wohneinheiten wachen. Sie können Jugendliche des Platzes verweisen oder ihnen den Zugang zu einem Haus verweigern. In einem Bezirk wie Marzahn, in dem sich mehrere große Wohnungsbaugesellschaften riesige Areale mit großen Wohnblocks aufteilen, zwischen denen dann auch noch verschiedene Sicherheitsdienste patrouillieren, ist es allerdings nicht zu erkennen, wo öffentliches Straßenland beginnt und wo man sich auf privatem Grund befindet. Und im Alltag der meisten Bewohner spielt diese Unterscheidung keine Rolle. Für sie sorgen die privaten Dienste für Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum. Für die, die sich dort auffällig verhalten, stellt sich das allerdings anders dar. Die Sozialarbeiterin Sindy: O-Ton (Sindy) Es gab ja vor zwei Jahren diese Situation am Plusmarkt, eigentlich meines Erachtens auch ein öffentlicher Platz vor dieser Kaufhalle, und davor haben sich halt alkoholisierte Menschen getroffen - vom Alter vielleicht von 30 bis 50 Jahre. Aber die andern, die Anwohner, hatten Angst, was auch verständlich ist, da nachts durchzulaufen und niemand weiß, was da passieren kann und dann wurde da halt Security eingesetzt. Die Frage war, mit welchem Ziel, also die Menschen da halt zu vertreiben woanders hin und das ist zumindest nicht unser sozialpädagogischer Ansatz. Und ich hab auch immer das Gefühl, alle die nicht ins öffentliche Bild passen, was nicht rein passt, wird mit Security oder Polizei woanders hin verdrängt, was natürlich das Problem einfach nicht löst. Sprecherin Tatsächlich gehörte der Platz vor dem Plusmarkt nicht in die Zuständigkeit des Sicherheitsdienstes und inzwischen engagiert er sich dort auch nicht mehr. Christian Rücker von Flashsecurity ermutigt seine Mitarbeiter dennoch, auch ein Auge auf Bereiche zu haben, für die das Unternehmen nicht zuständig ist. Das Unternehmen versteht sich sehr wohl als eine Art Ordnungsmacht im Quartier. Die Mitarbeiter, die auf Streife gehen, müssen dies auch körperlich demonstrieren und deshalb mindestens 1,80 Meter groß und kräftig gebaut sein. O-Ton (Rücker) Ne physische Präsenz, auch ne grundlegende Optik. Das ist immer so ne Diskussion, dass man sagt: Warum muss der so groß sein? Die Erfahrzungen zeigen, dass jemand der kleiner ist, öfter in Streit gerät mit potentiellen Jugendlichen, weil die sich herausgefordert fühlen, als wenn der etwas größer ist, Man nimmt über die Größe sogar Stress raus aus solchen Situationen. Also 1,80 ist die Mindestgröße, Sport wird vorausgesetzt, sie müssen an unseren Schulungen teilnehmen, dass da die rechtlichen Grundkenntnisse sind, die grundsätzlichen Verhaltensmaßnahmen, wie ist die Eigensicherung und so was. Sprecherin Flash Security ist stolz auf seine Durchsetzungsfähigkeit und hätte gerne etwas erweiterte Kompetenzen. O-Ton (Rücker) Man müsste eigentlich mehr dürfen, um auch mehr Respekt..., aber das gilt auch für die Polizei ja - da ist das Image ja auch nicht gerade das beste in Deutschland, was die Durchsetzungsfähigkeit betrifft. Und es wird manchmal in der Tat gefordert, noch härter vorzugehen, aber die Gesetzeslage gibt das nicht her, also kann es nicht umgesetzt werden. Also mit härter vorgehen ist gemeint, gerade bei solchen Sachen, dass man nicht so viel redet mit den Jugendlichen, sondern mal auf Deutsch gesagt, den am Kragen nimmt und einfach wegbringt. Ja, aber wo soll man den hinbringen? Sprecher Private Sicherheitsdienste lösen Probleme ihrer Auftrageber. Und die wollen meist keine Obdachlosen vor den Geschäften, keine Jugendlichen, die in Hauseingängen herumlungern oder Drogenabhängige, die sich im U-Bahn-Bereich Spritzen setzen. Harald Olschok vom Bundesverband der Branche: O-Ton (Olschok) Ich geb hier den Ball zurück an die Betreiber, der Betreiber könnte ja auch sein Hausrecht mit eigenen Kräften