COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Ge- nehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Büttenwarder an der Küste - Oder : Was ist daran norddeutscher Humor? - Autor Hartwig Tegeler Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 06.12.2011 - 13.07 Uhr Länge 18'38" Moderation Über die Landschaft braucht man nicht zu rätseln: Sie ist weit und windig; und irgendwo ist auch immer Horizont. Die Frage, die sich bei solch geographischen Vorgaben aus kultureller Sicht stellt: Wie bewältigt man die Irrungen und Wirrungen des norddeutschen Lebens, bei all dem Wind und der Grenzenlosigkeit, mittels eines Humors, der diese Landschaft quasi adaptiert hat? Der nord- deutsche Humor ist zunächst lakonisch und hintergründig - kann aber durchaus aggressiv sein, kann den Gegner quasi in aller Langsamkeit "hinrichten". Und wie ist das nun in Büttenwarder mit dem norddeutschen Humor? Hartwig Tegeler begab sich ins Synchronstudio, wo gerade wieder eine neue Staffel eingesprochen wird. -folgt Script Beitrag Script Beitrag O-Ton: "Und sonst ... (Pause.) ... - Und du? - Ich? - Ja." (Fedder und Brix aus "Bütten- warder") Text: Ja, ja. Machen Sie sich bitte auf ein langsames Gleiten der Zeit, auf ihr behäbiges Vergehen in dieser Sendung gefasst. Und das kurze Zwiegespräch, dieser heisse, na ja, sagen wir, hochdynamische Schlagabtausch - funktioniert Ironie im Radio eigentlich?! - zwischen Brakelmann und Adsche alias Jan Fedder und Peter Heinrich Brix aus Büttenwarder in der Serie NEUES AUS BÜTTENWARDER mag als essenziell, konstitutiv, substanziell, sozusagen strukturbildend für das Folgende gelten [...] O-Ton: "Ja, das ist doch in die richtige Richtung gedacht ..." (Brix aus "Büttenwarder") Text: ... strukturbildend für den norddeutschen Witz, in Büttenwarder und anderswo. O-Ton: "Ach ja, und sonst ... (Pause.) ... Und sonst!" (Fedder und Brix aus "Büttenwar- der") Text: [...] Ja, besten Dank, Herr Brix, für die Unterstützung ... Das sei hier nun schlicht vorausgeschickt, noch nicht wissenschaftlich belegt, zugegeben, aber qua Er- fahrung des Gelächters, Kern ist ... die Pause. Gefühlte Ewigkeit lang. Behaupten wir sie einmal als dramaturgisches Zentrum des norddeutschen Witzes. Neben seiner Lakonie. Um die Pause herum konstituieren sich Handlung wie Pointe, rhythmisch gesprochen. Die Pause, so, als ob das Universum für einen Moment innehält, [...] Geräusch: "Große Welle" - Kurz weiter! Text: [...] - ja, wir sind eben in Norddeutschland. Am Meer. Vielleicht ist die Pause ja auch als Metapher auf den existentiellen Furor der Weite des norddeutschen Raums zu begreifen, der diese Art der Weltbewältigung in Form des Witzes und seiner Pause ehemals entsprang. Und dann saust es herunter, das Damokles- schwert der Pointe. Und jetzt darf, jouh, jetzt darf gelacht werden. Witzeerzähler 01: "Im Moment ist mein Lieblingswitz ist mein Lieblingswitz der: Zwei Bauern sitzen auf einer Bank und gucken in den Himmel. Sagt der eine: Hast du eigent- lich gehört, dass sich Mond jedes Jahr vier Zentimeter ..." Text: Falsch! Gaaanz falsch! Nicht vier Zentimeter, sondern einen! Wir werden hier keine Lügen auftischen: einen Zentimeter ... Witzerzähler 02: "Du. - Ja. - Wusstet du, dass der Mond sich jedes Jahr um einen Zentimeter von der Erde entfernt ..." Text: Hören Sie sie jetzt, die Pause, dieser Moment, wenn der Atem der Welt stockt ... und ... jetzt!!! ... die Pointe: [Fortsetzung:] "Da