Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) Deutschlandradio Kultur Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen Gute Banken - Schlechte Banken Verbraucherschutz nach der Lehman-Pleite 18.2.2013 von Agnes Handwerk Besetzung: Sprecherin: Sprecher vom Dienst (An- und Absage) Zitator Atmo Rattern der Börsenkurstafel Meine Damen und Herren, herzlich willkommen auf dem Frankfurter Parkett Sprecherin: Im Sekundentakt aktualisieren sich hunderte von Aktienwerte auf der Anzeigetafel an der Frankfurter Börse. Zahlen rattern auf kleinen schwarzen Tafeln durch und springen auf einen neuen Wert. Auf dem Börsenparkett sitzen nur noch knapp hundert Händler vor ihren Bildschirmen. Sie sitzen `hinter Maklerschranken` heißt es im Fachjargon, obwohl von Schranken nichts zu sehen ist. Die sind alles in allem längst gefallen. Der Börsenhandel mit Aktien und Wertpapieren wird über eine elektronische Plattform abgewickelt. Jeder ist zugelassen, aber deshalb ist noch längst nicht jeder Börsenprofi. Atmo Rattern der Börsenkurstafel Sprecherin: Beim Geldverkehr sind wir auf Banken angewiesen, aber auch beim Kauf von Aktien oder Wertpapieren fungieren sie als Vermittler an die Finanzmärkte. Das Bankgeschäft ist Vertrauenssache, heißt es. Aber daran gibt es inzwischen erhebliche Zweifel. Atmo Rattern der Börsenkurstafel Sprecher vom Dienst: Gute Banken - Schlechte Banken Verbraucherschutz nach der Lehman-Pleite Von Agnes Handwerk O-Ton: (Kuchs-Krupsky) Auf Grund der ganzen Euro-Schulden- und Finanzkrise spielt die Börse und der Börsenkurs und der DAX natürlich heute eine ganz andere Rolle und Sprecherin: Brigitte Kuchs-Krupsky gehört zu den Anlegern, die mit der Pleite der amerikanischen Großbank Lehman & Brothers Geld verloren haben. Regelmäßig verfolgt sie die Berichte von der Börse. Die Unsicherheit ist geblieben, seit im Herbst 2008 die Aktienkurse unaufhaltsam fielen und ihre Wertpapiere über Nacht wertlos wurden. O-Ton: (Kuchs-Krupsky) das verfolge ich schon viel bewusster und seit der Lehman-Pleite sowieso. Sprecherin: Von den Anlegern, die ihre Rücklagen und Ersparnisse in Lehman-Zertifikate angelegt hatten, hieß es zuerst: `Sie haben selbst schuld. Wären sie doch nicht so gierig gewesen !` Das haben die Geschädigten nicht auf sich sitzen lassen und mit ihren Protesten und Klagen erreicht, dass allmählich klar wurde, welche Verantwortung die Banken haben. Für das Verbraucherministerium hat der Wirtschaftswissenschaftler Andreas Hackethal die Beziehung von Verbraucher und Finanzberater genauer untersucht und kommt zu dem Ergebnis: O-Ton: (Hackethal) In der Tat ist es so, dass der gesamte Beratungsmarkt über die letzten Jahrzehnte eine Produktorientierung hatte. Berater haben Produkte vertrieben, um Produkte herum beraten und an Produkten verdient. Sprecherin: Mit der Deregulierung der Finanzmärkte Ende der 1990er Jahre entstehen zahllose, vollkommen neue Finanzprodukte, die in ihrem Kern alle auf das Versprechen künftiger Börsengewinne ausgerichtet, d.h. spekulativ sind. Bankberater haben nur auf die angegebenen Renditen geschaut und die neuen Finanzprodukte wie sichere Bundesschatzbriefe verkauft. Mit Einführung der privaten Altersvorsorge, seit Verbraucher aufgefordert sind langfristige Rücklagen für das Alter zu