COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Nachspiel am 21.05.2009 Rechtsaußen im Abseits Makkabis Spiel gegen den alltäglichen Rassismus auf dem Fußballplatz Autor: Thorsten Poppe Musik O-Ton Rafael Tepmann, Spieler TuS Makkabi "Baut Auschwitz wieder auf, Sonderzug nach Auschwitz, brennt die Synagogen nieder, Vergast die Juden. Halt das Ganze Repertoire an Sprüchen, was man auch so kennt. Irgendwann konnten wir das auch nicht mehr ignorieren, weil es auch weh tut und schmerzt und es uns natürlich emotionell berührt. Dann haben beschlossen, mannschaftlich vom Platz zu gehen." Darauf Autor Immer wieder hört Rafael Tepmann solche oder ähnliche Beleidigungen sonntags auf dem Fußballplatz. Nicht etwa in einer der Profiligen, sondern in der neunten Spielklasse. In der Kreisliga B kickt er als einer der wenigen Juden. Und zwar bei Berlins einzigem jüdischen Turn- und Sportverein, dem TuS Makkabi. Im Übrigen eine echte Multi-Kulti-Mannschaft. Hier spielen Juden, Christen und Muslime friedlich miteinander Fußball. Und sie hoffen auf einen Gegner mit ähnlicher Absicht. So wie an einem Dienstagabend im Berliner Stadtteil Altglienecke im September 2006. Rückblende Rafael Tepman und die zweite Mannschaft von Makkabi müssen bei der VSG antreten. Es ist ein Nachholspiel unter der Woche vor nicht mal 20 Zuschauern. Das Flutlicht beleuchtet den Platz nur spärlich. Der Spielverlauf ist eindeutig, kurz nach Beginn der zweiten Halbzeit führt die Heimmannschaft schon mit 4:1 gegen Makkabi. Es scheint ein ruhiger Abend zu werden. Als plötzlich vom Spielfeldrand Schmähgesänge ertönen. Nicht irgendwelche, sondern rassistische und antisemitische Rufe. Von "Hier regiert die NPD" bis hin zu "Juden vergasen". Einige der so genannten Anhänger der heimischen Amateurfußballer beleidigen die Gäste aufs Schärfste. Bevor die verbalen Ausfälle in körperliche Gewalt umschlagen, entschließen sich die Gäste in der 78. Minute das Spielfeld zu verlassen. Mit dieser Entscheidung setzte die Mannschaft ein Zeichen. Denn solch einen Fall hatte es bis dato im deutschen Fußball noch nie gegeben. Ob in der Politik oder in den Medien, das Spiel sorgte für Schlagzeilen. Auch beim verantwortlichen DFB, beim Deutschen Fußball Bund. Der Fall wurde zur Chefsache erklärt und DFB-Präsident Theo Zwanziger wollte ständig über den aktuellen Stand informiert werden. Zunächst. Dann geriet der Fall Makkabi allerdings auch hier in Vergessenheit. Der Verein wurde von allen Seiten im Stich gelassen. Und die Mannschaft war nicht mehr das, was sie eigentlich sein wollte: Ein ganz normales Team im Berliner Fußballamateurbetrieb. Obwohl die Spieler den Davidstern offen auf ihrem Trikot tragen, wurden sie durch den Vorfall aus ihrer Anonymität gerissen. Fühlten sich abgestempelt. Einfach nur kicken - das ist seitdem mehr als schwierig, weiß der 1. Vorsitzende Tuvia Schlesinger zu berichten. O-Ton Tuvia Schlesinger, 1. Vorsitzender TuS Makkabi "Ich kann wieder ein Beispiel geben. Wir hatten ein A-Jugend Spiel gegen einen Berliner Verein, wo es massive Beschimpfungen unserer Spieler gab. Es fing an zu Beginn des Spiels mit ganz normalen Sachen: "Du Arsch", "Du Wichser", "Du Penner", "Du Jude", steigerte sich dann im Laufe des Spiels immer mehr, bis es ins Rassistische ging." Ansprache Claudio Offenberg in der Kabine, Trainer TuS Makkabi "Und daran denken, wenn wir heute hier rausgehen, wir wollen etwas mit nach Hause nehmen. Dafür sind wir hier, laufen wir, kämpfen wir und spielen Fußball. Wir wollen mit nach Hause nehmen was, von Anfang aggressiv sein. Wir haben gar keinen Grund uns irgendwie zu verstecken, ganz im Gegenteil. Mit breiter Brust, Kopf nach oben und richtig viel Selbstvertrauen raus gehen und