Rüstung D - Ein Blick in die Waffenschmieden der Republik Eine Reportage von Axel Schröder Atmo 1 Hafengelände Ein kleines Verbotsschild ist der einzige Hinweis auf das, was sich hinter der hellgrauen Stahltür, hinter den dicken alten Ziegelmauern verbirgt: eine Kamera, durchgestrichen mit einem roten Balken: "Fotografieren verboten". Von außen sieht die Werkhalle aus wie viele andere im Hamburger Hafen: vier Stockwerke hoch, erbaut vor rund einhundert Jahren. Einen Zaun gibt es nicht, aber die gusseisernen Fenster sind weit oben eingelassen, machen neugierige Einblicke ins Innere unmöglich. Windböen wehen um die Halle, davor lagern drei übergroße Holzpaletten, beladen mit schweren, geschmiedeten Stahlteilen, daumendick. OT 1 van Aken: Es ist auf jeden Fall Panzerstahl, das sieht man. Das ist natürlich richtig dick und fett. Aber was das genau ist, kann ich nicht sagen. Atmo 1 Hafengelände Jan van Aken, 50 Jahre alt, groß gewachsen, beugt sich runter, sucht auf dem angeklebten, gefalteten Lieferschein nach Informationen. Geliefert hat die Teile das Unternehmen "Stahlkontor" aus Hagen, eine Spezialfirma, bei der die Großen der deutschen Rüstungsindustrie ihre Metalle einkaufen. Jan van Aken ist Bundestagsabgeordneter aus Hamburg, seit drei Jahren kümmert er sich für die Partei Die Linke um außenpolitische Themen und kämpft gegen deutsche Rüstungsexporte. Am Rednerpult vor dem Halbrund im Reichstag kann sich van Aken in Rage reden wie kaum ein anderer. Der Mann mit den wasserblauen Augen meint es ernst. Ohne Verbissenheit, aus Überzeugung. OT 2 van Aken: Das ist hier die Krauss-Maffei-Wegmann-Schweißtechnik in Hamburg, im Hafen. Da werden die Wannen und Teile für die Leopard-Panzer und für andere Panzerfahrzeuge zusammen geschweißt. Das sind hochpräzise Schweißungen, muss sehr kompliziert sein, hab ich mir erklären lassen von Krauss-Maffei. Und das haben sie hier in Hamburg gelassen, weil hier die Spezialisten sitzen, 50 bis 60 Leute. Und die Teile für die Leos werden denn weiter nach Kassel oder München - ich glaube, in München ist die Endmontage, denn da zusammengeschraubt. Atmo 1 Hafengelände Atmo 2 Verladen Im Nieselregen schlägt ein LKW-Fahrer die Hängerplane zurück, ein Gabelstapler surrt über den nassen Asphalt, hebt eine schwere Stahlkabine auf die Ladefläche, olivgrün, aus dickem Stahl. Der Brummifahrer verzurrt die Ladung, zuckt mit Schultern, weiß nichts über seine Fracht: OT 3 LKW-Fahrer: Da müssen sie fragen gehen ... Mich interessiert das nicht. Ich muss es bloß laden und sichern. Das ist meine Aufgabe! Und von A nach B bringen. - Und wohin geht die Reise? - Nach München! Die Teile gehen nach München. - Und zu welcher Firma? - Das kann ich ihnen nicht sagen, dass bekomme ich erst per SMS geschickt. Atmo 2 Verladen Auch der Gabelstapler weiß von nichts, schüttelt den Kopf, bugsiert die nächste Palette auf die Ladefläche. Jan van Aken steht vor der Stahltür mit dem aufgeklebten "Fotografieren-verboten"-Schild. Für welche Fahrzeuge von hier aus Spezialstahlteile geliefert werden - für den gepanzerten Transporter Dingo, die Panzer Gepard, Puma oder Leopard - darüber gibt KMW auf Anfrage keine Auskunft. Das sei geheim, so Pressesprecher Dr. Kurt Braatz. Die Bitte, eine Produktionsstätte von KMW besuchen zu