COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Die Reportage von 27.6.2010 Literarische Plätze: "Der demokratische Terrorist" Roman von Jan Guillou Von Tina Hüttl Regie: Atmo 1 Telex-Maschinen Geräusch (Im V-Speicher unter Titel: TELEX) Regie: Sprecher 1 auf Atmo 1 (ZITAT S 26) Antwort auf Anfrage, Telex Abteilung III, VS/Hamburg,(...)23. November. Nach der gegebenen Beschreibung kommt folgendes Objekt in Frage: Carl G. Hamilton, Marineleutnant, Alter 30. Beamter mit besonderen Aufgaben beim Sicherheitsdienst RPS/Säk/Stockholm. (...)Warnung: größte Vorsicht bei eventueller Konfrontation. Codename: Coq Rouge. Kein Foto. Ende der Mitteilung Autorin: Beim Hamburger Verfassungsschutz geht ein Fernschreiben aus Schweden ein. Der Leiter der Behörde zieht es aus der Maschine, er gilt als fähigster Terroristenjäger der Bundesrepublik. Graf Carl Hamilton alias Coq Rouge ist genau sein Mann. Der schwedische Geheimagent soll für ihn die Rote Armee Fraktion ausspionieren, die von Hamburg aus tödliche Anschläge plant. Regie: Atmo 2 Bahnhof: Leute reden, Rollkoffer, bei 1:30 Schritte (2min) Regie: Sprecher 2 auf Atmo 2: (ZITAT S 143) Als erstes fiel ihm die Weite der Bahnhofshalle auf. Unter den gewaltigen braunschwarzen gewölbten Stahlbalken, dort oben, in Rauch und Ruß, hatte sich die jüngste, die unangenehme Geschichte Deutschland festgesetzt. Es roch nach Krupp und dem Zweiten Weltkrieg, und wenn man die Augen schloss, hörte man das Keuchen und Zischen der Dampfloks. Titel: Literarische Plätze: "Der demokratische Terrorist" von Jan Guillou. Wie die RAF in die Hamburger Hafenstraße kam. Von Tina Hüttl Autorin: Ruß, Stahl, Schmutz und Halbdunkel, Graf Carl Hamilton hasst Hamburg, eigentlich hasst er ganz Deutschland. Ausgerechnet hier soll der adlige Geheimagent mit dem Decknamen Coq Rouge für die nächsten Monate abtauchen. Es ekelt den Schweden, wo immer er auch hinschaut. Am Schließfach 410 des Hamburger Hauptbahnhofs wartet er auf seinen Verbindungsmann vom Verfassungsschutz, der ihn für den delikaten Auftrag angeheuert hat. Regie: Atmo 3 Bei Schließfächern (4min) Regie: O-Ton 1 Kraushaar (33s) Man muss dazu sagen, dass Jan Guillou, der Autor des demokratischen Terroristen, jetzt für die Perspektive von Graf Hamilton etwas transportiert, was in Schweden Mitte der 70er Jahre angesagt war: ein sehr negativistisches Deutschlandbild. Eine doch nicht unerhebliche Bereitschaft auch Toleranz walten zu lassen gegenüber Ulrike Meinhof und anderen RAF-Mitgliedern. Und es ist vermutlich kein Zufall, dass die größte Sammlung von RAF-Texten (in den 70er Jahren) von Schweden aus vertrieben wurde. Autorin: Ganz plötzlich taucht er im engen Gang zwischen den übermannshohen Schließfächern auf. Wolfgang Kraushaar ist unauffällig gekleidet, graue Rentnerstrickjacke, dunkelblaues Polohemd und eine randlose Brille, deren Existenz man sofort vergisst. Er ist der perfekte Kontaktmann, wenn auch nicht der erwartete Terroristenjäger vom Verfassungsschutz. Doch Wolfgang Kraushaar vom Hamburger Institut für Sozialforschung gilt als fähigster RAF-Experte Deutschlands. Regie: Atmo 3 hoch (bei 1min Fach öffnen mit Schlüssel) Autorin: Kraushaar sieht sich um, steckt einen kurzen Schlüssel ins Schließfach und öffnet die Metallklappe: Darin kein Smith&Wesson Revolver in mattschwarzer Ausführung, wie ihn Geheimagent Coq Rouge jetzt vorfindet, auch nicht das Bündel neuer Hundertmarkscheine, mit denen er sich durch