COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Forschung und Gesellschaft Redaktion: Kim Kindermann Sendetermin: 16.12.10 Kein Blut am Handy Der geochemische Fingerabdruck für kongolesisches Coltan von Jan Lublinski Atmo Strasse F 950 Atmo im Taxi 4'10 Sprecherin: Marcel Ngcobo arbeitet sieben Tage die Woche. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang steuert er sein grün-weiß bemaltes Taxi durch das Verkehrschaos und die Hitze von Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo. 1 OTON MARCEL 54'' Toutes les routes sont mauvaises. (....) Ceci cela. Mais le pays ne tourne pas. ÜBERSETZER: "Alle Straßen hier sind schlecht. Wir stehen ständig im Stau. Überall in der Stadt. Vor den Wahlen sagen die Politiker: wählt mich, ich werde dies machen, ich werde das machen. Aber die Bauarbeiten und das Land kommen nicht voran. Sprecherin: Wenn Marcel Ngcobo unterwegs Durst hat, lässt er sich Wasser in einem durchsichtigen, verschweißten Plastikbeutel von Kindern hereinreichen, die als Straßenhändler arbeiten. Seinen eigenen Nachwuchs sieht er oft nur bei Dunkelheit, erzählt er. Denn das Geld, das er verdient, reicht kaum, um seine achtköpfige Familie zu ernähren. 2 OTON MARCEL 1'55 Il y a des femmes qui pleurent. Ici pour faire le marché il faut au moins 5, 6 milles Francs. ... OTON 3'07 C'est un pays riche. Il y a le petrol, il y a le bois. Il y a les matières premières. Mais ce sont les autorités qui gèrent mal le pays. ÜBERSETZER: Die Frauen weinen, wenn sie am Ende des Monats einkaufen sollen und kein Geld mehr da ist. Eigentlich sind wir ja ein reiches Land. Wir haben das Öl, wir haben die Tropenhölzer und die anderen Rohstoffe. Aber unsere Regierung führt es schlecht. Sprecherin: Die Lage der Menschen in der Republik Kongo, auch Kongo-Brazzaville genannt, ist schlimm, aber sie ist doch deutlich besser als die Situation 1200 Kilometer weiter östlich, in der Provinz Kivu des Nachbarlandes, der Demokratischen Republik Kongo. Hier leben die meisten Menschen inmitten von Anarchie und Gewalt. Soldaten und Kinderbanden überfallen nachts die Dörfer und richten Massaker von unfassbarer Grausamkeit an. Mehr als 1,8 Millionen Menschen sind im Osten Kongos auf der Flucht, schätzt das Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen. Es mangelt an Nahrungsmitteln, Infrastruktur und medizinischer Versorgung. Geld für Waffen ist indes im Überfluss vorhanden. Sie werden direkt durch den Verkauf von Bodenschätzen finanziert: Gold, Zinn, Wolfram gehören dazu, aber vor allem auch das seltene Erz Coltan. 3 OTON EIGEN 2'15 Da ist es leider so, dass die Menschen in ziemlich gefährlichen und unmenschlichen Umständen arbeiten müssen, um informell mit Schaufeln und Sieben und bloßen Händen zum Teil dieses Metall aus Löchern zu holen. Sprecherin: Peter Eigen, Gründer der Anti-Korruptionsorganisation "Transparency International" und Vorsitzender der Extractive Industries Transparency Initiative, EITI (sprich: i-ei-ti-ei). 