COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Literatur 06. Mai 2007, 0.05 Uhr Taubgrüner Ginst am Musenhain Schriftsteller auf Lesereise Autor: Adolf Stock Musik: Atmo/Take 1: (Loriot) ?Zu Beginn werde ich 22 Gedichte aus dem Zyklus Abschied lesen, dann ? Etwas lauter bitte! ? dann acht Balladen aus meiner frühen Schaffens- periode, gefolgt von der Sonettensammlung Die zwölf Monate. Hierauf drei Kapitel aus dem Roman Empedokles und zum Schluss ein Trauerspiel in drei Akten mit dem Titel Goethe in Halberstadt. Dann haben wir Gelegenheit, miteinander zu sprechen. Rascheln.? Sprecher: ?Pappa ante Portas? ist Kult. Loriots Film spielt mit den Gefühlen von Autor und Publikum. Der Dichter Lothar Frohwein liest. Die Wirklichkeit sieht nicht ganz so furchtbar aus. Musik: Sprecherin: Taubgrüner Ginst am Musenhain Schriftsteller auf Lesereise Eine Sendung von Adolf Stock Musik/Atmo: Hessische Landesvertretung Sprecher: Mai 2006. Das Bundesland Hessen wird 60 Jahre alt. Ein ganzes Jahr wird in der Berliner Landesvertretung gefeiert. Man will zeigen, was man hat und was man kann. Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino ist aus Frankfurt gekommen. Er sitzt vor 200 Menschen, um zu lesen. Sein damaliger Roman hieß Liebesblödigkeit. Atmo: Hessische Landesvertretung Atmo/Take 2: (Wilhelm Genazino) ?Eigentlich bin ich nur müde und müsste eine Stunde schlafen. Aber leider sind Müdigkeit und Schlaf bei mir sehr verschiedene Dinge, die nicht oft zusammenfinden. Ich laufe in der Wohnung umher wie eine aufgeschreckte Jungfer, die bald an Schicksalsüberschätzung eingehen wird. Da klingelt das Telefon. Ich schrecke zusammen, als hätte ich vergessen, dass es Telefone gibt. Es ist Sandra. Klatschen.? Sprecher: Wie so oft, erzählt Wilhelm Genazino von der Verzweiflung im Alltag. Diesmal geht es um einen Mann jenseits der fünfzig. Er ist geschieden und unfähig, sich zwischen zwei Frauen zu entscheiden. Falls Sandra oder Judith das spitz bekämen, wäre ein Drama vorprogrammiert. Sprecherin: In der Hessischen Landesvertretung sitzen viele Männer jenseits der 50. Wilhelm Genazino gehört auch dazu. Es gibt kaum ein junges Gesicht, und wenn, ist es weiblich oder ist Personal. Die Atmosphäre im kleinen Vortragssaal bleibt unterkühlt. In der Adressendatei der Landesvertretung sind Literaturfreunde offensichtlich Mangelware. Take 3: (Wilhelm Genazino) ?Die Situation ist immer besonders bei einer Lesung, weil man nicht weiß, wie man die Situation einschätzen soll und ob die Zuhörer irgendwie etwas damit anfangen können oder nicht. Da ist zunächst einmal ein starker Druck da, und manchmal verschwindet der nicht, weil nicht geklärt wird, können die damit was anfangen oder nicht?? Sprecherin: Diesmal eher nicht. Wilhelm Genazino gibt sich Mühe. Er versucht die Pointen richtig zu setzen. Er liest, wie sein Held Stützstrümpfe kauft, und beschreibt wie es ist, einen Stützstrumpf zu tragen. Ekel und Alter, echte und eingebildete Potenzprobleme werden ironisch und mit gelassener Melancholie kommentiert. Sprecher: In Reihe acht sitzt eine schmale ältere Frau. Sie steckt in einer weißen strengen Bluse. Auf ihrem Schoß liegt zweimal die Liebesblödigkeit. Nach der Lesung werden die Bücher eine Widmung bekommen. Noch hängt die Dünne an den Lippen des Autors. Genüsslich verfolgt sie jedes Wort, weil sie alle Pointen schon kennt. Mit ihrem Nachbarn hält sie Händchen. Auch er ist schon älter, sehr dünn mit gescheiteltem Haar. Der Mann schaut verträumt in die Runde. Ein bisschen wie Dichter Frohwein bei Loriot. Ihn hat?s erwischt. Er ist verliebt, und von Zeit zu Zeit trifft sein verklärter Blick die Augen der Frau. Sprecherin: Auch ein Kollege vom Rundfunk ist mit seiner Frau gekommen. Nicht aus Pflicht, nur aus Interesse. Vom Podium aus sind die wenigen Fans nicht auszumachen. Sie verlieren sich in einem Meer trostloser Langeweile, das Wilhelm Genazino so gern als Humus der Erkenntnis lobt. Atmo: Hessische Landesvertretung, Buffet Take 4: (Wilhelm Genazino) ?Es ist doch äußerst großartig, die Leute anzuschauen, die an einer Würstchenbude stehen und im Grunde weder ein noch aus wissen. Und zum Glück gibt?s eine Bratwurst, hilft den totalen Stillstand jetzt mit einer Dreiminutenbeschäftigung auszubilden, und häufig ? das ist das Tolle ? häufig finden sie in so intensiv verbrachten, entweder gelangweilten oder banalen Situationen, den Zipfel einer individuellen Beschäftigung. Plötzlich sehen sie dann irgend etwas. Ja wie soll man das nennen? Die Erleuchtung, pathetisch ausgedrückt. Menschen sind mitten in fürchterlichen Situationen, sie langweilen sich, und indem sie das aushalten, fällt ihr Blick darauf oder darauf, und plötzlich strömt ein unerwartetes Interesse in ihnen auf, und man merkt, sie verlassen die Bude, essen die Bratwurst ganz schnell, und dann gehen sie irgendwo hin, treffen jemanden oder sie machen dies und das ...? Musik/ Atmo: Hessische Landesvertretung Sprecher: Genazino greift zum Wasserglas, nimmt einen kräftigen Schluck und blickt auf die Uhr. Noch zwei Minuten, dann ist es vorbei. Nach der Lesung soll ein Gespräch stattfinden. Der Literaturprofessor wurde gleich mit engagiert. Ein Heimspiel. Wilfried F. Schöller ist ein alter Freund aus Frankfurt. Seine Fragen sind Steilvorlagen. Trotzdem werden die Bälle nur lustlos hin und her geworfen. Konfektionsware. Keine einzige Frage berührt den literarischen Kern. Sprecherin: Die Belebung der toten Winkel heißen Genazinos Vorlesungen, die er in Frankfurt vor Studenten gehalten hat. Alles Theorie. In der Hessischen Landesvertretung will die Belebung des toten Winkels einfach nicht gelingen. Zum Schluss wirkt Genazino selbst wie eine seiner Romanfiguren. Ein Abschaffel. Einer, der schon mal in den Abgrund blickt. Ein Loser mit Rentenanspruch. Sprecher: Nach dem Gespräch darf das Publikum Fragen stellen. Schweigen. Nur der vitale Herr im Sommeranzug will tatsächlich wissen, ob die Liebesblödigkeit autobiographisch ist. Take 5: (Tanja Dückers) ?Das ist der Klassiker, das wird auch wirklich immer gefragt, bei jedem Buch, ich dachte bei meinem ersten, das läge daran, dass das Buch in Berlin spielt und ich Berlinerin bin, aber dann erschienen Geschichten, die in USA und Ungarn und sonst wo spielen, die Fragen kamen wieder. Dann gab es einen Roman, wo der Schwerpunkt im Jahr 1945 angesiedelt ist ? wieder