COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Leben mit der Mauer - der Alltag der Berliner Länderreport am 9. August 2011 Länge: 18'13 Autorin: Claudia van Laak Redakteurin: Heidrun Wimmersberg Anmoderationsvorschlag: In diesen Tagen blicken wir 50 Jahre zurück, erinnern an den 13. August 1961, an den Bau der Berliner Mauer. Wie plötzlich Verliebte voneinander getrennt wurden, Studenten nicht mehr an ihre Uni kamen, Beschäftigte nicht mehr an ihre Arbeitsplätze. Wie richteten sich die Ost- und Westberliner mit der Mauer ein? Claudia van Laak hat Menschen getroffen, die versucht haben, den vor der DDR so genannten antifaschistischen Schutzwall durchlässiger zu machen. Andere, die der Liebe wegen von West- nach Ostberlin gingen und wieder andere, die nicht an ein Ende der Mauer glaubten, aber sie trotzdem bekämpften. (Ausschnitt Radio DDR, Lied zum Mauerbau "Berliner Geschichte") Unser schönes Berlin wird sauber sein, denn wir haben den kalten Kriegern am Rhein, ihre Menschenfalle verriegelt, und mit rotem Wachs versiegelt, ja, ja, der helle Berliner sagt prima was reinigt so dufte das Klima, es ziehen jetzt Ruhe und Frieden ein und sauber, ja sauber wird unsre Hauptstadt sein. (O-Ton Ausschnitt RIAS-Programm vom 13.8.61): Wir stehen hier direkt am Potsdamer Platz und im Gegensatz zur Kochstraße und Wilhelmstraße ist hier noch mehr an Arbeitskräften und Militär aufgeboten, ich glaube man kann hier direkt von Hundertschaften sprechen. Ja, sie arbeiten vor allen Dingen hinter einem dichten Maschendrahtverhau, damit sie selber geschützt sind, sie bauen einen Graben, sie reißen die Straßenbahnschienen heraus und schichten die Mauersteine und die Ziegelsteine und die Pflastersteine auf, um einen endgültigeren Eindruck ihrer Sperren zu vermitteln, dazu hört man auch hier das Gedudel der Lautsprecherwagen. Das Bild an diesem Platz, der einmal der lebendigste unserer Vaterstadt war, wird immer makabrer. O-Ton Christel Kiel: 4´50 Aus vorbei. Nicht mehr weiter. Wir waren immer sonntags verabredet, dann war Schluss gewesen, hier können Sie nicht mehr weiter, aber nichts vorher mitgekriegt, ganz neu. Autorin: 18 Jahre alt ist die Verkäuferin Christel Hoffmann im Sommer 1961 und seit ein paar Monaten verliebt - in den 6 Jahre älteren Tischler Lothar Kiel. Er lebt in Ost,- sie in Westberlin. Die beiden treffen sich jeden Sonntag, gehen ins Kino, schlendern über den Kudamm. Am 13. August 1961 fällt ihr Treffen aus. (O-Ton ARD-Nachrichten) Schwer bewaffnete Einheiten der Volksarmee und der Volkspolizei der Sowjetzone haben in der vergangenen Nacht Westberlin gegen die Zone und den Ostsektor abgeriegelt. Kein Bürger der Sowjetzone kann mehr unkontrolliert nach Westberlin gelangen. Ostberlin bietet das Bild einer Stadt im Ausnahmezustand. O-Ton Christel Kiel: Dann bin ich zurück und geheult und gemacht. Nu, wie weiter. Autorin: Ein erster Schock. Doch dann versichert sich das Paar: Diese Abriegelung ist bestimmt nur ein vorübergehendes Hindernis, ein paar Wochen oder Monate, dann können sie sich wieder ungehindert treffen - so glauben die beiden. Eine Woche nach dem 13. August verloben sich Christel Hoffmann und Lothar Kiel - in Ostberlin. Doch nur kurze Zeit später der nächste Schock: Die Verlobten dürfen sich gar nicht mehr sehen, der Weg für Christel Hoffmann von West- nach Ostberlin ist nun auch versperrt. O-Ton Lothar Kiel 7´51 Wir haben ja auch nicht dran geglaubt, das