machst du gar nicht über nachdenken." Text: Nee, wirklich, da machst du gar nicht über nachdenken. O-Ton: "Dat is doch weder in die richtige Richtung ´dacht." (Brix aus "Büttenwarder") Text: Danke, Herr Brix, wenn einem soviel Zuspruch widerfährt, das tut gut! So, nun, Übergang vom theoretisch intellektuellen Raum, wo Sie und ich vielleicht noch nicht alles begriffen haben ... nee, Moment, einen hab ich noch: Witzeerzählerin 03: "Du, glaubst du, dass der Mond bewohnt ist? - Klar, da oben brennt doch Licht." Text: Auch nicht schlecht. O-Ton: Atmo "Synchronstudio [Dialoge und Mischen]" - Weiter! Text: So, nun aber ... Übergang also von der Theorie zur Praxis des Synchronstudios. Studio Hamburg in Hamburg-Jenfeld im östlichen Teil von Hamburg. O-Ton: "In der Regie des Synchronstudios" "Brakelmann, wollen wir uns nicht wieder vertragen. - [In Plattdeutsch:] Brakel- mann, wüllt wi uns nich wedder verdregen. - [Techniker:] Uns nicht, oder war das sauber. - [Dialogregisseur:] Wir können ja mal hören. - Brakelmann, wüllt wi uns nich wedder verdregen. - Ja, kann man verstehen. - Okay, danke." Text: Die erste Episode von NEUES AUS BÜTTENWARDER mit Jan Fedder [...] HHer Stimme: "Ich wollte unbedingt Jan Fedder sagen. Das hab ich jetzt getan." Text: [...] und Peter Heinrich Brix wurde 1997 vom NDR ausgestrahlt und im Sommer 2011 die siebente Staffel abgedreht. Im Herbst fand dann die Synchronisation ins Plattdeutsche statt. Die Geschichte um die zutiefst freundliche Feindschaft oder auch feindliche Freundschaft von Kurt Brakelmann und Arthur "Adsche" Tönnsen hat inzwischen nicht nur in Norddeutschland Kultcharakter, auch was den Humor der von Norbert Eberlein geschriebenen 25-minütigen Episoden betrifft. Produ- ziert wird in einem norddeutsch eingefärbten Hochdeutsch; die Wiederholung al- lerdings im Dritten ist dann auf Platt. Und auf den DVDs ist die hoch- wie platt- deutsche Version anwählbar. Stimme*: Kleine Unterbrechung gefällig - von diesem ganzen Gesabbel? Ja, logo. Hier noch einer: Witzeerzähler 04: "Kommt ´ne Frau beim Arzt." Stimme*: Ist der einzige schweinische Witz in dieser Sendung, versprochen! Aber da ja Ein- Satz-Witze ja im flüchtigen Medium des Radios schwer nachvollzogen werden können - flüchtig, wie gesagt, sehr flüchtig -, hier noch einmal. Achtung: Witzeerzähler 04: "Kommt ´ne Frau beim Arzt." Text: Tja, so kann´s kommen! O-Ton: "Und sonst ..." (Fedder aus "Büttenwarder") O-Ton: Atmo "Synchronstudio [Dialoge und Mischen]" - Weiter! Text: An diesem Nachmittag im Synchronstudio spricht Peter Heinrich Brix, Darsteller von "Adsche", seinen plattdeutschen Dialogpart ein. Szenenpartner Jan Fedder alias Brakelmann wird zugespielt. O-Ton: "In der Regie des Synchronstudios" "Okay, danke. - [Nächster Take:] Geht wi to di rin und drinken n schönen köm. - Nö, bin ek ne för. - Drinkst du nix mer. - Ek drink mit di ... - [Synchron- regisseur:] Danke! - [Techniker:] Kriegst du das so auseinandergezogen. Ich spiel dir das " Text: Nun ja, der norddeutsche Witz und seine tiefere Bedeutung, so ungefähr jeden- falls. Erstes Merkmal, meint Peter Heinrich Brix, ohne "Adsche"-Mütze, Schietkiddel und Gummistiefel, dafür aber in sauberen Stadtklamotten nach dem Ende der Synchronarbeit ... erstes Merkmal: die typische Trockenheit, das Dröge ... O-Ton: Peter Heinrich Brix "Sehr direkt. Ohne viel drumrum. Sehr klar auf den Punkt. Sehr wenig Worte. All das." Text: Eine Eigenschaft der Menschen der