großzügige Spenden bei der linksradikalen Szene beliebt machen kann. Nein, Kraushaar zieht eine Reisetasche hervor. In ihr stecken Jan Guillous Roman und einige seiner eigenen Fachbücher über die RAF. Regie: O-Ton 2 Kraushaar (27s) Ich kann mich daran entsinnen, dass ich das erste Mal 1977 nach der Schleyer Entführung, nachdem was man im nachhinein als Deutschen Herbst bezeichnet hat, darüber geschrieben habe. Und mir war damals schon klar, dass Geheimdienste wohl einen großen Einfluss haben würden auf die RAF und andere terroristische Gruppierungen. Autorin: Die Unterwanderung der RAF durch Geheimdienste - im Buch "Der demokratische Terrorist" wagt sich der schwedische Autor und Journalist Jan Guillou an eines der letzten Geheimnisse einer gut erforschten Vergangenheit. Es ist der zweite Band seines Thrillerzyklus um Coq Rouge, einer Art schwedische James Bond Figur. Coq Rouge zeichnet er als mehrfach gebrochenen Helden. Er stattet ihn mit einer linksradikalen Vergangenheit aus. Regie: O-Ton 3 Kraushaar (27s) Ich vermute, dass der Autor Jan Guillou selber mal linksradikale Überzeugungen hatte, denn er ist zusammen mit einem Kollegen im Jahr 1973 inhaftiert worden in Schweden nach der Aufdeckung einer Bespitzelungsaffäre. Und insofern schwingt von dessen eigener Geschichte sehr viel mit in der Aufbereitung dieses Coq Rouge (oder Graf Hamilton) Stoffes. Autorin: Autor wie Agent sympathisieren beide mit dem Kampf gegen das kapitalistische System und sind doch Teil davon. Hamburg Mitte der 80er Jahre bildet die Kulisse dafür. Im Roman ist es schmuddelig und abgewrackt, ein Nest voller linksradikaler, gewaltbereiter Hausbesetzer und ein Unterschlupf für Terroristen der dritten Generation: Coq Rouge erhält den Auftrag, das RAF-Kommando "Hanna Kunkel" zu infiltrieren. Der Romanautor macht es verantwortlich für die Morde an Siemens-Vorstand Karl-Heinz Beckurt und Rüstungschef Ernst Zimmermann. Nun planen die Terroristen einen Anschlag auf die CIA- Zentrale in Stockholm, den der Held vereiteln soll. Regie: O-Ton 4 Kraushaar (38s) Was die dritte Generation anbetrifft, ist das ein ganz besonderer Fall, weil die einzelnen Mordfälle, die verübt worden sein sollen, nicht haben geklärt werden können. Und weil zwei Journalisten im Jahr 92 mit der These auf den Plan getreten sind, dass es sich um ein RAF-Phantom gehandelt habe. Das heißt, dass in Wirklichkeit diese Aktionen von Geheimdiensten realisiert worden wären, die sich des RAF Emblems und anderer Dinge lediglich bedient hätten, um das zu kaschieren. Regie: Atmo 4 Schließfächer (1:45min) (bei 1:10 Geldbeutel, Geldeinwurf, dann Schritte) Autorin: Kraushaar kramt nach Kleingeld, wirft es in den Schlitz des Schließfachs, das sich nun öffnen lässt. Er verstaut die Reisetasche wieder. Die Phantomthese hält er für absurd, sagt er noch leise, dann ist er weg. Im Buch spielt Autor Guillou mit ihr. Denn auch der von der Bundesrepublik angeheuerte ausländische Agent bewegt sich in der Grauzone. Er verübt Banküberfälle, die dann der RAF zugeschrieben werden. Und am Ende lässt der Rechtsstaat in Gestalt der GSG 9 die Terroristen liquidieren. Was ist also Fiktion? Vor allem ein Rezept für Erfolg. Für die Coq Rouge-Reihe erhält Jan Guillou 1988 den schwedischen Krimipreis. Sein Held hat eine große Fangemeinde. Und Fiktion muss düsterer sein als die Wirklichkeit. So auch heute am Bahnhof: statt Rauch und Ruß spiegeln sich in der gläsernen Kuppel der großen Halle