Atmo 1 Verlagsfest Ankunft (kurz freistehen lassen, dann runterziehen, weiterlaufen und unter folgendem Sprecherinnentext in die nächste Atmo übergehen lassen:) Atmo 2 Verlagsfest Vor Rede Neuer Verleger Sprecherin Eine Stadtvilla an der Hamburger Außenalster. Das Parkett knarzt unter den Schritten der Gäste, die nach und nach die hohen, stuckverzierten Räume betreten. Der Verlag Hoffmann und Campe feiert an einem milden Augustabend sein Sommerfest. Der neue Verlags-Geschäftsführer Daniel Kampa tritt an ein kleines Pult mit Mikrofon. OT 1 Kampa (ca. 00:05) Sehr deutlich heiße ich Sie jetzt herzlich willkommen zum traditionsreichen Sommerempfang von Hoffmann und Campe ... (hier OT runterziehen und unter dem Sprecherinnentext bis zum nächsten OT weiterlaufen lassen) Sprecherin Es ist Kampas Antrittsrede. Er hat gerade erst seinen allerersten Arbeitstag im Verlag verbracht. OT 2 Kampa (00:19) Bitte erwarten Sie heute Abend keine Grundsatzrede über - ach! - Buchfabriken, E- Books, die Krise des Buchhandels, den Moloch Amazon. Mit guten erfolgreichen Büchern und dem ganzen Team von Hoffmann und Campe wird der Verlag diese schwierigen und spannenden Zeiten meistern. (OT runterziehen und unter Folgendem weiterlaufen lassen) Sprecherin Ob nun in guten oder schwierigen Zeiten - "spannend" ist das Geschäft mit den Büchern seit eh und je. Immer hofft man auf den großen Wurf, den durchschlagenden Erfolg unbekannter Autoren oder die aus dem Ausland billig erworbene Lizenz für ein Buch, dass sich dann in den USA oder sonst wo zu einem Bestseller entwickelt und auch hierzulande die Kasse klingeln lässt. Sprecher: Und oft produziert man Flops. Doch unterm Strich müssen die Zahlen stimmen. Und dazu braucht es etablierte Autoren, bekannte Gesichter, die die notwendige Aufmerksamkeit der Medien auf sich ziehen. OT 3 Kampa Ein Verlag, das sind aber vor allem seine Autoren. Und so freue ich mich besonders, dass heute so viele Autorinnen und Autoren des Hauses hier sind. - Stefan Aust, Wolf Biermann, Wolfgang Niedecken... (hier OT runterziehen und weiterlaufen lassen) Sprecherin Auf dem Verlagsfest hat sich eine illustre Prominentenrunde eingefunden. (hier kurz hochziehen: ... ... Ulrich Wickert und Franziska Wolffheim. - Applaus) (Applaus kurz stehen lassen, kürzen und unter folgendem Sprecherinnentext mit Atmo 3 verblenden, diese bis einschließlich OT4 laufen lassen) Atmo 3 In Der Villa Sprecherin Auch Wolfgang Niedecken ist hier, Kopf von BAP, seit den 1980er-Jahren einer der erfolgreichsten Rockbands aus Deutschland - mit Texten auf Kölsch. Im Herbstprogramm des Verlages wird Niedecken seine Autobiografie "Zugabe" veröffentlichen. Eigentlich hat der Musiker bereits vor zwei Jahren bei dem Hamburger Traditionshaus einen 500-Seiten-Wälzer über sein Leben - unter dem kölschen Titel "Für 'ne Moment" - publiziert. Anlass für die "Zugabe" war ein Schlaganfall, den Niedecken glücklich überstanden hat. Sprecher Als prominenter Musiker, der sich darüber hinaus gegen Rechtsextremismus in Deutschland einsetzt oder für ehemalige Kindersoldaten in Uganda und im Kongo engagiert, passt Niedecken bestens ins Sachbuch-Profil von Hoffmann und Campe,. Sprecherin Marketing-Chef Markus Klose: OT 4 Klose (Sachbuchverlag) (00:23) Wir haben ja Autoren wie Helmut Schmidt beispielsweise oder haben Steinbrück gemacht, machen jetzt eben auch Niedecken, haben Gorbatschow gemacht. Also, wir sind ein großer Sachbuchverlag, und das ist für uns auch ein großer Schwerpunkt, und diese großen biografischen Texte oder großen Darstellungen über gesellschaftliche oder politische Verhältnisse