COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel Sendung vom 26. Mai 2013 Amateure ohne Hallen Marode Sportstätten bedrohen den Vereinssport Von Thorsten Poppe Redaktion: Sabine Gerlach "Wenn wir jetzt hier aufschließen, dieser Anbau ist so der Charme der 50ziger Jahre." Unterwegs im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit Sportamtschef Detlef Ossenkopp und Gunnar Eiche. Eiche ist Platzwart und Verwalter und betreut unter anderem das Johann-Trollmann Boxcamp in einer alten Schulsporthalle in der Bergmannstraße: "Der Geruch ist natürlich dieser typische alte Schulgeruch, den kennt jeder Mensch, jeder zur Schule gegangen ist. (...). Alte Bodenfliesen, altes Linoleum, hier ist wirklich alles alt. Graue Fliesen an den Nasszellen, also schön ist anders." Der bauliche Zustand dieser Sporthalle stellt keine Ausnahme dar, sondern ist eher die Regel. Die Sanierung von Sportstätten hat hierzulande in den letzten Jahrzehnten so gut wie nicht stattgefunden. Vor allem die Sanitäranlagen der Johann-Trollmann- Halle zeugen von einem Zustand, der zuletzt vor über 60 Jahren modern war: "Jetzt sind wir im Sanitärbereich, hier haben wir noch Rotterrinnen, das sind Gemeinschaftswaschbecken mit Kaltwasserhähnen, die sind 60 Jahre alt, und die haben weit, weit ihren Zenit überschritten. 2 Duschplätze ebenfalls sehr alt. Hier ist eigentlich für heutigen Standard kann man sagen, hier ist nichts, wie es sein sollte (...). Es ist halt marode, eine marode Einrichtung." Die dazugehörige Schule ist vor Jahren geschlossen worden. Ohne ausreichende Investitionen hätte hier keiner mehr Kinder Sport treiben lassen können. Neben dem Sanitärbereich ist vor allem der Hallenboden vollkommen abgenutzt und kaputt, und es besteht eine hohe und ständige Verletzungsgefahr. Zum Glück teilen sich zurzeit drei Vereine die Sportstätte gemeinsam und haben hier einen Boxring fest aufgestellt. Sonst stünde die Halle komplett leer und würde noch weiter verfallen. Die Boxer sind eigentlich die Einzigen, die dieses marode Gebäude überhaupt noch irgendwie nutzen können. Das weiß auch Sportamtschef Detlef Ossenkopp, der für alle Hallen und Fußballplätze in Friedrichshain-Kreuzberg zuständig ist: "Wissen Sie das Schlimme ist eigentlich, da kommen wieder Wahnsinnssummen zusammen, die einfach unser Budget, das reicht ja nicht. Es ist jetzt schon abzusehen (...) 800.000, 900.000 Euro müssten wir bestimmt verbauen (...) Deswegen ist die Halle eigentlich auch nicht anders nutzbar, deswegen sind hier auch drei Boxsportvereine alleinige Nutzer." Doch es kommt noch schlimmer. Nicht nur der Innenbereich ist sanierungsbedürftig, vor allem in die Instandsetzung des Daches muss investiert werden. Denn über Jahre ist hier Wasser hinein gelaufen, so dass die Balken verfault sind, und die Dachpappe defekt ist. 150.000 Euro wird allein diese Maßnahme kosten. Solange die Reparatur nicht erfolgt ist, kommt es zu skurrilen Szenarien wie Gunnar Eiche berichtet: "Bei jeglichen Schneefall müssen wir die Halle sperren, weil Dach das überhaupt nicht mehr trägt. Und das ist für die Nutzer sehr ärgerlich, weil dann wird die von jetzt auf zu sofort zugemacht. Dann setze ich mich in meinen Dienstwagen, fahre hierher, schließe alles ab, und dann ist hier Schluss." Ein Beispiel stellvertretend für viele quer durch die ganze Republik. Die Sportstätten als wichtigste Ressource der über 90.000 Vereine