weg hauen Männer, komm!" Darauf Autor Sonntagnachmittag. Rückrundenspieltag in der Berlin-Liga. Trainer Claudio Offenberg stimmt seine Elf im Abstiegskampf auf das Auswärtsspiel beim VfB Hermsdorf ein. Vor 5 Jahren hat er die Mannschaft übernommen und nach 2 Aufstiegen bis hoch in die Verbandsliga geführt. Seit dem Vorfall in Altglienecke ist er nicht nur als Trainer gefragt. In seiner Freizeit kämpft er außerdem noch für den Verein und dessen Recht, einfach nur Fußball spielen zu können. Ohne rassistische Auswüchse auf dem Spielfeld oder drum herum. Heute will er im Norden der Hauptstadt mit seinen Jungs wichtige Punkte gegen den Abstieg sammeln. O-Ton Claudio Offenberg, Trainer TuS Makkabi "Wir erwarten nichts besonderes, weder im Positiven noch im Negativen. Die Zuschauer werden ihre Mannschaft anfeuern und solange sie das fair und korrekt machen, ist das auch kein Problem. Wir spielen auf einem Nebenplatz, der ein bisschen eng ist. Natürlich werden da die Zweikämpfe eine große Rolle spielen und ich hoffe natürlich da, dass der Schiedsrichter dann auch seinen Teil dazu beiträgt, dass alles ordentlich verläuft." Darauf Autor Das Spiel beim VfB Hermsdorf hat für seine Spieler einen besonderen Hintergrund. Denn kurz nach den Vorfällen 2006 in Altglienecke soll der VfB die Prämie für einen Sieg gegen Makkabi verdoppelt haben. Zwei Vertretern Makkabis ist dies aus dem Umfeld des Vereins zugetragen worden. Offiziell will das natürlich niemand bestätigen. Einen ersichtlichen sportlichen Grund wie einen möglichen Auf- oder Abstieg für das Prämienplus gab es jedenfalls nicht. Es handelte sich zudem erst um den 4. Spieltag der Saison. Und die beiden Mannschaften standen sich überhaupt zum ersten Mal gegenüber. Die Frage nach dem "Warum" bleibt somit unbeantwortet. Dass manche Begegnungen für Makkabi mehr als nur reine Fußballspiele sind, zeigt sich jedoch auch heute in Hermsdorf. Tumulte Ende der 1. HZ im Spiel VfB Hermsdorf - TuS Makkabi Darauf Autor Kurz vor Ende der ersten Halbzeit: beim Stand von 1:0 für Makkabi wird es nach einem Foulspiel richtig ruppig. Auch verbal, Trainer Offenberg muss sich als "Opfer" beschimpfen lassen. Als der Freistoß ausgeführt wird, liegt plötzlich ein Makkabi- Spieler am Boden. Der Schiedsrichterpfiff bleibt aus - die Tätlichkeit durch einen VfB- Akteur ungeahndet. Trainer Offenberg kann es nicht fassen. Szene Tätlichkeit im Spiel VfB Hermsdorf - TuS Makkabi Darauf Autor Zum Glück ist danach sofort Halbzeit. Die Lage entspannt sich aber nur vorübergehend. Selbst auf dem Weg zur Kabine muss sich Trainer Claudio Offenberg Sprüche anhören. Dieses Mal von den Ersatzspielern des VfB. Die Atmosphäre auf der Anlage, auf der die Zuschauer direkt an der Außenlinie stehen, bleibt aufgeladen. Dialog Trainer Claudio Offenberg mit Ersatzspieler VfB Hermsdorf Claudio Offenberg: "Immer schön alles gefallen lassen." Ersatzspieler: "Immer diese Opferrolle. Immer Opferrolle, meine Güte." Claudio Offenberg: "Ja da haben wirs ja wieder. Immer schön alles eingepackt hier." Darauf Autor Immer wieder fällt das Wort "Opfer". So wird Makkabi von vielen in der Berliner Fußballszene gesehen. Die, die sich immer beschweren und ungerecht behandelt fühlen. Immer eine Sonderolle einnehmen, was Besseres sein wollen. Alte Klischees leben hier wieder auf. Der Gedanke, das Makkabi tatsächlich "Opfer" sein könnte, ist weit weg. Claudio Offenberg steckt den jüngsten Vorfall routiniert weg, fast stoisch. In der Kabine geht es für ihn nur noch um das Spiel und seine Mannschaft. Halbzeit-Ansprache Trainer Claudio Offenberg "Ganz wichtig, die ersten zehn Minuten nach Anpfiff, die ersten zehn Minuten jetzt hier nach Anpfiff müssen wir da sein. Jede Situation ernst