sind für uns ganz wesentlich. [NEUER ABSCHNITT - Musikakzent?] Atmo 4 Hotel Ankunft (kurz freistehen lassen, dann runterziehen und überblenden zu:) Atmo 5 Hotel Niedecken Sprecherin Während seines Aufenthalts in Hamburg bezieht Wolfgang Niedecken Quartier in einem Hotel im noblen Hamburger Stadtteil Harvestehude. (Atmo kurz hochziehen, freistehen lassen: Niedecken: "Wo soll ich hin?" - Autor: "Ja, wo Sie möchten, da ... " - Niedecken: "Das 'ja man schick, hab ich ja Platz hier, mein lieber Mann ... " (danach überblenden zu: Atmo 6 Frühstücksraum Hotel Sprecherin Niedecken setzt sich auf ein großes altes Sofa im Frühstücksraum des Hotels und erzählt, wie er nach seiner Schlaganfalls-Operation wieder wach wurde. (hier Atmo aus) OT 5 Niedecken (Erlebnis Schlaganfall) (00:34) Der erste Gedanke, als ich aus der Narkose wieder zu mir kam, war der, wörtlich, "Geil, es gibt noch `ne Zugabe!". Ich habe mich sehr gefreut, dass ich noch mal wach wurde, weil ich wusste nicht, ob ich noch mal wach würde. Also, den Titel für das Buch hatten wir schon, aber die Idee für das Buch war natürlich auch noch nicht da. Das ist uns dann im Laufe der nächsten Wochen aufgegangen: Ach, eigentlich wäre das jetzt eine sehr gute Gelegenheit, so was wie `ne Zugabe zu schreiben, wo man dann retrospektiv noch einige Lücken wieder auffüllen kann, die im ersten Buch geblieben sind. Atmo 6 (wie oben) (nur unter folgenden Sprecher legen, dann aus) Sprecher Die "Zugabe" wird mit einer Auflage von etwa 25 000 Exemplaren an den Start gehen. Und im Verlag ist man zuversichtlich, dass die auch über die Ladentheken gehen werden. Immerhin verkaufte sich die erste Autobiografie knapp 45 000- mal.Genug, um in die Bestsellerlisten zu kommen. OT 6 Niedecken (Spiegel-Bestseller) (00:16) Natürlich finde ich das toll, dass wir in der Spiegelbestenliste gelandet sind mit "Für `ne Moment", natürlich habe ich das abgefeiert, diese Spiegelseite habe ich mir auch verwahrt. Ich weiß zwar nicht mehr, wo sie ist, aber ich habe sie verwahrt, ne. Natürlich hat man da Spaß, wenn das funktioniert. Atmo 6 (wie oben) (nur unter folgende Sprecherin legen, dann aus) Sprecherin Funktioniert hat das Verhältnis zwischen dem eingeschworenen Kölner und dem Hamburger Verlag von Anfang an. Hoffmann und Campe angelte sich Bob Dylan-Fan Niedecken bereits 2005. OT 7 Niedecken (Home Run) (00:37) Die Zusammenarbeit mit Hoffmann und Campe kam überhaupt durch das Dylan- Hörbuch. Die haben mich gefragt, ob ich Bob Dylans "Chronicles" als Hörbuch lesen wollte, und damit war dann der Kontakt zustande gekommen. Und da wir uns wunderbar vertragen haben, kamen immer wieder weitere Ideen, was man auch noch machen könnte. Dementsprechend kam es dann eben auch zu "Für 'ne Moment", das ein sehr erfolgreiches Buch war. Das war dann relativ einfach, mal anzurufen und zu fragen: was haltet ihr eigentlich davon, wenn wir jetzt die "Zugabe" machen? Ich hab nicht das Gefühl gehabt, dass ich da groß jemanden überzeugen musste, also, das war eigentlich ein Home Run. Sprecher Nun kommt es darauf an, mit dem neuen Niedecken auch auf dem Buchmarkt einen "Home Run" zu erzielen. Sprecherin Biografien, Selbstfindungsbücher, Ratgeber. Kulturwissenschaften, Debattenbücher. Wolfang Niedecken, Hape Kerkeling, "Simplify your life". "Die Kunst des klaren Denkens, "Deutschland schafft sich ab" ... Sprecher: Was ist eigentlich ein Sachbuch? OT 8 Oels (Definition Sachbuch) (00:28) Man definiert das Sachbuch in der Regel negativ - von dem her, was es nicht ist. Und wenn man dann genauer schaut, dann wird es immer schwieriger, positiv zu bestimmen, was