verlieren wegen seines maroden Zustands immer mehr an Attraktivität. In Zeiten leerer Kassen wächst der dahinter stehende Sanierungsstau von Turnhallen und Sportplätzen mittlerweile auf eine gigantische Summe an, wie der Vizepräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes für Breitensport und Sportentwicklung Walter Schneeloch ermittelt hat: "Also der deutsche Sport hat (...) feststellen lassen, wie hoch der Sanierungsbedarf in Deutschland ist. Damals kam man sage und schreibe auf die Summe von 42. Mrd. Euro. Da kann man sich darüber streiten, ob es drei plus oder drei minus sind. Aber das ist eine solch immense Summe (...). Wir kämpfen einfach als organisierter deutscher Sport dafür, dass die Sportstätten in den Zustand versetzt werden, den unsere Menschen für ihr Bewegungs- und für ihr Sportbedürfnis benötigen." Je maroder die Spielstätte ist, desto unattraktiver wird der darauf spielende Verein für seine Mitglieder. Die bleiben weg, wenn der Trainings-und Wettkampfbetrieb nur noch stark eingeschränkt durchgeführt werden kann. Dadurch sehen die Verantwortlichen in Sport die weltweit einmalige Vereinslandschaft in Deutschland bedroht. Prof. Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln erstellt jedes Jahr im Auftrag der Bundesregierung den Sportentwicklungsbericht und sieht für den Mitgliederschwund und die bedrohte Existenz der Vereine allerdings noch weitere Ursachen: "Wir streiten nicht ab, dass es zahlreiche sanierungsanfällige und modernisierungsnotwendige Sportanlagen gibt in Deutschland. Insgesamt muss man aber sagen gibt es andere Probleme im Bereich der Sportversorgung, die größer sind. Bei den Vereinen sehen wir, dass insbesondere die Problematik im Personalbereich zunimmt. Von Übungsleitern angefangen bis hin zu den Vorstandspositionen. Und das ist eigentlich aus Sicht der Vereine, dass die Existenz der Vereine wesentlich um eine Vielfaches stärker bedroht, als die Sportstättensituation gegenwärtig." Nicht das fehlende Geld für die Sportstättensanierung, sage und schreibe 42 Milliarden Euro, stellt die größte Bedrohung für den Amateursport in Deutschland dar, ist aber eines seiner härtesten Probleme. Im Bereich des Personals kann der jeweilige Klub sich wenigstens noch selber aktiv um Ehrenamtler kümmern. Währenddessen ihm bei der Sportstätten die Hände gebunden sind und er auf die Unterstützung der Kommunen angewiesen ist. Denn von den rund 170.000 Sportanlagen in Deutschland werden über Dreiviertel von diesen verwaltet. Und die verfügen ja zurzeit kaum über Geldmittel, um wenigstens den jetzigen sanierungsbedürftigen Zustand der im Schnitt mehr als 30 Jahre alten Anlagen zu erhalten. Beim Deutschen Städte- und Gemeindebund, in dem die meisten Kommunen organisiert sind, ist Ralf Sonnenschein für die Sportanlagen zuständig. Er sieht vor allem starke regionale Unterschiede: "Differenziert müssen wir das natürlich betrachten, und zwar von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Ich möchte soweit gehen zu behaupten, dass wir in den neuen Ländern aufgrund einer in den letzten Jahren und Jahrzehnten relativ intensiven Sportförderung eine relativ guten Stand bis hin in die kleineren Kommunen erreicht haben. Notleidend sind einige Länder der alten Bundesrepublik beispielsweise Nordrhein-Westfalen, dort haben wir doch einen sehr massiven Investitionsbedarf zu verzeichnen." Zu Besuch in Nordrhein-Westfalen