bilden, sind tausende Finanzprodukte für die Altersvorsorge auf den Markt gekommen. Und auch hier hat der freie Markt nur zugunsten der Anbieter funktioniert, konstatiert der Finanzwissenschaftler Andreas Oehler. O-Ton: (Oehler) Eine der Initialzündungen ist sicher gewesen, dass Ende der 90er Jahre der Staat sich aus der Daseinsvorsorge zurückzieht und es den Menschen selber überlässt. Dagegen spricht per se nichts. Das Problem ist nur, dass man die Menschen nicht einfach den Anbietern vorsetzt, sondern dass man als Verbraucher auch Handlungsmöglichkeit hat. Atmo Commerzbank Werbung Sprecherin: Eine junge Frau joggt durch das morgendliche Frankfurt, vorbei an den Banktürmen, an Müllarbeitern, Gemüsehändlern, Putzfrauen einer Statue von Justitia. Sie trägt eine Kapuzenjacke, hat Kopfhörer im Ohr und denkt über Gerechtigkeit nach. Atmo Commerzbank Werbung Sprecherin: Sie könnte eine Occupy-Wallstreet-Aktivistin sein oder eine mutige junge Staatsanwältin aus einem amerikanischen Film. Sie ist jedoch, so die Pointe des Spots, eine Mitarbeiterin der Commerzbank, einer Bank, die verspricht nicht so weiter zu machen wie bisher. Atmo Commerzbank Werbung Sprecherin: Was war bisher? Wie andere Banken hatte die Commerzbank ihren Kunden Zertifikate verkauft, ohne sie umfassend darüber aufzuklären, dass diese Papiere nicht durch den Einlagensicherungsfond gedeckt sind. In der Finanzkrise haben sie viel Geld verloren - und die Bank. Die konnte nur mit staatlicher Hilfe überleben. Derzeit ist der Bund noch mit 6,7 Milliarden Euro an dem Finanzinstitut beteiligt. Atmo Commerzbank-Filiale mit Bankautomat Sprecherin: Eine Commerzbank Filiale in der Frankfurter Innenstadt. Fürstenhof nennt sich das neobarocke repräsentative Gebäude in der Nähe des Commerzbank -Turms, dem Hauptsitz der Bank. Für den Schalterraum ist kein Panzerglas mehr nötig. Geld wird nicht mehr bar ausgezahlt. Das macht der Automat. Atmo Publikumsverkehr im Schalterraum Sprecherin: Allein das Beratungsgeschäft läuft noch über den Kundenkontakt und das direkte Gespräch. Dafür reichen kleine Büro-Einheiten aus. Die Einrichtung ist funktional und flexibel und ließe sich leicht auch woanders aufstellen. Atmo Publikumsverkehr im Schalterraum O-Ton: (Löffler) Wie gehen wir damit um, dass uns Menschen in Banken nicht mehr so stark vertrauen wie es in der Vergangenheit der Fall war, wenn wir eine Vertrauenskrise haben? Sprecherin: Roland Löffler ist Gebietsleiter der Commerzbank für den Raum Frankfurt. Er kommt aus dem Privatkundengeschäft und hat den Kunden-Kompass mit entwickelt, der die Beratung von Grund auf verbessert soll. O-Ton: (Löffler) Was haben wir getan? In der Beratung haben wir den ganzheitlichen Beratungsansatz mit einem zertifizierten Beratungsprozess, wir nennen das Instrument Kundenkompass, haben wir die Beratung für den Kunden neu erlebbar gemacht. Sprecherin: Sollen Kunden mit Wohlfühl-Beratung die Verluste der zurückliegenden Jahre möglichst schnell vergessen? Nein, natürlich nicht ! O-Ton: (Löffler) Das ist in der Qualität der Beratung aus meiner Sicht eine ganz entscheidende Veränderung. Ob Sie nur für einen Anlagebetrag ein passendes Produkt suchen oder ob Sie die Gesamtsituation der Kunden betrachten und eben durch die richtige Entscheidung, auch eine