nehmen, Zweikämpfe gewinnen, Bälle sauber spielen, hinten nichts anbrennen lassen." Darauf Autor Der gegnerische Trainer zeigt Fingerspitzengefühl und lässt seinen größten Maulhelden in der Kabine. Den mit der Tätlichkeit kurz vor der Halbzeit. Diese Vorsichtsmaßnahme zahlt sich aus. Die zweite Halbzeit verläuft fast normal. Am Spielfeldrand dagegen bleibt die Stimmung gereizt, denn die Gastgeber liegen ja immer noch mit 0:1 zurück. Die wenigen Fans trösten sich beim Bier und mit lautstarken Parolen. Zuschauer skandieren: "Hier regiert der VfB, Jude?" Autor Das Wort "Jude" gilt unter deutschen Fußballfans als die größt mögliche Beleidigung. Schiedsrichter und Spieler scheinen trotz der Enge auf der Sportanlage nichts mitzubekommen. Die Begegnung endet schließlich friedlich mit 1:1. Ein Teilerfolg im Abstiegskampf für die Mannschaft von Makkabi. Freuen kann sich darüber keiner so richtig. Zu frisch in Erinnerung sind noch die Vorfälle aus der ersten Halbzeit. O-Ton Claudio Offenberg "Wenn andere Vereine, Mannschaften, Umfelder lautstark sind, für ihre Rechte eintreten, sich beklagen oder den Schiedsrichter noch einmal verbal attackieren, dann ist das alles legitim. Dann gehört das alles zum Fußball. Wenn Makkabi das macht, dann hat das alles eine ganz andere Wertigkeit. Dann sind die ja schon wieder am heulen und hört mal auf zu meckern. Und ihr habt doch immer was. Und immer die gleichen stereotypen Vorwürfe. Für sich selber nimmt man das in Anspruch, dass man auch mal was sagen will. Aber Makkabi hat dazu nicht das Recht dazu. Makkabi hat einfach Ungerechtigkeiten hin zunehmen und den Mund zu halten." Darauf Autor Der Amateur-Fußball unterwandert von rechter Gewalt und rassistischen Tendenzen. Seit in den Bundesligastadien die Profivereine mit massiven Geldmitteln dieser Entwicklung Einhalt geboten haben, sind die Rechten und ihre Anhänger einfach weiter gezogen. Nach "unten" zu den Hobbykickern, dorthin wo keine Polizei die Spiele beobachtet, wo es keine hauptamtlichen Fanbeauftragten gibt. Der Fußballplatz als ideale Spielwiese für Rechtsextreme? Gordian Meyer-Plath, Referatsleiter für "Politischen Extremismus" beim brandenburgischen Verfassungsschutz. O-Ton Gordian Meyer-Plath, Referatsleiter für "Politischen Extremismus" beim brandenburgischen Verfassungsschutz "Auf den ersten Blick hat Sport mit Extremismus sehr, sehr wenig zu tun. Sport die Welt der Verständigung, der Fairness, des Miteinanders und der Extremismus, der ja immer davon lebt, andere auszugrenzen und sich aus irgendwelchen Gründen über Andere zu stellen. Wir haben bei der Beobachtung des Rechtsextremismus, also insbesondere von Strukturen, von Organisationen festgestellt, dass es auf vielen Ebenen, Bezüge zum Rechtsextremismus gibt. Dort wo Rechtsextreme versuchen den Sport für ihre Zwecke zu missbrauchen. Und das können sie auf viele Weisen tun, in dem sie etwa auf Sportplätzen versuchen für ihre Ideologie zu werben. Oder in dem sie die Popularität des Sportes ausnutzen, um neue Anhänger zu gewinnen oder um besondere Propagandaaktivitäten auf Kosten insbesondere von populären Spielern, populären Mannschaften oder Ähnliches zu tun. Da haben wir erkannt, wir müssen an diese Schnittstellen ran, um zu verhindern, dass der Sport von Rechtsextremisten missbraucht wird." Autor Der Verfassungsschützer Gordian Meyer-Plath kennt die verschiedenen Facetten rechter Auswüchse auf den Fußballplätzen der Republik. Er kennt die Probleme der Amateurvereine. Ehrenamtlich geführt wie die VSG Altglienecke oder der VfB Hermsdorf. Und er kennt die Schwierigkeiten solche Tendenzen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterentwicklung zu stoppen. O-Ton Gordian Meyer-Plath, Referatsleiter für "Politischen Extremismus" beim brandenburgischen Verfassungsschutz "Die Frage ist, wie weit geht man. Was sind dort die Dinge, die dann doch den Sprücheklopfer dahin gehend verraten, dass er Vorurteile mit sich bringt, die in die Nähe von Rassismus und Antisemitismus gehören. Das ist eine echte Gratwanderung, das genau zu erkennen. Deshalb ist es für uns als Verfassungsschutz auch so wichtig zu erkennen, ist das irgendwie schon gesteuert? Gehen die schon mit dem Ziel dorthin, gegen schwarze Spieler, gegen jüdische Spieler vorzugehen. Oder ist es eher der Hit of the moment. Man liegt 5:0 zurück und jetzt schießt ausgerechnet ein schwarzer Spieler noch das 6. Tor. Dann entlässt sich der Frust daran eher spontan. Das ist für unsere Arbeit der entscheidende Unterschied. Geht man da schon mit dem Ziel Extremismus zu verbreiten oder sind es dann spontane Entgleisungen, die man auch ernst nehmen muss, wo man aber nicht diesen Druck der extremistischen Ideologieverbreitung von vorne rein das Ziel war." Darauf Autor Eine Gratwanderung. Für alle im Fußball: Egal ob Spieler, Schiedsrichter oder Ehrenamtlicher. Oder für die Funktionäre der einzelnen Fußballlandesverbände unter dem Dach des DFB. Beim Berliner Fußball-Verband kann Gerd Liesegang als Vizepräsident ein Lied davon singen. Er ist zuständig für Gewaltprävention und kämpft seit Jahrzehnten für einen sauberen Fußball ohne Gewalt und rechte Sprüche. Er weiß um die Nöte der Amateurklubs wie kein Anderer. Und um die Pflichten seines eigenen Verbandes für dessen Mitglieder. O-Ton Gerd Liesegang, Vizepräsident Berliner Fußball-Verband "Denn wenn man mal dahinter guckt, wird man feststellen, dass manchmal nur eine Person den ganzen Verein lenkt. Der ist hilflos, der weiß nicht mehr weiter. Da kommen Fremde dazu, die gar nicht zu dem Verein gehören, die sich da wohl fühlen und da Wilde Sau spielen können. Und der weiß nicht mehr weiter, der will sein Verein am Leben halten. Und da ist es wichtig, dass wir einschreiten, dass wir das erkennen und dass die auf uns zukommen und wir dann sagen "Hallo wird sind da, wir wollen helfen". Das hat ja alles angefangen aus dem Grund, ich habe keine Hilfe gefunden in Berlin. In meiner Zeit als Jugendleiter 1990, hatte ich die Probleme in meinem Verein. Andere haben uns angegriffen, meine haben andere angegriffen und ich hab mal gefragt, wer hilft mir eigentlich? Bin Ehrenamt und keiner hat mir geholfen." Darauf Autor Auch auf den "Fall Makkabi" reagierte sein Verband zunächst hilflos. Diese Dimension vor über 2 Jahren war neu. Selbst für Gerd Liesegang. Aber es hat sich etwas getan: In einem schmerzhaften Prozess innerhalb des Berliner Fußball-Verbandes haben sich viele Vereine mit der Situation auseinandergesetzt und mit Hilfe von Polizei und Staatsanwaltschaft eine praktische Vorgehensweise entwickelt. Jeder Vorfall von Rassismus und Gewalt wird jetzt angezeigt. Die betroffenen Vereine werden über den Berliner Fußball-Verband direkt mit den dafür zuständigen Beamten bei Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen gebracht. Der Verband als Unterstützer, als kompetenter Ansprechpartner hat eine Entwicklung angestoßen und ist endlich dabei seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. O-Ton Gerd Liesegang, Vizepräsident Berliner Fußball-Verband "Der Fußball ist ein ganz wichtiger Teil der Menschen hier in unserem Lande. Bei uns in der Stadt sind fast 100.000 Menschen, die Fußball spielen. Man sieht es ja, der Fußball bewegt viel. Er ist aber nicht derjenige, der alles in Ordnung bringen kann. Da sind andere für gefordert. Wir können unseren Teil dazu beitragen. Ich hab die Einstellung danach, meine Eltern haben es mir beigebracht, mich um andere Menschen zu