COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur "Nachspiel" FASZINATION UND TÖDLICHES RISIKO Ein Jahr der großen Bergunfälle von Ernst Vogt und Andrea Zinnecker MUSIKAKZENT (gesamt 0'27, freistehend 0'03) LC 1421, take 8 "Libra", Tony Fernandez & Rick Wakeman, Komposition ebenfalls Tony Fernandez & Rick Wakeman, Bellaphon Records. E: Es sollte eine Bergtour zu einem der prominentesten Gipfel der bayerischen Alpen werden - zum Watzmann in den Berchtesgadener Alpen, zu diesem mythen- umrankten Berg mit grandioser Aussicht. A: Doch es kam anders als gedacht: Die Gruppe von fünf Studenten im Alter von 21 bis 27 Jahren aus Ulm und Hannover steckte auf dem felsigen Watzmann-Grat in einem Schneesturm fest. E: Die drei Frauen und zwei Männer konnten weder vor noch zurück. Sie waren am Ende ihrer Kräfte. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit, setzten sie an diesem 10. Oktober 2012 per Handy einen Notruf ab. 1.Zuspielung: 0'18 Zunächst da ist die Meldung gekommen: 5 Personen am Watzmanngrat, zu einer Jahreszeit und bei Wetterverhältnissen, wo man gar nicht daran denkt, das waren schlechteste Verhältnisse, Regen, ab 2500 Schneefälle, also zunächst haben wir es gar nicht glauben können, dass da jemand unterwegs ist. E: Selbst einige Wochen nach diesem Hilferuf schüttelt Einsatzleiter Alois Resch von der Bergwacht Ramsau noch immer ungläubig den Kopf. Das Unwetter war nicht aus heiterem Himmel gekommen, es war vorhergesagt in allen Wetterberichten. So auch von der Alpinen Wetterdienststelle Innsbruck. Deren Leiter Manfred Bauer erinnert sich. 2. Zuspielung: 0'28 Die Prognosen waren entsprechend ungünstig für Unternehmungen im Gebirge, speziell in exponierten höheren Lagen, länger anhaltende Niederschläge waren vorhegesagt und sie kamen auch, es wurde auch noch kälter, die Schneefallgrenze sank auf rund 2000 Meter, dort hatte es nur noch 2 Grad und es kam mäßiger Nordwestwind dazu, man kann also durchaus sagen, dass man bei so einem Wetter, dass in der Prognose auch noch angekündigt war, am Watzmann nichts zu suchen hat. A: Der 10. Oktober ist für die Überschreitung des Watzmann-Grates schon äußerst spät im Jahr. Drei Gipfel gilt es zu überschreiten: das Hocheck, 2.651 m hoch, sowie die Mittelspitze und die Südspitze, beide knapp über 2.700 m hoch. E: Objektiv sprachen zwei Dinge gegen diese lange und schwierige Tour: A: Erstens: Im Oktober bricht die Nacht bereits früh herein, zu früh, um die in der Regel auf mindestens 12 Stunden angelegte Bergtour gefahrlos bei Tageslicht zu Ende führen zu können. E: Zweitens: Für die heikle Überwindung des schmalen, vier Kilometer langen Grates, der auch Kletterkönnen verlangt, braucht man stabiles Schönwetter. Doch die Vorhersage ließ alles andere als gute Verhältnisse erwarten. 3. Zuspielung: 0'08 Schlechte Sicht, Schneefall, Wind kam dazu, also denkbar ungünstig, solche Überschreitungen muss man sich eigentlich für die schönsten Tage im Jahr aufbehalten. A: Dazu kommt, dass die Watzmann-Überschreitung eine Art Gesellenstück für ambitionierte Bergsteiger ist. Die Überschreitung gilt als Tour mit großem Renommée, die einem in alpinen Kreisen viel Respekt einbringt. Rudi Fendt, der Leiter der Bergwacht-Bereitschaft Ramsau: 4. Zuspielung: 0'25 Das ist eine fantastische Tour, nicht zuletzt von vielen Leuten begehrt und beleibt, sie wird nur häufig unterschätzt auf Grund ihrer Länge, der Ausgesetztheit, man muss ein sicherer Bergsteiger sein, man sollte auf alle Fälle Erfahrung haben mit längeren Bergtouren, man sollte Schwindelfrei sein und muss sich in schwierigem Gelände sicher bewegen können. E: All dies ging Alois Resch durch den Kopf, als er den Notruf der fünf jungen Alpinisten übermittelt bekam. Er wusste: Jede