4 OTON EIGEN Forts. Und dann werden sie noch von den Militärs, zum Teil von den Militärs der Regierung, also Kinshasa, häufig aber auch die Militärs, die von den Rebellen übrig geblieben sind, ausgebeutet. Sprecherin: Coltan ist sehr wertvoll. Das seltene Erz enthält das Metall Tantal, das für den Bau von kleinen, elektronischen Geräten verwendet wird. Geräte, die wir benutzen - täglich. Zahlreiche Studien kommen zu dem Schluss, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang gibt zwischen dem Krieg im Kongo und dem weltweiten Handy-, Digitalkamera- und Spielkonsolen-Boom. Den Kriegsparteien im Kongo geht es darum, möglichst viele der kleinen Minen unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Zwischenhändler zahlen gutes Geld, bevor sie die Rohstoffe säckeweise mit kleinen Flugzeugen und Hubschraubern an die Grenze zu Ruanda und Uganda schaffen. Und die Milizen investieren das eingenommene Geld direkt wieder in neue Waffen. 5 OTON EIGEN 5'05 Das ist das, was viele von uns, von den Nichtregierungsorganisationen, kritisieren, dass die Militarisierung des Rohstoffsektors im Kongo dazu führt, dass die Rebellen sich Waffen kaufen können, dass die Begierde der Offiziere, die da ihr Unwesen treiben, geweckt wird. Und dass auf diese Weise dieses unsäglich Leiden, das zu fünf Millionen Toten in den letzten Jahren geführt hat, dass dieses Leiden weiter geht. Sprecherin: Die anhaltende Nachfrage nach Rohstoffen wie Coltan ist Afrikas Fluch. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Politiker und Wirtschaftsvertreter, aber auch Wissenschaftler erproben derzeit neue Wege zu mehr Transparenz. Mit internationalen Initiativen bemühen sie sich um die Offenlegung von Geldzahlungen zwischen Rohstoffunternehmen und Regierungen. (....) Wissenschaftler entwickeln zusätzlich neuartige geochemische Prüfsysteme, mit denen sich die Herkunft des Rohstoffes Coltan und anderer Metalle bestimmen lässt. Sie wollen durch Messungen im Labor herausfinden können, woher eine Lieferung stammt. Darüber hinaus richten sie Zertifizierungssysteme ein, die Käufern die Gewissheit geben sollen, dass der Rohstoff, den sie erwerben, nicht aus einer Bürgerkriegsregion stammt. 6 OTON EIGEN 10'40 Jeder behauptet von sich, dass er nur mit legitimem Material handelt, und dabei ist es ganz klar, von den Statistiken, dass sowohl in Ruanda, Uganda und Burundi als auch in Tansania mit geschmuggeltem Material gehandelt wird. Und da braucht man meines Erachtens so eine Koalition zwischen Regierung oder Regierungsstellen, dem Privatsektor, und zwar sowohl die Produzenten als auch die Käufer, und der Zivilgesellschaft, die sich da sehr rege beteiligen will. Und dieses Dreiecksverhältnis zwischen den drei Akteuren, könnte dazu führen, dass man glaubwürdig diese Zertifizierung auch in andere Länder exportieren kann. Sprecherin: Wer einen allmählichen Umbau eines Systems hin zu mehr Transparenz erreichen will, der muss möglichst viele Vertreter dieses Systems ins Boot holen. Das ist die Grundidee der neuen Initiative EITI. 8 OTON RUNGE 25 SG 1'50 Die Idee war, dass diese Staaten aus freiwilliger Verpflichtung beginnen, ihre Einnahmen und Geldflüsse in diesem Rohstoffsektor offen zu legen, um Armutsbekämpfung zu betreiben. Sprecherin: Auch der Geograph Jürgen Runge von der Universität Frankfurt am Main bemüht sich um EITI. Er ist derzeit im Auftrag der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit in Zentralafrika unterwegs, um den Prozess voranzubringen. 