kümmern. Und dann muss man einfach den Weg gehen, dass man sagt: Wir sind mehr als nur Fußball organisieren. Wir wollen auch daneben der Fußball ist mehr als ein 1:0 und da müssen wir eben diesen Teil dazu beitragen. Wir sind aber nicht verantwortlich, wozu andere bezahlt werden. Wo andere viel Geld dafür kriegen, damit sie die Sache in den Griff bekommen." Autor Gerd Liesegang kümmert sich. Ehrenamtlich, in seiner Freizeit. An einem Frühlings-Wochenende im März hat er am Kleinen Wannsee in Berlin Gleichgesinnte aus den einzelnen Landesverbänden eingeladen. Zu einer dreitägigen Konferenz zum Thema "Rechte Gewalt im Amateurfußball". Das Echo auf die Einladung ist groß. Vertreter aus Bayern bis hoch nach Schleswig-Holstein haben sich in der Villa des Berliner Fußball-Verbandes eingefunden. Hier sitzt auch Claudio Offenberg, der Trainer des TuS Makkabi. Eine Woche ist seit dem Spiel beim VfB Hermsdorf vergangen. Zusammen mit dem 1. Vorsitzenden des Vereins, Tuvia Schlesinger, sollen sie ihren "Fall" noch einmal schildern, öffentlich machen, um zu zeigen, wo in der Zukunft angesetzt werden kann, um Wiederholungsfälle zu vermeiden. Dann geht es in drei verschiedenen Arbeitsgruppen weiter. In jeder wird lebhaft diskutiert. Am meisten aber beschäftigt das Schicksal von Makkabi. Ein besonders gefragter Gesprächspartner ist Tuvia Schlesinger von der Jüdischen Gemeinde Berlin und 1. Vorsitzender von TuS Makkabi. Diskussion mit Tuvia Schlesinger, 1. Vorsitzender TuS Makkabi Frage von Mitdiskutant: "Jetzt wo man mal mit Makkabi-Vertretern zusammen sitzt, sagt ein Spieler zum anderen "Du Jude", ist das für Sie eine Beleidigung? Das ist eine ganz schwierige Sache." Tuvia Schlesinger (lacht): "Natürlich ist es eine ganz schwierige Sache. Ich weiß natürlich, dass "Du Jude" an sich keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne ist. Es kommt darauf an, mit welcher Intention ich es in diesem Spiel sage. Also als Beleidigung ist das nicht anzusehen. Bin ich auch voll dieser Meinung. Aber es ist als Unsportlichkeit zu bewerten. Denn dieser Spieler, der Gegenspieler, der "Du Jude" sagt, möchte mit diesem Ausdruck, etwas bewirken. Nämlich für sich in irgendeiner Weise einen unsportlichen Vorteil gewinnen. Und das wäre nach der Sportgerichtsbarkeit strafbar." Autor Selbst in dieser Runde, so scheint es, steht Makkabi unter Rechtfertigungsdruck. Hier muss der Verein deutlich machen, dass er durchaus die unterschiedlichen Arten von Provokationen auf dem Fußballplatz einordnen kann. Und nicht bei Kleinigkeiten, das Spielfeld verlässt um für einen gezielten Medienwirbel zu sorgen. Überhaupt: Den versammelten Funktionären fällt es nicht leicht, dem unsportlichen Geschehen auf dem Platz eine wirkungsvolle Alternative entgegen zu setzen. O-Ton Vertreter Bayerischer Fußball-Verband "Es gibt Beispiele, da sind wir verloren als Verband und auch die Sportgerichtsbarkeit, da können wir gar nichts machen. Obwohl es grausige Beispiele sind. Ich habe vor 6, 7 Jahren eine E-Jugend mittrainiert. Und dann hat sich ein schwarzer Spieler angemeldet, der dann mitgespielt hat. Und dann hat ein anderer Spieler, so ein Bursche mit 10 Jahren, hat mir einen Zettel von seinem Vater mitgebracht. Vom Beruf übrigens Zahnarzt. Und da ist drin gestanden, wenn in der Mannschaft ein Neger mitspielt, darf sein Sohn nicht mehr mitspielen. Was machst Du da? Da gibt es nur ein Gespräch mit dem, der war völlig uneinsichtig, der hat mich praktisch rausgeschmissen. Der hat gesagt, er lasse sich nicht von mir beeinflussen. Die Konsequenz war, dass der Sohn nicht mehr von dem mitgespielt hat. Der hat uns auch Leid getan, weil der kann auch nichts dafür. Und da ist man verloren bei so etwas!" O-Ton Eberhard