dürfen, wird abgewiesen. Die Frage nach den Gründen dafür bleibt unbeantwortet. Auch der Politiker van Aken kennt die Geheimniskrämerei der deutschen Rüstungsindustrie, er wundert sich nicht. Auch nicht darüber, dass ihn nach fünf Minuten ein misstrauischer Vorarbeiter zur Rede stellt. OT 4 Vorabeiter / van Aken: Normalerweise haben wir für solche Sachen unsere Presseabteilung in München. Ich werde jetzt unseren Geschäftsführer informieren, dass sie da sind. / Ich kann ihnen sagen, wer ich bin. Ich hoffe, ich habe jetzt eine Karte dabei. Atmo 1 Hafengelände Atmo 3 Türenschließen Der Vorarbeiter nickt kurz, schließt die Tür. Van Aken will auf den Geschäftsführer der KMW-Schweißtechnik warten, stellt sich unter das kleine Wellblechdach vor dem Eingang, als Regen in dicken Tropfen auf den Fabrikhof fällt. Der Linken-Politiker ist einer der schärfsten Kritiker deutscher Rüstungsexporte. Drei Jahre lang hat er bei der UNO als Biowaffen-Inspekteur gearbeitet, sich engagiert bei Greenpeace für Gentechnik-freie Nahrung. Wenn die KMW Manager beteuern, uns lliegt ja gar keine Bestellung aus Saudi-Arabien vor, bleibt van Aken misstrauisch. OT 5 van Aken: Das ist nett mit Worten gespielt. Wenn ich höre: "Nein, wir haben noch gar keinen Antrag aus Saudi-Arabien!" - Natürlich nicht. Denn der wird jetzt erst verhandelt! Das sind immer so Taschenspielertricks, da darf man sich nicht drauf einlassen. Es wird im Moment knallhart verhandelt offenbar zwischen KMW und Saudi-Arabien. Und ob die sich jetzt auf einen Spanien-Umweg einlassen oder ob die das direkt liefern, das liegt am Ende an der politischen Entscheidung der Bundesregierung. Atmo 4 Hafengelände II Und diese Entscheidung, so van Aken, wird im geheim tagenden Bundessicherheitsrat getroffen, von der Bundeskanzlerin und ihren Ministern. Erst ein Jahr später wird die Öffentlichkeit unterrichtet, mit dem Rüstungsexportbericht, der längst getroffene Entscheidungen, längst unterzeichnete Verträge auflistet. Jan van Aken wirft einen Blick auf den grau verhangenen Himmel über dem Hafen, wartet weiter unter dem Wellblechdach. Mit einer deutschen Rüstungsindustrie könnte er sogar leben, sagt van Aken. OT 6 van Aken: Aber Waffen zu exportieren geht aus meiner Sicht gar nicht! Denn das heißt ja ganz praktisch, dass sie andere Länder aufrüsten. Und was mit den Waffen dann passiert, das hat kein Mensch unter Kontrolle und in der Regel werden damit Kriege geführt, die sie gar nicht führen wollen! Atmo 4 Hafengelände II Hinter van Aken öffnet der Geschäftsführer der KMW Schweißtechnik die Tür. Ein schmaler Mann im Anzug mit kurzen blonden Haaren. Kein Händeschütteln, kein Name, kein Lächeln. Nur der Hinweis, dass wir auf privatem Grund stehen. OT 7 Geschäftsführer: Bezüglich Anfragen der Presse bitte ich Sie, unsere Pressestelle in München zu kontaktieren. Dr. Braatz steht ihnen da für Auskünfte gerne zur Verfügung. - Das wäre schön, wenn er das täte. - Wenden Sie sich bitte an die Pressestelle. Atmo 4 Hafengelände II Der Mann im Anzug wünscht ganz nüchtern "Einen schönen Tag", schließt die Tür, Ende der Durchsage. - Der Lasterfahrer zurrt die LKW-Plane fest, macht sich auf den Weg nach München, mit massiven Stahlteilen, in oliv. Atmo 2 Verladen Atmo 5 Telefonate Atmo 6 PC-Tastatur Anfang