COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Zeitfragen Eine Verteilungsfrage! Wer zahlt die Zeche für die Bewältigung der Finanzkrise? von Caspar Dohmen Atmo Musik: verfremdete Europahymne Sprecher Carlos Cuesta, Bewegung 15. Mai O-Ton Carlos Cuesta In Espane there is an historical unemployment of 21 percent, nearly five million persons, a lot of cuts in historical workers rights, 300 persons loss their homes per day, with his families, a lot of public hospitals and residence for aids are closing and the unemployment in the young people reaches at 50 percent. It's the reality in my country. Voice over: (Poolsprecher oder jemand aus der Redaktion?) In Spanien gibt es eine historisch hohe Arbeitslosigkeit von 21 Prozent, nahezu fünf Millionen Arbeitslose, es gibt eine Menge Einschnitte in angestammte Arbeitnehmerrechte, 300 Menschen verlieren jeden Tag ihr Haus, mit ihren Familien, eine Menge öffentliche Krankenhäuser und Einrichtungen für Aidskranke wurden geschlossen und die Jugendarbeitslosigkeit beträgt 50 Prozent. Das ist die Realität in meinem Land. Sprecher Katerina Kitidi, Journalistin und Filmemacherin aus Griechenland O-Ton Katerina Kitidi, From January to September 2011 the number of people how calling at the suicide helplines has more than doubled comparison to 2010.One of four of this people is considering suicide to it financial problems. The number of lottery game players has increased dramatically in the last year for example. Prostitution has also increased. Übersetzung Von Januar bis September 2011 haben doppelt so viele Menschen bei den Hotlines für Selbstmordgefährdete angerufen verglichen mit 2010. Jeden vierten von diesen plagen finanzielle Probleme. Die Zahl der Lotteriespieler ist dramatisch gestiegen. Auch die Prostitution nimmt zu. Sprecherin: Stimmen von einer Veranstaltung der Nichtregierungsorganisation Attac im Berliner Grips- Theater. Es ist Samstag, der 15.Oktober 2011. In New York, Madrid, Frankfurt und vielen anderen Städten machen Menschen auf die Folgen der Finanzkrise für die Bürger aufmerksam. Der Zuschauerraum des Kindertheaters ist gut gefüllt. Auf dem Podium sitzt auch der Schriftsteller Einar Gudmundsson. O-Ton Einar Gudmundsson Ein Menschenfresser fliegt erster Klasse, die Stewardess reicht ihm die übliche Speisekarte. Sprecherin: Gudmundsson berichtet über die Folgen der Finanzkrise für die Menschen in seinem Heimatland. O-Ton Einar Gudmundsson Höflich wie Menschenfresser beim ersten Anschein nun einmal sind, überfliegt er die Speisekarte und sagt sodann zur Stewardess: Ich kann nichts Knackiges auf der Speisekarte finden, würden sie so freundlich sein und mir die Passagierliste bringen. Sprecherin: Gudmundsson kommt aus Island. Hier brach die Finanzkrise in Europa als erstes aus: Nach dem Zusammenbruch der drei größten Banken stand die Insel mit ihren 320.000 Bewohnern im Herbst 2008 vor dem wirtschaftlichen Kollaps. O-Ton Einar Gudmundsson Ich habe nicht vor die Superreichen Islands, die uns zusammen mit der Regierung den Stuhl vor die Tür gesetzt haben mit Menschenfressern zu vergleichen, nicht in der buchstäblichen Bedeutung des Wortes, doch nachdem sie fast alles überreicht bekamen, die Banken und die staatlichen Betriebe, sieht es dennoch so aus, als hätten sie zu der Regierung und Finanzaufsicht gesagt, nun ist nichts Knackiges mehr auf der Speisekarte. Würden sie so freundlich sein und uns die Einwohnerliste reichen. Sprecher vom Dienst: Eine Verteilungsfrage! Wer zahlt die Zeche für die Bewältigung der Finanzkrise? Von Caspar Dohmen. Atmo: Kneipe Schauspieler 1 Na, schon da? Schauspieler 2 Ich hatte früher Schluss im