Deutschlandradio Kultur Länderreport-Magazin 2.4.2012 Die NSU und der Verfassungsschutz. Wie Thüringen und Sachsen ihre Ermittlungspannen aufarbeiten. Autoren: Blanka Weber, Claudia Altmann Redaktion: Heidrun Wimmersberg ___________________________________________________________________________ Die Aufarbeitung der Ermittlungspannen in Thüringen Autorin: Blanka Weber ___________________________________________________________________________ "Ja, da gibt es so ein paar Formalien am Anfang, wo man sich ein bisschen in die Wolle kriegt. Aber ich denke der gemeinsame Untersuchungsauftrag steht. Aber wir müssen so ein bisschen ins Laufen kommen. Und da haben wir das Problem hier in Thüringen, dass wir nicht genügend Manpower haben. Das ist sehr schwerfällig, dass entsprechend viele Mitarbeiter auch von der Landtagsverwaltung bereit gestellt werden." Dorothea Marx leitet den Landtagsuntersuchungsausschuss in Thüringen. Die SPD-Abgeordnete macht keinen Hehl daraus, dass sie lieber schon ein ganzes Stück weiter wäre mit der Arbeit. Doch liegt es wirklich nur an der fehlenden Manpower im Landtag? "Dass die Akten sozusagen rund um die Uhr eingesehen werden können oder wenigstens bis nach Dienstschluss. Das ist alles noch nicht gewährleistet und da läuft die Arbeit etwas holprig an, was Aktenaufbereitung anbetrifft, zum Beispiel." Die Akten. Was genau das ist und wie viele es sind - das scheint eine magische Zahl zu sein. Von 23 Aktenordnern der Zielfahnder rund um das Jahr 1998 - dem Abtauchen des Jenaer Terror-Trios - ist die Rede. Jenen drei, von denen Beate Zschäpe heute in Untersuchungshaft sitzt. Von 9.000 Aktenblättern spricht der Innenminister, wenn von Dokumenten aus dem Landeskriminalamt die Rede ist. 3 Aktenordner vom Verfassungsschutz kämen hinzu. Nur die Akten aus Sachsen, angefordert aus Thüringen, scheinen momentan auf Eis zu liegen. Es sind die Papiere rund um "die Zwickauer Zelle". Jörg Geibert, Thüringens Innenminister, ist sichtlich nicht amüsiert darüber, ließ er wissen. Die Zusammenarbeit mit Sachsen erscheint problematisch. Die Idee eines gemeinsamen Untersuchungsausschusses beider Länder wurde verworfen. Nun also gibt es zwei und der Thüringer wartet auf Akten. Einen Vergleich möchte Jörg Geibert nicht ziehen: "Also ich hab' natürlich keine Kenntnisse authentischer Art, wie der Sächsische Untersuchungsausschuss agiert. Das Gremium in Sachsen hat aber den von außen wahrnehmbaren Nachteil, dass dort ein NPD-Mann vertreten ist. Das trägt nicht zwingend dazu bei, dass Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss authentischer werden." Aussagen vor dem Thüringer Gremium aber auch nicht. Denn vollmundig wurde am Sitzungstag eins des Untersuchungsausschusses im Februar beschlossen, Beate Zschäpe vorzuladen. Man wolle sie zur Zusammenarbeit mit den Behörden in Thüringen befragen. Dazu habe man auch das Recht, selbst Sanktionen könnten greifen, ließ die Vorsitzende Dorothea Marx wissen. Zschäpes Anwälte lehnten ab mit dem Hinweis: Sie werde nichts sagen. - Es war der erste Rückschlag für den Untersuchungsausschuss. Es war zu erwarten, so Innenminister Jörg Geibert: "Das war absehbar. Es hätte mich alles andere als gewundert. Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Frau Zschäpe eine Aussage machen kann, die sie nicht in irgend einer Weise als Mitglied in einer terroristischen Vereinigung machen kann, von daher ist der Ratschlag der ihr Anwalt gegeben hat, keine Aussagen zu treffen, für mich vorhersehbar gewesen." Die Vorwürfe werden noch lauter. Es wird gestritten und getagt, meist nicht öffentlich. Ende April will sich der Ausschuss dem Rechtsextremismus in den 90er Jahren widmen. Einen klaren Arbeitsplan - vor allem mit Blick auf Akten-Arbeit - gibt es nicht. Dirk Adams von den Bündnisgrünen ist Mitglied des Ausschusses: "Mir wäre es lieber gewesen, wenn der Arbeitsplan detaillierter gewesen