32 Länder südlich der Sahara haben inzwischen EITI-Kandidatenstatus erreicht, darunter Kongo Brazzaville und die Demokratische Republik Kongo. Das heißt: Sie haben Sekretariate eingerichtet, die sich darum bemühen, Daten zu sammeln und öffentlich zu machen. Darüber hinaus müssen die Regierungen Vertreter von Wirtschaft und Zivilgesellschaft an dem Prozess beteiligen, das heißt auch Mitarbeiter von Nicht-Regierungsorganisationen, den sogenannten NGOs. 10 OTON RUNGE 26 7'20 Wir laden, wenn wir Workshops und Seminare haben, Leute zusammen ein, die sich sonst nicht begegnen würden. Unter anderem eine bekannte NGO ist "Publish What You Pay" - "Veröffentliche, was Du zahlst." Wo eben Hintergrundinformationen zu Vertragsgestaltungen, zu Geldzahlungen, zu Steuerbefreiungen eingefordert werden. Und "Publish What you Pay" hat das in den letzten Jahren sehr intensiv in vielen Ländern gemacht. Hat aber auch häufig Repressalien erleiden müssen. Es ist nicht ganz ungefährlich gewesen für manche Partner. Atmo Strasse F 950 Atmo im Taxi 4'10 Sprecherin: 11 OTON MOUNZEO 27 21'55 Il a suffit que on a signe une lettre ... comme des enemis de la republique. ÜBERSETZER: Wir sind plötzlich als Feinde der Republik behandelt worden, nur weil wir einen Brief an den Internationalen Währungsfonds geschrieben haben, in dem wir uns für die gute Regierungsführung in unserem Land eingesetzt haben. Sprecherin: Christian Mounzëo (sprich: Christio Muz-e-o (französisch)) ist Bürgerrechtler und Mitarbeiter von "Publish What You Pay" in Kongo-Brazzaville. Er hat bereits mehrfach im Gefängnis gesessen, zuletzt im Jahr 2006, und ist dort gefoltert worden. In den vergangenen Jahren aber hat sich für Mounzeo die Lage verbessert, berichtet er. Die Regierung sieht in ihm jetzt einen Partner im EITI- Prozess, zumindest offiziell. ATMO 947 Finanzministerium Sprecherin: Mitten in Brazzaville, zwischen Geschäften und Restaurants, befindet sich das Finanzministerium der Republik Kongo. Der Eingang ist unbewacht, in den dunklen, schmalen Gängen sind viele Leute zwischen den Büros unterwegs. Ganz am Ende eines langen Korridors befindet sich das Büro von Michel Okoko, dem EITI-Sekretär für Kongo-Brazzaville. 12 OTON OKOKO 28 6'16 La transparence. La transparence. ... publions sur internet régulièrement toutes les donnés sur nos ressources pétrolières. 7'05 Les operateurs pétrolières vont gagner, parce ce que ca va être clair ce qu'ils payent. Le Congo va ganger par ce que il y ...on veut pas de corruption, on ne veut pas de tricherie. 9'31 Il y a quelques jours nous avons organisé une visite de la société civile sur les plateformes pétrolières. Ils sont allés. (...) Ils sont membre des EITI, ils sont même les moteurs. Nous on a apprécié le travail important de la société civil. C'est tres important. ÜBERSETZER: Die Regierung des Kongo hat sich sofort für die Transparenz im Rohstoffsektor entschieden. Und jetzt publizieren wir regelmäßig im Internet die Daten zu unseren Ölressourcen. Das Parlament wird Klarheit über die Einnahmen haben. Die Ölgesellschaften profitieren, weil dann klar sein wird, wie viel sie bezahlen. Und die Bevölkerung wird auch durch das Engagement der Zivilgesellschaft vertreten. Verlieren werden diejenigen, die dem System schaden. Wir wollen keine Korruption und keine Betrügerei. Vor wenigen Tagen erst hatten wir einen Besuch der Vertreter der Zivilgesellschaft auf unsere Ölplattformen