die Lichter der Schaufenster und Coffee Shops. Regie: Atmo 5 In U-Bahn: Ticket kaufen (1min) Autorin: Ganz unjamesbondmäßig kauft Agent Coq Rouge am orangefarbenen Automaten ein Ticket. Dann zieht er mit der U-Bahn los. Den Kontaktmann wird er erst am Ende wieder am Schließfach 410 treffen. Sein Abtauchen in den Untergrund führt ihn natürlich als erstes zur Reeperbahn nach St. Pauli. Regie: Blende in Atmo 6 Straßenlärm Reeperbahn (1:30min) (evtl. V-Speicher: "Reeperbahn vor dem Paradies Club als Atmo unter Sprechertext) Regie: Sprecher 3 (ZITAT S 145) Carl selbst fühlte sich von visuellen Eindrücken bombardiert, die in ihm fast ausnahmslos Gefühle des Ekels oder bestenfalls eines mit Ekel gemischten Erstaunens auslösten. Die meisten Menschen, denen er begegnete, waren auf die eine oder andere Weise vergiftet; die Frauen waren Prostituierte und die Männer zogen wie zotige Schakale an den Hauswänden oder am Rand des Bürgersteigs entlang ohne seinen Blick zu erwidern. Die Leuchtreklame diente in erster Linie dem Zweck, in dieser oder jener Form Frauenfleisch zu verkaufen, und wenn es nicht um normale Prostitution ging, dann zumindest um Striptease oder nackte Frauen in den Wichsmaschinen der Peepshows. Autorin: Auf dem Bürgersteig flanieren gut gekleidete Touristen. 150 000 kommen jedes Jahr, die Reeperbahn lebt vom Mythos. Es gibt jede Menge Souvenirläden mit Hamburg-Tassen und anderen Mitbringseln. Klar, auch die Sexshops locken. In der Auslage vom "Sexy Devil" hängen knappe Satinhöschen, Dildos in allen Farben und Formen. Die meisten Passanten laufen vorbei ohne hinzusehen. Die Wurstbude daneben ist jetzt zur Mittagszeit schon voller. Und auch im Handyshop interessieren die Angebote. Alles ist sehr aufgeräumt. Regie: Atmo 7 Musik aus Kneipe, daraus Gelächter von Engländern (32s) Autorin: Die Herbertstraße um die Ecke schützt eine Sperrwand, darauf hunderte Aufkleber mit Telefonsex-Nummern und ein Schild: Zutritt für Jugendliche und Frauen verboten. Hinter dem rot gestrichenen Straßengatter, so das Gerücht, bieten sich aufgestrapste Frauen in Schaufenstern an. Aus der Kneipe neben dem Gatter dringt Musik. Die grüne Markise macht Werbung für Guinness-Bier. Seit Billigflieger Hamburg ansteuern, ist der Kiez ein beliebtes Kurztrip-Ziel. Vor allem die Briten kommen gern. Regie: O-Ton 5 Engländer (5s) Machen Sie ein Interview? German radio? Immer live on air. Am I on the Radio? Autorin darüber: Die Schnapsfahne verrät Anis, das gerötete Gesicht die Menge des Konsums. Regie: O-Ton 5 weiter (15s) It´s my stag party, stag do. We are going over today (Lachen) Autorin: Der Engländer feiert seit dem frühen Morgen hier seinen Junggesellenabschied. Auch die mitgereisten Freunde grinsen bereits debil. Einmal durch die angrenzende Herbertstraße zu gehen und ein Foto zu machen, gehört zur Mutprobe der Reisegruppen. Und wem dann Höschen oder Unrat hinterher fliegen, kann zu Hause was erzählen. Regie: Atmo 8 Skateboarder, dann Schritte (1min) Autorin: Eine Gruppe Skateboarder rattert übers Pflaster. Vorbei an der Herbertstraße. Wie sie hat auch Guillous Held kein Interesse an Sex. Er geht ein paar Häuserblocks weiter, Richtung Hafenstraße - dort, wo in den 80er Jahren ein erbitterter Kampf zwischen Polizei und Hausbesetzern tobt - dort, wo er angeblich auch die Verstecke der Terroristen finden kann. Er hofft, über die linksradikale Besetzerszene an sie ranzukommen. Von der U-Bahnstation Landungsbrücken