COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport 17.2.2012, 13.07 Uhr Ländersache Kultur (4b) Die Kulturpolitik der Bundesländer Saarland Autorin Koch, Tonia Redaktion Julius Stucke Sprecher Simon Böer Regie Stefanie Lazai Sendung 17.02.12 - 13.07 Uhr - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Ein Cello fordert die Aufmerksamkeit der kleinen Gäste. Zwei Puppen-Spieler lassen Figuren hüpfen: Fürsten, Feen Fabelwesen. Auf der Bühne des kleinen Theaters in Saarbrücken entsteht ein Sommernachtstraum nach William Shakespeare. 70 Kinder sitzen auf den Rängen im Gewölbe des Saarbrücker Rathauses. Es sind die Theatergäste der Zukunft. Und es ist der Saarbrücker Kulturdezernent Eric Schrader, der sich um sie kümmert. "Es wird sehr gut angenommen - für viele Eltern ist das bei der Wochenendplanung ein regelmäßiger Programmpunkt." Das Figurentheater ist nur ein Beispiel: Kulturpolitik im Saarland ist auch immer die Kulturpolitik der Landeshauptstadt. Saarbrücken ist das kulturelle Zentrum des Landes. Mit dem Staatstheater, den Konzertsälen, den meisten Festivals. Mit der Museumsmeile und den beiden künstlerischen Hochschulen des Landes, der Hochschule der Bildenden Künste und der Musikhochschule. Die Studierenden prägen Angebot und Nachfrage nach Kultur entscheidend mit, so Kulturdezernent Eric Schrader. "Wir sehen uns in der Verpflichtung, dass wir Angebote schaffen, um diesen die Möglichkeit zu geben, sich als Künstler und Künstlerinnen in Saarbrücken weiter zu entwickeln. Deshalb unterstützten wir sehr stark die Freie Szene, um diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich in Saarbrücken künstlerisch zu entwickeln, damit sie nicht in Weltmetropolen auswandern müssen." Natürlich sei es nicht möglich, jeden kreativen Kopf im Land zu halten, wendet der Rektor der Kunsthochschule, Ivica Maksimovic, ein. "Viele wollen auch sofort nach Berlin, das muss auch sein. Viele aber, die von außerhalb kommen und hier Schwierigkeiten hatten, sich zu etablieren, wollen nach 4 Jahren nicht mehr weg. Diese Saarland-Gen ist sehr gut vererbbar und ich freue mich auf viele Studenten, die hier bleiben und das Saarland ein klein wenig kreativer machen." Auch die etablierten Einrichtungen der Hochkultur - wie das Staatstheater - profitieren von der jungen Szene, glaubt die Intendantin des Saarländischen Staatstheaters, Dagmar Schlingmann. "Wir haben Abkommen mit allen Hochschulen. Die Studenten im Saarland zahlen nichts für den Theaterbesuch. Das wird abgegolten über den Asta- Beitrag. Wir bekommen Pauschalen von den Hochschulen. Das ist ziemlich einmalig und wird inzwischen auch woanders nachgemacht. Der Impuls ging im Übrigen nicht vom Theater aus sondern vom Asta der HTW, das finde ich vorbildlich." Schlingmann sieht ihre Aufgabe nicht nur darin, als Generalintendantin künstlerisch ansprechende Produktionen auf die Bühnen zu bringen. Es ginge vielmehr darum, in einem Land, in einer Stadt, ein Milieu zu schaffen, in dem Kunstschaffende und "Andere" einander begegnen, sich austauschen, sich vernetzen. Lebendige Communities nennt Dagmar Schlingmann das. "Das reicht nicht mehr, dass man gute Kunst macht. Das ist immer noch das Zentrum unserer Arbeit und das darf auf gar keinen Fall verloren gehen, da müssen wir anspruchsvoll sein, mehr als früher! Aber das reicht nicht. Wir müssen eine Community bilden. Wir müssen interessant sein, nicht nur als Theater sondern als Ort der Begegnung, des Gesprächs, der Diskussionen, da ist was los, über die Aufführung hinaus." Das kulturelle Klima empfinden die Intendantin Schlingmann, Kulturdezernent Schrader und Hochschulrektor Maksimovic als ungewöhnlich offen. Obwohl das Land, gemessen an seiner Einwohnerzahl, klein ist und auch die Landeshauptstadt eine kleinere Stadt. Die kulturellen Netzwerke funktionieren und sie funktionieren weitgehend: ohne die Politik. Ein Ergebnis struktureller Veränderungen - und ein Ergebnis mangelnden Interesses der Politik. Die Kultur komme gut ohne politischen Moderator aus, findet Kulturminister Stephan Toscani. "Ich freue mich als Kulturminister sehr darüber, dass die Zusammenarbeit dieser Einrichtungen der Spitzenkultur in den letzten Jahren sehr viel besser geworden ist. Das heißt man verfährt nicht nach dem Motto: jeder für sich, Gott für alle, sondern man verfährt nach dem Motto, wir arbeiten