organisiert. Sie gehören zu EITI, sie waren sogar die Motoren dieses Prozesses. Wir haben die wichtige Arbeit, die sie leisten anerkannt. Das ist sehr wichtig. Sprecherin: Kongo-Brazzaville ist bereit vor zwei Jahren als EITI-Kandidat zugelassen worden - Anfang März 2010 ist die Frist für den Abschluss des EITI-Prozesses abgelaufen, doch Michel Okoko war noch nicht so weit. Er musste eine Verlängerung bis zum Sommer beantragen. In den kommenden Monaten wird nun ein sogenannter Validator die verschiedenen Maßnahmen seines Landes prüfen. Zwei Länder haben bereits jetzt den gesamten EITI-Prozess erfolgreich durchlaufen: Aserbeidschan und Liberia. Sie dürfen sich jetzt als EITI-"konform" bezeichnen. Eine Auszeichnung, die besagt: Diese Länder sind auf dem richtigen Weg. Atmo Musik hoch Sprecherin: Transparenz wird also immer mehr zum Schlüsselthema für die Entwicklung Afrikas. Wenn es gelingt, Unternehmen, Regierungen, Menschenrechts- und Umweltgruppen vor Ort einzubinden, dann besteht auch die Chance, etwas zu verändern - ohne dass dabei die Rohstoffwirtschaft in Afrika schaden nimmt. 16 OTON EIGEN 6'20 Man darf nicht vergessen, dass Millionen von Menschen von diesem informellen Rohstoffsektor leben. Und wenn man das von heute auf morgen abschneiden würde, würde man größtes Elend verbreiten. Deswegen sind wir auf der Suche nach fast chirurgischen Möglichkeiten einzugreifen, um einzelne Metalle, die aus einzelnen Bereichen kommen, um die unter Umständen mit Bedingungen zu versehen, die dann vielleicht unter dem Druck des Embargos stehen werden. die aber nicht allgemein diesen ganzen informellen Bergwerksektor im Osten Kongos lahm legen würden. Sprecherin: Gezielten Maßnahmen gegen das sogenannte Blut-Coltan aus Afrika sind aber nur dann möglich, wenn sich auch in den reichen Ländern eine neue Transparenz im Rohstoffmarkt durchsetzt. Seit den 90er Jahren protestieren Menschenrechts- und Umweltorganisationen gegen die kriegsfördernden Coltan-Importe aus Afrika. Mit dem Slogan "Kein Blut auf meinem Handy" machte etwa eine belgische Kampagne darauf aufmerksam, dass das seltene Erz Coltan aus Bürgerkriegsgebieten im Kongo importiert wird. Es hängt also insbesondere auch von den Verbrauchern ab, ob sie ihre Macht nutzen. Letztlich sind sie es, die der Industrie klar machen können, dass sie kein Blut am Handy wollen. Und in der Tat zeigt der öffentliche Druck der vergangenen Jahre Wirkung. IT- Hersteller und Mobilfunkunternehmen wie Apple, Intel, Nokia oder Sony verlangen heute von ihren Zulieferern, dass das Tantal, mit dem sie arbeiten, sauber ist. Aber wirklich kontrollieren können sie die Zusagen, die man ihnen gibt, bislang nicht. ATMO Fabrik Sprecherin: Auf dem Betriebsgelände des Spezialpulverherstellers H.C. Starck im niedersächsischen Goslar wird derweil der kostbare Tantalrohstoff regelmäßig angeliefert. Er kommt in blauen Fässern, die von einem Gabelstapler durch ein Tor in eine große Betriebshalle gefahren werden. Coltan ist ein seltenes Erz, das die beiden Metalle Tantal und Niob enthält. Offiziell wird es nur an wenigen Orten in der Welt gefördert, vor allem in Australien und Brasilien. Der größte Anteil der Weltproduktion aber stammt aus dem Kleinbergbau im Kongo. Das Material in der Betriebshalle landet in einer schallgedämpften Kammer, aus der trotzdem noch einiger Lärm nach außen dringt. 