erblickt er zum ersten Mal die Elbe. Regie: Atmo 9 U-Bahn Station: Tür öffnen, Schritte nach draußen gehen (50s) Regie: Sprecher 4 darüber (ZITAT S 148) ...schwarz, breit und praktisch ohne jedes biologische Leben. Nach ihrer langen Reise durch das Gebiet des erfolgreichsten Vertreter des Kommunismus, nämlich der DDR, und danach durch das Gebiet des erfolgreichsten Vertreter des Kapitalismus, nämlich der Bundesrepublik, war sie vollkommen vergiftet. Autorin: Ein Mann mit kraus abstehendem Haar steigt aus der Bahn. Die Haare sind nicht viel weniger, dafür aber schlohweiß geworden. Früher war Thomas Ebermann oft hier. Er atmet tief durch, schaut vom hoch gelegenen Bahnsteig auf die St. Pauli Hafenstraße, die dem Knick des Flusses folgt. Die Sonne lässt das dunkle Elbwasser an der Oberfläche funkeln. Die Hebekräne der Werft Blohm und Voss werfen ihre Schatten darauf. Regie: O-Ton 6 Ebermann (30s) Ein Grund, warum die Hafenstraße damals so umkämpft war, wenn man in der dunkelsten Ecke sich ein Haus besetzt, verkörpert das nicht so viel Anmaßung, wie wenn man sagt: wenn schon Hausbesetzung, dann auch mit Blick auf die Elbe (U-Bahn fährt ab) Regie: Atmo 10 Schritte aus U-Bahnhof, dann auf der Straße (1min), bei 25s evtl. freistellen: Ebermann: Wir müssen hier rechts durch. Autorin: Ebermann denkt scharf, spricht unaufgeregt. Er galt als ganz großes politisches Talent bei den Grünen, die er mitgegründet hat. Noch immer ist er ein durch und durch politischer Mensch. Von der Station sind es etwa fünf Minuten Fußweg bis zur Hafenstraße, die ihm einmal als Magnet für linksradikales Denken und rebellisches Leben erschien. Sympathisant der RAF will Ebermann sich nicht nennen, Systemgegner aber schon: Ebermann ist also einer von denen, wie sie Coq Rouge im Roman jetzt sucht. Regie: O-Ton 7 Ebermann (35s) Ich war im kommunistischen Bund. Subjektiv war das der größt mögliche Bruch, oder die größt mögliche Ablehnung dieser Gesellschaftsordnung. Vielleicht könnte man aus heutiger Sicht sagen einige Brüche mit der bestehenden Gesellschaftsordnung waren nicht tief genug. Regie: Atmo 11 Zigarette anzünden (20s) Autorin: Am oberen Ende der Hafenstraße, wo auch die Bernhard-Nocht-Straße abgeht, bleibt Ebermann stehen. Zigarettenpause, die Nägel seines Zeige- und Mittelfingers sind rauchergelb. Regie: O-Ton 8 Ebermann (25s) Ja, hier standen die Barrikaden. Wir sind jetzt so ein bisschen an der Ecke, wo man sich vorstellen kann. Da brannte die Barrikade, da, hier wollte die Polizei rein und schaffte es nicht. Und die Jungs und Mädels in ihren Verkleidungen oder Vermummung, die Männer mussten breitbeinig stehen. Regie: Atmo 12 Hafenstraße ohne Schritte (1:10min) oder Atmo 13 Hafenstraße mit Schritten, Verkehr laut (2:15min) (s.h. auch Atmo 18/22) Autorin: Die aufgeheizte Stimmung Anfang der 80er Jahre scheint Lichtjahre entfernt. Bis auf einen leichten Wind und Ebermann ist kaum jemand heute unterwegs. Er spreizt seine langen Beine, bringt sich in Kampfstellung. Wie bei fast allem, was er tut oder sagt, ist es eine ironische Haltung. Regie: O-Ton 9 Ebermann (22s) Es war damals einer der großen Symbole einer Kraftprobe. In der Situation war eine Entschlossenheit und eine Sehnsucht, die ausdrückt: Wenn wir schon in marktwirtschaftlichen Bedingungen ums Leben betrogen werden, dann nehmen wir uns wenigstens das, was wir erreichen können. Autorin: Die Häuser gehören der städtischen Wohnungsgesellschaft, die sie