wahrnehmen und da wär die Diskussion nicht mehr so. Wir sind ja nur derjenige, der im Auftrag des Auftraggebers diese Hausrechte wahrnimmt und das was der Kunde sagt, dann auch umsetzt, also letzten Endes steckt ja der Kunde dahinter. Sprecher Zu einem gesellschaftlichen Problem wird diese Entwicklung dann, wenn immer mehr Öffentlichkeit in privaten Händen ist. Und genau das ist derzeit zu beobachten. In Berlin sind in den letzten Jahren dutzende neuer Shoppingmalls entstanden - derzeit sind es rund 60. Und auch in anderen deutschen Städten wurden unter dem Motto "Wiederbelebung der Innenstädte" in den letzten Jahren zahlreiche dieser Center errichtet. Die Komplexe haben teilweise Dimensionen, die den Zentren von Kleinstädten entsprechen, und sie haben im Alltag der Stadtbewohner auch diese Funktion. Der Zugang zu diesen neuen Zentren wird allerdings von Unternehmen im Auftrag der Eigentümer reguliert. Dementsprechend ist man nur an Besuchern interessiert, die Kunden oder zumindest potentielle Kunden sind. Volker Eick: O-Ton (Eick) Es ist ne Frage, welche Bevölkerungsgruppe man sich anguckt, wenn es darum geht, dass heute ein privater Sicherheitsmann einem nicht mehr auf die Nerven geht. Und für solche so genannten Randgruppen, das zeigen alle Untersuchungen, die es für diesen Bereich sowohl in Deutschland als auch international gibt, spielt das private Sicherheitsgewerbe in deren Alltag eine ganz exorbitante Rolle. Sprecher Gut sichtbar ist das an den Bahnhöfen - die traditionell Treffpunkte von Obdachlosen und Gestrandeten aller Art sind. Sie haben sich in den letzten 10 bis 15 Jahren nicht nur optisch verändert und sind mehr und mehr zu Einkaufszentren geworden. Auch das Publikum ist ein anderes geworden, vor allem dank des Einsatzes des bahneigenen privaten Sicherheitsdienstes, der das "SOS-Konzept" der Bahnspitze - Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit - in die Realität umsetzte. Volker Eick: O-Ton (Eick) Nehmen Sie sich mal drei Stunden Zeit und setzte Sie sich auf den Bahnhof in irgend einer größeren Stadt, so dass Sie Blick auf die Eingänge haben, so dass Sie Blick auf den Platz vor dem Bahnhof haben und dann werden Sie schon sehen, wie der Alltag für Obdachlose, Drogenabhängige im Zusammenhang mit kommerziellen Wach- und Sicherheitsdiensten ist. Nicht, dass Sie mich falsch verstehen. Ich sag nicht, dass jeder Sicherheitsmitarbeiter ein Unmensch ist oder von Natur aus zur Gewalttätigkeit neigt, aber die Szenen, die sie da sehen, zeigen sehr deutlich, dass der Ungang mit so genannten Randgruppen nach wie vor ein Phänomen ist, dass mit Menschenrechten nur schwer zu vereinbaren ist. Sprecher Neben solchen prinzipiellen Einwänden ist die Branche immer wieder in der Kritik, weil sie fragwürdige Gestalten einsetzt. Die Möglichkeit, in Uniform für Recht und Ordnung sorgen zu können, zog in der Vergangenheit immer wieder rechtsradikales Personal und Gewalttäter an - die dann teilweise sogar mit der Bewachung von Asylbewerberlagern betraut wurden. Andere Unternehmen rekrutierten sich im Wesentlichen aus aufgelösten Abteilungen der DDR-Staatssicherheit. Die Liste der Vorfälle, die die Dienste im schlechten Licht erscheinen lassen, ist lang. Der Bundesverband von Harald Olschok fordert seit langem schärfere Zugangsregeln zur Branche: O-Ton (Olschok) Die EU wird bis nächstes Jahr prüfen, ob es vielleicht ne Richtlinie für Sicherheitsdienste gibt. Vielleicht kann man über die EU-Richtlinie möglicherweise eine strenge Gewerbezugangsreglung finden, die würde unserer Branche und unseren Mitgliedern dienen und vor allem ihren Beschäftigten auch, weil dann der Konkurrenzkampf der Beschäftigten nicht so stark wäre, gerade im unteren Lohnbereich. Sprecher Der Verband und die in ihm organisierten Mitgliedesunternehmen haben in