16a OTON CYMOREK 61 6'20 Das sind zwei Schwingmühlen, die das Tantalerz in trockenem Zustand herunter mahlen auf eine Feinheit von 60 Mikrometer. Also Staub von einer sandartigen Konsistenz auf eine staubfeine Konsistenz. Sprecherin: Der Metallurgie-Experte Christian Cymorek kippt den Metall-Staub anschließend in eine besonders aggressive Flüssigkeit: Flusssäure. Sie trennt das Tantal von den anderen Bestandteilen ab. Am Ende bleibt dann ein schwarz-graues Pulver übrig: 98-prozentiges Tantal. 17 OTON CYMOREK 7 G 6'38 Die Kunst ist letztlich, von den paar Gramm pro Tonne, die erst mal im Gestein, im Erz vorhanden sind, da auf die reine Form des Metalls zu kommen. Und das mit möglichst wenig Aufwand. Sprecherin: H.C. Stark gehört zu den wenigen Chemiefirmen weltweit, die die aufwändige Abtrennung und Verarbeitung von Tantal beherrschen, einem Material, das wichtig ist als Zugabe für besonders harte Stähle, wie sie in Raketen oder Turbinenschaufeln zum Einsatz kommen. Der größte Markt aber sind winzige Kondensatoren. Elektronische Bauteile also, die elektrische Ladungen speichern können. Tantal- Kondensatoren sind besonders klein, zuverlässig und hitzebeständig - und darum sehr geeignet für kleine elektronische Geräte. 18 OTON SCHNITTER 10 3'22 Sprich: immer die neuste Generation von Mobiltelefon, Laptops und so weiter. Das ist auch da wo die Tantal-Kondensatoren zum Einsatz kommen. Also PDAs und MP3- Player und solche Sachen. Sprecherin: Christoph Schnitter von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die Firma H.C. Starck ist weltweit bekannt für die besondere Qualität ihrer speziellen Metallpulver. Im Jahr 2000 aber gab es negative Schlagzeilen: In einem Zwischenbericht der Vereinten Nationen wurde der Firma vorgeworfen, Tantal aus Krisenregionen im Kongo bezogen zu haben. Der Imageschaden für die Firma war immens. Menschenrechtsgruppen haben seither immer wieder die Verstrickungen des Unternehmens in Afrika angeprangert. Nach den Vorwürfen arbeitete H.C. Starck mit dem UN-Gremium zusammen, und in der Abschlusspublikation wurde das Unternehmen nur noch unter den "geklärten Fällen" aufgeführt. Seit den Prüfungen habe seine Firma kein Tantal mehr aus Afrika bezogen, sagt Unternehmenssprecher Manfred Bütefisch. 19 OTON BÜTEFISCH 11 16'40 Wir haben das mit Händlern gemacht, mit denen wir langjährige Erfahrungen gehabt haben und die uns als zuverlässig erschienen. Wir sind dann, in Zusammenarbeit mit dem Panel, und mit der Aufarbeitung dazu gekommen und haben festgestellt, dass der eine oder andere Händler in Bezug auf die Herkunft, die er uns bescheinigt hat, nicht die Wahrheit gesagt hat. Und wir haben dann sehr schnell gesehen, dass wir angesichts des andauernden Krieges in Ostafrika und der DRC, dass das keine verlässlichen Partner sind. Und dass wir dort kein Material kaufen können und das halten wir bis heute durch. Sprecherin: Das Goslarer Unternehmen würde sofort wieder Material aus Afrika beziehen, wenn es einen Weg gäbe, saubere Lieferungen von Blut-Coltan zu unterscheiden. Peter Eigen von EITI. 20 OTON EIGEN 9'30 Die Erze werden ausgeführt, die werden in Malaysia und anderen asiatischen Staaten vermischt mit anderen Mineralien und kommen dann hinterher in einer