nachhaltig gute Entscheidung für den Kunden herbeiführen. Das ist ein völlig anderer Ansatz von Beratung, wenn wir die Gesamtsituation eines Kunden betrachten, werden wir für ihn immer eine bessere Lösung finden. Atmo Verbraucherzentrale Hamburg Sprecherin: Die Hamburger Verbraucherzentrale hat sich einen Namen gemacht, weil sie sich sehr konsequent für Verbraucherrechte einsetzt. Doris Kappes arbeitet hier seit über zehn Jahren und die neuen Beratungsmethoden der Commerzbank kommen ihr bekannt vor. O-Ton: (Kappes ) Ich hatte jetzt noch keinen Verbraucher, der gekommen ist und gesagt hat, ich bin jetzt nach dem neuen, ganzheitlichen Ansatz beraten worden. Aber ich hab natürlich schon öfter Leute da gehabt, die auch beraten wurden und gesagt haben, es wurde alles mögliche abgefragt: Meine Sparziele, was ich an Geld habe Aber letztlich ist dann nur dasselbe raus gekommen nämlich meistens eine fondgebundene Versicherung oder ein Fond, der zu risikoträchtig ist für mich.. Sprecherin: Banken sind für Verbraucher Vermittler für den Zugang zum Finanzmarkt. Sie verkaufen Finanzprodukte und sind verpflichtet ihre Kunden darüber umfassend zu informieren. Das gehört zu einem funktionierenden Finanzmarkt. Aber den gab es nicht! Das zeigte sich mit der Finanzkrise. Atmo Demo der Lehman Geschädigten mit Trillerpfeifen und Sprechchor: "Wir wollen unser Geld zurück".... Sprecherin: Nach der Pleite der amerikanischen Großbank Lehman Brothers demonstrierten geprellte Anleger vor Banken, die ihnen empfohlen hatten, ihre Ersparnisse in spekulative Wertpapiere anzulegen. Über vierzigtausend Sparer waren betroffen. Nach Schätzungen belaufen sich ihre Verluste auf 750 Millionen Euro. Atmo Demo unter dem folgenden Satz ausblenden Sprecherin: Der Hamburger Rechtsanwalt Ulrich Husack hat Geschädigte vor Gericht vertreten. O-Ton: (Husack) Eine Besonderheit war in diesen Lehman-Fällen, dass die Richter zum ersten Mal wahrgenommen haben, dass eine ganze Masse von älteren Leuten gleich gelagerte Sachverhalte unabhängig voneinander schilderten. Sodass man nicht den Eindruck haben muss, hier will jemand seine Verluste auf Kosten der Bank kompensieren, sondern dass tatsächlich was dran ist! Und das waren keine Einzelfälle, sondern das hatte System. Der Vortrag war normalerweise so: Ich bin zu meiner Bank gegangen. Ich wollte etwas ganz Sicheres haben und dann hat mein lieber Berater, dem ich seit langem vertraue, gesagt, dann nehmen Sie doch das hier, da kriegen Sie eine vernünftige Rendite, vielleicht sind die Zinsen nicht ganz sicher, das hängt davon ab wie sich die Aktien entwickeln, aber dass Sie Ihr Geld am Ende wieder bekommen, das ist ganz ganz sicher. Sprecherin: Beratung ist ein Vertrauensgut. Es ist besonders schützenswert, weil Kunden beim Kauf die Qualität der Beratung nicht beurteilen können. Die Anbieter von Finanzprodukten haben Informationsvorteile, die sie aus juristischer Sicht nicht zum Schaden des Verbrauchers ausnutzen dürfen. D.h. Banken hätten ihre Kunden darauf hinweisen müssen, dass ihr eingesetztes Kapital nicht in jedem Fall gesichert ist. Sie hätten ihnen vor allem erklären müssen, dass es sich bei Zertifikaten um eine neue Klasse von Wertpapieren handelt, den so genannten "strukturierten Finanzprodukten". Einem Mandanten von Ulrich