es so bleibt, nicht war....aber dann war es doch endgültig. Autorin: Für die Verliebten ein unhaltbarer Zustand. Sie wollen heiraten, eine Familie gründen, etwas anderes kommt nicht infrage. Die 18jährige Christel Hoffmann fasst einen folgenschweren Entschluss - sie wird Westberlin verlassen und zu ihrem Verlobten nach Ostberlin ziehen. Für Lothar Kiel kommt eine Flucht von Ost nach West nicht infrage. Lothar Kiel: 9´56 Da war ich zu feige zu. Das war mir zu riskant, mir da eine verpassen zu lassen, oder vielleicht 3 oder 4 Jahre nach Bautzen zu gehen, wenn sie einen so erwischen, das war mir zu riskant. Christel Kiel: 11´03 Dann hab ick meinen Koffer gepackt, mein Notwendigstes, was ich hatte, eigentlich waren nur persönlich Sachen drin und oben drauf mein Brautkleid, und dann hatte ich noch einen großen Sack, da hatte ich mein Bett drin. Atmo S-Bahn, Durchsage: "Friedrichstraße" Autorin: Christel Kiel klopft das Herz bis zum Hals, als sie im März 1962 mit der S-Bahn zum Grenzbahnhof Friedrichstraße fährt. In der einen Hand den Koffer mit dem Brautkleid, in der anderen ihr Federbett. Christel Kiel: 13´10 Da hab ick gesagt ick möchte in die DDR einreisen, und da haben die natürlich gefragt, warum und weshalb, dann kam denn da so ein kleiner Bus und die haben mich dann in die Keibelstraße gefahren, Alexanderplatz, Polizeipräsidium. Autorin: Obwohl sich die DDR im Jahr 1962 eigentlich über jeden freuen müsste, der freiwillig in diesem Staat leben will, wird Christel Kiel harsch abgefertigt. Eine Nacht muss sie wie ein Untersuchungshäftling in einer Zelle verbringen, am nächsten Morgen bringt sie ein Bus ins Aufnahmelager Blankenfelde. Zwei Wochen lang wird die Verkäuferin durchleuchtet, nach ihren Motiven befragt und nach ihrer politischen Gesinnung, erst dann darf die 18jährige Bürgerin der DDR werden. Drei Monate später heiraten Christel Hoffmann und Lothar Kiel. Der Mutter der Braut wird die Teilnahme an der Hochzeit ihrer Tochter in Ostberlin verweigert. Ja, sagt Christel Kiel, geborene Hoffmann heute, ja, ich musste eine Menge aufgeben. Christel Kiel 22´10 Aber trotzdem ick hab det nie bereut, wir sind jetzt 49 Jahre verheiratet, wir haben uns eben geliebt und das war auch wichtig gewesen. (Ausschnitt Radio DDR, Lied zum Mauerbau) Unser schönes Berlin wird sauber sein, denn wir haben den kalten Kriegern am Rhein, ihre Menschenfalle verriegelt, und mit rotem Wachs versiegelt, ja, ja, der helle Berliner sagt prima was reinigt so dufte das Klima, es ziehen jetzt Ruhe und Frieden ein und sauber, ja sauber wird unsre Hauptstadt sein. Autorin: Christel Hoffmann lässt sich einbürgern in die DDR, Roland Jahn wird zwangsweise ausgebürgert. Am 8.Juni 1983 nimmt die Stasi den Oppositionellen fest, knebelt ihn und setzt ihn in einen Zug Richtung Bundesrepublik. Die DDR darf er nicht mehr betreten. Roland Jahn - heute Leiter der Stasiunterlagenbehörde - zieht nach Westberlin, weigert sich aber zunächst, den bundesrepublikanischen Pass anzunehmen. Roland Jahn 15´00 Ich habe demonstrativ deutlich machen wollen, die DDR ist meine Heimat, die DDR, das ist mein Land, auch wenn ich in der DDR so schikaniert worden bin. Autorin: Die Mauer durchlässig machen, der DDR-Opposition in Ost und West eine Stimme verschaffen, das hat sich Roland Jahn nach seiner Ausbürgerung zur Lebensaufgabe gemacht. Seine Kreuzberger Wohnung wird so zur Nachrichtenzentrale, er selber, gemeinsam mit dem