kamen die Fragen. Also offenbar wird einfach sehr gerne gefragt, ist das autobiografisch, ganz egal um welchen Inhalt es geht.? Sprecher: In solchen Fällen beschwichtigt Tanja Dückers ihre Leser. Irgendwo und irgendwie ist schließlich jeder Text autobiografisch. Mit dieser banalen Auskunft geben sich die meisten Leute zufrieden. Take 6: (Tanja Dückers) ?Aber wenn man sich dazu aufschwingen würde zu sagen: Nein, das habe ich mir ausgedacht, ja dann würde man irgendwie ja für einen Schelm oder Scharlatan gehalten werden. Und das verstehe ich eigentlich nicht, denn die literarische Leistung besteht ja eher darin, eine Hyperrealität zu schaffen, also aus der Realität Dinge zu extrahieren und, ja, zu verdichten, neu zusammenzufügen, also irgendwie etwas Artifizielles zu produzieren und nicht einfach Tagebuch zu schreiben oder so. Und das ist etwas, was mich verwundert, wo ich mich manchmal frage, ob insgesamt der Anspruch an Literatur sich verändert hat.? Atmo: (Achiv) Friedrichstraße, Verkehr Sprecher: Die Autorin kommt mit dem Rad auf die letzte Minute. Sprecherin: ?Das ist immer so bei ihr?, tröstet Katja Lange-Müller die Veranstalterin. Die Leiterin des Literaturforums blickt nervös auf die Uhr. Gleich ist es acht, und die Dückers ist noch nicht da. Dann kommt sie angeradelt. Atmo: Literaturforum Chausseestraße Sprecherin: Tanja Dückers liest an einem traditionsreichen Ort. In der Chaussee- straße haben Brecht und die Weigel gewohnt. Der Raum für die Lesung ist lang und schmal. Alles ist braun: braune Wände, braune Tische und braune Stühle. War so die DDR? Oder ist das ein Saloon im amerikanischen Mittelwesten? Gleich klappen die Schwingtüren auf, und Beine werden in die Luft geworfen. Wo bleibt die Hillbilly-Band? Sprecher: Die Schwingtüren bleiben zu. Dafür war Rotkäppchen da. Auf einem Beistelltischchen stehen gefüllte Sektgläser. Die Gäste greifen nicht zu. Sie wollen weder trinken noch vorschnell lustig sein. Sie erwarten Hochkultur. Hochkultur der Worte. Zehn nach acht geht?s los. Katja Lange-Müller stellt Tanja Dückers vor. Take 7: (Katja Lange-Müller) ?Tanja Dückers hat, ehe sie mit ihren Arbeiten an die Öffentlichkeit trat, schon eine ganze Weile, Tanja würde schreiben: eine ganze Weile lang, intensiv geschrieben. Ihre erste Veröffentlichung war ein Lyrikband mit dem Titel Morsezeichen, 1999 folgte der Roman Spielzone, mit dem Tanja Dückers bekannt wurde, 2003 erschien der Roman Himmelskörper und im Frühjahr 2006 jener Der Längste Tag des Jahres heißende Roman, und aus dem sie jetzt gleich lesen wird.? Sprecher: Katja Lange-Müller vermittelt zwischen der Autorin und dem Publikum. Es ist ein Freundschaftsdienst für die Kollegin. Für Fremdeln bleibt kein Platz, Katja Lange-Müller hat die Situation sicher im Griff. Atmo: Literaturforum Chausseestraße Take 8: (Katja Lange-Müller) ?Nee, nee, das hat ja sicher auch damit zu tun, dass ich selber oft in dieser Situation bin, dass irgendeine unvorbereitete hektische Buch- händlerin da steht und sagt: Aber einführen müssen Sie sich schon selber, oder so was. Und das ist einfach der Respekt auch vor dem Kollegen, dass man das irgendwie ordentlich macht und auch der Respekt vor dem Publikum natürlich. Also damit es einfach ein guter Abend wird, damit was dabei entsteht, damit sich der Autor oder die Autorin sicherer fühlt, besser fühlt, klar.? Musik/ Atmo: Literaturforum Chausseestraße Take 9: (Katja Lange-Müller) ?Jedes Mal wenn man liest, wenn man sich vor Menschen setzt und ihnen vorliest, dann ist das ja so eine Art kleiner Auftritt, und es hängt sehr davon ab, wie man sozusagen in den geschickt wird. Das kann schlecht sein, und so, dass man sich im Anfluge ärgert, weil man sich irgendwie nicht wirklich geachtet fühlt, oder man den Eindruck hat, die wissen gar nicht mehr genau, warum sie mich eigentlich hier haben wollen, dann liest man auch vielleicht nicht so gut, ja, oder man fühlt sich sozusagen gleich ein bisschen wohler, weil der andere vorbereitet ist, weil der ein bisschen Neugier geweckt hat und dann ist es besser, das ist einfach besser, für alle.? Sprecher: Tanja Dückers ist Ende 30, sie liest vor einem älteren Publikum. Die Generation der Eltern und Großeltern hört dem begabten Nachwuchs zu. Es sind Nachrichten aus einer fremden Welt. Sie erzählt vom fernen Amerika und von dem, was früher Westdeutschland hieß. Sprecherin: Der Germanist Volker Weidermann blickt abschätzig auf die ostdeutsche Lesekultur. Er hat Christa Wolf und ihr Publikum bei einer Lesung gesehen. Zitator: ?Als Christa Wolf im Jahr 2002 in der Kapelle Zu den vier Aposteln in Berlin-Pankow erstmals aus ihrem Buch Leibhaftig vorlas, da standen die Menschen schon eine Stunde vor Beginn vor der Kirchentür mit den dicken gelben Scheiben und warteten und drängten, und die Kirche war um ein Vielfaches zu klein, und vorne, vor dem Altar, saß sie, thronte sie und sagte gar nicht groß was, und auf den Bänken saßen die Menschen, meist Frauen jenseits der siebzig, und nur in der ersten Reihe, da saß der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse.? Sprecherin: Das Publikum lauscht. Zitator: ?Es herrschte so eine Andacht im Raum und eine Stille, als sie zu lesen begann. Eine Krankheitsgeschichte, in der eine Erzählerin, die alle Züge Christa Wolfs trägt, zur Zeit der schwersten Krise ihres Heimatlandes, der DDR, selbst in eine schwere Krise gerät, bei Mauerdurchbruch in Berlin einen Blindarmdurchbruch erleidet und eine Immunschwäche dazu. Es ist ihr Land, das da untergeht. Es ist ihr Körper, der das durchleidet. Und die Menschen hörten zu und fast wunderte man sich, dass aus den Bankreihen nicht Gehhilfen und dunkle Brillen in die Luft geworfen wurden von Menschen, die freudig riefen: ?Ich kann gehen! Mein Gott, ich kann wieder sehen!?? Atmo: Literaturforum Chausseestraße Take 10: (Tanja Dückers) ?Was doch sehr erstaunlich ist, dass doch auch an Schriftsteller oft doch so eine Art, das klingt jetzt pathetisch, aber ja Errettungsgedanke oder so etwas an einen herangetragen wird. Also man wird geradezu wie ein Priester oder ein Lebensratgeber da um Antwort gebeten. Ob man an ein Leben nach den Tod glaubt, beziehungsweise was man über die Chancen der Liebe heute, und was ist mit der Gewalt an den Schulen, und es werden alle möglichen Fragen an einen gerichtet. Und manche berühren noch die Themen, mit