Form in den Weltmarkt zurück, so dass Firmen wie Siemens oder Nokia sagen können, ja in unseren Mobiltelefonen ist vielleicht dieses Coltan drin, aber ihr könnt nicht verlangen von uns, dass wir uns zum Schulmeister der Welt aufwerfen. Und insofern war das immer unmöglich da etwas zu machen. - Und diese neuen technischen Möglichkeiten, die es da jetzt gibt, die sind erfolgversprechend. Atmo: Leute im Labor 40 4'51 21 OTON MELCHER 12 8'33 (...) Hier, das sind Coltan-Körner ATMO aus dem Kongo. Die werden eingebettet (...) und anpoliert (....) Dass das ne ganz ebene Oberfläche kriegt. Sprecherin: An der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover hat der Geologe Frank Melcher eine Coltan-Sammlung angelegt: Kleine durchsichtige Döschen und Plastikhüllen mit Gesteinsproben, die er auf seinem Arbeitstisch hin und her sortiert. Daneben legt er farbige Ausdrucke, die von Elektronenmikroskop- Aufnahmen stammen: Stark vergrößerte Bilder, die ein wenig an bunte Terrazzo- Böden erinnern. 22 OTON MELCHER 13 21'30 Man sieht hier schon auf den ersten Blick, wenn man jetzt Coltanproben unterschiedlicher Provenienz vergleicht: Das ist ne Probe aus Ruanda - gegen diese aus Australien. Die Farbverteilung ist ne ganz andere. Hier ist viel mehr Tantal- Mineral drin, diese fleischfarbenen hier. Relativ wenig von den roten, diese fehlen hier komplett. (...). Also es ist schon ne ganz unterschiedliche Mineralogie. Sprecherin: Frank Melcher führt seine Gesteinsproben gern vor. Begeistert erzählt er von den verschiedenen Gesteinsvorkommen in Afrika, von der positiven Resonanz, die er auf seine Publikationen und Fachvorträge erhält, und von chemischen Messverfahren, mit denen er die Herkunft umstrittener Erze zweifelsfrei nachweisen kann. 22a OTON/ATMO 13a 3'55 LASER AN (... ) Ich sag ihm, er soll jetzt feuern (...) Wenn ich den Shutter jetzt öffne, sehen wir wie der Brennfleck auf der Probe zu arbeiten beginnt. OBEN, ATMOLASER aus (...) (4'42 Atmo Laser Ziepen) Sprecherin: Im Brennpunkt eines Laserstrahls verdampft ein wenig Erz und wandert in ein sogenanntes Massenspektrometer. Melchers Kollege Hennjes Kunst wird so das Alter der Probe bestimmen. ATMO 4'38 Klappen 23 OTON/ATMO LODZIAK 13 1'59 Jetzt wird die Schleusenkammer evakuiert. Und wenn das Vakuum in der Schleusenkammer gut genug ist, dann kann ich das Tor zur Probenkammer öffnen und den Schliff rausziehen. Sprecherin: In einem Nachbarlabor: Eine Elektronenstrahl-Mikrosonde: Ein raumfüllendes, mikroskopartiges Gerät, eine Elektronenstrahl-Mikrosonde in die der Techniker Jerzy (Sprich: iersch) Lodziak flach geschliffene Coltanproben einführt. 24 OTON LODZIAK 13 1'59 (...) jetzt wird die Schleusenkammer belüftet. (...) Dann öffne ich die Schleusenkammer und kann die Schliffe tauschen. Sprecherin: Im Inneren des Gerätes wird ein Elektronenstrahl auf verschiedene Stellen ausgewählter Coltan-Körner gerichtet. Dabei entstehen Röntgenstrahlen, deren Wellenlängen Aufschluss geben über die chemischen Elemente in der Probe. 