den letzten Jahren verstärkt auf die Ausbildung ihrer Mitarbeiter gesetzt. An der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin kann man seit zwei Jahren "Sicherheitsmanagement" studieren und seit 2002 ist Sicherheit ein Lehrberuf. In drei Jahren kann man sich zur "Fachkraft für Schutz und Sicherheit" ausbilden lassen. Für die Ausübung des Berufes oder die Gründung eines Unternehmens sind die Ausbildungen allerdings nicht zwingend notwendig. Dazu muss man lediglich einen ein- oder zweiwöchigen Kurs bei einer Industrie- und Handelskammer absolvieren. Vor allem deshalb gibt es auf dem deutschen Markt derzeit weit über 3000 private Sicherheitsdienste, wobei ein guter Teil von ihnen ausschließlich als Subunternehmer für die großen der Branche tätig ist. Ob die verstärkten Aus- und Fortbildungsbemühungen der Unternehmen regulierend wirken werden, ist die Frage. Denn dazu braucht es Kunden, die bereit sind, die verbesserte Qualität auch bezahlen. Ob sich die Ausbildung für die Beschäftigten lohnt, ist ebenfalls unklar, denn viel werden kann man in der Branche nicht. Andreas Tischler: O-Ton (Tischler) Das ist halt völlig ohne Perspektive. Es ist ja ne ganz plane Angelegenheit. Es gibt ja kaum Hierarchien, es gibt je keine Perspektiven, wo man hin kann. Es gibt dann - ein Bewachungsunternehmen hat 500 Mitarbeiter - sagen wir mal fünf Einsatzleiter oder auch nur drei - ja wo will man hin? Vielleicht wird man mal Einsatzleiter für zehn Objekte, aber da sind die Gehälter ja auch nicht gerade üppig. In der Branche zu arbeiten, ist eigentlich ne Endstation und viele Leute fangen damit an. Ich meine, es ist ja mittlerweile ein Ausbildungsberuf, aber wo sollen die Leute arbeiten, die lernen da zum Teil Managementaufgaben, was sollen die denn arbeiten? Sprecher Zumindest ein Aspekt des Geschäftes der privaten Sicherheitsdienste erfordert zunehmend Fachkenntnisse, die fortschreitende Technisierung. Atmo Leitstelle Sprecherin Eine massive Stahltür mit einem kleinem Fenster - schusssicheres Doppelglas - schützt die Räume der Notruf- und Einsatzleitstelle im Zentrum Hamburgs gegen Eindringlinge von außen. Es ist zwar nicht bekannt, dass je jemand versucht hätte, mit Gewalt in eine solche Zentrale vorzudringen, aber Sicherheit; so Steffen Niemann, der für die Technik zuständige Mitarbeiter der Power GmbH - Personen Objekt Werkschutz - Sicherheit bedeute eben auch, auf alles Vorstellbare vorbereitet zu sein. Dass der Zugang für manche Leute attraktiv wäre, ist zumindest gut vorstellbar. Hier lagert das Unternehmen unter anderem die Schlüssel für die Objekte, die es bewacht. Vor allem jedoch laufen in den kleinen Räumen 24 Stunden am Tag sicherheitsrelevante Information ein. O-Ton (Niemann) Da sehen sie zum Beispiel: Es gibt hier die Brandmelder oder Störung der Klimaanlage oder der Heizung oder Störung der Notstromversorgung. Das kann man alles an eine Übertragungstechnik anschließen und kann das eben hierher übertragen lassen, damit dann auch darauf reagiert werden kann. Störung der Notstromversorgung ist von Interesse, wenn dort hochwertige IT-Anlagen sind... [hier wegblenden und in Atmo vermischen] Sprecherin Drei Männer haben ständig Dienst in der Einsatzzentrale. Sie lesen die kurzen codierten Meldungen, die die kleinen Drucker aus dem Instrumentenschrank ständig ausspucken, dirigieren Streifenwagen oder beobachten die Monitore. Obwohl es an jeder Ecke piept, Telefone klingeln und ein wahrer Strom von Meldungen und visuellen Informationen einläuft, ist die Atmosphäre ruhig und konzentriert. Tatsächlich erfordern die wenigsten Nachrichten, die eintreffen, sehr schnelles Handeln. Kühltruhen oder Heizungen melden, dass sie nicht mehr laufen, Alarmanlagen oder Lichtschranken berichten, dass die nicht aktiviert wurden - mit solchen eher