Institut. Wie läufts? Schauspieler 1 Geht so. Schauspieler 2 Bei den Benzinpreisen muss deine Tankstelle doch brummen. Schauspieler 1 Bei mir bleibt da wenig hängen. Radio: Die EU dreht den Geldhahn wieder auf. Die Regierungschefs haben ein 130- Milliarden-Hilfspaket für Griechenland beschlossen. Schauspieler 1 Wahnsinn, was die da raus hauen. Ich frag mich wer, da am Ende die Rechung zahlt? Schauspieler 2 Da kommen nicht allzu viele in Frage Atmo Kneipe Ende O-Ton Wolfgang Streeck Jetzt kommt die neue Staatsverschuldung, die ja nicht ausgelöst ist, anders als die Ökonomen immer behaupten, durch die Begehrlichkeit der Wähler und der Politiker, sondern die ist ausgelöst seit 2007 durch die Notwendigkeit diese Finanzkrise zu bewältigen. Und dann die privaten Schulden, die man zugelassen hat in diesen zehn Jahren davor, jetzt auf die staatliche Kappe zu nehmen. Und gleichzeitig mit Konjunkturprogrammen dafür zu sorgen, dass die Leute überhaupt noch etwas zu arbeiten haben. Sprecherin Darauf verweist der Soziologe Wolfgang Streek, der das Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln leitet. Seit einiger Zeit beschäftigt er sich intensiv mit der Frage, wer für die Folgen der Finanzkrise bezahlt hat. Fest steht, die Regierungen haben hohe Summen aufgewandt um Banken zu retten, die sich bei riskanten Geschäften verzockt hatten. Zur Bezahlung der Aufräumarbeiten mussten die Regierungen teils selbst hohe Kredite aufnehmen, denn das Hilfsprogramm war extrem teuer. Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie bei der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler- Stiftung: O-Ton Gustav Horn Für eine abschließende Berechnung ist es zu früh, denn die Finanzkrise ist nicht vorbei. Wir haben im Moment die Situation, dass wir in Deutschland 20 Prozent vom BIP höhere Staatsschuldenquote haben als vor der Krise. Das sind 500 Milliarden. Diese 500 Milliarden hat uns die Finanzkrise, insbesondere die Bankenrettung bisher gekostet. Das ist eine ganze Menge, aber das ist so eine Momentaufnahme, die aber noch nicht das endgültige Urteil darstellt. Sprecherin Die Staaten haben zusätzlich dazu auch in vielen Fällen Bürgschaften ausgesprochen. Noch ist offen, ob und wenn ja für wie viele Bürgschaften die Staaten aufkommen müssen. Nachdem die Staaten die Banken gerettet haben, sind sie selbst in eine Krise geraten. Das liegt an den höheren Staatsschulden, aber vor allem an einer anderen Betrachtung dieser Schulden. Plötzlich gibt es grundsätzliche Zweifel daran, dass alle Mitglieder der EU tatsächlich für ihre Schulden aufkommen können. Über viele Jahre hatten die privaten Gläubiger die EU-Mitgliedsstaaten ziemlich gleich behandelt und von ihnen allen fast die gleichen Zinsen verlangt, egal ob von Deutschland oder Griechenland. Damit ist nun Schluss. O-Ton Wolfgang Streeck Jetzt sind es dieselben Banken, die da gerettet worden sind, die vorher ruchlos sozusagen Finanzialisierung betrieben haben, sind ja vom Staat gerettet worden, drehen sich jetzt um und sagen: Ja,also ihr Staaten, so verschuldet, wie ihr seid, euch glauben wir kein Wort mehr, macht ordentliche Austeritäts- und Konsolidierungspolitik, dann geben wir euch wieder Geld. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Wenn bei mir keiner tankt, ist das mein Problem. Da hilft auch kein Jammern. Dann heißt es, so ist das in einer Marktwirtschaft. Yamas! Schauspieler 2 Yamas. So soll es ja auch sein. Unternehmer gehen Risiken ein und werden dafür mit Gewinnen belohnt, wenns läuft. Wenn nicht, dann gehen sie halt pleite. Passiert eigentlich ständig Schauspieler 1 Aber nicht allen. Wie war das denn bei der Hypo-Real-Estate oder der Commerzbank? Da zahlen doch wir Steuerzahler die Zeche. Schauspieler 2 Tatsächlich haben die Regierungen da die Haftung ausgeschaltet, erst für Banken, dann für Staaten. Schauspieler 1 Ich versteht nicht warum die jetzt auf Teufel komm raus Griechenland retten wollen. Schauspieler 2 Die fürchten halt, dass dann an den Märkten das Gleiche passiert wie nach der Pleite der Lehman Brothers. Erst liehen sich die Banken kein Geld mehr und dann gaben sie kaum noch Kredite an Unternehmen raus. Darunter haben alle gelitten. Wenn Griechenland pleite geht, könnte es einen katastrophalen Dominoeffekt geben. Schauspieler 1 Könnte! Die Banken zumindest sind fein raus! Schauspieler 2 Stimmt schon. Aber zuletzt sind die Banken ja doch beteiligt worden. O-Ton Lüder Gerken In einer rein ordoliberalen Welt würde etwa der deutsche Staat sagen, wir retten die deutschen Banken nicht, wenn die sich mit hohen Krediten in Griechenland engagiert haben, und diese Kredite jetzt ausfallen, weil die griechischen Schuldner nicht in der Lage sind, die Kredite zurück zu bezahlen, ist dass das Problem der Banken. Die sollen sehen, wie sie klar kommen. Und wenn dann einige Banken Konkurs gehen, dann ist das auch deren Problem. Sprecherin Lüder Gerken, Leiter der Stiftung Ordnungspolitik und damit so etwas wie der Nachlassverwalter der für die soziale Marktwirtschaft wichtigen Ideengeber wie Walter Eucken oder Franz Böhm. Er macht auf die gewaltige Umverteilung zwischen Steuerzahlern und Kapitaleignern aufmerksam: O-Ton Lüder Gerken Letztlich wird das kaschiert über Kredite, über Garantien, aber realistischerweise muss man davon ausgehen, dass wir nicht mehr erleben werden, das diese Kredite jemals zurück gezahlt werden. Das heißt letztlich haftet der Steuerzahler dafür. Also eine ganz erhebliche Umverteilung auf Kosten des Steuerzahlers zu Gunsten der Anleger die griechische Staatspapiere gekauft haben. Sprecherin Vier Jahre nach Beginn der Krise drückt die westlichen Industriestaaten der Schuldenschuh. Mit den Folgen beschäftigt sich der Ökonom Philipp Vorndran, Chefstratege bei Flossbach, einer der größten unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland bei dem sich Reiche Rat holen. Vorndran schaut aus dem Fenster des 26. Stockwerks über den Kölner Dom in die Ferne, bevor er seine Diagnose abgibt. O-Ton Philipp Vorndran Die Welt verändert sich nicht tagtäglich, sondern die Art und Weise wie die Politik und die Bankenwelt versucht, darauf zu reagieren. Das verändert sich tagtäglich. Was als stabile Größe im Raum steht, das ist die Schuldenkrise. Für uns ist ganz klar, wir befinden uns in einer globalen Schuldenkrise, die ist ähnlich drastisch in den USA, in Großbritannien, in Japan und in der Eurozone. Sie ist unserer Meinung nach im Übrigen auch sehr drastisch in China. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Wahnsinn - die Regierungschefs der EU haben sich jetzt schon 18 Mal wegen der Schuldenkrise getroffen. In deren Haut möchte ich aber auch nicht stecken. Es geht um verflixt viel. Willst Du noch ein Bier? Schauspieler 2 Gerne - einige Staaten haben mehr Miese als die gesamte Wirtschaftsleistung ihres Landes beträgt. Da sind jetzt eben Sparkommissare gefragt. Schauspieler 2 Aber wie sollen die Staaten ihre Schulden jemals wieder loswerden? Schauspieler 1 Ausgaben kürzen oder Einnahmen erhöhen. Oder sie weigern sich, die Schulden zu zahlen oder drucken Geld. Alles schon dagewesen. Schauspieler 2 Wer hat denn bisher die Zeche gezahlt? Schauspieler 2 Da gibt es Unterschiede! Erst einmal war und ist überall Sparen angesagt. Die Griechen streichen tausende Stellen im