Minute zählt, kann über Tod oder Leben entscheiden. Jetzt nur keine Zeit verlieren. Alois Resch, der selbst acht Jahre lang an der Spitze der Bergwacht Ramsau gestanden war, handelte rasch. A: Eines war schnell geklärt: Eine Rettung per Hubschrauber - wie sie häufig praktiziert wird - kam an diesem 10. Oktober nicht in Frage. Das Wetter war viel zu schlecht, am Watzmanngrat schneite es heftig, die Sicht reichte für einen Hubschrauberflug nicht aus. 5. Zuspielung: 0'22 Bei diesen Verhältnissen - ab 2.500 Metern war Neuschnee, es war alles vereist, die Seilsicherungen dort oben waren zum Teil unter Schnee begraben, alle ist glitschig und die haben nicht einmal Handschuhe dabei gehabt. Wir haben dann mit denen telefoniert, eines der Mädel hat gesagt "bitte, bitte, holen Sie uns raus, wir erfrieren, wir haben keine Handschuhe". A: Schnell war klar, dass die fünf Alpinisten wenig Bergerfahrung hatten. Für eines der Mädchen, war es erst die zweite alpine Tour in ihrem Leben. E: Es wäre beinahe die letzte gewesen. Denn die Gruppe war konditionell nicht in der Verfassung, die Überschreitung des Watzmann in der üblichen Zeit von 12 Stunden zu meistern. Im Gegenteil: Sie war nach Einschätzung des Einsatzleiters äußerst langsam unterwegs gewesen. 6. Zuspielung: 0'11 Vom Tal aufs Watzmann-Haus sechs Stunden, was man in drei Stunden locker geht. Das waren dann nochmal sieben Stunden bis zur Mittelspitze, die hätten also locker 18 Stunden gebraucht. A: Als die Gruppe um drei Uhr morgens aufgebrochen war, hatte es im Tal bereits geregnet. Weiter oben in der Höhe sah das Wetter noch schlechter aus. E: Rudi Fendt, der Leiter der Bergwacht-Bereitschaft Ramsau findet klare Worte. Kein Zweifel: Die fünf Alpinisten haben sich durch ihr Verhalten selbst in eine lebensbedrohliche Lage gebracht. 7. Zuspielung: 0'18 Sie wären nicht in der Lage gewesen, wieder zurückzugehen. Sie waren schon so weit gegangen als sich die Verhältnisse so verschlechtert haben, eisig und der Schnee, dass die gar nicht mehr zurück gekonnt hätten - also Umkehrschluss: Ohne Handy-Verbindung hätte es ganz schlecht ausgeschaut. A: Dabei ist der Watzmann-Grat, was den Handy-Empfang betrifft, keinesfalls ein sicheres Terrain. Die Bayerische Bergwacht hat die Erfahrung gemacht, dass dort häufig ein oder zwei Meter über den Empfang entscheiden. E: Alois Resch leitet den Einsatz mit großer Umsicht und Präzision. 38 Bergwacht- Mitglieder, darunter zwei Ärzte, hat er mobilisieren können. Sie alle klettern in dieser eiskalten Nacht auf den Watzmann hinauf. A: Mit dabei haben sie umfangreiche Ausrüstung wie Arztrucksäcke, Biwakmaterial, Zelte, Ersatzkleidung, Lampen und Gaskocher. E: Die in Bergnot geratene Gruppe war insgesamt 13 Stunden lang unterwegs gewesen. Die Retter aus der Ramsau waren um ein Vielfaches schneller. 8. Zuspielung: 0'38 Die ersten Helfer waren nach drei Stunden schon vor Ort, eine superschnelle Zeit, und dann hat man nach und nach noch weitere Kräfte alarmiert. von den Nachbarbereitschaften, mit Ausrüstung für die ganze Nacht, mit Beleuchtung, mit Wärmepackungen. Man hat zum Beispiel in diese Not-Hütte einen kleinen Gasofen mit hinauf genommen, denn Essen braucht man dann auch, eine warme Suppe speziell für die Unterkühlten, die wird dann noch schnell an der Tankstelle gekauft und mit eine Kocher oben warm gemacht. Ein Mann hat sich nur ums Kochen gekümmert, um die Nacht überstehen zu können. E: Die Retter mussten bei beinahe arktischen Verhältnissen aufsteigen: Neuschnee, vereiste Felsen, schlechte Sicht und Minusgrade. Doch sie wussten von ihrem Einsatzleiter im Tal: Es geht um Leben oder Tod. 9. Zuspielung: 0'14 Bei den drei Mädels war es ziemlich knapp, eine halbe Stunde später wären einige schon nicht mehr