wäre, so dass klar gewesen wäre, welche Unterlagen brauchen wir an welchem Tag. Aber, egal wie - überhaupt ist es so, dass wir vom Thüringer Innenministerium immer noch keine arbeitsfähigen Unterlagen als Untersuchungsausschuss bekommen haben. Das ist ganz schlecht. Hier muss die Landesregierung schnell nacharbeiten." Der Innenminister widerspricht, sowohl dem Thüringer als auch dem Bundes- Untersuchungsausschuss werde man alles zur Verfügung stellen. "Aber in diesen Unterlagen sind Aktenbestandteile, die zum Teil aus anderen Bundesländern und zum Teil vom Bund stammen und wir sind jetzt gerade dabei, in all diese Fällen abzufragen, ob diese Behörden, diese einverstanden sind, dass wir die Unteralgen weitergeben." Es sind die Mühlen der Bürokratie - für manch einen mahlen sie einfach zu langsam. Katharina König von der Partei Die Linke: "Ich verspreche mir von dem Untersuchungsausschuss nichts. Ich erhoffe mir, dass eine umfassende Aufklärung, v.a. eine umfassende öffentliche Aufklärung statt findet, das heißt, das alles was in den letzten 13 - oder fast 20 Jahren, was da in Thüringen im Bereich Rechtsextremismus passiert ist, das wir das detailliert darstellen und das wir versuchen, die Rollen der Sicherheitsbehörden ein Stück weit aufzuklären, wo gab es ein Versagen aufgrund menschlicher Fehler, behördlicher Fehler. Und wo ist das Versagen nicht mehr als Versagen sondern möglicherweise als eine aktive Unterstützungshandlung mit zu beurteilen." Das "rechte Problem" sei in den 90er Jahren oft genug verschwiegen worden, auch um wirtschaftliche Großansiedlungen ausländischer Konzerne nicht zu gefährden. Thüringen war damals auffällig mit *Abstinenz am Thema*, formuliert es Bernd Wagner, Gründer der Aussteigerinitiative Exit e.V. "Und demzufolge sind viele Installationen, die in den anderen Bundesländern greifen konnten, sowohl der inneren Sicherheit, Polizei, Verfassungsschutz, aber auch im Bereich der Bürgergesellschaft liegen geblieben. Die politischen Bemühungen, die Kräfte in Thüringen versucht haben, sind permanent torpediert worden, auch aus politischen Gründen. Da ist vieles auch im Argen. Heute darf man nicht nur auf den Verfassungsschutz einschlagen, die Staatsanwaltschaft und die Polizei, sondern das ging in den 90er Jahren schon ab im Bereich der Politik." Aus Sicht vieler war es ein Sumpf, Gemauschel und Filz in Ämtern. Akten verschwanden, Personen wurden versetzt und kamen in andere Behörden. Erst kürzlich wurden Dokumente in privaten Arbeitsräumen des früheren Thüringer Innenministers Christian Köckert beschlagnahmt, die dort nichts zu suchen hatten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Eine undurchschaubare Figur bei der Aufarbeitung ist Helmut Roewer, früherer Leiter des Thüringer Verfassungsschutzes. Er klagt derzeit gegen den Innenminister des Landes, weil er einen Bericht zur Arbeit seiner damaligen Behörde nicht veröffentlicht sehen will. Jetzt muss das Verwaltungsgericht in Weimar darüber entscheiden. Alles in allem, ist das Mühen um Aufklärung in Thüringen doch ein zähes - sagt auch Justizminister Holger Poppenhäger. "Ich kann aber zumindest eines sagen, wenn über 13 fast 14 Jahre eine Gruppe rechtsterroristischer Mörder durchs Land zieht, ohne das die Zusammenhänge erkannt werden, dann kann die Zusammenarbeit innerhalb der Länder und auch zwischen Bund und Ländern nicht optimal funktioniert haben." In Thüringen bemüht sich derzeit neben dem Untersuchungsausschuss des Landtages die so genannte Schäfer-Kommission um Aufklärung. Allen voran Gerhard Schäfer, ein ehemaliger Vorsitzender Bundesrichter. Bereits im vergangenen Jahr hatte er die Arbeit aufgenommen und wollte im ersten Quartal 2012 Teil-Ergebnisse vorlegen. Daraus wurde nichts. Vor wenigen Wochen sagte er vor Journalisten: "Wir gehören nicht zu denen, die gleich los schießen und den Herrn Roewer hören oder den Tino Brandt, so