Region, sagt Brix. Der norddeutsche Humor sei vor allem ein Humor aus dem Volk [...] O-Ton: Peter Heinrich Brix "[...] und ein Humor des Alltags. Auch der Alltagssituationen und des Scheiterns an den kleinen Dingen und der Träume und Wünsche, die damit verbunden sind; Neid und Missgunst und Solidarität, weil´s nicht anders geht und so weiter und so weiter. Das, was im täglichen Leben passiert. Und das wird letztlich im Saar- land nicht anders gelebt als in Hannover oder sonst wo." O-Ton: Büttenwarder-Szene "[Brakelmann:] Ich denke jetzt groß, Adsche. - [Adsche:] Was ist dat denn schon wieder? - Wenn du zur Kreissparkasse gehst und willst Geld, für das Dach von deinem Schweinestall, näh, kriegst du das dann? - Nee! - Siehst du! Aber wenn du sagst, du willst hier einen Agrarpark bauen mit so und so viel Arbeitsplätzen, dann werden sie hellhörig." Text: Peter Nissen, Autor und Übersetzer - gerade hat er zusammen mit Helmut Cyri- acks Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM fürs Ohnsorg-Theater ins Platt- deutsche übertragen -, ist der Experte fürs Platt, der als Sprachcoach die Synchronisation begleitet. Jemand, der bei der Übertragung in den platt- deutschen Dialekt auch sehr tief in die "Bauwiese" norddeutscher Komik ein- gedrungen ist: O-Ton: Peter Nissen "Das sind ja manchmal ziemlich karge Witze. Also ein Beispiel [...]" Witzeerzählerin: "Treffen sich zwei Bauern. Sagt der eine: Du, sach ma, raucht dein Pferd? - Nee, wieso? - Dann brennt deine Scheune." O-Ton: Peter Nissen "Der kommt ja ohne Vorbereitung aus und erfüllt ja, was ein Witz soll, nämlich : überraschen. Blöde Frage, raucht dein Pferd. Und dann brennt deine Scheune. Also, dieser Konflikt, wenn zwei Dinge aufeinanderprallen, die (Lacht.) im normalen Leben eben nicht aufeinanderprallen. Dann entsteht ja eigentlich der Witz." Text: Dieses Aufeinanderprallen aber natürlich in Verbindung mit den regionalen Be- sonderheiten. In München, in Frankfurt, nicht einmal in Hannover oder in Braun- schweig gibt es eine Sturmflut, nein, die ist verortet in nördlichsten Norden. Witzeerzählerin: "Hochwasser in Norddeutschland, die Bauern retten sich aufs Dach. Sagt der eine zum annern: ´Du, da schwimmt ne Mütze.´ - ´Nö, das ist Hein, der mäht bei jedem Wetter.´" O-Ton: Peter Heinrich Brix "Ja, ich kannte den ..." Text: Sagt Peter Heinrich Brix, Büttenwarders "Adsche". O-Ton: Peter Heinrich Brix "Ja, der trifft eine Menge. Weiß nicht, ob das typisch norddeutsch ist. Es ist eine Situationskomik eigentlich eigentlich." Text: Alltagswelt, Natur, Wetter, Wind, Sturm, die typisch norddeutsche Sturmflut, sie bilden so etwas wie die regionale Aura des Witzes, und all das formt Identität. Regionale und in ihrem Kern sicher auch provinzielle Identität. Und wenn das Fremde, das Andere, in diese enge, verschworene, geschützte Welt kommt? Dann ist es nicht selten die Bauernschläue, aus der heraus die Auseinander- setzung mit dem Fremden geschieht und der Witz entsteht. Abgrenzung ja, aber nicht unbedingt Ausgrenzung, die gar in Fremdenhass mündet. Und dann das einvernehmliche Lachen nach der Pointe mit dieser unfassbaren Pause vor ihr. O-Ton: "Dat is doch in die richtige Richtung ´dacht." (Brix aus "Büttenwarder") Text: Ein alter Witz, der dann auch zum Flensburger-Pilsener-Werbespot wurde. Witzeerzählerin: "Treffen sich ein amerikanischer Farmer und ein norddeutscher Bauer in der Kneipe und reden über ihre Arbeit und kommen dann