auf der Bülser Alm in Gelsenkirchen, der Heimat des SV Buer-Bülse. Der Fußballverein spielt hier schon seit Jahrzehnten und ist berühmt berüchtigt für seinen Sportplatz. Die kommunale Anlage liegt ein wenig erhöht über dem Kabinentrakt und macht nicht nur Fußballer im wahrsten Sinne des Wortes "besoffen". Krumm und schief verlaufen die Linien auf dem Platz, der mit seiner Hanglage ein tiefes Gefälle aufweist. Dementsprechend hoppelt der Ball auch heute beim Spiel der Kreisliga C auf der betonharten Asche. Hier nicht weit entfernt von der modernen Veltins-Arena des FC Schalke 04 wird Fußball noch gelebt. Bülse besitzt mehr dörflichen Charakter, jeder ist hier herzlich willkommen, und eigentlich fühlen sich auch die Gegner wohl. Wäre da nicht der Sportplatz mit seiner grauen, grobkörnigen Asche, der ein Fußballspiel eigentlich mehr verhindert als ermöglicht. Ulrich Tomisch ist seit Jahrzehnten Mitglied im Verein, und weiß um die Qualität des Belages auf der Bülser Alm: "Das ist die Blutgrätsche, die leben wir hier. Da sind die Knochen auf. Da der Platz etwas Gefälle hat, also wir sprechen schon mal bei Regen, dass man erst gegen die Strömung, dann mit der Strömung spielen kann, kriegen wir also keine rote Asche darauf, weil Körnung zu fein ist, und das wird alles runter geschwemmt. Weil man sieht, dass der Platz hinten links Gefälle hat." Bisher gibt es keine Verletzten im Spiel. Man merkt den Mannschaften an, dass sie das Grätschen auf dem Belag lieber vermeiden. Auch wenn der Aufstieg durch einen Sieg heute noch in Reichweite ist, der Verein ist mehr soziale Anlaufstelle - sportlicher Ehrgeiz steht an zweiter Stelle: "Bülse selber ist ein Dorf in der Stadt, und dementsprechend familiär geht es hier im Fußballverein auch zu. Ob das in der Jugendabteilung ist, die wir gerade am aufbauen sind, oder im Seniorensport, Seniorenmannschaften hier. Oder bei den ganz Großen Alt-Liga und U-50, das ist genau, was man hier in Bülse erwartet. Der Zusammenhang hinterher, schön bisschen Fußball spielen, warm duschen, kaltes Bier, und der Tag ist bunt." Dafür gibt es einen guten Grund, denn der Verein hat hier in den letzten Jahren vieles in Eigenregie gestemmt. Nicht nur der Verkaufsstand samt Grill wurde mit der so genannten "Muskelhypothek" selber gebaut. Auch das provisorische Vereinsheim, die Zuschauertoiletten, und sogar die Umkleidekabinen wurden selber von den Mitgliedern errichtet. Da der Verein die Sportanlage langfristig von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen hat, kann er sich hier halt auf eigene Kosten auch gut einbringen. Ohne dieses Engagement wäre die Anlage noch trostloser, erzählt Geschäftsführer Stefan Setzkorn am Beispiel der Umkleidekabinen: "Dann würden wir uns unten immer noch in der Schule umziehen, was von hier aus so gefühlte Kilometer Laufweg ist, mit Schranken noch dazwischen (...). Und in den Pausen musstest du dich hier oben unterstellen, oder eben nicht unterstellen. Im Winter war das natürlich ein Scheißzustand, weil nach dem Training oder Spiel durch den Regen zu gehen, und dann noch an der Schänke zu stehen, war nicht prickelnd." Die Stadt nutzt also die Bereitschaft des Vereins sich einzubringen, und schafft somit eine Win-Win-Situation. Immer mehr Kommunen gehen dazu über, Sportanlagen in die Hände von Vereinen zu legen. Dafür wird dann ein so genannter Schlüsselvertrag geschlossen. Das Hausrecht wird