Husack war das `Lehman Global Champion Zertifikat` verkauft worden. Es basiert auf der Entwicklung von drei Aktienindices, die nicht unter eine festgelegte Kursschwelle sinken dürfen; so stand es in der Produktbeschreibung: Atmo Atmo nach dem ersten Satz in den Sprechertext überblenden und danach wieder aufziehen. Die Rückzahlung des Zertifikats erfolgt zu hundert Prozent des Nennbetrages, sofern keine der zu Grunde liegenden Basiswerte seine Kursschwelle während der gesamten Laufzeit berührt oder unterschritten hat. Sprecherin: Die Zertifikate von Lehman Brothers hatten keinen festen Zinssatz wie herkömmliche Schuldverschreibungen, sondern die Rendite war abhängig von der Entwicklung des Aktienindex. O-Ton: (Husack) Sollte hingegen einer der Basiswerte seine Kursschwelle berühren oder unterschreiten, so richtet sich die Rückzahlung nach der Wertentwicklung, die der Index, der seine Kurschwelle während der Laufzeit am tiefsten unterschritten hat, bis zum Verfalltag erreicht. Ich verstehe das jetzt. Am Anfang habe ich das auch nicht verstanden und irgendeine ältere Dame, der man das vorlegt, die versteht das natürlich nicht. Sprecherin: Allein die schwer verständlichen Produktbeschreibungen belegen, dass Banken ihrer Informationspflicht eigentlich nicht nachgekommen sind. Bernd Krupsky klagte gegen die Hamburger Sparkasse wegen Falschberatung. Das Landgericht gab ihm Recht. Daraufhin ging die Bank in Revision. In der zweiten Instanz, erzählt Brigitte Kuchs- Krupsky, wurde das Urteil revidiert. O-Ton: (Kuchs-Krupsky ) Vor dem Oberlandesgericht wurde meinem Mann vorgeworfen, dass er risikofreudiger Anleger sei. Worüber er ganz überrascht war, als er das hörte und die Begründung war, er hätte ja eine Telekom-Aktie gehabt und hätte wissen müssen, worauf er sich mit der Lehman-Geschichte eingelassen hat! Sprecherin: Die Telekom-Aktie wurde bei ihrer Einführung nicht als Risiko-Investment angepriesen! Mit einer groß angelegten Kampagne wurde der Börsengang gefeiert und die T-Aktie als eine lukrative Volksaktie beworben worden. Zitat `Deutschland entdeckt die Aktie!` `Die Telekom geht an die Börse und ich gehe mit` Sprecherin: Heute, 17 Jahre nach der Emission, liegt die Telekom-Aktie um 40% unter dem Ausgabepreis. Bei Einführung der Aktie stellte die Telekom Verbrauchern Informationsangebote zur Verfügung. Aber das ging unter in der vorherrschenden Stimmung, die von der Werbung beeinflusst war. Da hieß es: Ab jetzt kann jeder wie ein Börsenprofi mit Aktienspekulationen schnelles Geld verdienen. Der Verkauf der Telekom-Aktie war der Auftakt. In den Jahren danach kamen viele riskante Finanzprodukte auf den Markt und Banken haben sie massenhaft an Kleinanleger verkauft als handle es sich dabei um einlagengesicherte Bundesschatzbriefe. Atmo Protest mit Sprechchor: Wir werden nicht zum letzten Mal kommen. Wir kommen deswegen, weil sie mit Steuergeldern, die wir entrichten müssen, gepampert werden von Frau Merkel und Herrn Schäuble! Und das wird auch noch so weitergehen! Sprecherin: Die Lehman-Geschädigten waren wütend. Nicht nur hatten Banken sie um ihre Geldanlagen gebracht, sondern als Steuerzahler mussten sie auch noch für sie bürgen! Ihre Demonstrationen lösten eine erste öffentliche Debatte aus über Bankberater, die das