Schriftsteller Jürgen Fuchs, zum wichtigsten Unterstützer der DDR-Opposition im Westen. Roland Jahn 5´22 Die Mauer war ja nicht nur die Grenze, dass Menschen sich nicht mehr frei bewegen durften, sondern auch, dass Informationen sich nicht frei bewegen konnten, und es galt, diese Informationssperre zu durchbrechen. Autorin: Roland Jahn kauft Videokameras, Aufnahmegeräte, Druckmaschinen, lässt sie von Unterstützern in die DDR bringen. Dazu gehören Diplomaten, Journalisten, Parlamentarier. Die grünen Abgeordneten Petra Kelly und Gerd Bastian haben mir oft geholfen, erzählt Roland Jahn, aber die besten - jetzt lächelnd er in sich hinein - die besten Schmuggler seien die Frauen der Diplomaten gewesen. 1987 initiiert der Journalist Jahn "Radio Glasnost". (Trailer Radio Glasnost) Radio Glasnost - außer Kontrolle Einen schönen guten Abend in Friedrichshain und Friedrichsfelde, in Pankow und am Prenzlauer Berg und nicht zuletzt in Kreuzberg und Zehlendorf. Autorin: Radio Glasnost, das sind 30 einstündige Sendungen, von 1987 bis 1989 ausgestrahlt vom Westberliner Privatsender Radio 100, gehört und mitgeschnitten in Ostberlin. Eine authentische Stimme der DDR-Oppositionellen, die ihre Texte und Kassetten von Unterstützern nach Westberlin schmuggeln lassen. Radio Glasnost im Januar 1988: Ausschnitt Radio Glasnost Erklärung der Umweltbibliothek Berlin: In Zusammenhang mit der staatsoffiziellen Kundgebung zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden 5 Mitarbeiter der Umweltbibliothek festgenommen. Sie wollten mit eigenen Plakaten mit Rosa-Luxemburg-Zitaten an der Kundgebung teilnehmen. (Trailer Radio Glasnost) Radio Glasnost - außer Kontrolle Autorin: Roland Jahn berichtet im ARD-Fernsehmagazin Kontraste über die Opposition in der DDR, über die Umweltzerstörung in Bitterfeld und den Uranabbau der Wismut, Grundlage für das Atomprogramm der Sowjetunion. Die teils spektakulären Bilder können nur gezeigt werden, weil sich zuvor Oppositionelle in enorme Gefahr begeben und illegal gedreht haben - mithilfe von zuvor eingeschmuggelten Videokameras. Roland Jahn resümiert: Jahn 16´10 Die Mauer war nicht einfach durchlässig. Aber wir haben versucht, da Löcher reinzubohren, wir haben´s auch geschafft, und haben Informationen fließen lassen durch diese Löcher und das war wichtig. (Ausschnitt Radio DDR, Lied zum Mauerbau) Unser schönes Berlin wird sauber sein, denn wir haben den kalten Kriegern am Rhein, ihre Menschenfalle verriegelt, und mit rotem Wachs versiegelt, ja, ja, der helle Berliner sagt prima was reinigt so dufte das Klima, es ziehen jetzt Ruhe und Frieden ein und sauber, ja sauber wird unsre Hauptstadt sein. Atmo Havel, 1326 Wasser plätschert, Kinderstimmen Autorin: Berlin ganz im Westen. Bürgerablage heißt dieses ein Strandbad an der Havel im Bezirk Spandau. Kinder bauen Sandburgen, Eltern sonnen sich, Enten quaken, die Stimmung ist friedlich. Atmo hoch Autorin: Nur wenige Meter von hier verlief die Mauer, trennte 28 Jahre lang West-Berlin von der DDR. Eine orangefarbene Stele und zwei Tafeln informieren über ein Kuriosum hier an der Havel: Die beiden Laubenkolonien Fichtenwiese und Erlengrund waren eine Westberliner Exklave auf dem Gebiet der DDR, also seit August 1961 von der Mauer umgeben. Hans Flügel 1327 019 Erlengrund gehörte einst zu Brandenburg und damit zur DDR, im Sinne von Westberliner Gebiet in der DDR, das war unser jahrelanger Vorteil, das wir auf ein Gelände