ist das eigentlich, ein Sachbuch, also einen positiven Kriterienkatalog: das muss erfüllt sein, damit es sich um ein Sachbuch handelt? Da bleibt dann eben eigentlich nur: es muss für ein allgemeines Publikum geeignet sein, und es muss nicht-fiktional sein, das sind nun wirklich die basalen, notwendigen Bedingungen. Atmo 7 Buchladen (kurz freistehen lassen, dann runterziehen) Sprecherin Sachbuchforscher David Oels sitzt auf einem Sofa im hinteren Teil seiner Lieblingsbuchhandlung "Ebert und Weber" mitten in Berlin-Kreuzberg. Bevor er als Juniorprofessor für Buchwissenschaft an die Universität Mainz ging, hat er hier jahrelang um die Ecke gelebt. OT 9 Oels (Ebert-Weber-Programm) (00:15) Im ersten Raum hat man eben ganz viele kleine Verlage, Berliner kleine Verlage, das heißt also ein Buchprogramm, das man in den Medien selten besprochen findet und in großen Buchhandelsketten nie irgendwo angeboten findet. (weiter mit Atmo (s. oben)) Sprecherin So sehr er das Programm der kleinen Verlage für Buchliebhaber schätzt - in seinem Beruf als Buchwissenschaftler und Sachbuchforscher weiß Oels, dass die Verlage, die den Markt beherrschen, auf großen Umsatz angewiesen sind, wenn sie überleben wollen. Sprecher: Denn für das Produkt Sachbuch sieht es - auf einem ohnehin leicht schrumpfenden Buchmarkt - nicht gerade rosig aus. Nach Zahlen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels sank der Umsatzanteil der Sachbücher am Gesamtmarkt von 9,7 Prozent im Jahr 2011 auf 9,3Prozent im letzten Jahr. Gleichzeitig werben immer schrillere Titel um Käufer ... (Atmo aus) Sprecherin Dieter Bohlen - Nichts als die Wahrheit. Daniela Katzenberger - Sei schlau, stell dich dumm. Reiner Calmund - Eine Kalorie kommt selten allein. Sprecher Wer regelmäßig zu Gast in Talk-Shows ist, muss offenbar auch ein Buch veröffentlichen. Und oft bestimmen bizarre Selbstauskünfte die Inhalte. Atmo 8 Buchladen (kurz Schritte im Laden hochziehen, dann unter Folgendem weiterlaufen lassen) Sprecherin Sachbuchforscher Oels schlendert entlang der Regale seiner Lieblingsbuchhandlung und greift sich einen Titel des Komikers Hape Kerkeling. (kurz auf Buchblättern hochziehen und freistehen lassen, dann unter OT10 ausblenden) OT 10 Oels (Medienöffentlichkeit) (00:29) Ganz klar ist es so, dass unsere Medienöffentlichkeit immer populärer geworden ist. Privatfernsehen ist mit Sicherheit eine wichtige Sache gewesen für die - also, gibt's ja schon ein bisschen länger -, aber für die tatsächlich flächendeckende Durchsetzung von Medien, die auch auf Popularität setzen müssen, denn erst dann gibt's für solche Bücher überhaupt erst eine Öffentlichkeit, die so was mitmacht, die Talkshows hat, in die Menschen eingeladen werden müssen, das Format muss bedient werden, ein neues Buch ist ein schöner Anlass. Atmo 9 Buchladen (an OT 10 anknüpfen und unter Folgendem ausblenden) Sprecher Die Frage ist: Werden diese Talk-Show-Bücher eigentlich tatsächlich gelesen? Atmo 10 Buchladen (kurz Kassenklingeln freistehen lassen und bis zum nächsten OT weiterlaufen lassen) Sprecherin Zwar gibt es keine Studien, die das Nicht-Lesen von Büchern belegen, jedoch kennt Sachbuchforscher Oels allerlei Hinweise, die die Vermutung stützen: Bücher müssen nicht unbedingt gelesen werden, um sich gut zu verkaufen. Etwa wenn eine fehl gedruckte und kaum noch brauchbare Ausgabe des Klassikers "Krieg und Frieden" zu kaum einer Rückmeldung führt. OT 11 Oels (Indizien) (00:11) Der Verlag hat wohl 4000 Ausgaben verkauft, und es gab nur drei oder vier Reklamationen zu diesen falsch eingebundenen Seiten. (lacht) Also, es sind