Vertrauen ihrer Kunden ausnutzen und Produkte verkaufen, an denen sie mit Provisionen kräftig mitverdienen. Der Protest der Lehman- Geschädigten blieb nicht ohne Wirkung. Der Gesetzgeber sah sich in der Pflicht, Rechtssicherheit zu schaffen und im Sommer 2009 beschloss der Bundestag die Dokumentationspflicht für das Vier-Augen-Gespräch zwischen Berater und Kunde. Die Aufsicht hat die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Arne Heinrich Huneke, Referent für Grundsatzfragen des Verbraucherschutzes, erklärt dazu: O-Ton: (Huneke ) Es war so, dass ein Schwerpunkt der Beweislast war oder immer noch ist bei der Frage, inwieweit die Anleger vor ihrer Anlage ausreichend informiert waren und möglicherweise auch die Umstände ihrer Anlage umfassend hinterfragt wurde und das ist im Rahmen der jetzt eingeführten Dokumentationspflichten verbessert worden. Die Beratungsprotokolle können ein wichtiges Dokument sein bei späteren Streitfragen in Bezug auf riskante Anlagen und sind dadurch sicher ein sinnvolles Instrument, um die Situation der Verbraucher zu verbessern. Sprecherin: Heute müssen Bankberater von jedem Kundengespräch ein Protokoll anfertigen und die Risikobereitschaft des Kunden, die Anlagestrategie und ihre Produktempfehlung schriftlich niederlegen. In einem zufällig ausgewählten Beratungsprotokoll vom November 2012 wird einer Anlegerin empfohlen mit 5000 Euro `an der Rohstoffentwicklung zu partizipieren` mit einem Wertpapier, das drei Jahre zuvor 40 % an Wert verloren hatte, also hochspekulativ war. Nach der Devise, Rohstoffe und Fremdwährungen gehören in ein breit diversifiziertes Portfolio, hält der Berater fest: Zitator: Im Rahmen der von Ihnen gewünschten Anlage neuer Gelder können Ihre Anlageziele mit diesem Finanzinstrument erreicht werden.... Sprecherin: Ein Beispiel, wie Verbrauchern nach wie vor Finanzprodukte verkauft werden, die für Kleinanleger ganz einfach ungeeignet sind. Doris Kappes von der Verbraucherzentrale Hamburg macht die Erfahrung, dass Berater ihre Kunden dafür risikobereiter einstufen, als wie sie es tatsächlich sind. O-Ton: (Kappes ) Das Problem ist, dass Verbraucher sich das offenbar in der Beratung oder im Anschluss an die Beratung nicht durchlesen, sondern nach Hause gehen und sich es erst da durchlesen und wenn sie bei uns sind monieren, dass sie gar nicht so risikofreudig sind wie im Beratungsprotokoll drinsteht. Das ist das eine. Das zweite ist, dass die Banken immer so tun, als müssten die Verbraucher dieses Protokoll auch unterschreiben. Davon raten wir grundsätzlich ab. Der Banker soll seine Empfehlung begründen und auch unterschreiben. Aber er soll keinen Freibrief erhalten, wenn ein Beratungsverschulden vorliegt, hier der Verbraucher hat es ja auch unterschrieben, jetzt kann er mich nicht haftbar machen. Sprecherin: Die Verbraucherzentrale hat Fälle, in denen Banken ihre Dokumentationspflicht verletzt haben, an die BaFin weitergeleitet. Die setzt sich dann mit den betreffenden Banken in Verbindung. Alles Weitere unterliegt der Verschwiegenheitspflicht. So dringt wenig darüber nach außen, mit welchem Nachdruck die BaFin die Aufsicht über die neuen Gesetze für den Verbraucherschutz führt. Die BaFin hat die Aufsicht, nur wie sie durchführt darüber ist konkret wenig zu erfahren. Auch