damit dem Klub übergeben, der die Betriebskosten übernimmt. Die Kommune spart so die Kosten für Platzwarte und die Materialkosten für Instandhaltung, bleibt aber jederzeit zugangsberechtigt. Da jedoch mit solchen Nutzungsverträgen auch die Haftung auf die Vereine übergeht, steigt auch das Risiko für die Verantwortlichen. Falls etwas auf der möglicherweise maroden Anlage passiert, muss der Verein dafür gerade stehen. Für Prof. Breuer von der Sporthochschule Köln ist dieser Weg ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er mit viel Vorsicht zu genießen ist: "Wenn ich sozusagen die öffentliche Hand entlasten will, in dem ich sage, mehr Vereine sollen eigene Sportanlagen übernehmen oder bauen, dann muss ich einerseits an der Schraube Haftungsrisiko für Vorstandsmitglieder drehen, und das sehr zurücknehmen, oder deutlich mindern. Und ich muss natürlich noch einmal schauen, Stichwort Entbürokratisierung, was sind denn auch die bürokratischen Pflichten eines Vereins, der eigene Anlagen hat, und kann ich nicht dort etwas zurücknehmen. Wir haben einen interessanten Vergleich mit den schweizerischen Vereinen gerade durchgeführt. Und die schweizerischen Vereine sind gut vergleichbar mit den deutschen Vereinen, aber sie klagen signifikant weniger über Probleme und bürokratische Vorgaben." Auf der Bülser Alm steht es mittlerweile 1:0 für den SV Buer gegen den Tabellenletzten. Zur Halbzeit ist sogar ein komfortabler Vorsprung herausgeschossen worden, der Trainer macht seinen Spielern noch einmal Mut für die nächsten 45 Minuten. Die meisten Spieler hier kicken seit der Jugend im Verein, und kommen direkt aus dem Ort. Nur dadurch gelingt es dem SV überhaupt eine Mannschaft auf die Beine zu stellen. Denn die Fußballer aus den Nachbarstadtteilen sind schwer davon zu überzeugen auf so einem Untergrund zu und zu spielen. Da nützt es auch nichts, dass der Verein sich so anstrengt, um die Anlage eigenverantwortlich auch weiterhin mit Unterstützung der Stadt Gelsenkirchen in Schuss zu halten. Darüber hinaus, erzählt Ulrich Tomisch, gibt es noch einen weiteres Problem, das es noch schwerer macht, Talente für Bülse zu gewinnen: "Das ist natürlich mehrmals ausbessert worden, aber was heißt ausgebessert, wenn man sich den Mist hier anschaut. Jetzt sind uns wieder drei, vier LKW-Ladungen Asche avisiert worden. Aber das hilft gerade mal so ein paar Löcher zu verfüllen, das ist ja ich hätte fast gesagt im Sommer ist das purer Beton, wo wir darauf spielen (...). Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren sehr viel Aderlass gehabt bei den Jugendmannschaften, die sind in wirklich in den Gladbecker Raum gegangen, wo inzwischen viele Kunstrasenplätze existieren. Gerade bei den Kleinkindern, da sind ja auch Eltern oder auch Oma und Opa beim Training und den Spielen dabei, da ist dann kein Problem, mal eben drei, vier Kilometer zum Training zu fahren. Ich bring sogar Verständnis dafür auf, wenn mein Enkel soweit ist, ich weiß nicht, ob ich ihm das hier zumute, oder nicht sage, Menschenskinder Opa fährt dich mal woanders hin, wo ein schöner saftiger Rasen ist." Durch die Umwandlung der Asche- in Kunstrasenplätze ist im Fußball eine völlig neue Konkurrenzsituation entstanden. Plötzlich profitieren Vereine, die vielleicht nicht so engagiert wie der SV Buer-Bülse über Jahrzehnte Jugendarbeit betrieben haben. Nur weil sie plötzlich über einen Kunstrasenplatz