denen man sich in den eigenen Romanen befasst hat, aber andere auch gar nicht. Man ist oft nach Lesungen auch fast in so einer psychotherapeutischen Beratungsrolle und hat manchmal auch Leute, die weinen und natürlich auch wirklich, wirklich dramatische Dinge erzählen.? Musik: Take 11: (Tanja Dückers) ?Ich erinnere mich, wie ich nach einer Buchmessen-Lesung wirklich gerade das letzte Wort gelesen hatte, da wurde mir ein Mikro unter die Nase gehalten, was ich zu dem gerade an diesem Tag ausgebrochenen Irakkrieg denken würde. Ich bin keine Nahost-Expertin, aber da wird man gleich bombardiert und mit großen erwartungsvollen Augen angesehen. Das ist manchmal dann auch bedrückend. Und das kann so eine Lesung, die so eigentlich erst einmal angenehm lief, dann nachher wahnsinnig anstrengend auch machen, und oft die Leute auch nicht so das Maß finden, wann man dann vielleicht mal zum Schluss kommen könnte.? Musik: Sprecher: Tanja Dückers ist 1968 in West-Berlin geboren. Katja Lange-Müller ist Mitte 50 und aus dem Ostteil der Stadt. Sie staunt, dass es bis heute noch Ost- und Westmentalitäten gibt. Take 12: (Katja Lange-Müller) ?Es spielt irgendwie merkwürdigerweise immer noch eine Rolle, also wenn der jeweilige Autor oder die jeweilige Autorin aus dem jeweils anderen Teil des Landes respektive der Stadt kommt. Aber das hat meistens auch mit den Inhalten der Bücher zu tun, also das wird nicht irgendwie an den Haaren herbeigezogen, sondern hat schon mit dem Gehörten zu tun. Und das spielt eine Rolle, und das ist manchmal auch das auslösende Moment, warum jemand in Leer beispielsweise zu einer Lesung geht. Und da muss ich sagen ist das Interesse am Reziproken in der westdeutschen Provinz größer. Also der Ostler geht zu denen, die er kennt, der Westler geht zu denen, auf die er neugierig ist, das muss man schon mal auch sagen dürfen.? Sprecher: Klar darf sie das sagen, zumal Katja Lange-Müller selbst mit viel Spaß und Interesse dem westdeutschen Literaturbetrieb begegnet. Take 13: (Katja Lange-Müller) ?In Mainz zum Beispiel gibt es eine phantastische Buchhandlung mit dem Titel Shakespeare und so ja, und da sind irgendwie zwei junge immer am Rand des Konkurses entlang dümpelnde Buchhändler, die also eine absolut volle Bude haben, eigentlich bei allem was sie machen, das macht wirklich richtigen Spaß und da zu lesen ist großartig.? Musik/ Atmo: Take 14: (Katja Lange-Müller) ?Es gibt natürlich auch Frau Fritsche in Berlin, am Bayerischen Platz. Also wo man dann denkt irgendwie, die Kundschaft von Frau Fritsche muss irgendwie zu Frau Fritsche ein Verhältnis haben wie zu einer Domina oder so. Wenn die sagt, ich mache am soundsovielten eine Lesung, dann sind alle da. Und wer also eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn kommt, kriegt schon keinen Platz mehr. Ich meine, man kann auch die Gegend am Bayrischen Platz als so eine Art Provinz bezeichnen, also vielleicht und in Berlin sowieso, und wenn es um Buchhandlungen geht erst recht. Da gibt es also so eine gewisse Treue, da muss schon was Schlimmes passieren, eh die gebrochen wird.? Musik: Sprecherin: Daniel Kehlmann ist jung und widmet sich ungewöhnlichen Themen. Auch deshalb ist sein Buch Die Vermessung der Welt ein Bestseller geworden. Man versteht zum Beispiel, wie der Mathematiker Karl Friedrich Gauß gedacht und gehandelt hat, oder wenigstens, wie er gedacht und gehandelt haben könnte. Ähnlich entschlossen blickt Kehlmann auf das Verhalten seiner Zunft. Zitator: ?Maler taten mir Leid: Kunstfremde Geldsäcke zogen mit ihren Bildern für immer davon. Ein Autor aber, so stellte ich es mir vor, konnte sein Buch wieder zur Hand nehmen, wann immer ihm danach war. Konnte nach all der Arbeit zufrieden darin lesen. Nur kenne ich keinen Autor, der das tut. Man setzt sich nicht in einen Lehnstuhl, legt Musik auf, stellt ein Glas Rotwein neben sich und liest in einem eigenen Roman. Und zwar nicht nur deshalb nicht, weil man ihn natürlich fast auswendig kennt: Die Barriere ist viel massiver.? Sprecherin: Kein Mensch liest freiwillig seine eigenen Bücher, behauptet Kehlmann in einem Essay. Nur manchmal ist es eben doch nicht zu vermeiden. Zitator: ?Nicht dass man es zum Vergnügen täte, aber der Berufsalltag bringt es mit sich: Übersetzer haben Fragen, Herausgeber von Anthologien brauchen einen Ausschnitt, den man besser selbst herauslöst, man muss eine Veranstaltung vorbereiten, und so nimmt man, in der Sicherheit des verschlossenen Arbeitszimmers, eines der eigenen Bücher aus dem Regal, schlägt es auf und beginnt ? obwohl einen ja keiner sieht ? mit möglichst sachlicher Miene zu lesen. Würde einen jetzt jemand fotografieren, man wäre erpressbar. Schnell steht man auf, kontrolliert noch einmal die Tür, die Vorhänge vor den Fenstern, setzt sich, liest weiter.? Sprecherin: Bereiten sich so die Autoren auf ihre Lesungen vor? Tanja Dückers nickt. Take 15: (Tanja Dückers) ?Ich muss auch sagen, beruhigenderweise, dass ich bei anderen Autoren das auch sehr oft beobachtet habe, dass da lauter Bleistiftkorrekturen zu finden sind. Dann kommt hinzu, dass man oft gebeten wird, aus mehreren Kapiteln kurze Stücke vorzustellen, und das bedeutet sehr, sehr viel Arbeit, weil man natürlich dem Publikum eine irgendwie kohärente Szene vorstellen möchte. Aber das Buch hat ja nun einen anderen Atem, und anderen Lauf, also man muss versuchen soviel wegzulassen, dass man den Nukleus der Geschichte immer noch präsentieren kann, und da habe ich zum Teil richtig so neue Übergänge geschrieben, ohne dass der Leser es merkt. Manchmal sitzt man einem Leser gegenüber, die das Buch schon haben und versuchen mitzulesen, und dann natürlich völlig ins Schleudern geraten. Gleichzeitig macht man bisweilen auch die erschreckende Erfahrung, dass der Nukleus einer Geschichte tatsächlich auch mit einer ganzen Reihe weniger Seiten auch noch funktioniert, also dass doch mehr Dinge entbehrlich sind, als man so dachte, trotz zehn Korrekturgängen oder so, also der Text ist doch nichts Statisches.? Sprecher: Martin Mosebach liest gern vor Publikum. Zuletzt aus seinem Roman Das Beben, dort beschreibt er einen indischen König, er beschreibt eine höchst fragile, zerbrechliche Lebensform, die keine Vitalität mehr besitzt und doch eine faszinierende Wirkung entfalten. Es ist Sprachmagie, die auch seine Hörer erfasst. Beim Vorlesen werden Mängel