konnten, auf das kein anderer raufdurfte, wir waren das best bewachte Gelände, was man sich vorstellen kann. Autorin Hans Flügel, ein sportlicher braungebrannter Rentner, Schriftführer des Erlengrund e.V. und Miteigentümer der Laubenkolonie. Ihm zur Seite: Joachim Deppe, pensionierter Konditormeister, Vorsitzender des Erlengrund e.V. und ebenfalls Miteigentümer. "Wir gehören hier zur alten Garde" - sagen die beiden. O-Ton beide 1´59 Wir sind hier groß geworden. Meine Eltern sind seit Mitte der 30er Jahre hier drauf. Meine Mitte der 50er. Autorin: Erlengrund an der Havel - das sind 31 Lauben, die meisten aus Holz, eine kleine Badestelle, drei Bootsstege, in der Mitte eine große Wiese mit Wippe, Trampolin und einer Feuerstelle. Dort, wo ab 1961 die Mauer stand, bietet jetzt ein mannshoher blickdichter Holzzaun mit drei Reihen Stacheldraht Schutz vor ungebetenen Gästen. Zu DDR- Zeiten wurde die Wochenendkolonie der Westberliner von Mauer und Grenztruppen geschützt. O-Ton beide 9´18 Es war schon kurios. Auf jeden Fall sicher, kein Mensch hat seine Türen abgeschlossen oder überhaupt was abgeschlossen, denn hier kam ja keiner rein, ein Fremder kam sowieso nicht rein. Autorin: Die Erlengrunder mussten ihr Auto auf dem nächstgelegenen Parkplatz in Berlin-Spandau abstellen. Bohrmaschine und Bier, Holzkohle und Handtuch, Würstchen und Wandfarbe - alles wurde auf Schubkarren verladen und dann - an einem Wachturm der Grenztruppen vorbei - zu einem speziellen Tor an der Mauer gebracht. Dort befand sich die vermutlich einzige Klingel an der 155 Kilometer langen Mauer, die Westberlin umschloss. Die Öffnungszeiten waren natürlich reglementiert, erinnert sich Joachim Deppe. Joachim Deppe 7´45 Abends um 7 konnten wir nicht mehr rin und nicht mehr raus, erst morgens um 6 wieder, zwischendurch gab´s auch immer wieder Zeiten, von 16 bis 19 Uhr war offen, dann war Schluss. Autorin: Jeder Erlengrunder brauchte einen Passierschein, der ein halbes Jahr vorher zu beantragen war. Niemand sonst durfte das Gelände betreten - weder die Westberliner Bauaufsicht noch der Chef, der kontrollieren wollte, ob sein Mitarbeiter wirklich krank war oder nur blaumachen wollte. Anarchistische Republik Erlengrund? O-Ton beide 10´01 11´24 Wir hatten keinen öffentlichen Zwang, Bauamt, Feuerwehr, die ganzen Bestimmungen, hier kam ja keiner her. Auch der Krankenbesuch für Arbeitnehmer war nicht möglich, auch das ist dann gezielt genutzt worden, also das war hier draußen todsicher. Autorin: Und so trauern die Erlengrunder ein wenig den alten Zeiten nach, als Mauer und DDR-Grenzer sie schützten vor Dieben und Kontrolleuren. Fühlten sie sich nie eingesperrt? Rentner Flügel schüttelt den Kopf. Hans Flügel 12´00 Bezogen auf Erlengrund habe ich das nie empfunden, als Berliner, der beruflich hin und wieder in die Bundesrepublik gefahren ist, da war das dann schon anders. Aber hier fühlte man sich einfach sauwohl. 1330 0´50 (beide singen das Erlengrundlied) Bitte seid jetzt ruhig, wir singen. Ein Paradies am Havelstrand ist unser Erlengrund, und streift man so weit durch´s Land so ruft doch jeder Mund, im Erlengrund bin ich zuhaus.... (Ausschnitt Radio DDR, Lied zum Mauerbau) Ja, ja, der helle Berliner sagt prima was reinigt so dufte das Klima, es ziehen jetzt Ruhe und Frieden ein und sauber, ja sauber wird unsre Hauptstadt sein. Musik: Müllstation (DDR-Punk) Autorin: Sie konnten weder besonders gut singen noch besonders