verfügen. Mit 6:0 gewinnt der SV Buer-Bülse sein Heimspiel heute auf dem grauen Ascheplatz. Von den Verantwortlichen hier stellt keiner in Frage, dass Investitionen in Kunstrasenplätze eine gute Entwicklung für den Amateursport darstellen. Aber es führt halt zu Wettbewerbsverzerrungen. Gerade durch den anhaltenden Sanierungsstau, weil so etwas nicht gleichzeitig für alle, sondern nur nach und nach hintereinander erfolgen kann. Ralf Sonnenschein vom Deutschen Städte- und Gemeindebund empfiehlt daher den Kommunen eine ganz andere Strategie: "Wenn man dem einen Verein großzügig seinen Kunstrasenplatz beschert, stehen natürlich alle anderen da, und man steht dann da in der Argumentationsnot es zu verwehren. Das führt in eine ständige Investitionsschleife, und ich würde insbesondere Kommunen, deren Haushaltslage es nicht zwingend hergibt über die nächsten Jahrzehnte immer wieder turnusmäßig gewaltige Summen in Kunstrasen zu investieren, doch nahe legen, zu überlegen, ob man nicht bei den traditionellen Sportplätzen bleibt." Dieser Boom kam vor allem durch das Konjunkturpaket (KJP) II. Größtenteils sind mit den Geldern daraus Asche- in Kunstrasenplätze umgewandelt worden. Das macht auf den ersten Blick Sinn. Denn sie sind für Sportler nicht nur komfortabler zu bespielen, sondern eben bei jeder Wetterlage nutzbar. Aber sie sind auch in Anschaffung und Instandhaltung auch deutlich teurer als der gute, alte Aschenplatz. Insgesamt 1,7 Milliarden Euro flossen durch das KJP allein in die Sportanlagen Deutschlands. Doch Walter Schneeloch rechnet vor, dass dies bei weitem noch nicht ausreicht: "Das ist der Tropfen auf dem heißen Stein. Sie können wenn man einfach ne Milchmädchenrechnung aufmacht, dann fehlen immer noch 40 Milliarden (...). Vereine, die das nachsehen hatten, werden leiden unter einem Mitgliederschwund, weil die Eltern natürlich sagen, und die Kinder viel mehr Spaß auf einem Rasenplatz Fußball zu spielen haben als auf einem uralten Aschenplatz, der im Sommer knochenhart ist, und im Winter haben sie sich Schlammschlachten zu absolvieren. (...). Obwohl ich auch sagen muss, es muss nicht jeder Kleinstvereine unbedingt erhalten bleiben, manchmal ist es sinnvoll sich zusammen zu tun. Aber das löst nicht alle Probleme, die in diesem Bereich bestehen." Zurück in Berlin mit Detlef Ossenkopp und Gunnar Eiche vom Sportamt Friedrichshain-Kreuzberg. Es geht zum Kunstrasenplatz in die Lobeckstraße. Der Bezirk verfügt fast nur über solche Anlagen, die von mehreren Vereinen und Schulen gleichzeitig genutzt werden. In der Stadt machen genau deshalb solche Plätze Sinn, weil sie eben im Gegensatz zu den herkömmlichen Sportplätzen einen hohen Nutzungsgrad garantieren. Darüber hinaus ist der Sportraum natürlich begrenzt, Expansion mit Anlagen kaum möglich in der Hauptstadt. Gerade deshalb versucht Detlef Ossenkopp seine 17 Sportplätze und 12 Hallen in Ordnung zu halten. Nur reicht dafür der jährliche Etat des Sportamtes kaum aus. Immerhin bekommt er noch aus einem anderen Topf Gelder für den Erhalt der Anlagen: "Dafür bekommen wir über das Sportanlagensanierungsprogramm eine halbe Millionen rund. Nach Einwohnerzahlen geht das ja, wir kommen jetzt auf 497.000 Euro im Jahr. Und wenn ich jetzt nur mal die Sportplätze sehe, die Haltbarkeit von so einem Kunstrasen ist etwa 15 Jahre. Bei 15 Plätzen heißt das eigentlich jedes Jahr ein Platz. Wir liegen bei 220.000, 