absichtlich verfallen lässt, um den Grund nach Abriss teuer zu verkaufen. Weil aber billiger Wohnraum knapp ist, besetzt eine bunt gemischte Gruppe aus Punks, Anarchos, Kommunisten und sozial Gestrandeter die Altbauten ab 1981. Das Milieu war nie seins, erzählt Ebermann beim Weitergehen. Dennoch steht er auf Seiten der Besetzer - gegen die Mehrheit der Hamburger Bürger, welche Politik und Medien aufhetzen. Regie: O-Ton 10 Ebermann (40s) Die Hafenstraße war so mit Hass beworfen, wir können uns ja vorstellen. Leute, die von sich sagen: Ich muss jeden Tag zur Arbeit, da drüben ist die Werft, da ruiniere ich mein Leben. Und im Abendblatt stand: In der Hafenstraße zahlen die nicht mal für ihren Strom, weil die rausgekriegt haben wie man Strom abzapft. Autorin: Ebermann etabliert zu dieser Zeit die Grünen in Hamburg. 1984 wird er Fraktionssprecher der Grünen Alternativen Liste, später geht er sogar nach Bonn in den Bundestag. Bis er den Spagat nicht mehr aushält und sich 1988 aus der Politik zurückzieht: Denn noch immer ist er ein bekennender Systemgegner, ein Besetzersympathisant, und ein Beispiel, dass die Wirklichkeit komplexer ist als die mediale Projektion. Über sechs Jahre dauern die bürgerkriegsähnlichen Schlachten um die Hafenstraße, die Fronten verhärten sich: Auf Demonstrationen folgen gewaltsame Räumungen und blutige Festnahmen. Oft wird das brutale Vorgehen mit dem Verdacht begründet, Personen aus dem Umfeld der Roten Armee Fraktion lebten in der Hafenstraße. Die Besetzer zu unterstützen, hat Ebermann Spaß gemacht. Regie: O-Ton 11 Ebermann (20s) (lang 35s) Ich finde es keine Schande, dass ich deren nützlicher Idiot zeitweise war. Ich finde das in Ordnung, dass ein Kalkül angestellt wird, da ist Thomas Ebermann, der ist relativ regelmäßig in Norddeutschland im Fernsehen, der gibt Zeitungsinterviews, der soll sich für uns einsetzen. Autorin: Nicht nur die Hamburger Medien, auch der Geheimagent sieht die Hausbesetzerszene wesentlich eindimensionaler: Regie: Sprecher 5 (ZITAT S 157) In diesem Moment erschien es ihm als unmögliche Vorstellung, dass man unter diesen Hausbesetzern in der Hafenstraße Terroristen finden könnte. Die Menschen, die er bisher gesehen hatte, machten nicht gerade den Eindruck, Sozialisten oder Antiimperialisten zu sein; es schien ihm zweifelhaft, ob sie überhaupt lesen konnten. Sie waren nichts weiter als kleine Kriminelle und Fixer. Autorin: Ebermann ist jetzt vor dem Gebäude angekommen, in dem Coq Rouge absteigt. Mitte der 80er beherbergte das baufällige Haus "Schmaals Hotel". Heute ist die sanierte Fassade der drei Stockwerke abwechselnd grün und gelb gestrichen. Kinderwagen verraten, dass hier junge Familien wohnen. Das rote Haus ein paar Meter weiter ist noch mit vielen Graffitis besprüht. Es ist die Kneipe Volxküche, Ebermann gefällt´s. Regie: O-Ton 12 Ebermann (23s) Die Initiative "Sauberes Hamburg" oder "Nofitti", also diese Zwangsneurotiker, die denken nur die graue Wand ist schön, finden das hier bestimmt ganz schön schlimm. Also ich finde immer noch, es strahlt etwas aus von: ich hab am meisten Angst vor glattgestrichenem farblosen Beton. Autorin: Auch Coq Rouge besucht die Volxküche, deren "o" in Gestalt einer Comics Bombe geschrieben wird - als Zeichen der revolutionären Haltung. Abends trinkt er hier Bier, um mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, die ihn zur RAF führen. Regie: Atmo 14 Schritte, dann Kehrgeräusche (45s) Regie: Sprecher 