lang wir nicht den Hintergrund aus allen Blickwinkeln für uns ausgeleuchtet haben." Bei Tino Brandt wollte die Schäfer-Kommission gerne alle Winkel ausleuchten. Doch der ehemalige V- Mann des Verfassungsschutzes und NPD- Landesvizechef lehnte ab. Denn: Die Kommission darf zwar Vorladungen aussprechen, hat jedoch keinerlei Befugnis, dass die entsprechenden Personen auch erscheinen müssen. Ein Skandal, sagen jene, die um Aufklärung bemüht sind. Zumal erst jetzt bekannt wurde, dass es gegen Tino Brandt in den vergangenen Jahren 35 Ermittlungsverfahren gegeben haben soll. 8 Mal wurde er angeklagt. Am Ende stand: Freispruch. Das hat ein "Geschmäckle" , sagt Heiko Gentzel, langjähriges Mitglied der SPD im Landtag: "Wir werden das selbstverständlich im Thüringer Landtag auch im Justizausschuss prüfen. Aber ich bin schon der Meinung, man sollte die Verfahren und Anzeigen auch kennen, bevor man sich ein Urteil darüber bildet. In der Phase sind wir im Augenblick noch nicht. Aber es hat schon ein Geschmäckle, wenn man das liest, ganz klar." Um die Akten scheint ein Kampf entbrannt- vor allem um jene des Amtes für Verfassungsschutz; angefangen in den 90er Jahren mit dem Anwerben der V-Leute wie Tino Brandt. Aus dem "Geschmäckle" wird an der Stelle mehr - nämlich die Frage, ob es je gelingt, alles aufzuklären - das weiß auch Heiko Gentzel: "Die Frage, die jetzt steht, ist, warum haben wir beim Thema NSU nichts bemerkt hier in Thüringen und die andere ist, wie kannst du verhindern, dass solche Zustände hier im Landesamt wieder einziehen und daraus wird, wenn unser Untersuchungsausschuss zu Ergebnissen gekommen ist die Frage resultieren, wie sieht das zukünftige Landesamt für Verfassungsschutz aus. Personell, strukturell - wird es überhaupt noch eins geben?" ******** Die Aufarbeitung der Ermittlungspannen in Sachsen Autorin: Claudia Altmann ________________________________________________________________________ Sprecher Für die Oppositionsparteien Linke, Grüne und SPD ist der Untersuchungsausschuss das einzige Mittel, um die sächsischen Behörden zur Aufklärung zu zwingen. Aufklärung darüber, warum Sachsen für rechtsextreme Terroristen ein derart sicheres Hinterland sein konnte. Seit Bekanntwerden der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds versucht man im Innen- und Verfassungsausschuss sowie in der Parlamentarischen Kontrollkommission herauszufinden, wo die Behörden versagt haben. Bisher vergeblich, sagt Kerstin Köditz von den Linken. Köditz 1a Im Verfassungsausschuss und auch im Innenausschuss stoßen wir immer wieder an die Grenze: "Es sind laufende Ermittlungen, die Unterlagen liegen beim Generalbundesanwalt." oder "Die Unterlagen liegen beim Bundeskriminalamt." So dass man da eigentlich auch keine Auskünfte im umfassenden Sinne erhält. In der letzten Innenausschusssitzung, wo uns ja im Vorfeld zugesagt worden ist, dass wir laufend über neue Entwicklungen informiert werden, waren es dann zwei Nebensätze. Also sprich: Gar nichts. Sprecher Die Sprecherin der größten sächsischen Oppositionspartei hat mehr als einmal kritisiert, dass die Behörden Informationen nur scheibchenweise herausrücken und sie die eigentlich relevanten Vorgänge aus der Presse erfahren muss. Mit ihren Kollegen der anderen Oppositionsparteien teilt Kerstin Köditz die Einschätzung, dass die sächsische Staatsregierung mauert und das auf Landes- und Bundesebene. CDU-Innenminister Markus Ulbig sieht das anders. Ulbig 3 Sachsen hat in vollem Umfange dem Untersuchungsausschuss zugesichert, die Informationen und Unterlagen beziehungsweise Akten, die zur Verfügung stehen, auch zur Verfügung zu stellen. Bei der Bund-Länder-Kommission haben wir ganz klar die Mitarbeit zugesichert, werden auch einen eigenen Mitarbeiter benennen, der in der Geschäftsstelle mitarbeitet. Also insofern ist dieser Vorwurf nicht gerechtfertigt. Sachsen liefert alle Informationen, die