öffentlichen Dienst, alle müssen länger arbeiten und es gibt weniger Geld aus den Gesundheitskassen. England hat das größte Sparpaket nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen: Eine halbe Millionen Staatsstellen sollen wegfallen. Mit Sozialwohnungen wird es schwieriger, Kindergeld knapper, Rente gibt es erst mit 66. In Portugal, Irland und Italien überall das gleiche. Schauspieler 1 Nutzt das was? Schauspieler 2 Irland scheint sich zu berappeln. Schauspieler 1 Und Griechenland ? Schauspieler 2 Tja Griechenland ... Elena machste noch mal zwei? Sprecherin Wer zahlt bisher die Rechnung für die Schuldenkrise? Diese Frage geht an Peter Wahl, der sich bei der Nichtregierungsorganisation Weed seit vielen Jahren mit den Finanzmärkten beschäftigt. O-Ton Peter Wahl Das waren bei uns in den Industrieländern vor allem die Steuerzahler und jene, die durch Kürzungen, durch Austeritätsprogramme, wenn man nach Griechenland guckt, ganz besonders krass, Portugal und anderen Ländern, aber in der Tendenz auch bei uns, durch Kürzungen in Sozialsystemen und so weiter in Mitleidenschaft gezogen werden durch die hohen Kosten, die durch die Bail-Outs der Banken und die Konjunkturprogramme, die in den meisten Ländern aufgelegt worden sind, bezahlt haben. Sprecherin Bisher spüren die Menschen in Deutschland die Auswirkungen der Finanzkrise noch kaum. Im Gegenteil, die Wirtschaft wächst, die Arbeitslosenzahlen sinken. Und der Staat hat bisher an die Banken vor allem Bürgschaften und wenig Bargeld gegeben, darauf macht der CDU-Politiker und Bundesvorsitzende der Christlich demokratischen Arbeitnehmerschaft Karl-Josef Laumann aufmerksam: O-Ton Karl-Josef Laumann Die Rettung der Banken war wirtschaftspolitisch richtig, aber es ist ja auf der anderen Seite so, dass der Staat dafür in erheblichem Umfang in Bürgschaften gegangen ist, diese Bürgschaften natürlich zum größten teil Gott sei dank nicht fällig geworden sind. Und natürlich das Versagen der Finanzwirtschaft im Grunde auf die öffentlichen Hände abgewälzt wurde und das stellt natürlich finde ich in einer Gesellschaft auch Fragen nach Verantwortlichkeit. Das die zurzeit in Deutschland nicht so laut diskutiert werden liegt schlicht und ergreifend daran, dass Bürgschaften eben noch nicht fällig geworden sind. Sprecherin Trotzdem sind auch in Deutschland die Staatsschulden der Finanzkrisen wegen der Konjunkturpakete und Bankenrettungsmaßnahmen schon deutlich gestiegen. Statt der in der EU erlaubten 60 Prozent, liegt die tatsächliche Staatsschuldenquote im Schnitt bei über 80 Prozent. O-Ton Karl Heinz Laumann Also ich glaube, dass wir in Deutschland in jedem Fall die Schuldenbremsen 2016 beim Bund und 2020 bei den Ländern erreichen müssen. Um das zu erreichen muss man zwei Dinge tun: Man muss ehrlich sagen, wir haben keine Spielräume für große Steuersenkungen in Deutschland. Der zweite Punkt ist, ich glaube, dass wir eine andere Philosophie von Gesellschaft brauchen. Der Staat kann nicht das ersetzen, was zum Beispiel Familie leisten. Ansonsten werden natürlich auch für uns die Verteilungsspielräume viel enger. Sprecherin Schon stellt die schwarz-gelbe Bundesregierung eine Sparliste zusammen. Schließlich will Finanzminister Wolfgang Schäuble 2013 die Neuverschuldung um rund 15 Milliarden Euro drücken und 2014 schon weitgehend ohne neue Schulden auskommen. Das Ziel ist ehrgeizig. Zunächst dürfte die Regierung versuchen, bei möglichst vielen der laufenden 5500 Einzeltitel ein wenig zu kürzen. Weniger Elterngeld und Einschnitte bei Rentenversicherung, Gesundheitsfonds und bei der Arbeitslosenversicherung haben die Finanzbeamten bereits notiert. Peter