und Qualitäten deutlich. Für Martin Mosebach ist das Lesen die beste Kontrolle, die er über seinen Text gewinnen kann. Take 16: (Martin Mosebach) ?Erst beim Vorlesen wird vollständig klar, was es mit diesem Text auf sich hat. Es werden auch seine Schwachstellen klar. Es wird sein Rhythmus klar. Um seinen eigenen Text kennenzulernen, empfiehlt es sich, ihn öfters laut vorzulesen.? Sprecher: Eine Erfahrung, die er mit Daniel Kehlmann teilt, der in seinem Essay selbstkritisch auf die eigenen Texte schaut. Zitator: ?Natürlich gibt es da schlechte Stellen, Seiten, die man lieber anders geschrieben hätte, Fehler, bei denen man schon sehr bald nicht versteht, wie sie passieren konnten. Man schüttelt den Kopf. Man schämt sich. Aber es gibt auch gelungene Passagen. Seiten, die einem so gut gefallen, dass man nicht begreift, wie man sie überhaupt hingekriegt hat. Um Gottes Willen, denkt man, ich schaffe das nie wieder! Man legt das Buch weg, fordert sich auf, nicht hysterisch zu sein, liest noch einmal. Und denkt bedrückt: Richtig, das schaffe ich nie mehr. Dann sind da Stellen, auf die keines von beidem zutrifft: Was für den normalen Leser notwendig und fest gefügt aussieht, kommt einem selbst nur noch wie eine notdürftig aufgeräumte Baustelle vor.? Sprecher: Baustelle Text. Für Tanja Dückers ist die Beschäftigung mit ihren Büchern eine unendliche Geschichte. Take 17: (Tanja Dückers) ?Ich bin gar nicht so der Ansicht, dass das Buch tatsächlich so ein fertiges, abgeschlossenes Produkt ist, in dem Moment, wo man es denn vorstellt, weil man dann doch immer wieder die Erfahrung macht, dass sich der Text immer wieder ändert, und ja andere Facetten aufscheinen lässt, wenn man ihn liest. Und auch, wenn man vorher jahrelang daran gearbeitet hat, dann war das ja eine sehr introvertierte Tätigkeit, allein das laut Lesen ist ein anderer Umgang mit dem eigenen Text als das daran Schreiben. Von daher empfinde ich diese Lesung auch immer als eine Art Korrektiv an meinem Text, und ich muss zugeben ? ich gebe es nicht gerne zu, aber es ist einfach wahr ?, dass ich, wenn ich aus meinen Büchern lese, immer Passagen kürze, weglasse, mich über Redundanzen ärgere, über Füllwörter und eigentlich noch nie mit einem Buch von mir, so jedes einzelne Wort betreffend zufrieden war, dass ich überhaupt gar keine Änderung für die Lesung vorgenommen habe.? Sprecherin: Zu Lesungen gehen Leute, die mehr wissen wollen, als zwischen zwei Buchdeckeln steht. Der Argentinier Carlos María Domínguez ist dem Phänomen auf der Spur. In seinem Roman Das Papierhaus wimmelt es von Bibliomanen. Menschen, die selbst nicht schreiben, sondern Bücher wie verrückt lesen oder sammeln. Im Roman trifft eine Literaturdozentin den Antiquar Delgado. Musik ab Mitte des Zitats Zitator: ?Vielleicht wissen Sie ja, dass man beim stillen Lesen die Buchstaben- laute in einer nicht wahrnehmbaren Frequenz aussendet. Eine Lektüre ist also nie stumm, denn die Stimme ist immer ganz leise beteiligt. Sie führt die Zeile aus wie ein Instrument die Partitur, und glauben Sie mir, dieses Lauschen ist genauso wichtig wie das Sehen. Man erschafft einen Ton, eine Melodie aus Worten und Sätzen, und wenn Sie diese mit einer leisen Musik unterlegen, dann entsteht tief innen in Ihrem Trommelfell ein harmonischer Kontrapunkt zwischen Ihrer Stimme und den Klängen aus dem Lautsprecher. Wenn diese nur wenige Dezibel zu laut sind, dann übertönt die Musik Ihre Stimme und bringt den Text zum Schweigen. Oder verzerrt ihn. So kann man schlechte Prosa um einiges aufwerten, indem man ein gutes Konzert dazu hört.? Sprecherin: Sind Leser oft einsam? Sind sie es manchmal leid, ständig Partituren vor der Nase zu haben, die sie selbst zum Klingen bringen müssen? Wächst so der Wunsch, einem Schriftsteller zuzuhören? Dann wäre eine Lesung wie ein Konzertbesuch: Ein Fest für die Sinne! Sprecher: Der Schauspieler Gerd Wameling liest manchmal stellvertretend für Autoren, die längst tot sind oder aus anderen Gründen nicht selbst vorlesen können. Musik: Take 18: (Gerd Wameling) ?Wenn ich ein Buch wie Tod in Venedig lese, dann lese ich es natürlich erst leise und habe eine ganz bestimmte, in diesem Fall wieder- erkennende Stimmung, in die ich gerate. Und dann lese ich es mindestens vier- oder fünfmal laut, und dann entstehen schon ganz andere Dinge, man entdeckt ganz andere Dinge, je mehr man es liest, entdeckt man andere Dinge. Und wenn man es dann auch noch vor Leuten vorliest, also die Live-Lesung ist noch einmal ein ganz gewaltiger Schritt, weil man auf einmal das Bewusstsein hat, man hört auch, was die hören. Ich habe mal kurz aus dem Tod in Venedig bei der Buchmesse in Leipzig gelesen, und das war wirklich äußerst spannend, was dort passierte, also in der Wahrnehmung, weil es war mucksmäuschenstill, und offensichtlich interessierten sich die Leute sehr genau, wie das konstruiert und gebaut war und was da jetzt passierte.? Musik: Take 19: (Gerd Wameling) ?Eine seltsame Ausweitung seines Innern ward ihm ganz überraschend bewusst, eine Art schweifende Unruhe, ein jugendlich durstiges Verlangen in die Ferne. Ein Gefühl so lebhaft so neu oder doch so längst entwöhnt und verlernt, dass er die Hände auf dem Rücken und den Blick am Boden gefesselt stehen blieb, um die Empfindung auf Wesen und Ziel zu prüfen. Es war Reiselust. Nichts weiter. Aber wahrhaft als Anfall auftretend und ins Leidenschaftliche, ja bis zur Sinnestäuschung gesteigert.? Musik: Take 20: (Gerd Wameling) ?Ich habe noch was anderes neulich erlebt, da habe ich im Holocaust- Denkmal einen Text von Elie Wiesel gelesen, den habe ich ja auch so für mich so gelesen und dachte oh, da hat es aber ein Tagebuch über den Tod seines Vaters und dachte mir, das ist aber ein sehr guter schöner Text. Und dann las ich ihn, war viel drum herum, vorher noch hier Organisation, und dann saß ich da, 23.10 Uhr, und las den Text vor ungefähr 60 Leuten, und auf einmal merkte ich, wie bedrückend dieser Text war, wie berührend dieser Text war. Das hatte ich bis zu dem Moment in dem Ausmaß nicht mitbekommen und merkte an den Zuhörern, dass ich einen ganz gewaltigen Text dort in der Hand hab?, obwohl es ? in Anführungsstrichen ? nur eine Biographie war, und die Leute hinterher mit Tränen zu mir kamen und sagten, meine Güte, was ist das für ein Text. Und ich selber dachte das dann auch, und hatte das aber