notwendig sind und die wir geben können, zu. Sprecher Auch sein Parteikollege Günther Schneider, der die Parlamentarische Kontrollkommission leitet, sieht keine Defizite. Schneider 2 Ich kann nur aus allem Bisherigen sagen: Die Zusammenarbeit mit unseren Behörden, die wir hier haben also insbesondere das Landesamt für Verfassungsschutz und Innenministerium, die ist offen, die ist gut und die ist ausgezeichnet. Sprecher Daher sieht seine Partei auch keinerlei Bedarf für ein weiteres Kontrollgremium. Bei der Landtagsdebatte vor vier Wochen gab Schneider denn auch mit drastischen Worten zu bedenken: Schneider LT Debatte In meinen Augen ist dies kein Untersuchungsausschuss, sondern es wird ein NPD- Informationsausschuss werden. (Höhnisches Lachen, Beifall) Sprecher Die NPD ist mit acht Abgeordneten im Landtag vertreten und wird ein Mitglied in den Ausschuss entsenden. Und genau darin sieht Schneider ein Problem. Schneider 1 Der wird alle Akten erkennen. Der ist auch nicht irgendwie herauszusteuern oder herauszubekommen aus dem Informationsfluss. Mit anderen Worten, die NPD und damit rechtsextremistische Kreise werden über das, was im Ausschuss bekannt wird, voll informiert sein. (Schneider 4) Das wird die Arbeit im rechtsextremistischen Raum für die Behörden auch in Bezug auf ein NPD-Verbotsverfahren womöglich erschweren. Ein zweiter Punkt: Die Zusammenarbeit mit den weiteren Ausschüssen, die es parlamentarisch gibt, also im Bund, Bundestag wie auch in Thüringen, die wird leiden beziehungsweise wird deren Arbeit vorsichtig gesagt, erschwert werden. Also ich bezeichne den Untersuchungsausschuss, den wir in Sachsen jetzt haben als höchst gefährlich. Sprecher Für Innenminister Ulbig steht fest: Ulbig NPD ... und die Zielrichtung, die die NPD verfolgt, wird natürlich ganz klar in die Richtung gehen, wie wird die NPD überwacht, wie sind die Strukturen? Gibt es gegebenenfalls Informationen zu V-Leuten, die Informationen aus der NPD einkoppeln und das ist natürlich für einen demokratisch verfassten Staat eine Katastrophe. Sprecher Anders als die Fachausschüsse kann der Untersuchungsausschuss Beweismittel anfordern und Zeugen vernehmen, die aussagen müssen. Angesichts dieser weitreichenden Befugnisse befürchtet Ulbig: Ulbig NPD Wenn jetzt Mitarbeiter von Polizeibehörden oder vom Verfassungsschutz mit Aussagegenehmigungen zwar auf Antrag von anderen Fraktionen vor den Untersuchungsausschuss treten müssen, hat dann das Ausschussmitglied der NPD volles Recht wie jedes andere Mitglied auch in punkto Fragen und deshalb ist natürlich dann derjenige auch verpflichtet, auch wahrheitsgemäß zu antworten. Sprecher Nein, hält der rechtspolitische Sprecher der Linken dagegen. Klaus Bartl hat bereits langjährige Erfahrungen in anderen Untersuchungsausschüssen in Sachsen. Überall dort, wo es sensibel werde und Arbeitsweisen des Geheimdienstes nachvollziehbar werden, gebe es ein Sperrvermerk des Ministers mit der Konsequenz, dass alles geschwärzt wird. Bartl 2 Wer Dokumente schwärzt, versagt ja auch die Aussagegenehmigung. Also das das ist jetzt Bauernfang. Also das ist jetzt wirklich, wie sagt man, sich selbst dumm stellen und dümmer stellen als er als Minister inzwischen in der Frage sein dürfte. Sprecher Aber ausgerechnet die Bundes-SPD lieferte den Gegnern des Gremiums Argumente. Der Leiter des Bundes-Untersuchungsausschusses Sebastian Edathy gab im MDR zu Bedenken: Edathy im mdr (20.3.) ...wenn wir Akten anfordern aus Sachsen dann wird die sächsische Landesregierung uns mit Sicherheit nicht Unterlagen geben, die sie dem eigenen Landtagsuntersuchungsausschuss nicht zur Verfügung stellt. Und da ist schon meine Befürchtung das könnte dann dazu führen, dass man in Sachsen, in Dresden in der Regierung einigermaßen restriktiv mit der Aktenherausgabe verfährt. Sprecher Tatsächlich sehe er die Gefahr, dass Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz der NPD in Sachsen zugänglich gemacht werden könnten. Man werde keine gemeinsamen Sitzungen abhalten und auch nicht Protokolle austauschen können. Seine Parteikollegin Sabine Friedel, innenpolitische Sprecherin im sächsischen Landtag, kann die die Bedenken nachvollziehen. Aber: Friedel Wir haben inzwischen mehrere Gespräche geführt und den Weg gefunden, dass wir gesagt haben, die Bundestagsfraktionen und die Landtagsfraktionen tauschen sich untereinander aus. Sprecher Auch bei der Arbeit im Ausschuss selbst könne man mit dem Problem NPD umgehen. Friedel 2 Die NPD kann im Ausschuss ohnehin keine Anträge stellen, weil sie dafür zu klein ist als Fraktion. Und wir haben uns auch verständigt, dass wir untereinander in den demokratischen Fraktionen auch über die zu stellenden Anträge vorher sprechen. Sprecher Ihr Kollege von den Grünen, Miro Jennerjahn, mahnt seinerseits in der ganzen Diskussion mehr Augenmaß an. Jennerjahn 1 Aus meiner Sicht ist die Kritik stark überzogen. Natürlich ist die NPD ein Ärgernis. Das ist sie aber auch im Landtag allgemein. Und ich muss natürlich dann letztendlich eine Abwägung treffen, was mehr zählt: Die inhaltliche Aufarbeitung dessen, was der NSU in Sachsen angerichtet hat und mögliches Behördenversagen oder der Umstand, dass die NPD in einem Ausschuss sitzt. Und für mich kann es kein Argument sein, nur weil die NPD präsent ist, nicht aufzuklären. Das hieße im Übrigen aus meiner Sicht auch, dass man demokratische Kontrollrechte aufgibt, einfach nur aufgrund der Tatsache, dass dort eine verfassungsfeindliche Partei sitzt und meines Erachtens ist weniger Demokratie im Regelfall nicht geeignet, um Antidemokraten zu bekämpfen. Sprecher Auch Kerstin Köditz von den Linken fordert, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, nämlich Aufklärung. Die ausgewiesene Kennerin der rechtsextremen Szene hält es für gefährlich, dass sich die Behörden bisher nicht genug um die Strukturen gekümmert haben, die dem Trio den Aufenthalt in Zwickau offensichtlich erst ermöglicht haben. Nach ihren bisherigen Erkenntnissen bestätigt sich... Köditz 1 ...dass vor allem die Situation um 98/99 aus unserer Sicht falsch eingeschätzt worden ist. Und als zweites natürlich das Problem, dass der Bereich Musikszene wie sie es nennen, subkulturelle Szene, "Blood and Honour", nur als Subkultur wahrgenommen wird, nicht als Bewegung mit Inhalten, die sich dann der Musik bedient. Also das sind Fehleinschätzungen, die in dem Bereich gelaufen sind. Sprecher Klaus Bartl findet ebenfalls, dass mit etwas gutem Willen schon viel mehr Ergebnisse vorliegen könnten. Etwa, was die zehn Banküberfälle betrifft, die das Trio in Sachsen verübt hat. Bartl LT Debatte Können Sie mir erklären, wo es irgendwo geheimzuhaltende Gründe gibt, zu untersuchen, weshalb die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden des Freistaates Sachsen es nicht fertiggebracht haben, diese Banküberfälle aufzuklären? Obwohl Profiler nach dem dritten Banküberfall aufmerksam gemacht haben, dass vieles darauf hindeutet, dass die entsprechenden Handlungen aus dem rechtsterroristischen Zentrum kommen? Sprecher Die Opposition wirft der Landesregierung vor, alle bisherigen Möglichkeiten, bei denen die NPD außen vor geblieben wäre, blockiert zu haben, darunter eine unabhängige Expertenkommission, deren Mitglieder und Sachverständige sie sogar selbst hätte mit bestimmen können. Daher auch die Zweifel Jennerjahns am tatsächlichen Willen, aufzuklären. Jennerjahn 2 Insofern ist der Untersuchungsausschuss letztendlich die logische Konsequenz aus der Nichtaufklärung der sächsischen Staatsregierung und wenn dann die Staatsregierung auf einmal anfängt, das NPD-Argument zu ziehen, dann ist das für mich ein relativ durchsichtiges Manöver, dass man schon bevor der Untersuchungsausschuss angefangen hat, zu arbeiten, den Ausschuss delegitimieren möchte.