25 OTON MELCHER 14 SG 11'26 Und sehe auf den ersten Blick: Welche Elemente sind an dieser Stelle in der Probe vorhanden und auch in welchen Mengen. Da ist das Tantal, das Niob, das Mangan, das Eisen, ich sehe ein bisschen Titan. Sprecherin: 100 gezielter Messungen an einzelnen Coltan-Körnern können Melcher und Lodziak an einem Tag durchführen. Mit dieser und anderen Messmethoden entstehen große Datenmengen, die von den Geoforschern statistisch analysiert werden. Insgesamt können sie dann mit großer Sicherheit sagen, woher das Material in einer Probe stammt. In vielen Fällen ist dies sogar dann möglich, wenn Coltan aus verschiedenen Lagerstätten vermischt wurde. 26 OTON MELCHER 15 23'31 Da kann ich dann tatsächlich Namibia-Material von Kongo und Ruanda abtrennen. Und letztendlich einzelne Liefergebiete im Kongo. Sprecherin: "Geochemischer Fingerabdruck" oder Englisch "Fingerprinting" für Coltan nennt sich die Methode. Den wissenschaftlichen Nachweis, dass die Methode funktioniert, haben Melcher und Kollegen längst erbracht - sie hoffen nun, dass sie tatsächlich einen Beitrag dazu leisten können, den Coltan-Markt transparenter zu machen. 27 OTON MELCHER 16 8'37 ...dass also wirklich saubere Produkte aus Afrika geliefert werden. (...) Das ist ja das Ziel: Wir wollen eine Handelskette, wo europäische oder auch amerikanische Unternehmen direkt Material aus Afrika beziehen können. Was sie zur Zeit nicht können. Sprecherin: Doch dieser geochemische Fingerabdruck für Coltan ist nur ein Pfeil im Köcher der Geologen aus Hannover. Im Auftrag der Bundesregierung bemühen sie sich neuerdings auch um so genannte "zertifizierte Handelsketten". Sie wollen ein System aus Melde- und Prüfverfahren etablieren, das die Förderung und den Handel von metallischen Rohstoffen transparent machen soll: Wolfram, Zinn, Gold und Coltan. In diesem Rahmen soll dann der "geochemische Fingerabdruck" die Rolle eines zusätzlichen Prüf-Instrumentes spielen, das zunächst am Coltan erprobt wird. 27 OTON MELCHER 17 SG 34'30 Ich denke mal, so werden wir Inseln von doch relativ über dem Durchschnitt stehenden Standards und vor allen Dingen von Transparenz schaffen. (....) Und diese Inseln, wenn die mehr werden, werden dann die ganze Region in die Lage versetzen, tatsächlich signifikante Mengen legal und sauber gewonnenen Materials zu verkaufen auf den Weltmarkt. Sprecherin: Bei anderen Rohstoffen gibt es inzwischen Erfahrungen mit zertifiziertem Handel: Für Tropenhölzer etwa ist das FSC-Siegel sehr erfolgreich. Diamanten werden seit dem Jahr 2003 weltweit nach dem so sogenannten Kimberley-Prozess zertifiziert: Für jeden Diamanten wird ein Begleitpapier ausgestellt, das dann mit dem Edelstein transportiert und verkauft wird. So soll verhindert werden, dass sogenannte Blutdiamanten aus Kriegsregionen in den Vitrinen der Juweliere landen. Jürgen Runge, Geograph von der Universität Frankfurt am Main. 28 OTON RUNGE 20 SG 11'47 Der Kimberley Prozess funktioniert sicher auf europäischen Märkten recht gut. Aber es ist auch ein leicht manipulierbarer Prozess. Der Diamant bekommt ein Begleitpapier, ein Zertifikat. Aber dieses Zertifikat lässt sich auch fälschen, bzw. wir haben auch Märkte in Asien, wo nicht oder wenig nach diesem Zertifikat gefragt wird. Sprecherin: Ein Betrug mit Kimberley-Zertifikaten lässt sich also nur schwer kontrollieren oder verhindern. Beim Coltan hingegen böte der "Geochemische Fingerabdruck" die Möglichkeit, zu überprüfen, ob das Material, das ein Händler liefert, tatsächlich aus einer sauberen Produktion stammt. 