so Indizien. Atmo 10 (wie oben) (unter Sprecher legen bis zum nächsten Oels-OT) Sprecher Und die Promi-Literatur? OT 12 Oels (Teilhabe) (00:27) Das ist jemand, den man kennt, und man hat dann teil. Und dieses Teilhaben kann man sicher auch außerhalb von Lektüre. Dazu genügt das Buch, möglicherweise ein Zeitungs-Medienbericht darüber. Schön natürlich ein gewidmetes Buch, wo die Teilhabe sozusagen noch über die Körperlichkeit beglaubigt wird oder belegt wird. Und dann muss es auch nicht gelesen werden, um diese Funktion von Teilhabe überhaupt erfüllen zu können. OT 13 (Lesung GinaWild) (00:29) Ich glaube an Gott. Aber um an Gott zu denken, braucht man Zeit. Während eines Pornodrehs an Gott zu denken, ist unmöglich. Man konzentriert sich auf zu viele Dinge, man braucht Ruhe. Wenn ich mit Gott spreche, will ich nicht abgelenkt sein. Ich fände es außerdem unhöflich, mal so zwischendurch ein paar Worte an ihn zu richten. Das mache ich meistens nachts oder wenn ich im Flugzeug sitze. Sprecherin Michaela Schaffrath - "Ich, Gina Wild. Enthüllung". Erschienen im Heyne-Verlag ... Sprecher ... vorgetragen von Oliver Kalkofe. In seiner Sendung "Nichtgedanken" auf Tele 5 liest der Komiker aus Promi-Biografien vor. Aufmerksamkeit im Fernsehen ist den Talkshow-Büchern so auch dann garantiert, wenn sie ironisch interpretiert werden. Sprecherin Wolfgang Niedeckens Name steht groß auf dem Umschlag seines neuen Buchs. Doch unter dem großen Autoren-Schriftzug findet sich in kleineren grauen Buchstaben der Zusatz: "mit Oliver Kobold". OT 14 Kobold (Studiosituation) (freistehend: ca. 00:03) Ja ... bin gespannt ... (den OT runterziehen und unter Folgendem bis zum nächsten OT laufen lassen) Sprecherin Oliver Kobold, das ist der Ghostwriter, ein Geist, für die meisten Menschen unsichtbar. Der langjährige Freund von Wolfgang Niedecken sitzt in einem Studio in Stuttgart und gibt ein Fern-Interview nach Hamburg. (hier OT ggf. kurz hochziehen) Sprecher Ghostwriter, Co-Autor - was heißt das eigentlich genau? OT 15 Kobold (Wolfgang Niedecken schreibt nichts) (00:19) Platt gesagt, Wolfgang Niedecken schreibt nichts, und ich schreib alles. Also, es gibt keinen schriftlichen Text von Wolfgang oder kein Exposé oder dass er einige Seiten geschrieben hat, sondern ich habe das Buch komplett geschrieben, und dann beginnt erst seine weitere Arbeit an dem Manuskript in Sachen Korrekturen. Sprecherin Der 42-jährige hat mehrere Tage lang mit Wolfgang Niedecken gesprochen und die Interviews aufgenommen. Damit daraus ein Buch werden konnte, musste er seine "Hauptfigur" aber erst "erfinden" und zusätzliche Recherche anstellen. OT 16 Kobold (Roman) (00:32) Ich habe das Buch geschrieben wie ein Roman. Ich hatte einen Protagonisten, ich hatte einen Inhalt, und ich musste gucken, welche Sprache verleihe ich dem Ganzen, welche Struktur, welche Handlung - und dann leg mal los. Also, ganz deutlich wird es bei der Stelle des 2. November 2011, der Tag des Schlaganfalls, das waren anderthalb Seiten, die mir Wolfgang da auf`s Band diktiert hat, im Buch sind das zwanzig Seiten. An dieser Stelle ist der Text hoch fiktionalisiert auch und literarisiert, an anderen Stellen nicht, da ist er eher dokumentarisch. Sprecherin Kobold wollte dem Lebenswerk des Musikers und politischen Menschen Niedecken gerecht werden, etwas "Haltbares" schaffen ... OT 17 Kobold (Nicht Katzenberger) (00:22) Und ich hoffe, dass man unser Buch auch jetzt vielleicht nicht mit so `nem Schnellschuss von Frau Katzenberger oder irgendjemand anderem oder Bohlen oder was vergleichen kann, rein sprachlich schon nicht, jedenfalls