vorher in der Dimension nicht so gesehen.? Sprecher: Von solchen Erfahrungen profitiert auch das Publikum. Sprecherin: Martin Mosebach behandelt seine Zuhörer mit Respekt. Dabei fragt er sich, was die Besucher einer Lesung von einem Autor erwarten. Take 21: (Martin Mosebach) ?Es gibt ja Leute, die gehen gern zu Lesungen und möchten gerne die Stimme des Autors hören und möchten gerne, dass der Autor und seine Person sich mit dem Text irgendwie verbinden, eine Auffassung von seiner Person bekommen. Das sind natürlich, wenn man so will, auch literaturfremde, könnte man zunächst einmal sagen, literaturfremde Wünsche, nun unbedingt das, was der Autor nun so kunstvoll aufgebaut hat, nun wieder zurückzuholen, zurückzuführen auf seine persönlichen Eigenheiten. Aber es ist nicht unbillig, denn so abgehoben vom Leben des Autors kann sein Werk ja letztlich dann niemals sein. Und es ist sicher, kann eine Hilfe sein, den Autor intensiv vorlesend zu erleben, kann ein Schlüssel sein, den Text aufzuschließen, kann auch ein Schlüssel sein, den Text zuzuschließen.? Sprecherin: Manchmal kann eine Lesung für den Besucher auch eine Enttäuschung sein. Take 22: (Martin Mosebach) ?Es kann ein Element hinzukommen, in dieser Persönlichkeit des Autors, das dann abschreckend wirkt, dass man sagt, mit diesem Mann, mit dieser Stimme, mit dieser Art und Weise, wie der das liest, möchte ich nichts zu tun haben. Das ist eine Welt, die widerstrebt mir. Also der Autor kann natürlich, kann auch von seinem Werk abschrecken, das ist klar. Das ist ein Risiko, das besteht eben. Es gibt Leser, die haben sich sozusagen auf einen Autor eingestellt, auf eine literarische Welt, haben sich das vollkommen zueigen gemacht, in ihre eigenen Phantasien einbezogen, für die wirkt die Begegnung dann mit dem Autor wie ein Schock. Unangenehm. Was, so sieht der aus? Von dem habe ich mir jetzt so viel erzählen lassen? Das hätte ich niemals getan, wenn ich den von Anfang an gesehen hätte.? Musik/ Atmo: Literaturforum Chausseestraße Sprecher: Lesungen sind mit Reisen verbunden. Autoren machen sich auf den Weg, um für ein neues Buch zu werben, oder weil es eine Einladung gibt. Katja Lange-Müller und Tanja Dückers erzählen, als wir nach der Lesung im Literaturforum noch etwas zusammen sitzen. Atmo: Literaturforum Chausseestraße Take 23: (Katja Lange-Müller) ?Ich bin ja selbst hin und wieder Lesereisende, und da gibt es eigentlich nur zwei Varianten, die eine heißt Goetheinstitut oder mit vom Verlag verfertigten Reise- und Leseplänen sich durchs Land bewegen. Diese Variante nenne ich irgendwie Unterwegssein wie ein U-Bootmatrose, weil man nichts sieht. Es ist irgendwie absurd, vier Tage in Toronto zu sein und davon nur zwei wirklich in der Stadt, das ist besonders frustrierend, wenn man irgendwo ist, wo man eigentlich gar nicht ist, und in geschlossenen Räumen sitzt und das macht, was man zuhause auch machen könnte, in Glauchau oder Braunschweig oder Leer oder wo auch immer. Und dann gibt es die anderen Reisen, wo man ein bisschen länger weg ist und die dann eben meistens auch mit mehr Arbeit verbunden sind, wo man dann an irgendeiner Uni ist oder ein kurzes Stipendium hat, wo man aber wenigstens weiß, wo man war und manchmal sogar warum.? Atmo: Literaturforum Chausseestraße Take 24: (Tanja Dückers) ?Es ist leider, leider nicht so, wie ich mir das früher immer vorgestellt habe, dass man eine Reise hat, wo man dann erst, sag ich mal, den Norden Deutschlands mit zehn Terminen besucht, und dann NRW und dann den Süden, sondern es ist viel mehr Querfeldein. Ich war teilweise innerhalb von drei Tagen in Kiel, in Warschau und am Bodensee. Es ist geografisch völlig konfus, das hat damit zu tun, das viele Veranstalter bestimmte Reihen haben, zum Beispiel immer nur Sonntags einen Literaturabend oder einmal im Monat, und die können natürlich nicht dann bloß, weil man drei Tage vorher auch in der Region ist, den Termin umlegen. Es zahlt aber einem niemand für drei Nächte ein Hotel, und wenn man dann nicht irgendwie Freunde in der Nähe hat, die man besuchen möchte, dann ist man eben schon wieder acht Stunden im Zug und einen Tag in Berlin und fährt dann wieder los.? Sprecher: Autoren berichten von unsäglichen Unterkünften. Sie beschreiben öde Provinzstädte oder die Service-Wüste Bahn. Wartesäle, Cafés oder Dönerbuden sind beliebte Schauplätze. Viele Bücher berichten davon, dort werden Lesereisen gern zu irrwitzigen Unternehmen stilisiert. Sprecherin: 1999 hat Benjamin von Stuckrad-Barre mit seinem Bericht Livealbum den humorigen Ton vorgegeben. 2003 hat der Deutschrusse Wladimir Kaminer nachgelegt und die Erlebnisse seiner Lesereise zu einem dadaistischen Road-Movie zusammengefügt. Kreuz und quer ist er durch Deutschland gefahren, von Flensburg nach Garmisch, von Görlitz nach Düsseldorf. Zitator: ?Mein Hotel in Baden-Baden trug den stolzen Namen German Romantik Hotel Kleiner Prinz. Frau Effen, die Vorsitzende der Turgenew- Gesellschaft, rief sofort an, als ich das Zimmer betrat. ?In Ihrem Buch haben Sie darüber geschrieben, wie Antoine de Saint-Exupéry das Flugzeug von Joseph Beuys abgeschossen hat. Deswegen haben wir für Sie ein Zimmer im Kleinen Prinzen gebucht?, erklärte sie mir am Telefon. ?Wie finden Sie das??? Sprecher: Es wurde schick, launige Episoden zum Besten zu geben. Tanja Dückers hält sich trotzdem zurück. Take 25: (Tanja Dückers) ?Ich kann das natürlich zum Teil verstehen, weil man absolut skurrile Erfahrungen macht, und ich kann auch den Impuls verstehen, weil es ja auch wirklich anstrengend ist und so über Monate und man auch das sich mal von der Seele schreiben muss. Ich habe es selber aber nie gemacht, weil ich es ehrlich gesagt für literarische Trittbrettfahrerei halte, also ich käme mir einfach etwas faul vor, wenn ich das täte. Und außerdem steckt da natürlich ein Gedanke hinter, der mir dann nicht ganz so sympathisch ist, nämlich dass man irgendwie dem Publikum überlegen sei, und dafür gibt es eigentlich keinen Grund, das anzunehmen. Also diese Pass-Pro- Toto-Rechnungen, weil drei Leute mir saudoofe Fragen stellen, was auch wirklich oft der Fall ist, deshalb sind aber nicht achtzig Leute blöd.? Sprecher: Bücher über Lesereisen gehören zum Trivialgenre wie Arztromane oder Heimatgeschichten. Es liest sich flott, aber man erfährt wenig über Literatur. Es geht um die Begleitumstände. Die