Wahl, Finanzfachmann von der Nichtregierungsorganisation Weed, zu den Verlierern von Kürzungen: O-Ton Peter Wahl Wenn dann bei Kindergärten, bei Musikschulen und so weiter gespart wird, wenn Hartz-IV- Erhöhungen so ausfallen, dass nicht mal die Inflationsrate damit abgedeckt wird, dann sind das auch im Grunde die sozial Schwachen, die hauptsächlich dabei bluten, die anderen müssen auch mit bezahlen, aber die können es natürlich leichter wegstecken. Sprecherin Auch vor der Finanzkrise hat bereits eine Umverteilung von Vermögen stattgefunden. Denn von der Politik der deregulierten Finanzmärkten und der Liberalisierung der Wirtschaft in den Industrieländern hat nur ein Teil der Bevölkerung profitiert. Geht es den Reichen gut, dann entsteht mehr Wohlstand, von dem alle profitieren. Dies war die Begründung für den neoliberalen Kurs, den als erste der US-Präsident Ronald Reagan und die britischen Premierministerin Margret Thatcher in den 1980er Jahren in den westlichen Industrieländern eingeschlagenen haben. In der Praxis verteilte sich der Einkommenszuwachs ungleich, auch in Deutschland. Dazu der Konservative Meinhard Miegel, Sozialforscher bei der Denkwerkstatt Zukunft: O-Ton Meinhard Miegel Wir haben ja insgesamt eine Spreizung bei der Verteilung der zusätzlichen Wertschöpfung, die stattgefunden hat: Das oberste Zehntel hat substanzielle Einkommenszugewinne, 15 Prozent in zehn Jahren, das ist ja nicht schlecht, wenn man sich insgesamt die Entwicklung anschaut. Das darunter liegende Zehntel stagniert, kein Unterschied zum Jahr 2000. Und die übrigen 80 Prozent sinken ab, erst zögerlich und dann die untersten zehn Prozent, die untersten 20 Prozent substanziell - 15 Prozent ,20 Prozent. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Komisch, ich hab gelesen, dass eigentlich genug Geld da ist. Jeder Deutsche verfügt über ein Geldvermögen von über 60.123 Euro. Schauspieler 2 Das ist doch nur der Durchschnitt. Eine solche Zahl sagt wenig aus. Theoretisch können alle das Gleiche oder einer alles haben. Tatsächlich teilt sich etwa ein Fünftel der Deutschen den größten Batzen des Geldvermögens. Wenn sie die Spareinlagen, Wertpapiere oder Versicherungen besitzen, dann profitieren vor allem sie von der Rettung der Finanzkonzerne. Schauspieler 1 Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Schauspieler 2 So isses! Elena! Atmo Ende Sprecherin Zunächst schrumpften die Vermögen in der Finanzkrise, mittlerweile haben sich die Depots jedoch erholt. Darauf macht Peter Wahl aufmerksam: O-Ton Peter Wahl Viele haben tatsächlich kurzfristig etwas verloren, aber der neueste Reichtumsbericht, der jährlich erscheint, hat jetzt wieder in seinen Statistiken gezeigt, dass das es sich stark erholt haben. Sprecherin Insgesamt gab es in den 50 wirtschaftlich bedeutendsten Ländern der Erde Ende 2010 ein Bruttogeldvermögen von gut 95 Billionen Euro. Unter dem Strich verfügen die privaten Haushalte nach dem Abzug der Schulden immer noch über rund 65 Billionen Euro. Das ist selbst in Zeiten in denen wir nur noch in Milliardenbeträgen rechnen, eine Menge Geld und im Prinzip genug um alle Schulden zu bedienen, aber es liegt dort wo die öffentliche Hand schwer ran kommt, wenn sie es überhaupt will. Darüber verfügt nämlich vor allem ein kleiner Teil der Vermögenden. Und wenn es nicht gerade Immobilien sind, dann können diese das Kapital schnell in andere Länder schaffen. Viele Länder reißen sich um die Vermögen der Reichen; sie locken mit niedrigen Steuern, Bankgeheimnis oder sonstigen Sonderkonditionen. Fest steht, die Werte in den Händen der Reicheren, vor allem der Kapitalbesitzer wachsen. O-Ton Peter