war das der Ehrgeiz. Meine Vorbilder kommen aus der Literatur, ich gucke dann eher, wie haben denn Philosophen und Autoren über Krankheit, Tod und Liebe geschrieben. Also, das sind dann andere Referenzpunkte, das sind dann Roland Barthes oder Niklas Luhmann. Sprecherin Den Bekenntnis-Büchern der Fernseh-Prominenten kann Oliver Kobold nichts abgewinnen. Und doch glaubt der Autor, dass gerade diese Bücher aufmerksam gelesen werden. OT 18 Kobold (Promi-Schrott) (00:28) Ich glaube schon, dass das viel gelesen wird, weil es meistens auch sehr einfach zu lesen ist, viel mit Tratsch und Klatsch arbeitet oder mit einem Beicht-Gestus oder Nachtritt-Gestus gegenüber früheren Weggefährten. Ich glaube schon, es gibt ja auch unheimlich mediales Trommelfeuer für solche Bücher mit Vorabdrucken in der Boulevardpresse, mit Talkshow-Auftritten, die das flankieren Ich glaube, dass das mehr gelesen wird als ein normaler Roman mittlerweile. OT 19 Claudia Effenberg/Oliver Kalkofe (Lesung) (00:25) Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch, wenn es um das Make-Up geht. Leute, die nicht einmal zur Mülltonne gehen, ohne sich einen Zentner Schminke ins Gesicht zu pappen, kann ich wirklich nicht verstehen. Tagsüber bin ich eigentlich fast nie geschminkt. Wenn aber die Devise mal lautet, Aufbrezeln, dann aber bitte richtig! Und zwar mit großem Fummel und mitten hinein in die Farbtöpfe! Sprecherin "Eigentlich bin ich ja ganz nett" von Claudia Effenberg. Erschienen bei Droemer Knaur. Atmo 11 Cover-Briefing (kurz freistehen lassen: "Wollen wir den nicht noch mal neu briefen? Dachte ich immer." - "Ja, klar, natürlich.", dann runterziehen und bis zum nächsten OT weiterlaufen lassen) Sprecherin Ein warmer Spätsommertag im Verlagsgebäude von Hoffmann und Campe. In einem hellen Konferenzraum sitzt eine achtköpfige Runde zusammen. Besprochen werden die Umschläge der Neuerscheinungen im nächsten Frühjahrsprogramm. (hier Atmo einmal kurz hochziehen) Sprecherin: Wie Trophäen sind in einem großen Regal an der Wand Bücher aufgereiht, die in den letzten Jahrzehnten bei Hoffmann und Campe erschienen sind. Der Blick schweift über Buchrücken von Willy Brandt, Doris Lessing oder die Tagebücher von Bob Dylan. Am hinteren Teil des Tisches, direkt beim Fenster, hat Cheflektorin Constanze Neumann Platz genommen. OT 20 Neumann (Sinn des Briefing) (00:28) Wir sitzen jetzt hier zusammen mit der Grafikerin Katja Maasbüll und stellen eben die Frühjahrstitel vor, erklären ihr, was wir für Vorstellungen haben, wie das Cover aussehen könnte. Marketing-Leitung und Marketing-Geschäftsführung sitzen auch dabei, um das ein bisschen zu steuern, dass wir nicht ins Märchenerzählen geraten. Ja, es ist sozusagen die Geburtsstunde für die Cover oder die Gesichter der Bücher. Atmo 12 Cover-Briefing (unter Folgendem bis zum nächsten OT weiterlaufen lassen) Sprecher Es kommt offenbar nicht nur darauf an, was in den Büchern drinsteht, sondern auch, wie sie aussehen. Sprecherin Das "Gesicht" von Wolfgang Niedeckens Buch "Zugabe" war in der Runde schnell gefunden, erinnert sich Marketing-Chef Markus Klose. Es sollte ein Foto sein, aufgenommen am besten von Niedeckens Frau Tina. OT 21 Klose (Niedecken-Cover) (00:25) Also hier, das ist ein Foto, das eben Tina fotografiert hat, auch extra fürs Buch fotografiert hat, und hier ist es, finde ich, auch ganz gut erkennbar, dass wir so eine Art Spiegelung haben, so 'ne dunkle und eben 'ne helle Seite, ganz einfach gesagt so. Wir finden eben, dass das zu dem Begriff "Zugabe" unheimlich gut passt, so jemand, der auch weiß, dass es diese andere Seite gibt. Atmo 