auf die Größe der Farm und des Bauernhofes zu sprechen. Sagt der Farmer: ´Meine Farm ist so groß, wenn ich morgens los fahr, brauch ich 2 Tage, um wieder zu Hause zu sein." Sagt der Bauer: "Du, so´n Auto hatte ich auch mal..." O-Ton: Peter Nissen "Also, bei dem Witz mit dem Amerikaner, der sich brüstet, dass er so viel Land besitzt, da hat der norddeutsche Bauer natürlich auch eine gewissen Bauern- schläue, um sozusagen den Großen ans Bein zu pinkeln." Text: In diesem Fall einem großkotzigen Farmer. Was natürlich auch ein Politiker, ein Kirchenmann oder jemand anders aus einer gehobenen Schicht sein könnte. O-Ton: Peter Nissen "Das könnte ich mir durchaus vorstellen, dass Witze zur Befreiung dienen, um sozusagen die Machtverhältnisse umzukehren. Also die, die sich für mächtig halten bloßzustellen. Oder eben auch gegen Leute, die irgendwie stören." Text: Allerdings ist die Geste dieses Gegen-den-Stachel-Löcken eine harmlose, wenn man den norddeutschen Witz beispielsweise mit dem jüdischen vergleicht. In den sind ja in der Regel die Schwächen des Menschen sowie die Erfahrung der Diaspora und des Holocausts systemisch eingeschrieben. Die Bosheit des Menschen wird mit einem Skalpell bloßgestellt. Stimme*: "Sagt Gott zu Avriel: Du hast einen Wunsch frei, überlege dir aber ganz genau, was du dir wünscht, denn, was ich dir tue, das tue ich deinem Nachbarn doppelt. Da sagt Avriel: Herr, nimm mir ein Auge." O-Ton: Peter Nissen "Der norddeutsche Witz würde das nicht machen. Der geht nicht soweit. Der macht sich zwar auf Kosten anderer gerne lustig, aber am Ende sind sie un- beschadet oder bleiben sie unbeschadet." andere Akustik: O-Ton: "[Stimme 1*:] Klönen zwei Bauern am Gartenzaun. Kommt ein Ausländer vorbei und fragt ... [Stimme 2:] Do you speak english? - [Stimme 1*:] Keine Reaktion. - [Stimme 2:] Parlez vous francais? - [Stimme 2:] Keine Reaktion. - [Stimme 2:] Parlare italiano? - [Stimme 2:] Keine Reaktion. Der Ausländer zuckt mit den Schultern und fährt weg. - [Stimme 3:] Du! - [Stimme 2:] Jouh! - [Stimme 1*:] Der konnte aber viele Sprachen, wa? - (Pause.) - [Stimme 2:] Jouh. Genützt hat´s ihm aber auch nich." O-Ton: "Ach ja, und sonst ... (Pause.) ... Und sonst!" (Fedder und Brix aus "Büttenwar- der") Text: In Büttenwarder, wenn man unter sich ist, beschimpft Brakelmann seinen besten Kumpel Adsche schon mal als Trottel. Das ist verhalten derbe, aber nie wirklich böse. Aber als wirklich dumm sieht Adsche-Darsteller Peter Heinrich Brix die Fi- guren nicht dargestellt - sie werden eben nicht denunziert. O-Ton: Peter Heinrich Brix "Sie wirken nicht intellektuell. Aber sie sind auf ihre Art lebensklug. Das ist ein Unterschied. Und sie haben vor allem sich in ihren Unzulänglichkeiten sehr klug eingerichtet." O-Ton: Büttenwarder-Szene "Stangenspargel? Du willst also tatsächlich Spinat und Spargel kreuzen? - Ja, das ist lecker. - Und wie willst das nennen, was da rauskommt. Spagat? - Nee, Spi- nagel." Text: Gut, Herr Brix, Protagonist des norddeutschen Humors mit dieser Figur Adsche, nun aber endlich mal Butter bei die Fische: Was ist Ihr Lieblingswitz? O-Ton: Peter Heinrich Brix "Ouhh! Ich muss überlegen, kannst das Ding ausstellen erstmal. (Lachen.) Ich weiß es gar nicht. Vor allem müsste ich da einen erzählen, den man auch im Ra- dio erzählen kann. Nee, kann ich jetzt grad nicht bedienen. Ist verrückt, nicht." Text: Tja, so kann´s kommen, näh. Und Michael Grimm, Dialogregisseur bei der Platt- deutsch-Synchronisation der BÜTTENWARDER-Staffel ... Ihr Lieblingswitz, Herr Grimm: O-Ton: Michael Grimm "Oh, das ist jetzt gemein. Lieblingsnorddeutschenwitz. Das ... ouh! Da haben Sie mich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt im Moment (Lacht.)