29 OTON MELCHER 32 51 6'30 Vor allen Dingen denke ich, dass der Druck, den die Elektronikindustrie zurzeit aufbaut, und den sie weitergibt an die Pulverhersteller und natürlich auch an die (..) Bergbauunternehmen, dieser Druck wird größer, so dass irgendwann auch die kleinen Bergbauproduzenten so unter Druck setzen wird, dass die von sich aus diesem Konzept zertifizierte Handelskette, kurze Handelswege, möglichst wenige oder keine Zwischenhändler - dass die da mitmachen müssen, weil die sonst ihr Material nicht mehr loswerden. Sprecherin: Die Firma H.C. Starck setzt neuerdings auf diesen Weg: Sie hat einen kleinen Bergbaubetrieb in Ruanda übernommen, "NRD Rwanda", und will die Lieferungen an der Bundesanstalt in Hannover zertifizieren lassen. Joern Voigt, Rohstoff-Manager bei H.C. Starck. 30 OTON VOIGT 33 55 15' Wir glauben, dass eigentlich die allerbeste Kontrolle über den Materialstrom von der Förderung bis zur Verarbeitung zu einem Kondensator, dass die beste Kontrolle dann besteht, wenn man die ganze Kette selbst in der Hand hat, das heißt wenn wir selbst fördern, dann brauchen wir nicht kaufen. Dann müssen wir nicht mit irgendwelchen Händlern, von denen wir nicht wissen, woher sie ihr Material beziehen, wir haben es dann aus unserer eigenen Mine, und da ist das Maximum an Transparenz möglich. Sprecherin: Die Gesteinsproben sind inzwischen in Hannover vermessen und in Frank Melchers Datenbank aufgenommen worden. Per Stichprobenanalyse kann der Geologe nun prüften, ob das, was in Goslar ankommt, wirklich aus der kleinen Mine in Ruanda stammt. 31 OTON MELCHER 35 22'00 Das ist natürlich ein idealer Fall, wenn eine Firma sich im Bergbau dort engagiert und auch selber importiert und auch sicherstellt, dass zugehandeltes, illegal abgebautes Material nicht in diese Handelskette reinkommt. Sprecherin: Im März 2009 veranstalteten die Geologen aus Hannover einen Zertifizierungs- Workshop in Ruanda, zu dem sie alle zehn Bergbaubetriebe des Landes einluden. Auf die neuen Ideen reagierten die afrikanischen Firmenchefs zunächst reserviert. Inzwischen aber haben sich, neben NRD, vier weitere Bergbaufirmen gemeldet, die ihre Handelsketten für Tantal, Zinn und Wolfram prüfen lassen werden. Sie wollen sich die Chance nicht entgehen lassen, bei einer neuen Entwicklung dabei zu sein. 32 OTON EIGEN 1'10 "Auf diese Weise kann man (...) ganz gezielt versuchen, die Mineralien oder anderen wertvollen Rohstoffe, die in Afrika ganz häufig zu Korruption, zu Gewalttätigkeit, zu Konflikten führen, ganz gezielt zu belegen mit, wenn's notwendig ist, einem Boykott oder mit irgendwelchen Bedingungen, die zum Teil ja von der Zivilgesellschaft verlangt werden und von den Konsumenten durchgesetzt werden können, wenn sie sich dazu bereit erklären. Sprecherin: Zunächst aber müssten die Geologen aus Hannover ihre neuen, in Ruanda erprobten Konzepte auf die instabilen Regionen der Demokratischen Republik Kongo übertragen. Ein ungleich schwierigeres Unterfangen. Gleichzeitig wird es auch Fortschritte beim EITI-Prozess, um den kongolesischen Rohstoffmarkt transparenter zu machen. Aber ob auf diesem Weg irgendwann die afrikanische Bevölkerung wirklich vom Reichtum ihres Kontinents profitieren wird, weiß im Moment niemand. Aber die neuen Ideen und Projekte sind zumindest Anlass für ein wenig Hoffnung. ENDE 1