12 (wie oben) (bis zum nächsten OT weiterlaufen lassen) Sprecherin "Der Schlaganfall teilte sein Leben: in ein 'Davor' und ein 'Danach'", steht neben der Abbildung mit dem Cover. Sprecher: Die Zuspitzung auf den Schlaganfall und seine Bewältigung wird dem Inhalt des Buches allerdings nicht ganz gerecht. Nur ein Kapitel kreist unmittelbar um das dramatische Ereignis - der Rest sind zum großen Teil Geschichten, die in der ersten Autobiografie einfach noch nicht erzählt wurden. Doch ein Schicksalsschlag ist eben medienwirksam. OT 22 Cover-Briefing (ZielgruppeBildungsbürgertum) (insges. ca. 00:56) (hier den Anfang schon kurz hochziehen, dann für den Sprecherinnen-Text wieder runterziehen) Sprecherin: Weiter mit dem "Cover-Briefing" für das Frühjahrsprogramm. (hier den OT hochziehen (ab 00:16)) Klose: Ja, wen wollen wir denn da haben? Wer soll das kaufen? - Neumann: Alle. Alle. Grundsätzlich alle. - Klose: Das ist ja Gott sei Dank nicht immer der Fall. Also, ich finde schon, dass das 'ne Zielgruppe ist, die sich ja beschreiben lassen müsste. - Neumann: Ja, das gesamte Bildungsbürgertum. - Klose: Das sind viele. - Neumann: Das sind irre viele. - Klose: Wie war das denn bei Schwanitz und "Bildung"? - Meyer(Werbung): Da war doch 'n Regal drauf. War das nicht so 'n Buchregal? (OT hier wieder runterziehen) Sprecherin Die äußere Gestaltung eines Buches ist also schon ein Statement, welche Käuferschicht ein Buch erreichen soll. Eine genaue Marktforschung betreiben Publikumsverlage wie Hoffmann und Campe aber nicht. Sie machen die Bücher, an die sie glauben. Sprecher: Oder an die sie meinen, glauben zu müssen. (OT ggf. kurz noch einmal hochziehen, dann ausblenden) OT 23 Göpfert (Sachbuchbestseller) (00:29) (Lacht) - Wie schreibt man einen Sachbuchbestseller? Man nimmt sich einen Prominenten und macht sich ihn vertraut und arbeitet als sein Ghost. Ich glaube, das könnte gut klappen. Man hat einen berühmten oder bekannten Namen bereits im deutschen Medienmarkt und schreibt ein Sachbuch - zu einem beliebigen Thema, muss man auch sagen. - Ich glaube, es gibt kein Patentrezept. Atmo 13 Manuskriptberge (kurz freistehen lassen, dann unter folgender Sprecherin weiterlaufen lassen) Sprecherin Berlin, Savignyplatz, nicht weit weg vom Bahnhof Zoo. In ihrem kleinen, aber geräumig wirkenden Büro sortiert Sachbuchagentin Rebekka Göpfert Manuskripte, die sie im Auftrag der Autoren den Verlagen anbietet. (hier Atmo aus) OT 24 Göpfert (Gutes Sachbuch) (00:36) Ein Sachbuch muss einen dramaturgisch geschickten Aufbau haben, es soll einen unterhalten, es soll nicht langweilig sein, es soll einen nicht mit Informationen zuballern, sondern die auch geschickt über das Buch verteilen, und ich möchte die Welt danach anders sehen als vorher. Nehmen Sie eine Biografie. Eine gute Biografie sagt mir nicht nur was über den Biografierten, sondern sagt mir eigentlich auch ein bisschen was darüber, wie ich die Welt um mich rum jetzt sehe, wie ich die Zeit sehe in der der oder diejenige gelebt hat. Also, es muss über den eigentlichen Gegenstand hinausgehen. Atmo 14 Göpfert Tippen/Drucken (unter folgendem Sprecher bis zum nächsten Göpfert-OT laufen lassen) Sprecher Aber was ist mit all den Katzenbergers, Bohlens und Calmunds, die den Markt überschwemmen und die besseren Sachbücher an den Rand drängen? Sind die Verlage verrückt geworden - oder wir alle? OT 25 Göpfert (Währung Aufmerksamkeit) (gekürzt: 00:23 / 00:36) Ich finde einfach, dass die Währung, mit der wir uns gegenseitig bezahlen, inzwischen nicht mehr Geld ist, sondern Aufmerksamkeit. Je mehr Aufmerksamkeit jemand