." Text: Oh Mann, Brix und Grimm, kann doch nicht wahr sein! Also, dann denn hier ... Witzerzählerin: "Warum schmeißen im Hamburger Hafen die Hamburger Steine in den Hafen?? Weil dort ein Schild steht und darauf steht: Deutsche ... Werft." Text: Doch trotz fehlenden Lieblingswitzes bringt Michael Grimm, der Dialogregisseur, von Hause aus Schauspieler und damit viel rumgekommen - auch nach Bayern -, eine subjektiv erfahrene Erweiterung hinein in unsere semiwissenschaftlichen Be- trachtung des norddeutschen Witzes. O-Ton: Michael Grimm "Also, ich finde im Nachhinein den norddeutschen Witz wesentlich feinfühliger, feinnerviger, charmanter - ich hoffe, die Bayern hören nicht zu. In Bayern hatte ich immer so das Gefühl, dass es alles ein bisschen derb zugeht. Wenn einer so dir so mit der Hand auf die Schulter haut und ... die bleede Sau, du bleede ... und lacht dabei. Dann ist das für viele Bayern schon ein Witz gewesen. Natürlich am Biertisch oder so. So was habe ich in Norddeutschland überhaupt noch nicht erlebt. Das ist für mich so der Unterschied zum süddeutschen Witz." O-Ton: "Ja, das ist doch in die richtige Richtung gedacht ..." (Brix aus "Büttenwarder") Witzerzählerin: "Also einen ganz alten habe ich auch noch. Kennt auch jeder glaube ich. Stadt- mensch, Porschefahrer. Macht eine Spritztour aufs Land. Fährt mit seinem Porsche um die Ecke und ... kommt so ein Huhn über die Straße. Und er fährt dieses Huhn tot. Und er ist ganz betroffen und geht mit diesem Huhn nun zum nächsten Bauernhof und klingt und sagt: Ist das Ihr Huhn? Sagt der Bauer: Nee, nee, so platte Hühner haben wir nicht." O-Ton: "Und sonst ... (Pause.) ... - Und du? - Ich? - Ja." (Fedder und Brix aus "Bütten- warder") O-Ton: Peter Nissen "Der norddeutsche Humor ist lakonisch ..." Text: Herr Nissen paraphrasiert hier - ich meine, gut, ohne Experten hat man nu mal keine Chance - kurz vor Ende - auch dieses langen Satzes - dankenswerterweise das Erörterte noch einmal, rekapituliert. O-Ton: Peter Nissen "Der norddeutsche Humor ist selten verletzend ..." Text: Peter Nissen also resümiert: O-Ton: Peter Nissen "Eigentlich auf Harmonie gedacht. Der norddeutsche Humor ist bedächtig. Das heißt, manchmal nimmt er auch viel Anlauf. Das widerspricht der Lakonie, aber manchmal braucht man eben ein wenig. Er springt eben nicht sofort rein in die Pointe." Text: Ob das, was wir allerdings als norddeutschen Humor so gerne sehen wollen, in- zwischen nicht auch ein Kunstprodukt ist? Die Vorstellung von Humor und Witz aus dieser Region der Republik ist natürlich stark geprägt von der medialen Rep- räsentation. NEUES AUS BÜTTENWARDER ist eben auch in Bayern zu sehen. Fe- derführend für das, was der norddeutsche Witz ist oder auch sein soll, [...] Geräusch: "Ploppen des Flensburger Pilses" Text: [...] neben der Ohnsorg-Bühne, neben Henry Vahl, Heidi Kabel, Fips Asmussen, Otto in jüngerer, in noch jüngerer Zeit Olli Dittrich mit seinem TV-Imbiss-Auftritt als "Dittsche", federführend für eine Vorstellung von norddeutschem Witz war Region übergreifend die Flensburger-Pilsener-Werbung in den TV- und Kinospots. Geräusch: "Flensburger Pilsener Spot" "Sach ma, warum spielst du