6 darüber (ZITAT S 164) An Speisen schien das unbeschreiblich dreckige Lokal allerdings nur wenig zu bieten. Um die Volxsküche betreten zu können, musste Carl erst eine schief in den Angeln hängende Tür überwinden und über einen Haufen Mörtel hinwegklettern. Autorin: Die Holztür hängt gerade, von den vielen Plakaten ist sie über die Jahre abgesplittert. Drei Treppen führen hinein, die gerade gefegt werden. Regie: Atmo 15 Kehrgeräusche Straßenkehrer: So genug. Autorin darüber: Der Mann hört auf und Ebermann betritt die Kneipe. Regie: Atmo 15 wieder hoch: Schritte auf Stufen und Tür knarzen (30s) Regie: Sprecher 7 darüber: (ZITAT S 164) Dann befand er sich in einem mit Sperrmüll möblierten Lokal. Aus den Sitzflächen der Polstersessel ragten Stahlfedern hervor, und die Sofas erweckten den Eindruck, als hätte man sie absichtlich zerfetzt, damit sie besser in die revolutionäre Umgebung passten. Regie: O-Ton 15 Ebermann (10s) Also der Spruch über der Tür: staatlich anerkannter Unruheherd, der hat doch fast ne Seifriedsche Qualität. Regie: Atmo 16 in Volxsküche, Gespräch im Hintergrund (40s) Autorin: An einem Tisch unterhalten sich zwei junge Männer, sonst sind die Stühle noch hochgestellt. Der Boden riecht frisch gewischt. Statt zerfetzten Polstermöbel reihen sich an den Wänden Sperrholzregale mit Büchern und Kleidung zum Ausleihen, daneben ein altes Piano. Früher war Ebermann hier manchmal Gast. Träfen sich Geheimagent und er jetzt hier, sie würden sich kaum verstehen. Zwar teilen beide eine linksradikale Vergangenheit, Coq Rouges Blick auf die Hafenstraße findet Ebermann aber lächerlich: Regie: O-Ton 16 Ebermann (17s) Ich würde auch sagen, gemessen an meiner Küche ist es hier sauber. Nein, aber das ist doch ein Mythos, dass es hier vor Dreck starrt. Also da muss man schon die vierte Einbauküche in seiner Biografie haben, um das schrecklich zu finden. Autorin: Wieder draußen, spielt Ebermann den Stadtführer. Regie: O-Ton 17 Ebermann (45s) (hat Vorlauf: Tür schließen) Wir gehen jetzt einfach noch mal die Hafenstraße von der anderen Seite hoch... Autorin: Er ist jetzt am anderen Ende der Hafenstraße angekommen, wo ein Park angelegt ist. Regie: O-Ton 17 Ebermann weiter Hier sehen Sie Kriminelle. Die tarnen sich als frühstückend, da vorne ist glaube ich die Internetmafia. Wenn jetzt noch ein abgemagertes Schäferhundwelpe kommt, dann hole ich die Polizei. Regie: Atmo 17 Straßencafé (1min) Autorin: Ebermann setzt sich gegenüber ins Straßencafe, neben Leute mit 70er Jahre Sonnenbrillen und Designerturnschuhen. Auch er trinkt Milchcafé. Es ist nicht mehr viel übriggeblieben von der anarchischen Hafenstraßen-Haltung. Regie: O-Ton 18 Ebermann (30s) Die weitere Geschichte beweist doch: Gebt den Leuten ein bisschen was, dann fangen sie an ihre Wohnung zu verschönern. Es ist doch alles nicht wahr. Es ist doch nicht wahr, dass hier die RAF-Anhänger gesessen haben. Hier haben sehnsüchtige junge Leute gewohnt, die gerne Klatsch und Tratsch von WG und Tapezieren und Liebeskummer haben wollten und es sollte nicht so teuer sein. Regie Atmo 18 Schritte auf Straße (45) Autorin: Als er sich Richtung U-Bahn aufmacht, kommt es mitten auf der Hafenstraße doch zu einem Treffen, wie es sich im Roman auch der Agent Coq Rouge wünscht: Regie: O-Ton 19 Ebermann im Gespräch mit Knut Folkerts (23s) (Schritte) das ist ein Zufall. Herr Folkerts: Sagen Sie doch mal was! Sagen Sie doch mal, wie ist die Hafenstraße im