Wahl Das ist ein Zuwachs verglichen zum Jahr 2000 um hundert Prozent. Da kann man sich natürlich überlegen, welcher Lohnempfänger und Gehaltsempfänger hat in den letzten zehn Jahren eine Verdopplung seines Vermögens hinbekommen, daran sieht man wie unterschiedlich sich die Vermögensentwicklung auf der einen Seite bei Finanzvermögen und auf der anderen Seite bei Lohn und Gehaltsempfängern entwickelt. Atmo Straße etc Sprecherin Zwei Dutzend Menschen haben sich als Banker und Lobbyisten verkleidet, einige tragen Taschen aus denen überdimensionierte falsche Geldscheine schauen, einer hat sich mit einer großen Maske als FDP-Parteichef Philipp Rössler verkleidet und schaut in die Kameras. Die Demonstranten stehen an diesem 16. Januar schräg gegenüber der FDP- Bundeszentrale in der Berliner Reinhardstraße. Mit einer satirischen Jubeldemo wollen sie die FDP zu der Einführung einer umfassenden Finanztransaktionssteuer drängen. Christoph Bautz, Gründer der Nichtregierungsorganisation Campact, spricht durch ein Megafon. O-Ton Christoph Bautz und Campact-Aktivisten Ja meine Damen und Herren, die 1,8 Prozent die sind schaffbar, die sind machbar, die FDP ist schon nahe dran an den 1,8 Prozent. Wir von der FDP, wir haben entschieden, wir konzentrieren uns jetzt auf unser Kerngeschäft, das heißt Politik für Banken, für Spekulanten und deswegen leisten wir weiter erbittert Widerstand in dieser Koalition als die letzten Mohikaner gegen die Finanztransaktionssteuer in der Eurozone. Politik für die 1,8 Prozent. We are the 1.8 Percent, we are the 1.8 Percent, we are the 1.8 Percent. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Da ist die FDP ja richtig hart. Kennen wir gar nicht von ihr. Alle anderen Parteien wollen die Steuer doch. Schauspieler 2 Ja. Die Regierungen der Industrieländer haben doch schon in Pittsburgh überlegt, wie sie die Banken als Verursacher an den Kosten beteiligen könnten. Das war 2009. Schauspieler 2 Früher haben Regierungen in Notzeiten immer wieder massive Abgaben zu Lasten der Reichen durchgesetzt. Denk mal an den Lastenausgleich, den die Bundesregierung 1961 eingeführt hat. Zahlen mussten diejenigen, die Vermögen über den Zweiten Weltkrieg gerettet hatten. Das bekamen diejenigen, die nichts mehr hatten. Schauspieler 1 So wie meine Großeltern. Die waren Vertriebene. Schauspieler 2 Das war eine Menge Geld. Die Hälfte des Vermögenswertes verlangte die Regierung als Lastenausgleich, verteilt auf 30 Jahre. Schauspieler 1 Aber glaubst Du wirklich an die Einführung höherer Steuern für die Wohlhabenden. Guck doch, was in Amerika abläuft. Für die Ultras von der Tea Party sind Steuern reines Teufelszeug. Schauspieler 2 Dabei zahlen selbst die sogenannten Superreiche in den USA nur einen durchschnittlichen Steuersatz von 18,1 Prozent. Da gab es aber auch dort schon ganz andere Zeiten. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die US-Regierung den Spitzensteuersatz auf 91 Prozent. Und der galt zwei Jahrzehnte. Sprecherin Mittlerweile scheint der Wettlauf der Länder um die niedrigsten Steuersätze nach unten gestoppt. Um ihre Haushaltslöcher zu stopfen, brauchen die Regierungen mehr Steuereinnahmen. Zuletzt haben einige europäische Regierungen deswegen wieder moderat Konsumsteuern angehoben. Davon werden allerdings alle Konsumenten gleichermaßen getroffen. Der Soziologe Wolfgang Streeck ist generell skeptisch wenn es um die Durchsetzbarkeit drastischer Steuererhöhungen durch Regierungen geht. O-Ton Wolfgang Streeck Ich sehe aber keinen Staat, der das könnte. Also ich gucke mir das so an, überall sind die Steuerkurven flach, bleiben flach und in den Hochsteuerstaaten gehen sie eher runter als rauf. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Sag mal. Was passiert eigentlich, wenn ein Staat seine Schulden einfach nicht mehr bedient, da kommt doch nicht wie bei unsereins gleich der Gerichtsvollzieher? Schauspieler 2 Du meinst so wie Argentinien. Die Regierung hat 2001 faktisch den Staatsbankrott erklärt. Die Gläubiger konnten 30 Prozent auf den nominellen Wert der argentinischen Staatsanleihen nehmen oder bekamen gar nichts. Schauspieler 1 Und wie haben die Gläubiger reagiert? Schauspieler 2 Die meisten haben eingewilligt. Die Sanierung des argentinischen Staatshaushalts haben damit vor allem Gläubiger getragen. Für die meisten Bürger hatte der Staatsbankrott fatale Folgen. Es gab 40 Prozent Arbeitslose. Jeder zweite Argentinier lebte damals unterhalb der Armutsgrenze. Und niemand wollte dem Land mehr Geld leihen. Schauspieler 2 Und dann? Schauspieler 1 Dann erholte sich die Wirtschaft. Das Kalkül der Regierung ging auf: Nach dem Schuldenschnitt und der drastischen Abwertung des argentinischen Peso war die Wirtschaft wettbewerbsfähiger. Atmo Kneipe Ende Sprecherin Das Land hatte Glück. Das weiß Peter Wahl: O-Ton Peter Wahl Der Rohstoffreichtum Argentiniens plus dem Rohstoffboom, also auf der Nachfrageseite, eine glückliche historische Situation gebracht hat, die Argentinien fantastische Wachstumsraten von acht bis zehn Prozent über mehrere Jahre gebracht hat. Und damit ist Argentinien aus den Schulden herausgewachsen. Sprecherin Allerdings hat die argentinische Regierung auch einen Preis für ihre Politik der Entschuldung zahlen müssen. Nach dem Schuldenschnitt und mehrmaligen Phasen mit hoher Inflation, trauen die Anleger dem Land nicht mehr. Große Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen investieren ihre Gelder derzeit lieber woanders. Die argentinische Regierung muss sich meist damit begnügen bei ihrer eigenen Bevölkerung Kredit zu bekommen. Atmo Kneipe Schauspieler 1 Mir erzählen manche Kunden, dass sie sich Gold kaufen, weil sie Angst vor Inflation haben. Meinst Du, die Regierungen drucken Geld, um ihre Staatsschulden los zu werden. Schauspieler 2 Abwegig ist der Gedanke nicht. Das gab es schließlich häufig in der Geschichte. Schon die Erfinder des Papiergelds, die Chinesen, haben das im Mittelalter so gehandhabt. Und in Deutschland hat die Regierung während der Weimarer Republik in den 1930er Jahren die Notenpresse angeworfen. Während der Hyperinflation haben meine Großeltern ihr Erspartes verloren. Ich glaube aber nicht, dass es so schlimm kommt. Aber höhere Inflationsraten als heute, eben so wie den 70er Jahren, das kann ich mir schon vorstellen. Schauspieler 1 Dann nehmen wir lieber noch zwei - bevor sie das doppelte Kosten. Elena, machste noch uns zwei Sachwerte? Schauspieler 2 Und dann die Rechung Atmo Kneipe endet Sprecherin Japan hatte 1974 eine Inflationsrate von 25 Prozent. In Amerika und England betrug sie mehrere Jahre hintereinander 20 Prozent. Geldentwertung geht vor allem zu Lasten von Sparern und Besitzern von Geldvermögen. Man kann Inflation daher als monetären Ausdruck eines Verteilungskonfliktes betrachten. Vermögensberater Philipp Vorndran ist überzeugt, dass sich die Industriestaaten für die Inflationsvariante entscheiden werden, um sich ihrer Schulden zu entledigen: O-Ton Philipp Vorndran Also wir haben seit drei Jahren gelernt, das Undenkbar zu denken. Man muss sich ja nur die Summen anschauen, in die diese Rettungspakete inzwischen hineingewachsen sind. Da haben wir mal mit 30 Millionen angefangen im Mai 2010 und inzwischen wird da über gehebelte Strukturen in Größenordnungen zwei Billionen Euro und