mit Knud eigentlich keine Karten mehr. - Würdest du mit jemanden spielen, der dauernd schummelt. - Neh. - Siehst du, Knud auch nicht. (Ploppen.) Prost." Text: Einige dieser Werbefilme aus den 1990er Jahren drehte der norddeutsche Bauernsohn und Filmemacher Detlev Buck, der schon mit seinem Debütfilm ERST DIE ARBEIT UND DANN ... das Norddeutsche kultivierte. Wenn norddeutsche Lakonie, dann die von Buck, das schien popkulturell abgemacht. Aber gerade Detlev Buck verortet das typisch Norddeutsche ihn weniger in der Region. Entscheidend sind nicht Nord oder Süd,, sagt Buck, sondern Großstadt oder Provinz. In der Talkshow "3 nach 9" stellte er seinen Humor bewusst in die Nähe des bayerischen Kabarettisten Gerhard Polt: O-Ton: Detlev Buck "Na, ich bin Polt auch sehr ähnlich manchmal. Der ist sehr bayerisch. Und wort- karg. Die Provinzen haben eine bestimmte Ähnlichkeit. Provinz ist für mich kein negativer Begriff. Das ist eher positiv, weil ich ja auch aus der Provinz komme und das auch sehr schätze. Das hat auch eher was eher Lässiges. Und wo man jetzt nicht sich immer darstellen muss, um Außenwirkung zu haben. Sondern man ist, wer man ist. Und das zieht sich von Norden nach Süden in einem ähn- lichen Geschmack." Witzeerzählerin: "Sag ma, kennst du Kuddel Schmidt. - Klar, kenn ich Kuddel, dem hab ich grad gestern 10 Euro geliehen. - Ich denk, du kennst den?" Text: Der Norddeutsche und sein lakonischer Humor, der Alltag, die Weite, all das ist Ausdruck einer Identität, ja, wohl wahr, aber - wie Peter Nissen zu Recht be- merkt - natürlich ist das alles auch eine Fiktion - ob in BÜTTENWARDER oder in der Flensburger-Pilsener-Werbung: O-Ton: Peter Nissen "Wir haben so Vorstellungen davon, dass in Norddeutschland es spezielle Ecken und Winkel gibt, eben besonders im Küstenbereich und vielleicht noch an der Elbe, wo eben Menschen leben, die einen besonderen Humor haben. Vermutlich werden die allermeisten sagen, es ist toll, eigentlich sind alle Norddeutschen sehr humorvoll außer meine Nachbarn und außer meine Kollegen und Verwandten. Aber alle anderen sind eigentlich sehr humorvoll. Das heisst, die, die so ein biss- chen weiter weg eben in Büttenwarder wohnen. Die haben doch Humor." O-Ton: Büttenwarder-Szene "Das mach ich auch. - Adsche, wie wäre es mal mit einer eigenen Idee? - Wieso, das ist doch meine Idee, dass ich dir das nachmache." Text: Kult ist Kult. Für eine Zeit. Dann ist die Mode, ist der Kult abgenutzt, wir finden anderes, was als saukomisch durchgeht. Und ein paar Jahre später, tja, dann gibt´s sogar eine Überraschung ... O-Ton: Peter Nissen "Gerade hat mir jemand erzählt, dass junge Leute sich wieder Ostfriesenwitze erzählt haben. Und Blondinenwitze auch schon wieder." Text: Aber das, das ist eine ganz andere Geschichte, die mit den Ostfriesen, mit den Blondinen sowieso, und auch die mit Klein Erna. Witzeerzählerin: "Ruft die Mutter: ´Klein Erna, Füsse waschen! Mutti braucht die Schüssel für Salat!´" Text: Na, gut einen noch ... nöh, nu is gut ... komm, einen ... ja, gut, aber ´n guten! Location: norddeutsches, plattes Land. Witzeerzählerin: "Stehen zwei Kühe auf der Weide. Fängt die eine Kuh an, mit ihrem Euter hin und her zu wackeln. Sagt die andere Kuh ganz irritiert: Was machst du denn da? Sagt die: Ach, weisst du, ich habe morgen Geburtstag. Ich schlag schon mal Sahne." O-Ton: "Und sonst ... (Pause.) ... - Und du? - Ich?" (Fedder und Brix aus "Büttenwar- der") - ENDE - 1