Februar starte ich meine Recherche. Thema: ein Blick hinter die Mauern deutscher Rüstungsbetriebe. Wo werden welche Waffen produziert? Wer liefert die einzelnen Teile zu? Wie funktioniert die Arbeitsteilung des militärisch-industriellen Komplexes der Bundesrepublik und was macht diese Industrie so erfolgreich? Vor allem will ich wissen: Wie ticken die Menschen, die in den deutschen Rüstungsfabriken mit präziser Arbeit ihr Geld verdienen? Die Liste der angefragten Betriebe ist lang: Diehl in Überlingen, Heckler & Koch aus Schwaben, der Eurofighter-Hersteller Cassidian, der Kriegsschiffbauer Thyssen-Krupp-Marine-Systems, Krauss-Maffei-Wegmann, der Torpedo-und Sonar-Hersteller Atlas-Elektronik, die Rüstungssparte von Jenoptik und die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall. - Ich recherchiere weiter, führe endlose Telefonate, verschicke Arbeitsproben, bekomme erste Absagen. Es folgen: noch mehr Telefonate und vergebliches Warten auf die vielen zugesagten Rückmeldungen. Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Erfrischend einfach dagegen: ein Interview mit Georg Wilhelm Adamowitsch, in einem Café auf dem Berliner Gendarmenmarkt, bei strahlendem Sonnenschein. Unter schattigen Bäumen, gleich neben dem Deutschen Dom. Als Hauptgeschäftsführer des BDSV, des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie ist Adamowitsch offiziell der ranghöchste Rüstungslobbyist der Republik. Und bei einem Glas Apfelschorle macht er gleich klar, warum er den Begriff "Rüstungsindustrie" für völlig unpassend hält: OT 8 Adamowitsch: Unser Bundesverband heißt "Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie" und wir produzieren Güter, die für die Sicherheits- und Verteidigungseinrichtungen wichtig sind und deswegen halte ich es für zielführend, in der Diskussion mit uns, dass wir es auch bei dieser Beschreibung belassen. Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Neben dem 65jährigen Lobbyisten, hellgrauer Haarkranz, breiter Schnauzer, sitzt Peter Scheben, Pressesprecher des BDSV. Ein ruhiger Zwei-Meter-Mann mit schwarzer Sonnenbrille, vor sich auf dem Tisch Stift und DIN A4-Block. Auf die Frage nach den Leopard-Panzern für Saudi-Arabien ist Adamowitsch natürlich vorbereitet. Er weiß, dass das autoritär regierte Land zuletzt mit schwerem Gerät im benachbarten Bahrain mithalf, die Opposition, den zaghaften Beginn des Arabischen Frühlings in dem Land unter Kontrolle zu bringen. Aber die Menschenrechtssituation allein darf bei Entscheidungen über deutsche Panzer-Exporte nicht den Ausschlag geben, so Adamowitsch: OT 9 Adamowitsch: Es ist glaube ich gut, wenn wir noch Länder haben, die politisch einen Stabilitätsfaktor haben. Auch wenn innenpolitisch das ein oder andere sicher differenzierter gesehen werden kann. Und wenn in der politischen Entscheidung, solche Aspekte mit berücksichtigt werden, dann sind sie glaube ich richtig abgewogen. Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Während der Lobbyist spricht, schaut er auf den vorbeifließenden Verkehr, ohne Blickkontakt. Immer wieder verweist er auf die strengen deutschen Regeln für Rüstungsexporte, auf die Kompetenz des Bundessicherheitsrats, darauf, dass auch die Menschenrechtssituation bei Ausfuhrentscheidungen immer wieder beachtet werden muss. Bedauerlich findet Adamowitsch die Vorgänge in Mexiko, bei denen Maschinengewehre von Heckler & Koch trotz anderslautender Verträge in Unruhe-Provinzen des Landes eingesetzt wurden. Das mache ihm die Arbeit nicht leichter, erklärt der Lobbyist. Bleibt aber pragmatisch: OT Adamowitsch: Andererseits haben wir vergleichbare Fälle in Indien gehabt, wo wir entgegen den ursprünglichen Vereinbarungen Waffen einer deutschen Firma, Handfeuerwaffen, durch regionale Polizei eingesetzt worden sind, um maoistische Aufstände erfolgreich niederzuschlagen. Wo man auch sagen kann - zumindest ist das meine Position: wenn damit die Stabilität der größten parlamentarischen Demokratie der Welt, Indien, gewährleistet ist - warum nicht? Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Adamowitsch nimmt einen Schluck Apfelschorle, lehnt entspannt im geflochtenen Korbstuhl. Karriere gemacht hat der Mann mit SPD-Parteibuch unter dem damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Clement. Eine Zeitlang arbeiteten beide in der gleichen Politikberatungsfirma. Seit Ende 2011 leitet er den Lobbyverband der Deutschen Rüstungsindustrie und die ganze Aufregung erst um Panzer-Exporte nach Saudi-Arabien, dann nach Indonesien und - diese Geschäftsanbahnung wurde zuletzt bekannt - ins Emirat Katar, kann er nicht verstehen - ganz im Gegensatz zum Linken-Politiker Jan van Aken: OT Adamowitsch: Ich glaube, die Aufmerksamkeit kommt dadurch, weil bestimmten Parteien nichts anderes einfällt. Und die Auffassung der Linken ist bekannt, auch die Auffassung der anderen Parteien ist bekannt. Ich diskutiere dieses Thema anders! Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Denn immerhin kommt es darauf an, führt er aus, dass deutsche Soldaten bei ihren Einsätzen in Afghanistan oder am Horn von Afrika bestmöglich geschützt sind. Und genau das macht die deutsche Rüstungsindustrie erst möglich, so Adamowitsch. Und bei ihm zuhause? Mit den Freunden? Gibt es da mal Diskussionen über seine Arbeit, den Lobbyismus? Adamowitsch denkt kurz nach, schaut geradeaus auf den Autoverkehr. OT Adamowitsch: Es gibt auch sicherlich im Freundeskreis Auffassungen, die sagen: "Würde ich nicht machen!" Aber dazu dienen ja solche Diskussionen, damit man in seiner persönlichen Entscheidungsfreiheit sicherer wird! Wenn man solche Diskussionen zuhause nicht führen könnte, dann sollte man das beruflich auch lassen. Atmo 7 Verkehr Gendarmenmarkt Georg Wilhelm Adamowitsch und Peter Scheben verabschieden sich mit kräftigem Händedruck. Erkundigen sich noch, wann das Ganze gesendet wird und gehen zurück zum Sitz des BDSV, in die Friedrichstraße. Atmo 8 Telefonat Atmo 6 PC-Tastatur Zurück am Schreibtisch. Es ist Ende Mai. Der Torpedo-Hersteller "Atlas-Elektronik" aus Bremen will mir die hauseigenen Hightech-Produkte zeigen. Aber im letzten Moment hat das Bundesverteidigungsministerium Bedenken: die Technik sei noch geheim, heißt es, ein Bericht darüber nicht machbar. Bei Thyssen-Krupp stellt sich die Geschäftsführung quer. Der Blick ins Dock der neuen Marine-Fregatten fällt aus. Heckler & Koch taucht weiter ab, Rheinmetall vertröstet mich, als endlich die erste Zusage kommt: die Verteidigungssparte von Jenoptik, lädt mich ein, nach Wedel bei Hamburg. Produziert wird Hightech