Vergleich zu früher ? Ist es ein Nest der RAF? Folkerts: Ja, früher war es das. (Lachen) Aber jetzt können Sie das Mikrophon mal wegnehmen? Ebermann: Komm wir setzen uns auf eine Zigarette oder bist Du ganz auf dem Sprung? Volkerts: Ne.) Regie: Atmo 22 Schritte entfernen sich Autorin über Stille: Knut Folkerts ist vorsichtig mit den Medien. Er ist ein ehemaliges RAF- Mitglied und wurde 1980 wegen Mordes am Generalbundesanwalt Siegfried Buback zu einer zweimal lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Er bestritt stets, direkt an dem Attentat auf Buback beteiligt gewesen zu sein, räumte aber ein, von der Planung durch die Rote Armee Fraktion gewusst zu haben. 1995 wurde er vorzeitig aus der Haft entlassen. Ebermann hat Knut Folkerts oft im Gefängnis besucht. Jetzt unterhalten die beiden sich über Ebermanns neueste Kabarett-Show. Statt in der Politik verdient Ebermann heute sein Geld auf der Bühne und mit Büchern. Regie: Atmo 19 Unterhaltung der beiden (1:30) als Atmoteppich oder wieder Atmo 18 Ebermann: Dies läuft noch 3 Tage, Karten mu0ßt du vorbestellen F: ... Ok, dann ja viel Spaß (Schritte)... Autorin darüber: Auch Meisteragent Coq Rouge schafft es schließlich über die Besetzerszene zum harten Kern der RAF vorzudringen. Nachdem er mit Banküberfällen und großzügigen Spenden ihr Vertrauen gewonnen hat, wird er von den Terroristen in ihre konspirative Wohnung geführt. Sie liegt nicht in der Hafenstraße, sondern in Altona. Coq Rouge hilft ihnen, einen Anschlag auf den Stockholmer CIA-Sitz logistisch vorzubereiten. Als alle Beweise gesammelt sind, lässt er sie hochgehen. Um seine Identität zu schützen, erschießt er am Ende sogar eine Terroristin. Und alle anderen RAF-Mitglieder richtet die eindringende Antiterrortruppe GSG 9 einfach hin. Das schockiert selbst Coq Rouge. Von seinem Kontaktmann beim Verfassungsschutz verlangt er eine Erklärung. Regie: Atmo 3 Bahnhof bei Schließfächern Regie: Sprecher 8 S 409 "Warum haben Sie sie nicht lebend gefasst?" fragte Carl und versuchte dabei, seinem Blick auszuweichen. "Aus drei Gründen. Sehr einfach. In rein psychologischer Hinsicht ist ein harter Schlag genau das, was diese Figuren brauchen. Außerdem gehen wir keinerlei Risiko ein, wenn wir uns zu einer umfassenden Aktion entschließen. Und drittens ist niemand mehr da, der etwas über Ihre Rolle aussagen kann. Dafür dürften Ihre Vorgesetzten genauso dankbar sein wie unsere Politiker." Autorin: Bei Ankunft am Bahnhof wartet Wolfgang Kraushaar bereits bei den Schließfächern. Auch der RAF-Experte ist über das Ende empört: Regie: O-Ton 20 Kraushaar (35s) (lang 50s) Natürlich hat es offiziell nie eine andere Order gegeben, als Terroristen oder Verdächtige, wie man da ja hinzufügen sollte, dass man derer lebend hätte habhaft werden sollen, um sie anschließend vor Gericht stellen zu können. Es hat natürlich darüber hinaus in manchen Fällen z.B. beim Tod von Elisabeth van Dyck, Fragen gegeben, warum die haben erschossen werden können und wie sind sie erschossen worden. Und das ist im Roman überzeichnet worden, dass man zu zweifeln beginnt. Autorin: Ein Rechtsstaat, der einen ausländischen Geheimagenten als Killer mietet, ein Rechtsstaat, der selbst gewissenlos mordet - das ist wohl eher Stoff für Fiktion. Doch zumindest die RAF in der Hafenstraße bleibt jetzt nicht länger nur ein Mythos. Atmo 20 extra Reeperbahn ruhiger Atmo 21 extra Schließfächer Atmo 22 extra Verkehr und Schritte, ab 50s schön