aufwärts diskutiert. Ja, wir sind davon überzeugt, dass die Politik die Instrumentarien hat, um finanzielle Repression durchzusetzen, mit dem Ziel langfristig über die Inflationierung die Staatsschulden runter zu bringen. Sprecherin Und der Ökonom hat auch schon eine Vorstellung von der Höhe der Geldentwertung, auf die sich die Bürger einstellen müssen: O-Ton Philipp Vorndran Ich bekomme auf der einen Seite Inflation, Inflation, die in einer Größenordnung liegt zwischen sechs und zehn Prozent, die Notenbanken und die Staaten werden es nicht zulassen, dass die Zinsen adäquat ansteigen und die Risikoschutzfunktion über einen Zins, der ein Prozent höher wäre als die Inflation, darstellt, weil sie genau wissen in so einem Umfeld werden dann ihre Volkswirtschaften und ihre Staaten relativ schnell pleite, sondern sie werden die Zinsen künstlich tief halten. Sprecherin Der Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck spricht mit Blick auf die Erfahrungen aus den 1970er Jahren von einem unsauberen Korrekturmechanismus: O-Ton Wolfgang Streeck Unsauber, weil die natürlich total irrational sind und alle möglichen komischen Nebenwirkungen haben. Inflation war so ein unsauberer Korrekturmechanismus, ja, sozusagen bevor die Bäume in den Himmel gewachsen sind bei den Unternehmern, haben die Arbeitnehmer mit ihren damals starken Gewerkschaften Lohnabschlüsse erzielt, die eigentlich nicht gerechtfertigt waren, aber auf diese Weise wurden die Geldvermögen entwertet, weil hinterher Inflation raus kam durch akkumulierende Geldpolitik. Sprecherin 1979 machte US-Präsident Jimmy Carter Paul Volker zum neuen Vorsitzenden der Federal Reserve Bank. Unter ihm schraubte die Zentralbank die Zinsen auf eine beispiellose Höhe und die Wirtschaft wurde abgeschnürt. Millionen Menschen verloren ihren Job. Der Kampf gegen die Inflation ging in den USA und Großbritannien mit einer weitgehenden Entmachtung der Gewerkschaften einher. In den folgenden Jahren blieb die Inflationsrate in der kapitalistischen Welt niedrig, während die Arbeitslosigkeit mehr oder weniger stetig wuchs. Streiks wurden so selten, dass manche Länder darauf verzichteten eine Streikstatistik zu führen. Die Zuwächse des Sozialprodukts sind während der vergangenen dreißig Jahre vornehmlich den oberen Bevölkerungsschichten zugute gekommen. Deswegen stellt sich in der Schuldenkrise die Frage, ob und mit welchen Mitteln die Wohlhabenden versuchen werden, ihre Position auch um den Preis einer sozialen und politischen Krise zu verteidigen. Der Sozialwissenschaftler Wolfgang Streeck hält einen Neustart für sinnvoll: O-Ton Wolfgang Streeck Also ich glaube mittlerweile, dass so eine Art von Schuldenerlass irgendwie in jedes kapitalistische, asymmetrische Wirtschaftssystem eingebaut werden muss, denn also Kapitalismus ist ja, was man auf englisch cumulative Advantage nennt, ein System in dem der Vorteil kumulativ vergeben wird, wenn sie erst einmal Geld haben, dann haben sie sehr gute Chancen hinterher noch mehr Geld zu verdienen. Und dadurch wächst der Unterschied zwischen oben und unten und ab und zu braucht man so ein Reset. Man kann ja dieses Spiel nicht ewig spielen, weil dann der andere keine Lust mehr hat, dann macht der nicht mehr mit und macht alle möglichen irrationalen Sachen, also greift zur Pistole oder so. Sprecher vom Dienst: Eine Verteilungsfrage! Wer zahlt die Zeche für die Bewältigung der Finanzkrise? Ein Feature von Caspar Dohmen. Es sprachen: Nadja Schulz-Berlinghoff Hülsmann, Ingo Manchen, Klaus Ton: Brennecke, Alexander Regie: Ackers, Beatrix Redaktion: Hartwig, Martin Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012