für den Eurofighter, den Puma-Schützenpanzer und den Kampfpanzer Leopard: Atmo 9 Produktionshalle Pressesprecher Gerd Harnisch und zwei Ingenieure von JenOptik führen durch die erste Halle, sauber gefegt und neonbeleuchtet. Produktionsleiter Thomas Paustian geht vorneweg. OT Paustian: Die Halle teilt sich auf in konventionelle Dreh- und Fräsmaschinen und in Automaten - nennen wir sie mal Automaten, also "CNC-Zentren" im hinteren Bereich, wo die Serien drauf gefahren werden. Atmo 10 CNC-Fräse, leises Plätschern Vor einem dieser CNC-Zentren bleibt Paustian stehen, ein Plastikfenster gibt den Blick frei ins Innere der Fräsmaschine. Ein Aluminiumblock wird in Form gefräst, ein dicker milchiger Wasserschwall umfließt den messerscharfen Schneidkopf, der Ingenieur erklärt: OT Paustian: Hier wird aus einem Block ein Gehäuse gemacht. Hier fliegen die Späne. Atmo 10 CNC-Fräse, leises Plätschern Und am Ende, erklärt Paustian, entsteht so zum Beispiel ein sehr leichtes Aluminiumgehäuse für einen Generator, der später einmal die Bordsysteme im Kampfflugzeug Eurofighter zuverlässig mit Strom versorgen soll. Atmo 11 Schritte Atmo 12 Halle leise Leiser geht es in der nächsten Halle zu. Hier werden so genannte Leiterplatten bestückt: kleine und sehr kleine elektronische Bauteile werden mit Roboterhilfe und per Hand auf Platinen gesteckt, festgelötet und getestet. Dicke Lupen helfen dabei, die winzigen Kabel an den richtigen Stellen zu platzieren. So entstehen Kleinserien, die einmal im Schützenpanzer Puma, im Eurofighter, zivilen Fliegern oder den Gefechtssimulatoren der Firma eingesetzt werden. Andrea Tichonow ist Vorarbeiterin in diesem Bereich. Leicht gebräunt, mit dem obligatorischen weißen Schutzkittel erklärt sie, wo das Bauteil vor ihr einmal landet: OT Tichonow: Das ist zum Beispiel für ACTUS-Handfeuerwaffen. Simulationsgeräte für die Soldaten. Und das kommt auch in den Flieger rein ... Atmo 12 Halle leise 1976 hat sie hier angefangen, erzählt Tichonow. Und die Arbeit macht immer noch Spaß. Skrupel, weil durch ihre Arbeit einmal Rüstungsgüter entstehen, kennt sie nicht: OT Tichonow: Hab ich kein Problem mit. Nein. Wenn ich es nicht mache, macht es jemand anderes. Ich denke da jetzt nicht drüber nach, ob das für die Rüstung ist ... Das macht einfach Spaß! Atmo 12 Halle leise Und den Stolz auf Qualität, Präzision und die Zuverlässigkeit ihrer Arbeit sieht man ihr an. Andrea Tichonow nickt, ein Lächeln, sie muss weitermachen, Wertarbeit liefern. Genauso unaufgeregt wie die Vorarbeiterin erzählt der Ingenieur Paustian von seinem Blick aufs eigene Tun: OT Paustian: Man trifft diese Entscheidung ja bewusst! Man weiß es vorher, wo man hingeht. Und bisher bin ich persönlich nicht in die Situation gekommen, dass ich sagen muss: das kann ich nicht mehr mittragen. - Ist bisher nicht vorgekommen. Atmo 13 Gang übern Hof Paustian und seine Kollegen führen quer über den Fabrikhof, zeigen den Prüfstand für die Bordelektronik, die einmal im Puma-Schützenpanzer arbeiten soll. Es geht vorbei an neu entwickeltem Panzerglas, das die Soldaten in ihren Fahrzeugen schützen soll und an den über zwei Meter hohen hellgraulackierten Kegeln, die einmal als Spitze vorn an das Kampfflugzeug Eurofighter montiert werden. Atmo 9 Produktionshalle Am Ende