250.000 Euro für einen neuen Kunstrasen. Da ist die Hälfte schon weg, und für die Umkleidegebäude auf den Sportplätzen bleibt nicht mehr viel, und da haben wir Größenordnungen von 500-600.000. Also dieses Geld, was wir kriegen, reicht nicht mal um die Umkleidegebäude zu sanieren." Auch der Platz in der Lobeckstraße musste gesperrt werden. Überall ist der Belag aufgerissen, die Verbindungsnähte sind aufgeplatzt. An Fußball spielen ist hier vorläufig nicht mehr zu denken. Die Dauernutzung führt in der Stadt meist zu einem schnelleren Verschleiß. Nach 10 bis 12 Jahren ist der Platz einfach hin. Strenge Winter tun ihr übriges dazu. Wenn dann gesperrt werden muss, ist der Überbringer schlechter Nachrichten natürlich nicht gerne gesehen: "Das ist ja der Nebeneffekt, wenn wir jetzt irgendwo sanieren, heißt das ja, Ärger mit den Vereinen ist vorprogrammiert, weil die sagen, wo sollen wir jetzt unseren Sport machen, unsere Mitglieder laufen weg. Wir hatten es jetzt gerade in der Flatowhalle, (...) haben wir jetzt den Fußboden gemacht. Und die Handballvereine konnten halt ihren Punktspielbetrieb über drei Monate nicht ausüben, die waren ein bisschen sauer. Aber jetzt haben sie eine tolle Halle, und der Fußboden hat fast 50.000 Euro gekostet. Das sind also Summen, die hauen einem vom Hocker." Selbst wenn für eine Sanierung das Geld zur Verfügung steht, dauert diese natürlich ihre Zeit. Neben einer öffentlichen Ausschreibung und den Planungen bis hin zur Durchführung kann dann schon einmal ein Jahr vergehen, bis die Spielstätte wieder frei gegeben werden kann. Und wenn es dann kaum Ausweichmöglichkeiten wegen der begrenzten Anzahl von Sportplätzen oder Hallen gibt, ist der Ärger auf allen Seiten groß. Die Politik ist nicht dazu verpflichtet den Sport finanziell zu unterstützen. Im Gegensatz zu vielen anderen Leistungen ist die kommunale Sportförderung also eine freiwillige Leistung der Städte und Gemeinden. Genau in diesem Bereich hat Walter Schneeloch die größten Versäumnisse des Sports identifiziert. Seiner Einschätzung nach bemühte er sich in der Vergangenheit nicht genügend um Mittel aus dem Stadtsäckel. Im Gegensatz zur Kultur, die es bisher viel besser als der Sport verstanden hatte, Gelder einzuwerben: "Aber Sie können ruhig von Lobbyarbeit sprechen, da sind wir der Kultur meines Erachtens hinken wir weit hinterher (...). Welche Mittel immer noch bereit stehen für die Förderung der Hochkultur, ich nenne das jetzt mal bewusst: Theater, Schauspiel, etc. (...). Und im Gegensatz dazu wie der Sport gefördert wird, da tun sich Welten auf. Und die Lobby der Kultur ist eine ganz andere als die des Sports. Und die Sportvereine haben früher gemeint, das klappt schon so. (...) Wir müssen uns sportpolitisch in den Kommunen ganz anders aufstellen, um unsere berechtigen Interesse dort auch durchsetzen zu können." Das Beispiel des Fechtklubs Moers zeigt, wie schwierig und langwierig das Werben um Fördermittel im Sport sein kann. Mitten in der Stadt ist der Randsportverein in seiner eigenen Halle zu Hause, die er vor über 50 Jahren in Eigenregie gebaut hat. Wenn auch schon damals mit Unterstützung der Stadt, die das Grundstück per Pachtvertrag zur Verfügung stellte. Der Klub ist seitdem eine Medaillenschmiede, auch wenn die vereinseigene Sportstätte mittlerweile in die Jahre gekommen ist. Und jeder, der dort reinkommt, an die vielen schweißtriefenden Trainingsstunden erinnert wird, wie der Vorsitzende Walter Zyber berichtet: "Beim Geruch da ist also schon der Ausdruck gefallen, dass es hier also im wahrsten Sinne des Wortes einen Stallgeruch gibt, der also nicht nur die Leistungen über die Jahrzehnte widerspiegelt (...).Wir haben also hier einen Olympiasieger gekürt mit Benjamin Kleibrink. 