Lesereise wird zu einer kuriosen Unternehmung, der man sich aussetzt, um später ein paar wohlfeile Scherze zu Papier zu bringen. Man könnte fast glauben, dass Dichter und Publikum sich in Hassliebe nähern und Veranstalter von Lesungen schrullige Idealisten sind, die einen skurrilen Wanderzirkus am Laufen halten. Sprecherin: In dem Buch Auf Lesereise. Was unterwegs alles schief gehen kann sind über 40 Autoren versammelt. Auch hier will man lustig sein und über Dinge reden, die sonst nur unter vorgehaltener Hand zur Sprache kommen. Etwa wenn es um den Alkohol geht, von dem Verleger Klaus Bittermann erzählt. Take 26: (Klaus Bittermann) ?Ich habe ja ein Buch gemacht über Lesereisen, da stehen zumindest zwei Geschichten drin, wo einer wegen übermäßigen Alkoholkonsums schon vor der Lesung von der Bühne fiel. Und der andere direkt anschließend ins Koma.? Musik/ Atmo: Club der letzten Gerechten Sprecherin: Klaus Bittermann ist nicht nur Verleger, er schreibt auch selbst und lädt regelmäßig zu Lesungen ein. Früher fand sein Club der letzten Gerechten im Roten Salon in der Ost-Berliner Volksbühne statt, jetzt ist er mit seinen Club nach Kreuzberg gezogen. Sprecher: Der Kreuzberger Festsaal hat schon ganz andere Gäste gesehen. Ein paar Schritte vom Kottbusser Tor haben seit Anfang des letzten Jahrhunderts Kreuzberger Kiezbewohner ihre Feste gefeiert. Heute kommt alternatives Publikum, es lernt Tango tanzen, besucht Lifekonzerte oder geht zur Lesung in den Club der letzten Gerechten. Take 27: (Klaus Bittermann) ?Ich mache jetzt alle zwei Wochen diesen Club der letzten Gerechten hier im Festsaal. Ein Konzept, das ist eigentlich relativ einfach, das ist nämlich meinem eigenen Geschmack und meiner eigenen Willkür geschuldet, wen ich einlade. Und das heißt, ich hatte ja auch schon Harry Rowohlt zu Gast oder Fanni van Dannen, das sind natürlich immer andere Leute, die da kommen.? Sprecherin: Heute liest Sir Jan Off. Als ausgewiesener Slam-Poet reist er durch die Lande. Die Trash-Legende ist nun 40 Jahre alt. Er beschreibt sich selbst als Minigolfprofi, Hobbyastronaut und Sonderbotschafter des Vereins Rettet die Hausfrauenlyrik. Take 28: (Jan Off) ?Von mir Auszüge aus Vorkriegsjugend, da geht es um Punkrock in den 80er Jahren, auch das Leben als Punkrocker in Deutschland in den 80er Jahren, und dann mische ich das mit etwas neueren und älteren Kurzgeschichten mit den üblichen Themen Sex, Geschlechtsverkehr und Koitus.? Sprecherin: Vorn an der Bar haben es sich Kumpels von Sir Off gemütlich gemacht und trinken Bier. Atmo/Take 29: (Freund von Jan Off) ?Ja, na ja, ich lebe ja in den Geschichten mit, und von daher hat man da einen direkten Bezug zu, dann ist das mal wieder etwas ganz was anderes. Weil durch Jan habe ich halt auch viele Leute kennengelernt?? (blenden) Sprecherin: Als Zugabe gibt?s einen Text über Berlin. Musik/Atmo Club der letzten Gerechten Take 30: (Jan Off) ?Gerade als wir damit begonnen haben, das Nahrungsimitat von einer Seite des Tellers zur anderen zu schieben, tippt mir der Reiseleiter auf die Schulter. Wir müssten weiter, raunt er, im Café Prora würde ein wasch- echter Russe an den Plattentellern stehen, einer, der sich die Füße nicht wäscht und der Kontakte zur Mafia unterhält. Mit ein wenig Glück könnten wir beim Karaoke eines seiner Bücher gewinnen, denn der Spätaussiedler schreibt auch Bestseller. Leider ist er schon gegangen, wohl ein Sponsorentermin. Stattdessen lungert allerlei zwielichtiges Gesindel herum, ein Kesser Vater mit Ohrringen groß wie Avocados wird mit einer Intensität umworben, wie sie sonst nur in Flugzeugen zu finden ist, wenn ein zweites Triebwerk sich gerade verabschiedet hat.? Atmo: Club der letzten Gerechten Take 31: (Jan Off) ?Es ist schon eine klassische Lesung. Ich mache weder Gymnastik oder sonst noch etwas. Allerdings ist es auch nicht ein reines Vorlesen, also ich lese nicht so vor, wie ich meinen Kindern etwas vorlesen würde, sondern ich überlege mir natürlich erst einmal, welchen Ausschnitt lese ich vor, welche sind überhaupt lesungskompatibel oder welche Kapitel aus einem Roman. Und dann übe ich auch, weil das Vorlesen gar nicht so einfach ist, zumindest für mich, wie man das gemeinhin denken sollte. Also ich muss so einen Text mindestens zehn, fünfzehn Mal zuhause lesen für mich, und dann am besten noch zehn, fünfzehn Mal auf der Bühne, bevor er dann wirklich sitzt, und ich das Gefühl habe, ich kann den jetzt in Ruhe zum Besten geben.? Sprecherin: Jan Off kennt alle Höhen und Tiefen einer Lesereise. Skurrile Szenen sind im nicht fremd, im Gegenteil, er provoziert sie selbst und setzt alles daran, sein Publikum bei Laune zu halten. Obwohl es auch bei ihm die Angst vorm Scheitern gibt. Take 32: (Jan Off ) ?Es könnte ja passieren, dass mir zum Bespiel die Stimme versagt und ich kein Wort mehr rausbekomme, oder ähnlich Abstruses. Oder, die Menge könnte gewalttätig werden und versuchen, meinen Kollegen Klaus Bittermann vom Pult zu ziehen. Was mache ich dann? Muss ich da eingreifen? Ist es noch Zivilcourage oder kann ich ihm ein Taxi bestellen? Also da gibt es sehr viel, was schief gehen kann. Und je mehr Lesungen man macht, desto besser weiß man auch Bescheid, über das was schief gehen kann, also steigt auch die Angst.? Sprecher: Die Angst ist auch gespielt. Jan Off hat längst Routine. Sein Kreuzberger Auftritt ist ein Heimspiel vor vertrautem Publikum. Jan Off macht sich über den Literaturbetrieb lustig und über Klaus Bittermann, der ihn nach Kreuzberg geholt hat. Und der spricht nun vom Geld. Take 33: (Klaus Bittermann) ?Es wird immer wichtiger, dass die Autoren auch auf Lesereise gehen, also ohne wird es schon sehr schwierig, Bücher unter die Leute zu bringen. Es ist einfach ein wichtiges Mittel, weil die Leute das auch so wollen, ja das vorgelesen kriegen. Vielleicht, weil sie zu faul sind, das selber zu lesen. Wer weiß? Also das ist schon auch für die Autoren natürlich wichtig, dass ein großer Teil ihres Einkommens über Lesungen bestritten wird. Und für den Verleger ist es wichtig, weil sich darüber noch am ehesten Bücher verkaufen, die ansonsten halt einfach nur in den Buchhandlungen liegen und darauf warten, dass sie von irgend jemanden mitgenommen werden.? Sprecherin: Auch Jan Ott gibt offen Auskunft. Take 34: (Jan Off) ?Bei mir ist das so, ich würde sagen, dass drei Fünftel meiner