zusammen, wir sind uns nah, wir überlegen auch, was man gemeinsam tun kann. Insofern bin ich auch mit dem Grundklima der Zusammenarbeit zwischen diesen Institutionen zufrieden." Stephan Toscani ist "gelernter" Innenminister - hat im August 2011 die Kultur "dazu" bekommen. Davor war sie für knapp zwei Jahres bei der Staatskanzlei angesiedelt. Zuvor im Ressort: Bildung, Kultur, Familien und Frauen. Das Kulturressort wurde hin und her geschoben. Problematisch sei das nicht, glaubt Toscani. "Wichtig ist, dass es nicht einen Kompetenzstreit gibt in der Regierung, sondern dass wir von unterschiedlichen Enden her, von unterschiedlichen Ministerin her gemeinsam am selben Projekt arbeiten." Was Toscani beschreibt ist ein, über 10 Jahre mangelhaft ausgeprägter politischer Gestaltungswille in kulturellen Fragen. Der Kultur habe das - nach überwiegender Einschätzung der Kulturschaffenden - nicht geschadet. Nur einmal war dies in den letzten Jahren anders, die Politik packte an - und prompt ging es schief. Die Rede ist vom Versuch, der Gegenwartskunst zusätzlichen Raum zu schaffen. Das bestehende Saarlandmuseum um einen Vierten Pavillon zu ergänzen. Das wolle man immer noch, sagt der Kultur- Minister, der den Fall geerbt hat... "Diese Idee ist etwas in schwieriges Fahrwasser geraten. Aber das Ziel ist natürlich dieses kulturpolitisch grundsätzlich zu befürwortende Ziel auch zu einem guten Ende zu führen." Der Bau, von der Stiftung saarländischer Kulturbesitz 2009 in Auftrag gegeben, ruht. In der Landschaft steht ein Torso, die Kosten sind davon gelaufen. Den Museumsdirektor hat man fristlos gekündigt - er muss sich vor Gericht verantworten. Der Vorwurf: er habe Geld der Stiftung und somit der Geld der Steuerzahler veruntreut. Politische Vorwürfe richten sich - im Zusammenhang mit dem Museumsneubau - gegen die damalige Kulturministerin. Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Kosten für den Vierten Pavillon habe die Politik bewusst klein gerechnet, um die Zustimmung von Parlament und Bevölkerung sicherzustellen. Ob und wie viel getrickst wurde, soll ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss klären. Ein fader Beigeschmack bleibt. Saarbrückens Kulturdezernent Eric Schrader: "Das ein fälschlicher Ausdruck entsteht, dass bei Kulturprojekten unseriös geplant wird. Und es ist ein unschönes Signal, es geht ja um mehrere Millionen, dass natürlich Einzelne die Frage stellen, wie viel Kultur kann sich ein Land beziehungsweise die Kommunen leisten?" Als kulturelles Identifikationsobjekt kann die Galerie der Gegenwart ohnehin nicht mehr dienen. Die Industriekultur ist Ausdruck der kulturellen Identität großer Teile der Bevölkerung. Seit 1994 zählt die alte Völklinger Eisenhütte zum Weltkulturerbe. Hierhin strömen die Massen. Zu Ausstellungen und Events. Der künstlerische Leiter, Meinrad Maria Grewenig, bespielt die Erbestätte mit dem Gold der Inkas, Popfiguren a la Mel Ramos oder den Spuren der Kelten. Und hat die hin und wieder diskutierte Frage: wie viele artfremde Ausstellungen verträgt das Welterbe - für sich klar entschieden: So viele wie der Besucher sehen will. Grewenig versucht, ebenfalls unbehelligt von der Politik, die Hütte im Zentrum eines kulturell geprägten Tourismus zu etablieren. Gefördert wird die Hütte jährlich mit 3,7 Millionen Euro. Das meiste Geld des Landes fließt jedoch Jahr für Jahr ins Staatstheater - 24 Millionen Euro. Doch dabei soll es nicht bleiben. Geplant ist eine Kulturabgabe zu Lasten der Kommunen. "Dass das Land für das Staatstheater Verantwortung hat, ist normal und dazu stehen wir auch. Nur wir sagen, die Lasten sind so ungleich verteilt, dass die Kommunen einen Anteil daran liefern sollten..." Die Städte und Gemeinden lehnen das mehrheitlich ab. Sie fürchten, dass kein Geld mehr übrig bleibt für die Arbeit vor Ort, die unter anderem von Musik- und Theatervereinen geleistet wird. Auch der Kulturdezernent der Landeshauptstadt, Eric Schrader, kritisiert die Pläne: "Das ist natürlich doch eine Flucht aus der Verantwortung." Statistisch gesehen ist die saarländische Kulturpolitik unterfinanziert. Und verteilt wird häufig nach dem Gießkannenprinzip. Eine Logik, eine Strategie - ist nicht zu erkennen. So ist es auch mit der saarländischen Kulturpolitik an sich. Verlassen kann man sich nur auf ein überall spürbares "laissez faire". - E N D E -