gut spielen - aber beides taten sie umso lauter: die Musiker der 1980 gegründeten DDR-Punkband Müllstation. Musik hoch Autorin: Müllstation gehört zu den Lieblingsbands von Dirk Moldt. Der Historiker und Soziologe arbeitet heute im Deutschen Historischen Museum, vor 30 Jahren war er Teil der Ostberliner Subkultur, unterwegs zwischen Umweltbibliothek, Zionskirche und Galiläa-Gemeinde, immer im Konflikt mit DDR-Sicherheitskräften und staatstragenden Kirchenleuten. Dirk Moldt 11´15 Wer DDR gesagt hat, musste auch Mauer sagen, weil das hat von alleine nicht funktioniert, und das ist nicht der einzige Widerspruch unter denen die Widerständler gelitten haben damals, das ist dann einfach so. Autorin: Dirk Moldt hat ein paar Erinnerungsstücke mitgebracht. Schwarz-weiß Fotos von sich und seinen Freunden. Lange Haare tragen sie auf den Bildern, Bart und Parka. Aus einer Plastikhülle zieht Dirk Moldt zusammengeheftete vergilbte Blätter, die den Stempel "Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch" tragen. Moaning Star taufen die Aufmüpfigen dieses Info-Blättchen - die Buchstaben O-A in der Mitte stehen für die Offene Arbeit der evangelischen Kirche. Dirk Moldt 6´32 Das ist so ein ganz typisches Infoblatt aus dieser Szene, das ist schon technisch innovativ wegen der Karikaturen und der schönen Ränderung, ein bisschen pubertär, wir haben uns keine Mühe gegeben, was die Rechtschreibung anbelangt, das entsprang unserer Haltung, dass jede Konformität sinnlos ist, es war ja soviel gelogen um uns herum. Autorin: Als Erich Honecker im Januar 1989 verkündet, die Mauer werde noch 100 Jahre lang stehen, denken sich Dirk Moldt und seine Freunde ein Quiz aus, blicken in die Zukunft. Zitat: "Gut betuchte Touristen pilgern dann ins ferne Europa, um sich die Reste dieser Mauer anzusehen. Man besieht sich den Stacheldrahtzaun, bestaunt die Rudimente einer Graffiti- Malerei auf der Westseite und nimmt einen Drink im Wachturmcafe." Zitatende. Geradezu prophetisch, diese Sätze. Dirk Moldt 13`00 Das war Galgenhumor, ja, wobei ich total erstaunt bin über die konkreten Bilder, also Wachturmcafe und die Touris, die jetzt zur East-Side-Galerie kommen, das haben wir ja schon vorweggenommen, eigentlich müssten wir dafür mal den Visions-Preis kriegen, wenn´s den mal gibt. (lacht) Autorin: Dirk Moldt nimmt sein Fahrrad, schiebt es über das Kopfsteinpflaster der Ackerstraße vor zur Bernauer Straße. Hier stehen Reste der Mauer, hier befinden sich die Gedenkstätte und das Mauercafé, das Dirk Moldt vor mehr als 20 Jahren vorausgesehen hat. Der 48jährige erklimmt die Stufen zur Aussichtsplattform der Gedenkstätte. Von hier oben kann man ein Stückchen Todesstreifen überblicken - Wachturm, Vor- und Hinterlandmauer, der Sand dazwischen sorgfältig geharkt. Dirk Moldt wiegt den Kopf hin und her. Den früheren DDR-Oppositionellen überzeugt diese Nachbildung der Realität nicht. "Das kommt zu harmlos rüber," meint er, Dirk Moldt 0´13 Man ist ja im Osten jeden Tag überall an Mauern gestoßen, jeder Volkspolizist war ne Mauer, und eigentlich auch jeder Lehrer und jede Lehrerin, es gab so viele Verbote und so viele unsinnige Gebote, die einfach nur aus blanker Willkür gesetzt waren. Und so muss man eben die Mauer verstehen, die Mauer ist ein System gewesen und man musste das System überwinden. (Ende DDR-Lied zum Mauerbau) Es ziehen jetzt Ruhe und Frieden ein und sauber, ja sauber wird unsre Hauptstadt sein. 12