Einnahmen sogar über Lesungen laufen. Also die Gagen und auch die Bücher, die ich da dann noch verkaufe, was man ja eigentlich gar nicht darf. Ich verkaufe auch nicht wirklich, ich verschenke die eigentlich immer nur und lasse mir dann eine Spende geben. Und natürlich, wenn die Lesung denn gut war und die Leute ein paar Bücher gekauft haben, dann verbreitet sich das, dann zieht das Kreise, das macht sich schon bemerkbar. Aber ohne Lesung könnte ich gar nicht existieren, da müsste ich mir noch einen richtigen Job suchen.? Sprecher: Auch Schriftsteller müssen Geld verdienen. Es ist ein wichtiger Grund, weshalb sie durch die Lande ziehen. In den launigen Büchern über die Lesenreisen ist das Thema weitgehend Tabu. Die alte Regel gilt: Über Geld spricht man nicht und man tut oft souveräner als man ist, was Katja Lange-Müller ärgert. Atmo: Literaturforum Take 35: (Katja Lange-Müller) ?Es ist nicht nur eine Attitüde, es ist auch noch scheinheilig, weil wir leben ja nicht von den Erlösen von unseren Buchverkäufen, sondern wir leben von diesen mehr oder weniger leidenschaftlich bestrittenen Lesungen. Und von den Lesungen müssen wir ja nichts abgeben, das ist das einzige Honorar, was dem Autor vollständig gehört. Diese ernähren uns, jedenfalls weitaus mehr als 10 Prozent des Buchpreises, von dem wir dann die Hälfte auch noch versteuern müssen, also das ist jetzt nicht der Bringer.? Musik/Atmo: Literaturforum Take 36: (Tanja Dückers) ?Ich finde es etwas absurd, wenn ein Autor sich über Leute lustig macht, die zu seiner Lesung kommen, also ich finde das ehrlich gesagt so ein bisschen undankbar, einerseits Geld zu kassieren und die ganze Werbung, die für einen gemacht wird, das mitzunehmen, aber dann sich über die Leute lustig zu machen, zumal man ja meistens sich freut, wenn eine Lesung gut besucht ist. Und dann muss man die Leute, die kommen, auch so nehmen, wie sie sind, also da kann man nicht noch sagen: Ich will, dass es voll ist, aber es sollen andere Leute sein.? Musik: Take 37: (Tanja Dückers) ?Ich habe auch Respekt davor, dass Leute abends sich nicht vor die Glotze setzen oder in den Biergarten, sondern ihren Abend bei mir verbringen, und sich dafür entscheiden haben und dafür meist auch noch Geld ausgeben. Und erstmal finde ich, das ist schon mein Arbeitsethos, dass ich mir Mühe gebe, denen einen interessanten schönen Abend zu bereiten, dafür werde ich ja auch bezahlt, dass ich mir Mühe gebe und nicht wie manche das machen, da so kurz wie möglich lesen, dann sage, bloß keine Fragen und dann sofort ins Hotel abzischen.? Atmo/Take 38: (Loriot) ?Musik Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum zweiten Mal in diesem Jahr haben wir uns zu einer Veranstaltung unseres kleinen Kulturkreises zusammengefunden. Huster. Der heutige Nachmittag ist der Gegenwartsliteratur gewidmet. Es ist ein großes Glück, dass sich der bedeutendste Vertreter, lebende Vertreter, der bedeutendste, lebendste, also noch lebendige Vertreter moderner Lyrik bereitgefunden hat, hier bei uns aus seinem Werk zu lesen. Ein Mann, der Literaturgeschichte gemacht hat, ein Name, der rund um den Erdball zum Begriff geworden ist. Lothar Frohlein ? Frohwein ? äh Frohwein. Klatschen? Musik: Take 39: (Tanja Dückers) ?Ich bin immer doch auch erstaunt, wenn ich so durch die Republik reise, dass so das, wie soll ich sagen, das Klischee oder die Bilderbuchvor- stellung von der netten altertümlichen Buchhandlung, in der es nach Tabak riecht und vielen alten Büchern, also viele Buchhandlungen sind immer noch so und haben dann auch ihr betagtes Stammpublikum und so weiter. Aber ich finde das eigentlich eher schön.? Sprecher: Vor allem in der Provinz spürt Tanja Dückers noch die Begeisterung. Bei einer Lesung ist manchmal die ganze Stadt auf den Beinen. Take 40: (Tanja Dückers) ?Nichts ist einfacher als dieser Gestus, ja, ach und das sind ja Provinzler und das sind Spießer und das sind Bücherwürmer, also da macht man es sich sehr einfach. Und das ist nicht eine Haltung, die mir sympathisch ist oder die ich einnehmen möchte. Erst mal ist man auch in irgendeiner Form ein Klischee, also kann ich ja vielleicht auch versuchen, nicht andere gleich in Hausfrau, oder Bücherwurm oder verstaubte Buchhänd- lerin einzusortieren. Wenn ich finde, dass sich jemand so ein bisschen einem vielleicht Klischee entsprechend verhält, dann überfällt mich eher oft so etwas wie Rührung oder ein Mitleid, oder Nachsicht. Ja also, wenn man dann in so einer Buchhandlung sitzt und ein Publikum hat, was dann wirklich dem entspricht, wie man sich so ein gutbürgerliches betagtes Publikum vorstellt, dann löst das eben eher Rührung als Spott in mir aus.? Sprecher: Jan Off liest auch gern in der Provinz. Musik/ Atmo: Club der letzten Gerechten Take 41: (Jan Off) ?Ich stelle fest, dass die Leute dankbar sind, dass man also überhaupt schon mal erschienen ist, also dass man sich aufgemacht hat ins trübe, dunkle, trostlose, weite Land ja, und deshalb ist die Bereitschaft natürlich auch sich zu segnen und begeistern zu lassen viel größer.? Sprecherin: Provinz: Das Wort klingt gleich sympathischer, wenn man es nicht geografisch sieht. Die geistige Provinz gehört zum humanistischen Ideal der Goethezeit und genießt noch immer einen guten Ruf. Und was ist heute noch Stadt und Land? Da kann ein Berliner Kiez weitaus provinzieller sein als der letzte Winkel in der Oberpfalz. Atmo: Club der letzten Gerechten Take 42: (Klaus Bittermann) ?Also ich war vor kurzen in Sulzbach-Rosenberg, das ist ein kleines Dorf in der Nähe von Amberg mit ungefähr 20.000 Einwohnern, schätze ich mal. Da gibt es einen Buchhändler, der auf eine kleine aber sehr feine Punkszene zurückgreifen kann von ungefähr 120 Leuten. Da liest man, und da sind 50, 60 Leute da, das ist unglaublich. Und die sind alle total jung, es gibt da keine Universität, und da war jemand, der war noch keine 16 gewesen, und so ziemlich das jüngste Publikum, vor dem ich jemals gelesen habe.? Sprecherin: Klaus Bittermann war in einer Buchhandlung in der Oberpfalz. Sein Kollege Jan Weiler ist 2006 kreuz und quer durch Deutschland gefahren: nach Itzehoe, Vellmar und Grevenbroich, nach Tübingen, Starnberg und in ein paar Großstädte im Osten der Republik. So entstand das Buch: In meinem kleinen Land. Sprecher: Auf den 350 Seiten steht nichts über Literatur, dafür lernt man all die