2008 in Peking hat er als erster Florettfechter die Goldmedaille gewonnen. Wir haben Olympiateilnehmer und auch vordere Plätze (...), und haben natürlich auch jede Menge Weltmeister, Europameister, und unwahrscheinlich viele Deutsche Meister hier aus dem Verein hervorgebracht." Die Halle ist dermaßen marode, dass sich mit dieser Sportstätte kaum noch Nachwuchs gewinnen lässt. Was für die Randsportart "Fechten" schon von vornherein schwierig ist, wurde dadurch fast unmöglich. Der Verein geht nach wie vor in die Schulen mit seinen Trainern, versucht darüber die Neugier der Kinder und Jugendlichen auf Degen und Florett zu wecken.Doch meist sind spätestens dann alle Anstrengungen zunichte gemacht, wenn die Eltern mit ihren Schützlingen zum Auswahltraining in die Fechthalle kommen. Denn dort treffen sie auf marode Sanitäranlagen, kaputte Wände, und einen abgenutzten Hallenboden. Die Mängelliste ist sehr lang, und nichts mehr entspricht im Entferntesten heutigen Standards. Grund genug für die Eltern ihre Kinder hier nicht trainieren zu lassen. Gerade deshalb kämpfte der Verein mehrere Jahrzehnte für einen Neubau, um seine Existenz zu sichern: "Oh Gott ja, wir haben also in der Tat 30 Jahre gekämpft, und die 30 Jahre habe ich also auch zur Hälfte als zweiter Vorsitzender, und zur letzten Hälfte als erster Vorsitzender mitgemacht. Und ich muss wirklich sagen, dass war schon ein Lebenswerk, das ist also eine ganze Generation, die auch da ins Land gegangen ist (...). Wir haben vom Land 460.000 Euro an Zuschüssen bekommen die Stadt Moers hat 300.000 Euro dazu getan. Aber unser Verein und unsere Mitglieder müssen also auch einen Betrag von 300.000 Euro heben, und zur Verfügung stellen, und das ist natürlich auch Ansporn, um weiterhin mit guten Leistungen die Stadt, das Land, und auch die Mitglieder irgendwo zu befriedigen." Die intensive Lobbyarbeit vor Ort hat sich demnach für den Fechtklub Moers ausgezahlt, auch wenn er mit seinen 200 Mitgliedern einen Eigenanteil von 300.000 Euro für den Neubau stemmen muss. Doch das Konzept dafür hat die Stadt und das Land NRW überzeugt. Denn der Verein ist dafür eine Kooperation mit dem Moerser Tennisklub eingegangen. Neben den Plätzen wird die neue Trainingshalle der Fechter gebaut. Damit ergeben sich für Sportler beider Vereine ganz neue Möglichkeiten. In der Halle sollen dann vormittags Fitnesskurse, Seniorensport, oder Mutter-Kind- Turnen angeboten, und von allen Sportlern auf der Anlage genutzt werden können. Für Prof. Christoph Breuer von der Sporthochschule Köln ein tragfähiges und zukunftsträchtiges Vorbild: "Aber was man natürlich schon sieht, dass es doch durchaus unternehmerisches Denken bei vielen Vereinen gibt, insbesondere bei größeren Vereinen. Wenn also die Kommunen nicht adäquaten Sportraum (...) bereitstellen kann, nehmen die eben das Heft des Handelns selber in die Hand, und versuchen dann selbst in eigene Sportstätten zu investieren. Das zeigen nämlich auch unsere Untersuchungen, dass das für die Entwicklung des Vereins sehr förderlich sein kann. Auf der einen Seite