Münch, Sicherheitsbeauftragter Fußballverband Schleswig-Holstein "Entscheidend ist doch, selbst in einem Gespräch zu Zweit oder zu Dritt, wenn da einer so einen Mist ablässt, hör mal das kannst du erzählen wo du willst, aber nicht bei mir. Das wollen wir hier nicht hören, fertig aus. Bums, fertig aus und die Debatte damit beenden. Deshalb hat man den Kern nicht missioniert. Aber ich denke, der weiß dann das nächste Mal, dass er mit so einer Äußerung nicht mehr so öffentlich sein sollte." Autor Eberhard Münch ist Sicherheitsbeauftragter des Fußballverbandes Schleswig-Holstein. Natürlich geht es in seinem Flächenland ruhiger zu als in der "bunten" Millionenmetropole Berlin und im angrenzenden Brandenburg. "Seinen" Fußball will er sich aber von diesen, wie er sagt: "Idioten", auch nicht kaputt machen lassen. Und sein Appell verhallt nicht ungehört. Endlich zeigt sich bei den Kollegen im Raum so etwas wie Einsicht und Mut, neue Wege zu gehen. Claudio Offenberg hatte sich in der Diskussion zunächst zurück gehalten - und zugehört. Dann macht er Vorschläge: O-Ton Claudio Offenberg, Trainer TuS Makkabi "Unter anderem gibt es halt verschiedene Ansatzpunkte. Einmal das Pädagogische. Sozusagen eine Bewusstseinsveränderung über den Kopf. Aber der zweite Teil ist aus meiner Sicht mindestens genau so wichtig. Das ist einfach auch das androhen und auch Durchsetzen von Konsequenzen. Erst wenn diese beiden Dinge zusammenspielen, dann kann ich Ihnen sagen, dass zum Beispiel, da gröhlen einige Zuschauer irgendetwas. Spätestens dann wenn nach einer solchen Geschichte ein Verein empfindliche Strafen hat erleiden müssen, spätestens dann kommt beim nächsten Mal aber wie aus der Pistole geschossen der 1. Vorsitzende, wenn er nur eine Kleinigkeit gehört hätte, was auf seinem Platz passiert, und geht dann hin zu den Leuten. Entweder schmeißt er die eigenhändig raus oder versucht die so in den Griff zu bekommen, dass da nichts mehr passiert." Darauf Autor Auf Claudio Offenbergs Worte folgt betretenes Schweigen. Jeder der Anwesenden ist sich darüber im Klaren: Auch in seinem Landesverband kann es zu den beschriebenen Vorfällen kommen. Dann heißt es darauf vorbereitet zu sein. Allein der Wille die Herausforderungen mit letzter Konsequenz anzugehen, vermittelt sich in dieser Runde nicht wirklich. Das Problem wird eher nur in Berlin als akut angesehen. Desillusioniert sind sie deswegen bei Makkabi. Die Veranstaltung hilft dem Verein nicht weiter. Gut gemeint ist eben noch nicht gut gemacht. Obwohl dies aus Sicht von Gerd Liesegang unbedingt notwendig wäre und er genau das mit Treffen deutlich machen wollte. O-Ton Gerd Liesegang, Vizepräsident Berliner Fußball-Verband "Man muss sich einfach im Klaren darüber sein, dass es jeden erwischen kann.Wenn ich vorbereit bin als Verband, wenn man zumindestens Wege weiß, dann hat man Antworten. Und wenn die Antworten noch nicht mit allem befüllt sind, dann muss man daran arbeiten. Man hat Schlagworte, man hat Überschriften, man hat vielleicht schon die ersten Textbausteine, aber unterm Strich muss man es weiter mit Leben füllen. Und dann muss man es abwägen, welche Position habe ich im Verband, welche Stellung, wie kann ich mich einbringen, werde ich überhaupt gehört? Das ist das Meiste und das größte Problem, dass wir haben, dass der überwiegende Teil an Verbandsfunktionären noch nicht einmal soweit sind, um die Dinge, die man von uns erwartet, richtig einzuordnen. Und da haben wir noch einen Riesenweg vor uns!" Autor Diesen Weg musste der Birkenwerder Ballsportklub gleich hinter der Berliner Stadtgrenze glücklicherweise nicht alleine gehen. Dort hatte sich folgendes zugetragen: Ein hoher NPD-Funktionär und Mitglied der erst kürzlich verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend wollte eine hohe Geldsumme für die Mannschaftskasse eines Nachwuchsteams spenden. Dieses Vorhaben gelangte an die Öffentlichkeit. Auf einer Veranstaltung des Verfassungsschutzes Brandenburg wurde der Verein prompt und vorschnell als "rechts" abgestempelt. Ein Etikett, das sie in Birkenwerder schnell wieder loswerden wollten. Uwe Linz, 2. Vorsitzender des BBC 08. O-Ton Uwe Linz, 2. Vorsitzender BBC 08 "Der Tatbestand, warum wir eigentlich so aktiv geworden sind, war der falsche Bericht des Verfassungsschutzes in dieser Veranstaltung in Potsdam. Einher ging damit eine Spende in eine Vereinskasse einer Jugendmannschaft von einem der rechten Szene zuzuordnenden Vater, wo sich Eltern darüber beschwert haben, dass man dieses Geld doch nicht annehmen kann. Und wir als Verein positionierten uns und sagten, dass es keine offizielle Vereinskasse ist. Soweit können wir als Verein, als Vorstand, auch nichts dazu sagen. Die Eltern haben 2 Handlungsalternativen. Entweder das Geld zurück zu geben oder der Bestimmung entsprechend zu nutzen." Darauf Autor Der 2. Vorsitzende kennt sich aus in seinem Städtchen, weiß um die Probleme mit der rechten Szene. Dass Kinder aus dieser in seinem Verein Fußball spielen, kann und will er gar nicht verhindern. Auch der emotionalen Diskussion mit den Eltern über die Verwendung des Geldes ging er nicht aus dem Weg. Niemand wollte in irgendeiner Form käuflich erscheinen. Da keinerlei Bedingung an das Geld geknüpft war, entschlossen sich die Eltern Regenjacken für die Mannschaft zu kaufen. Am Spielfeldrand darüber mit Zuschauern ins Gespräch zu kommen, gelingt leider nicht. Da herrscht das große Schweigen. Niemand will sich dazu äußern. Obwohl jeder hier, um die Probleme weiß, um die Existenz einer gewachsenen rechten Szene. Nur die offiziellen Vereinsvertreter geben sich unerschrocken und gehen ihrerseits in die Offensive. O-Ton Uwe Linz, 2. Vorsitzender BBC 08 "Wir hatten hier auf dem Platz Leute, Fußballfans mit Thor Steinar Jacken. Bekanntlich ein Hersteller, der zur rechten Szene oder insbesondere von der rechten Szene getragen wird. Und wir haben einfach gesagt, okay, auch diese äußerlichen Zeichen wollen wir nicht auf dem Platz haben. Haben den angesprochen, der hat gesagt Warum, ich kann doch tragen, was man will. Und es ist ja rechtlich noch nicht ausdiskutiert. Da haben wir auch ganz klar gesagt, brauchst du einen Beschluss des Vorstandes, dass du das hier nicht mehr tragen darfst oder reicht es aus, wenn wir uns hier mal darüber unterhalten und sagen okay du machst es nicht mehr. Und nachdem wir ein bisschen darüber diskutiert haben, hat er dann gesagt, hier nicht mehr." Autor Beraten wird der Verein durch die Sportjugend Brandenburg. Niels Haberlandt ist dort hauptamtlich im Bereich "Rassismus und Rechtsradikalismus" für Sportvereine tätig. Als der BBC 08 das Gespräch mit ihm suchte, hatte er öffentlich bereits ein erstes Zeichen gegen Rechts gesetzt. Niels Haberlandt gab zusätzliche wertvolle Tipps, z.B. in der Satzung eine entsprechende Position gegen Fremdenfeindlichkeit zu verankern. Nur durch die Hilfe Niels Haberlandts, erschienen die Maßnahmen des Vereins in der Öffentlichkeit auch wirklich glaubhaft. Alleine hätte er sich kaum überzeugend vom Makel des rechten Fußballklubs befreien können. Der Amateur-Fußball scheint in vielerlei Hinsicht anfällig für rechte Ideen, das zeigen auch andere Beispiele. Niels Haberlandt von der Sportjugend Brandenburg. O-Ton Niels Haberlandt, Sportjugend Brandenburg "Einheit 06 ist ein Club, wovon die Hälfte knapp 10 Personen, nicht latent rechtsextrem, sondern schon sehr offensiv rechtsextrem agiert hat. Und diese Mannschaft FC Einheit 06 wurde