Orte kennen, in denen Lesungen stattfinden können. Das sind nicht nur Buchhandlungen und Bibliotheken, auch in Einkaufspassagen und Krankenstationen, und in Messe- und Turbinenhallen werden Tisch und Stühle aufgestellt. Kleinere Lesungen sind in biederen Cafés, trendigen Clubs oder schummrigen Bars zuhause. Schlösser, Sparkassen, Gewächshäuser und Hallenschwimmbäder mit maroden wasserlosen Becken kommen als eventfähige Veranstaltungsort infrage. Gefängnisse Trinker- und Altenheime stehen bei Weiler nicht auf der Liste, doch auch dort wird gelesen. Sprecherin: Lesungen finden inzwischen überall statt. Oft sind es unwirtliche Orte, die Martin Mosebach für eine Zumutung hält. Take 43: (Martin Mosebach) ?Für eine gute Lesung, da braucht es viel, das kann nicht in jedem Raum stattfinden. Es passiert ja nix bei einer Lesung. Es ist schwer, die Spannung zu halten. Ein Mensch sitzt oder steht vorne an einem Pult, rührt sich nicht und liest, da muss man nur hören, man sieht kein Theaterstück, man sieht keinen Film, man sieht immer nur diesen einen Menschen. Und dann muss das Licht stimmen, es muss die Akustik, immer diese ewige Sehnsucht nach perfekter Akustik, die wirklich die Stimme dem Autor erlaubt, mühelos, nicht forciert zu sprechen und trotzdem überall sehr gut hörbar zu sein. Nichts ist qualvoller für die Menschen, als eine halbe Stunde irgendwo zu sitzen oder eine Stunde und immer nur so dreiviertel des Textes mitzubekommen.? Musik: Take 44: (Martin Mosebach) ?Man müsste, glaube ich, all die alten kleinen Vorlesungssäle der alten Universitäten sich zum Vorbild nehmen, die ein kleines Amphitheater bilden, rund um ein Katheder herum, in einer guten Proportion, eben zum Gesamtraum steht, sich nicht verliert. Vorlesen ist auch eine Sache, die sich immer in einem etwas kleineren Rahmen am besten abspielt, vor tausend Leuten vorzulesen ist an sich ein Unding. Es ist irgendwo noch eine Sache, das Lesen, was in den Raum gehört, in den Wohnraum, in den Salon, früher der Literarische Salon, in dem die Leute sich vorge- lesen haben. Es ist eine intime Sache, es ist eine persönliche Sache.? Sprecherin: Herkömmliche Lesungen sind mit anderen Events kaum vergleichbar. Entsprechende Anleihen sind meist peinlich. Atmo: Club der letzten Gerechten Take 45: (Jan Off) ?Ich kann mich spontan erinnern an eine Lesung in Berlin, das war so ein Dichterwettkampf im Boxring, es hieß auch irgendwie so ähnlich. Da hatten sie so richtig einen Boxring aufgebaut, und da saß einer im Publikum, ich glaube es war Sascha Anderson, der rief bei meinem Auftritt die ganze Zeit ja, ja, ja, das war so das Enervierendste, was ich jemals erlebt habe.? Sprecherin: Was ist schon eine Lesung gegen ein Fußballspiel? Natürlich gibt es Großevents. Das Kölner Literaturfest Lit-Cologne ist der Beweis, das auch Literatur eventfähig ist. Bei Großveranstaltungen hören manchmal mehrere tausend Leute den Schriftstellern zu. 60 000 Menschen sind 2007 gekommen. Und auf der Leipzig Buchmesse treffen sich Jahr für Jahr eine viertel Millionen Menschen, um 1500 Autoren zuzuhören. Sprecher: Schreibende Superstars ? oft aus angelsächsischen Ländern ? werden von den Verlagen auf Promotiontour geschickt. Sie treten in zwei, drei Großstädten auf, um ihr neustes Buch an den Mann zu bringen. Manche kommen ganz ohne Lesung aus, sie sind damit beschäftigt, ihre Bücher zu signieren. Musik: Sprecherin: Ist Literatur eventfähig? Wahrscheinlich schon, zumal klassische Lesungen manchmal dazu neigen, etwas dröge zu sein. Nichts ist schlimmer als lähmende Langeweile. Wilhelm Genazino fürchtet den Blick ins Publikum, wenn der berühmte Funke nicht überspringt. Take 46: (Wilhelm Genazino) ?Man sieht auch eingeschlafene Männer, die dann plötzlich von ihrer Frau einen Rippenstoß kriegen und dann schrecken sie so hoch und das ist natürlich auch sehr eigenartig und auch peinlich. Es erzeugt auch Druck, weil man denkt, ja gut, also man hat es nicht geschafft, diesen oder jenen also wirklich zu erreichen.? Take 47: (Loriot) ?Melusine. Schluckauf, Rascheln, Schluckauf, Schluckauf, Rascheln ? Gehört das zum Vortrag? ? Mir hilft da immer ein Stück Zucker. ? Er sollte einfach die Luft anhalten. ? Was meinen Sie? ? Oder erschrecken. Man müsste ihn erschrecken, oder etwas fragen, was ihn ablenkt. ? Psst!? Musik: Sprecher: Taubgrüner Ginst am Musenhain. Schriftsteller auf Lesereise. Sie hörten eine Sendung von Adolf Stock. Sprecher: Regie: Ton: Redaktion: Dorothea Westphal Take 48: (Loriot) ?Schluckauf. Entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche. ? Heinrich! ? Schluckauf ? Was haben Sie gestern Abend gegessen? ? Äh, Kohlrabi, gedünsteter Kohlrabi mit Fischstäbchen und Remouladensoße. Rascheln.? Musik: Take 49: (Loriot) ?Melusine. Krawehl, Krawehl! Taubgrüner Ginst am Musenhain. Trübtauber Hain am Musenginst. Krawehl, Krawehl!? Musik: Literatur: Klaus Bittermann (Hg.): Auf Lesereise. Was unterwegs alles schief gehen kann. Wahre Geschichten. Berlin (Edition TIAMAT) 2004 Carlos María Domínguez: Das Papierhaus. Frankfurt am Main (Eichborn Verlag) 2004 (12 Zeilen) Tanja Dückers: Morgen nach Utopia. Berlin (Aufbau Verlag) 2007 Daniel Kehlmann: Wo ist Carlos Montúfar? Über Bücher. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt Verlag) 2005 (29 Zeilen) Benjamin von Stuckrad-Barre: Livealbum. Köln (Kiepenheuer & Witsch) 1999 (7 Zeilen) Volker Weidermann: Lichtjahre. Eine kurze Geschichte der deutschen Literatur von 1945 bis heute. Köln (Kiepenheuer & Witsch) 2006 (18 Zeilen) Medien: Loriot: Pappa ante Portas (3.00 Min.) Gerd Wameling liest Thomas Mann: Der Tod in Venedig. Berlin (Argon Verlag) 2006 (1.00 Min.) Links: Klaus Bittermann www.edition-tiamat.de Tanja Dückers www.tanjadueckers.de Sir Jan-Off www.jan-off.org Liste Atmo Lesereise Atmo 01 Club der letzten Gerechten, Korken knallt Atmo 02 Club der letzten Gerechten, Bittermann stellt Jan Off vor Atmo 03 Club der letzten Gerechten, Gespräche im Publikum Atmo 04 Club der letzten Gerechten, Musik Hintergrund Publikum Atmo 05 Lesung, Gespräche im Publikum Atmo 06 Club der letzten Gerechten, Musik (gut!) Atmo 07 Club der letzten Gerechten, Musik, Erläuterungen Atmo 08 Club der letzten Gerechten, Musik, Bittermann erzählt im Hintergrund (gut!) Atmo 09 Hessische Landesvertretung, Buffet, Geschirr klappert Atmo 10 Hessische Landesvertretung, Lesung, Publikum 1