der Führung steht Dr. Stefan Stenzel für ein Interview bereit. Seit Anfang Juni leitet er die Rüstungssparte von Jenoptik in Wedel. Im Hintergrund laufen die Fräsmaschinen und Stenzel, ein sportlicher Typ, randlose Brille, feiner Anzug, erklärt, warum auch Jenoptik an den vieldiskutierten Panzerexporten nach Saudi-Arabien, verdienen würde: OT Stenzel: Wie liefern für den Leopard II-Panzer spezifische Komponenten. Das sind in Summe rund vier Stück. Die einen Bruchteil des Gesamtwertes des Panzers ausmachen. Insofern profitieren wir davon, wenn das Ausland Leopard II-Panzer kauft. Wir liefern beispielsweise das System, das die Waffe stabilisiert oder aber auch Generatoren und Lüfter für diesen Panzer. Atmo 9 Produktionshalle Bis vor kurzem, erzählt Stenzel, hat er sich noch am Stammsitz der Firma in Jena um optische Systeme gekümmert, um Lasermessgeräte oder Nachsichtferngläser. Und, gibt er zu, das war vor Freunden und Bekannten viel besser vertretbar als sein neuer Job. Immerhin sorgen die Wedeler Panzer-Teile dafür, dass die tödlichen Granaten aus den Kanonenrohren auch bei voller Fahrt präzise ihr Ziel treffen. Zuhause bleiben ihm Debatten über seinen Beruf zum Glück erspart, so Stenzel: OT Stenzel: Mein Sohn ist jetzt bald 17. Dankenswerter Weise hat er da kein Problem! Denn wenn sie heute mit 17jährigen sprechen, die sind natürlich für Frieden auf der Welt, an allen Ecken! Aber den nur durch gutes Zureden zu erzeugen, das ist Gandhi vielleicht gelungen - in Summe ist es uns bis jetzt als Menschheit noch nicht gelungen, Frieden durch Handauflegen zu erzielen. Atmo 14 Schritte übers Werksgelände Nach drei Stunden ist die Werksbesichtigung zu Ende. Pressesprecher Gerd Harnisch begleitet mich zur Pforte, erzählt von längst vergangenen Zeiten, von heftigen Protesten gegen die Firma. Auf Rüstungsmessen sind Aktivisten aufgetaucht, damals, in den Achtzigerjahren, im Kalten Krieg. Heute, so Harnisch, ist das vorbei, die Lage entspannt. Atmo 14 Schritte übers Werksgelände Atmo 15 Telefontuten Atmo 6 PC-Tastatur Es ist Ende Juli. Und die Meldungen über den Hunger nach deutschen Waffen reißen nicht ab: nicht nur Saudi-Arabien will nun Leopard-Panzer kaufen, sondern auch Indonesien und das Emirat Katar. Dann kommt eine Zusage, mit der ich nicht mehr gerechnet habe: Oliver Hoffmann von Rheinmetall meldet sich. Zusammen mit Krauss-Maffei-Wegmann baut die Firma den Leopard II-Panzer. Rheinmetall gehört zu den größten Rüstungsunternehmen der Republik. Jahresumsatz: über 4 Milliarden Euro. Pressesprecher Hoffmann lädt mich nach Bremen ein. Dort, bei Rheinmetall Defence Electronics, wurde das "Gladius"-System entwickelt, ein Hightech-Anzug für deutsche Soldaten. Atmo 16 Konferenzraum Olaf Aul leitet die die Abteilung "Systemtechnik Soldatensysteme", vor ihm in der Ecke im Konferenzraum steht eine Schaufensterpuppe: ein großer Typ in voller Montur, mit Schutzweste, Stahlhelm, schwarzen Schnürstiefeln. OT Aul: Dieser eigentliche Kampfanzug, hier jetzt im Fünf-Farb-Tarndruck - die ersten Systeme werden im Drei-Farb-Tarndruck ausgeliefert, also mehr "Wüstenfarbe" - hat Funktionen integriert, Schutzfunktionen integriert, was einen rudimentären Nässeschutz angeht. Ganz wichtig aber: Vektorenschutz, das heißt: Schutz gegen Insektenstiche. Eine