Arne Heinrich Huneke bleibt allgemein. O-Ton: (Huneke ) Das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt ist natürlich ein ganz wesentlicher Aspekt und findet daher auch im Rahmen der Beaufsichtigung großes Gewicht. D.h. die Sicherheit des Finanzmarktes spiegelt sich auch im Vertrauen der Anleger wider und dementsprechend ist es auch Gegenstand der Aufsicht. Atmo Pressekonferenz EZB Sprecherin: Um Vertrauen geht es auch auf der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Um das Vertrauen in die Finanzmärkte in die Finanzmärkte. Jeden ersten Donnerstag im Monat informiert EZB-Chef Mario Draghi die Presse über die aktuelle Lage. O-Ton: (Draghi) Stock-markets have increased. Volatility is at its historical minimum. We have seen strong capital influence in the Euro area.... Zitator: Übersetzung Die Aktienmärkte sind gestiegen. Die Volatilität ist im Vergleich zur Vergangenheit minimal. Das Kapital stabilisiert die Eurozone... Atmo Eingang EZB Sprecherin: Im Juli 2012 hat die EZB den Leitzins auf 0,75% gesenkt. Für Verbraucher ist das schlecht. Als Steuerzahler bürgen sie für die Geldmengen, die die EZB den Banken bereit stellt und gleichzeitig verlieren ihre Ersparnisse und Rücklagen mit der Niedrigzinspolitik an Wert. Die Banken dagegen profitieren, kritisieren Occupy Aktivisten draußen vor der Tür und verteilen selbst gedrucktes Papiergeld. Atmo Hier ist die Europäische Occupy Zentralbank, wir refinanzieren sie mit Null Prozent. Aktuell ist der Leitzins bei 0,75 %. Wenn eine Geschäftsbank sich jetzt zu 3/4 % Geld leiht und dann für 5 oder 7 % halbfaule Staatsanleihen der Eurozone kauft, dann kann sie diese Staatsanleihen sofort als Sicherheit bei der EZB rein geben für neue Kredite und den Zinsgewinn von 5% selber einstreichen ohne geschäftliches Risiko! Denn wenn die Kreditblase platzt, dann kann die Geschäftsbank sagen, bitte schön EZB, zieht doch die Sicherheit, wir haben kein Bargeld, aber wir haben euch eine Garantie gegeben. D.h. dieses Risiko liegt bei den Bürgern der Eurozone, denn wir alle sind Besitzer dieser EZB! Atmo Eingang EZB .. ... Passantin entfernt: Ich will auch Geld..... Sprecherin: Angesichts der Erfahrungen seit der Finanzkrise interessieren sich Verbraucher auch für alternative Geldanlagen. Ihr Maßstab ist nicht allein die Rendite. In Frankfurt hat sich eine `Bürger Aktiengesellschaft` gegründet, die mit dem Kapital ihrer Anleger Kredite an Bio-Betriebe im Umland vergeben will. Aber auch so eine überschaubare Anlage ist nicht ohne Risiko, betont ihr Vorstand Jörg Weber ausdrücklich. O-Ton: (Weber) Was wir auf keinen Fall wollen, weder heute noch in Zukunft, den Leuten einfach Geld aus der Tasche ziehen unter dem Anspruch, das ist ein soziales oder ökologisches Projekt. Das wird schon alles gut gehen! Das darf man natürlich überhaupt nicht machen. Sprecherin: An Interessenten fehlt es nicht, erklärt er zufrieden. O-Ton: (Weber) Ich hab hier Telefonate mit Versicherungsmaklern, die in der Vergangenheit in ganz andere Produkte investiert haben, die auch ein Gefühl haben: man muss etwas verändern. Oder Leute, die auf Banken arbeiten, die sagen, wir finden die Bürger AG toll. Wir würden gern einen Teil unseres Geldes hier investieren und die versuchen wir intensiv zu erreichen. Sprecherin: Rücklagen bilden nicht nur Anleger, die Geld übrig haben. Der Staat verlangt von den Bürgern, dass sie privat für das Alter vorsorgen und entsprechend ihrer Möglichkeiten ein Vermögen aufbauen. Auch deshalb hat der Verbraucherschutz so ein Gewicht bekommen, denn viele Lehman-Geschädigte haben - auf Empfehlung ihrer Bank - einen großen Teil ihrer Alterssicherung verloren. Verbraucherschutz ist auch für die Wissenschaft ein Thema geworden. Andreas Hackethal, Professor an der Frankfurter Goethe Universität, hat mit einer Gruppe von Forschern für das Bundesministeriums für Verbraucher den Kundennutzen der Bankberatung untersucht und konkrete Vorstellungen entwickelt, wie die Beratung einer `guten Bank` funktionieren könnte. O-Ton: (Hackethal) Kommt denn bei dem Beratungsgespräch das heraus, was ursprünglich versprochen wurde in Bezug auf Rendite und Risiko? Das wäre eine Transparenz, die wirklich weiter bringen würde, denn dann könnten die einzelnen Berater demonstrieren: Schaut mal her, das ist das Ergebnis! Hieran lassen wir uns messen! Das wäre eine Transparenz im Sinne des Kunden. Und dann wäre ich in einer Welt, wo die guten Berater demonstrieren könnten: Schaut mal, wir sind gute Berater! Nämlich nach Kosten kommt das heraus! Warum geht das nicht? Weil man sich bisher noch nicht auf ein einheitliches Vokabular geeinigt hat, wie Renditen und Risiken zu messen sind. Insofern wäre ein hilfreicher Schritt: Man einigt sich über die technische Kennzahl, sei es die Volatilität, übersetzt sie dann aber in eine Risikoskala z.B. von 1- 10. Zwei bedeutet dann bei jedem Anbieter dasselbe! D.h. ich kann erstens über die Zeit hinaus lernen, ob sich mein Risiko in meinem Depot verändert, das wächst an oder es ist gesunken. Das sagt mir was aus, ohne genau zu verstehen, wie es gemessen wird. Sprecherin: Und der nächste Schritt? O-Ton: (Hackethal) Standards müssen gesetzt werden. Sie gelten für alle Marktteilnehmer. Es müssen sich alle einigen. Wer setzt den Standard? Aus meiner Sicht haben wir hier ein Koordinationsproblem. Hier wäre wirklich eine Rolle für einen Regulierer, für ein Ministerium Vorschläge zu machen, wie diese Risiken einheitlich zu messen sind. Sprecherin: Das Verbraucherministerium setzt auf Selbstregulierung. Ministerin Ilse Aigner hat einen Runden Tisch initiiert mit Vertretern von Banken und Verbraucherverbänden. Dessen Aufgabe ist es, allgemeingültige Kennziffern für Basisinformationen wie Risiko und Rendite zu erarbeiten. Mit tausenden von Produkten, die sich oft nur wenig voneinander unterscheiden, machen sich Banken gegenseitig Konkurrenz, d.h. Intransparenz nützt ihrem Geschäft. Ob sie die geforderte Transparenz verwirklichen, dass Verbraucher mit einheitlichen Kennziffern künftig die Produkte vergleichen können, ist offen. An Bekenntnissen fehlt es nicht. Christine Bortenlänger ist Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts und erklärt: O-Ton: (Bortenlänger) Ich möchte festhalten, dass es aktuell so viele Informationen für Anleger gibt, im Internet als auch in gedruckter Form, wie wir sie noch nie hatten. Aus meiner Sicht ist der Verbraucher gar nicht mehr in der Lage diese Informationen zu sortieren. Insofern plädiere ich für bestimmte Standards. Das halte ich für richtig. Wenn wir erreichen, dass