hat, der bekommt Zinsen, der bekommt noch mehr Aufmerksamkeit, wird auf Veranstaltungen eingeladen, wird ins Fernsehen eingeladen, bekommt Öffentlichkeit. Jeder möchte diese Aufmerksamkeit haben, also, das ist ein erstrebenswertes Gut. [Vielleicht hat das auch etwas damit zu tun, dass wir letztlich doch in einer sehr satten, wohlhabenden Gesellschaft leben, in der Geld nicht mehr die wichtigste Währung ist.] Atmo 15 Göpfert/Raum (unter folgender Sprecherin bis zum nächsten Göpfert-OT laufen lassen) Sprecherin Göpfert steht von dem kleinen Besuchertisch in ihrem Büro auf und geht zu einem Regal neben der Tür. OT 26 Göpfert (Ihr Bücherregal) (gekürzt: 00:26 / 00:30) (Stuhlrücken, Schritte) Das da ist vielleicht ganz interessant. Das ist etwa die Hälfte der Vorschauen auf das Herbstprogramm[, sehr aufwendig gemacht von den Verlagen.] Der Autor inzwischen mit ganzseitigen Porträts vorgestellt. Früher waren das briefmarkengroße Bilder. Inzwischen ist es ganz, ganz wichtig, wie der Autor aussieht, wie der fotografiert wird, ob er "highly presentable" ist. Atmo 15 (wie oben) (unter folgendem Sprecher bis zum nächsten Göpfert-OT laufen lassen) Sprecher Wer "highly presentable", wer also medien- und talkshowtauglich ist, der soll Ende bei den Verlagen die Kasse klingeln lassen. Das gilt auch für Wolfgang Niedecken. OT 27 Göpfert (Niedecken verkauft sich über Prominenz) (00:14) Dieses Buch wird sich über den Namen Niedecken verkaufen, und es ist, so bitter das klingt, aber es ist sekundär, was in diesem Buch drinsteht. Das ändert nichts daran, dass es ein wunderbares Buch sein kann, ich habe es nicht gelesen, aber hier spielt ein anderer Mechanismus eine Rolle. Atmo 16 (Verlag Treppenhaus) (kurz freistehen lassen, dann unter folgender Sprecherin weiterlaufen lassen und mit nächster Atmo verblenden) Sprecherin Anfang September, im Verlagsgebäude von Hoffmann und Campe in Hamburg. Atmo 17 Büro Neumann (insges. 00:32) (Stuhlrücken, Aufstehen) Dieses Buch hier ... ist gerade erschienen ... (hier Atmo runterziehen und unter der Sprecherin weiterlaufen lassen) Sprecherin Im Büro von Cheflektorin Constanze Neumann stehen die druckfrischen Neuerscheinungen des Herbstprogramms auf einer Leiste an der Wand gegenüber ihrem Schreibtisch. (hier Atmo kurz hochziehen und freistehen lassen, dann unter der folgenden Sprecherin weiterlaufen lassen und mit dem nächsten OT verblenden) Sprecherin Sie hat schon oft erlebt, wie schwankungsanfällig der Sachbuchmarkt ist. OT 28 Neumann (Sachbuch unsicherer) (00:21) Beispiel: das Frühjahr, als Fukushima passiert ist. Wenn Sie nicht zufällig das Buch zum Thema hatten- und wer hat das in dem Moment? Alles, was man sich so überlegt und ausgedacht hat und was vielleicht vier Monate vorher aktuell erschien, war natürlich vollkommen irrelevant in dem Moment. Sprecher Ein "Prominenten-Schicksals-Buch" wie von Wolfgang Niedecken müsste für den Verlag eigentlich eine vergleichsweise sichere Bank sein. OT 29 Neumann (Promi-Biografien) (00:25) Erinnerungen, Lebensgeschichten sind natürlich ein bisschen davon ausgenommen. Ich hab auch das Gefühl, dass das den Menschen wiederum auch so eine gewisse, na, was heißt Sicherheit?, in einer unsicheren Welt gibt, also so eine exemplarische Lebensgeschichte, jetzt bei Niedecken: jemand, der einen Schicksalsschlag gemeistert hat, das ist so 'n Gegengewicht, ne. Atmo 18 (Lobby Verlag) (unter dem Folgenden bis zum nächsten OT laufen lassen) Sprecherin Andererseits kann ein einziges "Debattenbuch" den Sachbuchumsatz enorm steigern. Dies gelang 2010 Thilo Sarrazin mit seinem umstrittenen Bestseller "Deutschland schafft sich ab". In jenem Jahr stieg der Anteil der Sachbücher am gesamten Buchumsatz einmalig auf 10,3 Prozent. Ein Erfolg, der sich allerdings überhaupt nicht planen lässt. OT 30 Klose (Try And Error) (00:09) Das ist ganz schwer einschätzbar, und im Grunde ist Verlegerei ein Stück weit deswegen auch "try and error". Atmo 18 (wie oben) (unter der Sprecherin laufen lassen) Sprecherin In einem Besprechungszimmer, ein paar Türen neben dem Büro der Cheflektorin, beobachtet auch Marketingchef Markus Klose den Sachbuchmarkt genau. OT 31 Klose (Entwicklung Sachbuchmarkt) (ungekürzt: 00:30) Wenn ich überhaupt eine Marktveränderung wahrnehme in den letzten Jahren, dann würde ich sagen, die wirklich großen Bücher, also die, die Bestseller-Qualität haben, die zu den Top Ten, Top Twenty bei der "Spiegel"-Liste gehören, verkaufen sich tendenziell besser als in der Vergangenheit. [Also, wir haben höhere Absatzzahlen.] Wohingegen die "mid list", wie wir das nennen, also Titel, die in der "Spiegel"-Liste nicht ganz oben sind, aber sich durchaus vernünftig verkaufen, die schwächeln eher im Verhältnis zur Vergangenheit. [Also, wir haben eine spitzere Wahrnehmung der großen und wichtigen Themen.] Sprecherin Für Hoffmann und Campe heißt das: OT 32 Klose (Reaktion auf Markt) (00:07) Wir versuchen, Bücher zu machen, von denen wir glauben, dass sie die Chance haben, in der Art und Weise wahrgenommen zu werden, dass sie eben oben mitspielen können. Musik (möglichst bis zum Schluss des Stücks durchlaufen lassen oder einzelne Akzente zwischen den bis zum Ende des Stücks kommenden OT bzw. der Lesung setzen) Sprecherin Wie man am besten "oben mitspielt" - mit dem richtigen Debatten-Buch zur richtigen Zeit oder doch mit einer Promi-Autobiografie, etwa von Wolfgang Niedecken - als Autor interessiert das den BAP-Sänger nicht wirklich. OT 33 Niedecken (Schublade egal) (00:14) Also ich habe ja die Schubladen nicht erfunden. Und ich erzähle Geschichten, wenn ich Bilder male, ich erzähle Geschichten, wenn ich Lieder singe, und ich erzähle Geschichten in Büchern. In welche Schublade das gerät, das ist mir letztlich so was von egal. Sprecher Doch wie viel Platz bleibt auf dem Buchmarkt noch für Autoren, die wirklich etwas zu erzählen haben? Nicht viel, wenn man Sachbuchagentin Rebekka Göpfert zuhört. OT 34 Göpfert (Bilanz Buchmarkt) (00:35) Der Buchmarkt ist beliebiger geworden, das steht fest. Der Buchmarkt wird kleinteiliger, es gibt mehr Titel, damit sinkt die Aufmerksamkeit, die die einzelnen Bücher bekommen. Manche sagen auch, er wird demokratischer, weil gerade auch durch E-Book und Self-Publishing es einfacher geworden ist für die Leute, ihre Bücher vorzulegen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es immer gedruckte Bücher geben wird, ich bin auch fest davon überzeugt, dass es immer gute Bücher geben wird, es wird schwieriger, für diese Bücher das Publikum zu finden. Sprecher ... denn eines kommt gewiss: die nächste bizarre Selbstauskunft eines Prominenten ... OT 35a (Lesung Helmut Berger) Guten Abend. Ich lese heute für Sie aus dem Buch: "Ich - Die Autobiografie von Helmut Berger" ... - Sprecherin: Erschienen im Ullstein Verlag. OT 35b (Lesung) ... . ... Kokain übertrifft den Rausch von Hasch, Opium, LSD und Ecstasy bei Weitem. Es macht extrem wach, setzt unendliche Energien frei und eine beglückende Schlaflosigkeit. Die Sinneslust beginnt allerdings erst, wenn die Wirkung nachlässt. Ab dem Moment ist der Sex schier grenzenlos. - Ach, die glücklichen Frauen... [OT geht noch länger weiter] (Musik noch einmal kurz hochziehen, dann aus) 1