unspektakulären Ereignissen müssen sich die Männer in der Einsatzzentrale vor allem beschäftigen. Drei- bis vierhundertmal im Monat müssen die Einsatzfahrzeuge raus und einen Alarm verfolgen. Der Einbruchsalarm bildet jedoch auch dabei die Ausnahme. Davon gibt es pro Monat etwa drei. Darüber hinaus hat man in der Notrufzentrale auch noch andere Orte im Auge. O-Ton (Niemann) Hier ist es so, dass der Auftraggeber ein Problem hat, dass dort Gruppen von Jugendlichen sich in diesen Treppenhäusern häufig aufhalten, dort verbotenen Tätigkeiten nachgehen und dort auch randalieren. Und deswegen hat er da Kameras in den Treppenhäusern installiert. Wenn da die Jugendlichen sich aufhalten, werden die Kameras automatisch einen Alarm geben, hier ein Bild hoch schalten, wir könnten das dann sehen und haben in dem Fall auch mit der Polizei, in dem Stadtteil, wo sich das befindet, eine Art Vereinbarung geschlossen, dass die schnell und kurzfristig dahin fahren und diese Versammlung auch wieder auflösen. Sprecherin An 32 Orten im Raum Hamburg sind Kameras installiert, zu denen von der Einsatzzentrale aus regelmäßig geschaltet wird. Meist sind es Industrieareale, isoliert liegende Lagerflächen oder Parkplätze. Steffen Niemann: O-Ton (Niemann) Ich habe jetzt hier ein Livebild und könnte jetzt die Kameras auch entsprechend umstellen. Ich kann jetzt da also durch die Kameras durchgehen und kann auch die Kameras an sich bewegen, schwenken, neigen, die Auflösung verändern, den Fokus verändern und hätte hier unter Umständen die Möglichkeit jetzt bei dem LKW, der hier steht und der mir aus irgendeinem Grunde komisch vorkommt, so weit ranzuzoomen, dass ich vielleicht das Kennzeichen erkennen könnte. Sprecherin Auf einem anderen Monitor ist ein Stadtplan zu sehen. Drei kleine Punkte bewegen sich langsam über den Schirm. Es sind drei Streifenwagen der Power GmbH. O-Ton (Niemann) Wir haben hier drei Fahrzeuge auf dem Schirm, die spezielle Streifendienste fahren, die rund um die Uhr draußen sind, die wir deswegen auf diesem Wege so ein bisschen unter Beobachtung haben. Wir können auf einen Blick sehen, wo sind die Fahrzeuge. Wir können überwachen, ob sie zu bestimmten Zeitpunkten an bestimmten Orten sind, wo sie sein sollen und wir können jederzeit den Zustand des Fahrzeugs sehen. Sprecherin Dass die Mitarbeiter ständig von der Zentrale aus beobachtet werden, soll ihrem Schutz dienen, hat allerdings auch den Effekt, dass sie selbst unter permanenter Bewachung stehen. O-Ton (Niemann) Es erfordert eine Menge Überzeugungsarbeit und es muss den Mitarbeitern auch klar sein, dass es hier mehr darum geht, ihm zu helfen und dem Schichtführer die Möglichkeit zu geben, bestimmte Entscheidungen schnell und sicher zu treffen. Das sind also Dinge, die man immer wieder mit den Fahrern besprechen muss, weil die Fahrer sich beobachtet fühlen und sagen: Ich will nicht, dass der sieht, wann ich mein Frühstück mache. Das ist auch immer die Frage: Unter Mitarbeitern ist es so: Die am lautesten schreien, am lautesten ihre Rechte einfordern, das sind häufig auch diejenigen, bei denen man am schnellsten was feststellen würde. Sprecher Dem Phänomen, dass Systeme, die der Sicherheit und dem Komfort dienen sollen, als Neben- oder heimlichen Haupteffekt auch eine stärkere Kontrolle ermöglichen, ist Constanze Kurz von der Berliner Humboldt-Universität schon häufig begegnet. O-Ton (Kurz) Genauso wie das LKW-Mautsystem an den Autobahnen erst mal der Abrechnung dient, aber mittlerweile natürlich auch ein Kontrollinstrument für den Arbeitgeber geworden ist. Das hat oft diese Dualität, diese Systeme. Dass sie eben eine gewisse Sicherheit erreichen oder auch nur suggerieren können und gleichzeitig die, die es benutzen müssen, in ein starkes Überwachungsraster zwängen. Sprecher Die Informatikerin beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit Überwachungstechnologien und Fragen des Datenschutzes. Sie kritisiert, dass die Informationssammlung durch private Sicherheitsdienste für staatliche Stellen kein Thema ist. O-Ton (Kurz) Theoretisch gibt es Kontrollmöglichkeiten, wie sie eben die Landes- und Bundesdatenschutzbehörden übernehmen sollten. Sie finden nur faktisch nicht statt, weil einfach die Besetzung vom Personal her zu gering ist und die Anzahl der zu überwachenden Privatunternehmen viel zu hoch. Sprecher Bedarf für mehr Kontrolle und Regelung gäbe es schon. In den Zentren der Städte kann man kaum noch einen Meter gehen, ohne im Sichtfeld irgendeiner Kamera zu sein. Freiburger Studenten haben sich die Mühe gemacht und die sichtbaren Kameras in ihrer Innenstadt gezählt. Sie sind auf 140 gekommen, ein großer Teil davon ist in Geschäften installiert, rund 40 filmen im öffentlichen Raum. Die Kameras werden fast durchgängig von privaten Sicherheitsdiensten betrieben. O-Ton (Kurz) Man hat oft Schwierigkeiten, den Zuständigen heraus zu finden. Normalerweise sollte man sich ja an jemandem wenden können, etwa wenn man an einem Buchladen vorbei geht und der filmt die Passanten, dass man dann fragen könnte. Das ist halt oft sehr schwer, weil man nicht weiß, wer betreut jetzt diese Kamera. Bei so Publikumsgeschäften wie Cafes oder Shops, da ist ja oft noch ein Schild, dass man Videoüberwachung sichtbar macht mit einem Hinweisschild. An den Straßen, wenn man an Gebäuden mit Behörden oder Unternehmen vorbei geht, dann fehlen diese Schilder oft. Sprecher Entgegen landläufigen Vermutungen werden die Bilder der meisten Kameras von niemandem gesichtet, das meiste läuft direkt in den Speicher und wird nur bei Bedarf angesehen. Sonst ließe sich die Bilderflut auch gar nicht bewältigen. Die Sicherheit, die die Installation einer Kamera verspricht, ist insofern allerdings auch nicht gewährleistet. Trotzdem hat die Videoüberwachung in den letzten Jahren massiv zugenommen. O-Ton (Kurz) Ich denke zum einen natürlich, dass die Technik viel preiswerter geworden ist, aber auch die Dienstleister, die die erst mal anbringen, aber auch nachher sich mit den Videomaterial auseinandersetzen, sind viel, viel preiswerter geworden. Die haben ja heute in der Regel so genannte 5-Euro-Kräfte, die die Bilder dann auswerten. Ich denke, es ist auch eine gewisse Sicherheitshysterie entstanden, die dazu geführt hat, dass immer mehr solche Systeme installiert werden. Sprecher Für 80 Euro kann sich jeder bei einem Elektronikversand mit einer einfachen Überwachungsanlage ausrüsten und die Nachfrage nach solchen Systemen ist riesig. Insgesamt blickt die Branche einer einträglichen Zukunft entgegen. Einer Studie der Hamburger Berenberg Bank zufolge kann sie mit stabilen Wachstumsraten rechnen. Dass die letzte Woche veröffentlichte Kriminalstatistik Rückgange in fast allen Bereichen der Kriminalität verzeichnet, wird daran nichts ändern. Sicherheit ist eine Ware geworden, eine sehr gefragte dazu. Neue Techniken und Identifikationssysteme werden in den nächsten Jahren im Sicherheitsgewerbe Einzug halten. Die Überwachung von Personen- und Warenbewegungen wird teilweise automatisiert werden und die Firmen werden dadurch in Besitz zahlreicher biometrischer Daten kommen. Bis dahin sollte auch den Behörden und der Politik klar werden, dass es hier Regulierungs- und Kontrollbedarf gibt. Sonst werden sie irgendwann ähnlich überrascht sein wie bei den Datenskandalen der Telekom oder der Deutschen Bahn. Spr. vom Dienst Vom Bürgerrecht zur Ware? - Sicherheit wird zur Boombranche Von Martin Hartwig Es sprachen: Viola Sauer und Joachim Schönfeld Ton: Bernd Friebel Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Stephan Pape Produktion: Deutschlandradio Kultur 2009 1