dazu verdonnert möchte ich mal sagen sich öffentlich zu positionieren und zu sagen: "Wir sind dagegen und wir sind für Menschlichkeit und Toleranz". Und das hatten Teile von denen gemacht, die sind dann aus dem Club ausgetreten und sind bei einem anderen Fußballverein dabei. Und der FC Einheit 06 ist in seiner Form in Auflösungserscheinungen und nimmt auch am Spielbetrieb nach dieser Eskapade nicht mehr teil. Nachgewiesen ist allerdings, dass es einen Anschluss an die NPD gibt. Also der rechtsextreme Hintergrund ist definitiv da. Der ist auch nach wie vor noch da. Da sollten die Verantwortlichen vor Ort auch daran denken, denn die NPD Barnim hat ein Unterstützungsbrief auf ihrer Internetseite veröffentlicht, wo dann die Alarmglocken vor Ort doch läuten sollten." Zitat Blog NPD Barnim "Liebe Kameradinnen und Kameraden, nun ist es so weit ! Die etablierten Prenzlauer Regierungsfürsten verbieten unseren Fußballclub den Prenzlauer FC Einheit 06. Sie maßregeln ihn, indem sie das LOGO des Clubs, seine Website und das Auftreten der Spieler in ihren Clubfarben verbieten. Sie drohen mit Spielverbot auf allen Plätzen. Ich denke, ich schreibe hier im Namen aller Mitglieder des Ortsbereiches Prenzlau wenn ich allen Kameraden des FC Einheit 06 Prenzlau unsere Solidarität zusichere. Gemeinsam finden wir einen Weg. Wie heißt es so schön auf dem Fanschal des FC Einheit 06: GLAUBEN-KÄMPFEN-SIEGEN In diesem Sinne SPORT FREI" Autor Wie kann ein Verein dem entgegentreten und welche Möglichkeiten besitzt er überhaupt? Fragen, auf die auch Niels Haberlandt keine Antwort weiß. O-Ton Niels Haberlandt, Sportjugend Brandenburg "Wichtig für den Verein ist es, zuerst einmal das Gespräch zu suchen. Sowohl mit uns, wir sind ja eine anonyme Beratungsstelle. Als auch letzten Endes mit demjenigen, den es betrifft. Also es ist nicht immer sinnvoll, denjenigen rauszuschmeißen als viel mehr mit ihm zu arbeiten. Hat man natürlich jemanden, der in der NPD aktiv ist oder in DVU oder in einer rechtsextremen Organisation ideologisch gefestigt ist und diese Sache nach außen trägt, sollte die Antwort lauten "Ausschluss". Klare Antwort." Autor Der Rassismus auf den Fußballplätzen der Republik ist nicht zu überhören, nicht zu übersehen. Gerade der Amateurbereich ist in besonderer Weise betroffen. Fälle wie von Niels Haberlandt dargestellt oder der Einsatz Makkabis dagegen, belegen das. Einfach nur Fußballspielen - das ist gar nicht so einfach. Funktionäre wie Gerd Liesegang aber wollen alles in ihren Kräften stehende dafür tun. Professionelle Beratungsstellen für Amateurklubs wie bei der Sportjugend Brandenburg sind an seiner Seite bei der Arbeit "Gegen Rechts" auf dem Fußballplatz. Claudio Offenberg hat hingegen resigniert. Jedenfalls wird er nach dieser Saison seinen Trainerjob bei Makkabi aufgeben. Die Vorfälle in Altglienecke haben ihre Spuren hinterlassen. Zu zermürbend der ständige Kampf gegen Rechts. Geblieben ist die Sehnsucht nach einem bisschen mehr an Normalität, wenn es um die angeblich schönste Nebensache der Welt geht. 0-Ton Claudio Offenberg, Trainer TuS Makkabi "Dass man einfach der Sache nachgehen kann, für die man angetreten ist. Trainiert, sich trifft und Vieles macht, d.h. den Fußballsport ausüben ohne jegliche Störungen. Ganz im Gegenteil, das das eventuell sogar in die Richtung geht, dass es Einiges an Verbindendem bringt. Und unterm Strich, dass diese unsägliche Pest der Ignoranz und Dummheit und Intoleranz dann irgendwann verschwindet." Musik Musik: Tom Waits, CD "Original Soundtrack Recording - Night On Earth", Track 2, Los Angeles Mood, produced and arranged by Tom Waits & Francis Thumm, LC 0407 Nachspiel Rechtsaußen im Abseits Seite 12 von 12 12 copyright Thorsten Poppe