ganz wichtige Forderung der Bundeswehr. Und natürlich Flammenschutz. Die äußere Schicht muss den Flammenschutz realisieren. Auch eine ganz entscheidende Forderung. Atmo 16 Konferenzraum Atmo 17 Reißverschluss Zehn Sekunden hält das gemusterte Material dem Feuer stand, erklärt Aul und öffnet dann das Rückenteil der Schutzweste, zeigt die Elektronik: OT Aul: Jeder Soldat hat also einen Computer auf seinem elektronischen Rücken integriert, er die Steuerung sämtlicher angeschlossenen Geräte übernimmt, der das Powermanagement übernimmt. Ein relativ hochwertiger GPS-Empfänger, so dass der Soldat über sein Führungssystem immer weiß: wo befinde ich mich? Atmo 16 Konferenzraum Und dieser Standort, sogar die Blickrichtung des Soldaten wird per Funk bis zu einem Kilometer weit zum Anführer der immer zehn Personen starken "Gladius"-Einheiten übertragen, so Aul. Zwei Stöpsel rechts und links in den Ohren dämpfen die Schussgeräusche, übermitteln Funksprüche, dienen als Mikrofon. OT Aul: Das heißt, an der Waffe ist eine sogenannte "Push to Talk"-Taste. Er kann also, mit der Waffe im Anschlag, dem Finger am Abzug eine bestimmte Taste drücken und das System weiß: Aha, der Soldat möchte jetzt über sein Funkgerät sprechen, schaltet das Mikrofon an, so dass dann die ganz normal gesprochene Sprache übertragen wird. Atmo 16 Konferenzraum Etwas über 20 Kilo wiegt das ganze System, inklusive der gepanzerten Weste und zwei zusätzlichen Akkupaketen. 72 Stunden lang soll "Gladius" damit auskommen, wasserdicht, bei minus 40 bis plus 65 Grad. 52 Millionen Euro gibt die Bundeswehr für die ersten 900 Anzüge aus, aber dann wird es billiger, versichert Konzernsprecher Oliver Hoffmann. Während der Präsentation passt er auf, schreitet ein, wenn die Fragen zu persönlich werden. Atmo 18 Taxifahrt Immerhin, das erklärt er später, auf der Taxifahrt zum Bremer Bahnhof, soll es um das "Gladius"-System, vor allem um seine Schutzfunktionen gehen, nicht um das Arbeitsethos oder die Motivation der Rheinmetall-Ingenieure. OT Hoffmann: Das, was wir machen, können wir selbstverständlich sehr, sehr gut vertreten. Das hängt damit zusammen, dass unsere Kunden, die Streitkräfte sind, die Bundeswehr, die Streitkräfte unserer Partner-Nationen, der NATO-Nationen oder befreundeter Nationen. Und diese Streitkräfte erfüllen Aufgaben im Bereich der nationalen Sicherheit. Atmo 18 Taxifahrt Hoffmann spricht konzentriert, den Blick nach vorn gerichtet. Und verweist auf die Pflicht, deutschen Soldaten den bestmöglichen Schutz mit in den Einsatz zu geben. Und die besten Waffen: OT Hoffmann: Was dem Polizisten seine Pistole oder sein Schlagstock ist, das ist dem Bundeswehrinfanteristen unter Umständen seine Granatmaschinenwaffe. Die entscheidende Frage ist immer, in wessen Händen sich dieses Wirkmittel, diese Waffe befindet und zu welchen Zielen sie benutzt wird. Atmo 19 Bahnhof Ankunft am Bahnhof, Händeschütteln. Der Konzernsprecher bittet um eine faire Berichterstattung, wirkt fast ein bisschen unsicher. Und erwähnt dann nochmal den Zeitungsartikel, der ihm vor fast zehn Jahren die Laune verdorben hat. Klar, so Hoffmann beiläufig, dass der Reporter von damals nicht noch ein Interview bekommt. - Ja, das ist klar. So geht es allen. Vielleicht auch mir. Atmo 19 Bahnhof 16 1