gehen sie zugegebenermaßen ein deutlich höheres finanzielles Risiko ein. Das finanzielle Risiko eines Vereins ist am geringsten, wenn er ausschließlich öffentliche Sportanlagen nutzt. Gleichzeitig ist Risiko nicht immer was Schlechtes, sondern beinhaltet auch eine Chance." Vor allem um Mitglieder zu gewinnen. Natürlich kommt das nicht für jeden Dorfverein in Frage, aber Kräfte vor Ort zu bündeln, macht in der gegenwärtig prekären finanziellen Situation der Kommunen immer mehr Sinn für die Klubs. Auch in Berlin geht Detlef Ossenkopp vom Sportamt Friedrichhain-Kreuzberg innovative Wege, um die Not der Sportstätten in der Hauptstadt ein wenig zu lindern. In einem unscheinbaren Hinterhof dringt aus einer Sporthalle aus dem 19. Jahrhundert Kinderlachen. Auf dem neuen Holzboden wird mit nackten Füßen getobt, die darunter liegende Heizung ermöglicht dies. Vor acht Jahren sah es hier noch ganz anders aus, da wurde der Klinkerbau sogar seitens des Bezirks wegen des maroden Zustandes völlig aufgegeben. Mit viel Beharrlichkeit und Geld aus den Töpfen des Denkmalschutzes wurde dann aber die Halle Jahre später für über eine Millionen Euro komplett saniert und neue Sanitärbereiche wurden gebaut. Doch bis daraus ein solches Schmuckstück entstand, mussten Detlef Ossenkopp und Co. viele Hürden meistern: "Da waren schon Fensterscheiben eingeschmissen, und die Steine außen, da haben irgendwelche Leute das zerkloppt. Und dann ging es eigentlich los 2010 mit dem Bau, und in diesem Jahr 2013 ist sie erst fertig. Also es sind wirklich so Sachen passiert, die Fußbodenheizung wurde eingebaut. Dann haben sie jetzt den Sportboden eingebaut, und schön in die Fußbodenheizung gebohrt. Und durften dann wieder von vorne machen, also hier ist vieles schief gegangen. Aber zum Schluss ist etwas tolles dabei herausgekommen." Jetzt darf der Verein "Pfefferberg" diese Halle nicht nur als Verein per Schlüsselvertrag nutzen, sondern der Bezirk zahlt dafür sogar noch die Betriebskosten. Trotzdem bleibt es für Dietmar Ossenkopp eine sinnvolle Maßnahme, denn er hätte überhaupt gar kein Personal diese wieder neu hinzugewonnene Halle angemessen zu betreuen. Da passt es gut, dass sich dafür jemanden gefunden hat, der die Verantwortung übernimmt. Der Amateursport und die Kommunen sitzen weiter in einem Boot, gerade die Vereine sind abhängig vom guten Willen der Politik überhaupt gefördert zu werden. Walter Schneeloch spricht deshalb als oberster Hüter der Sportstätten im Deutschen Olympischen Sportbund einen eindringlichen Appell aus. Für ihn ist der aktive, sporttreibende Mensch mit ein Schlüssel für eine funktionierende Gesellschaft: "Wir müssen deutlich machen als Sportorganisation, wie wichtig Bewegung, Spiel, und Sport nicht nur für die Kinder und Jugendlichen, sondern für alle unsere Bürgerinnen und Bürger immer mehr wird. Den schauen sie sich mal alleine unsere Städte an: Das ist ja fast gefährlich schon die Straßen als Fußgänger zu überqueren. Wir müssen, immer mehr umdenken lernen, dass Stadt- und Sportentwicklung sehr eng miteinander verbunden sind. Denn das Bewegungsbedürfnis eines Menschen hat sich nicht im Laufe von Jahrtausenden verändert, aber die Arbeit- und Lebensbedingungen haben sich gravierend dahingehend verändert, dass wir fast ausnahmslos nur noch sitzende Tätigkeiten ausüben. Aber der Körper dieses Bewegungsverlangen inne hat, wir müssen dem einfach gerecht werden."