Information nach bestimmten Standards dargestellt wird, kommt der Verbraucher auch schneller in die Lage, diese Informationen zu verarbeiten und einzuordnen. Sprecherin: Von den guten Absichten ist in der Realität noch wenig zu merken, kritisiert Andreas Oehler. Er ist Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Bamberg und leitet die Forschungsstelle Verbraucherfinanzen & Verbraucherbildung. O-Ton: (Oehler) Man braucht nicht die Wissensmenge , sondern die Nutzbarkeit von Wissen und der wesentlichen Informationen und dann kann ich nicht unterstellen, dass jeder gleichermaßen viel leisten kann. Und deshalb sind solche Dinge wie die Commerzbank Werbung, die man aktuell sieht mit dem Kundenkompass, da wird suggeriert, dass man das tatsächlich bekäme. Und gleichzeitig weiß man von Anlegern, denen Anleihen der Commerzbank verkauft worden sind, dass sie ihr Geld nur zurück kriegen, wenn es die Commerzbank will! Und dieses Missverhältnis zwischen dem, was man immer wieder in der Finanzdienstleistungswerbung hört und dem, was tatsächlich am Bankschalter passiert, das Missverhältnis muss dringend aufgeräumt werden. Sprecherin: Andreas Oehler bezieht sich auf einen aktuellen Fall. Die Commerzbank hat 2006 eine Hybridanleihe ausgegeben, um ihr Eigenkapital aufzustocken. Ausgabeort ist Delaware, USA. Ein Finanzprodukt, das eigentlich für Investoren geeignet ist, aber die Commerzbank hat es an Kleinanleger verkauft. Als erster Kündigungstermin war der Dezember 2012 vorgesehen. Den hat die Commerzbank verstreichen lassen und sich auf ihr Recht berufen, wonach sie zu der Auszahlung nicht verpflichtet ist. Die Kieler Anwaltskanzlei Helge Petersen vertritt 90 Anleger, die ihr Geld zurück haben wollen und berichtet, dass die Commerzbank sich einer gütlichen Einigung strikt verschließt. Die Anlegerin Brigitte Kuchs-Krupsky ist nach den Erfahrungen mit Gerichtsprozessen gegen die Hamburger Sparkasse skeptisch, ob bei den Banken wirklich ein Umdenken zu Gunsten der Verbraucher stattgefunden hat. Vom Beratungsprotokoll hält sie nicht viel. O-Ton: (Kuchs-Krupsky ) Im Endeffekt glaube ich gar nicht, dass das so viel nützt. Ich denke es ist für die Absicherung der Bank, dass da keiner mehr klagen kann oder Widerspruch einlegen kann gegen das Gespräch oder Falschberatung. Hier ist das Papier. Das haben sie unterschrieben. Wir haben Sie über alles aufgeklärt. Die Bank sichert sich damit ab. Atmo Frankfurter Börsensaal im letzten Satz Sprechertext einblenden Sprecherin: Verbraucher sind von Banken abhängig. Beratungsprotokoll, Beraterregister und Produktinformationsblatt sollen dieses Verhältnis transparenter machen. Banken sind erstmals gesetzlich verpflichtet verständliche Informationen für ihre Finanzprodukte zur Verfügung zu stellen und die Rechte der Verbraucher sind klarer definiert. Aber damit werden aus `schlechten` noch lange nicht `gute` und verbraucherfreundliche Banken. Schließlich zählt auch an den Finanzmärkten nur ein Ziel: die Rendite. Sprecher vom Dienst: Gute Banken - Schlechte Banken Verbraucherschutz nach der Lehman-Pleite Ein Feature von Agnes Handwerk Es sprachen: Marina Behnke und Ulrich Lipka Ton: Bernd Friebel Regie: Klaus Michael Klingsporn Redaktion: Martin Hartwig Produktion: Deutschlandradio Kultur 2013 2