am Leben gewesen. Sie waren sehr unterkühlt und der Kreislauf war ganz unten, also es war wirklich 5 vor 12, dass wir da noch rechtzeitig hingekommen sind. E: Die fünf Bergsteiger saßen in einer Falle. Wegen der zweistelligen Minusgrade, die in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober auf 2.700 m Höhe geherrscht hatten, hätten sie die Nacht nicht überlebt. A: Doch auch für die Ramsauer Bergwacht war der Rettungseinsatz keine Routine. Rudi Fendt, der die Gruppe leitet, stuft das Gefahrenpotential ziemlich hoch ein. 10. Zuspielung: 0'25 Auf einer Skala von 1 bis zehn ungefähr bei 10,5. Ein Hubschrauber war völlig außer Diskussion Es mussten 230 Meter Fixseile verbaut werden zur Sicherung der Bergretter, die ausgebildet sind und das ganze Jahr über in den Bergen unterwegs sind. Auf der einen Seite geht's 1600 m runter, auf der der anderen 1800 Meter. E: Der Weg ist manchmal nur einen halben Meter breit. Für den Einsatzleiter wurde die Rettung zu einem Wettlauf mit der Zeit. Die fünf festsitzenden Alpinisten wurden an den neu verlegten Sicherungsseilen eingehängt. Damit waren sie vor einem Absturz in die Steilwände des Watzmanns gesichert. A: Die beiden Männer wurden über den vereisten Grat geführt und konnten in Begleitung ihrer Retter zum Watzmann-Haus absteigen. Dieses Schutzhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits geschlossen, aber der noch anwesende Wirt nahm die gestrandeten Bergsteiger auf. 11. Zuspielung: 0'13 Die drei Mädels hat man in ein Notbiwak gepackt, in Schlafsäcke und hat sie erwärmt. Nach ein paar Stunden waren sie so weit, dass man sie an der Seilsicherung hat rüberführen können bis zum Hocheck. E: Die Fotos, die diese Rettungsaktion dokumentieren zeigen aschfahle Gesichter, in denen Angst und Schrecken zu lesen sind. Zum Glück konnten die Frauen und ein Teil der Bergwachtmannschaft die Nacht in der Unterstandshütte am Gipfel des Hocheck verbringen. Die vor einigen Jahren vor dem Abbruch bewahrte Hütte rettete ihr Leben. A: Erst am Morgen danach konnten die drei Studentinnen zum Watzmann-Haus auf 1928 Meter hinuntergebracht werden. Dank eines kurzen Schönwetterfensters gelang es, die fünf gescheiterten Alpinisten per Hubschrauber ins Tal zu fliegen. E: Sie wurden im Kreiskrankenhaus Berchtesgaden ärztlich untersucht, konnten aber ohne bleibende Schäden noch am selben Tag nach Hause zurückkehren. Die 38 Bergwachtler aus Ramsau haben mit nachbarschaftlicher Hilfe aus Marktschellenberg und Berchtesgaden ganze Arbeit geleistet. Alois Resch, der den 20-stündigen Einsatz vom Spätnachmittag bis zum Mittag des darauffolgenden Tages geleitet hatte, resümiert: 12. Zuspielung: 0'16 Am Tag danach haben sie schon danke gesagt, aber gut, das war's dann. Der größte Dank und die größte Freude für uns ist: Man hat einem helfen können, das Leben retten können und die ganze Aktion ist so gut ausgegangen. MUSIKAKZENT (gesamt 1'09, freistehend 0'06) LC 1421, take 8 "Libra", Tony Fernandez & Rick Wakeman, Komposition ebenfalls Tony Fernandez & Rick Wakeman, Bellaphon Records. A: Es war ein Abstieg in den Tod. E: Am 4010 Meter hohen Lagginhorn im Wallis, Anfang Juli. A: Bei bestem Wetter brechen sechs Deutsche aus Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz frühmorgens von der Weissmieshütte auf zum Gipfel. E: Zwei Väter mit ihren vier Kindern im Alter zwischen 14 und 20 Jahren. A: Die Gruppe ist gut ausgerüstet, gut trainiert und durchaus bergerfahren. Kurz vor dem Gipfel erleidet einer der beiden Väter einen Schwächeanfall und bleibt zurück. E: Die anderen Fünf erreichen auf dem Normalweg über die Westflanke am späten Vormittag den Gipfel. Das Lagginhorn gilt als leichter Viertausender und ist beliebt, weil für den Aufstieg ein Stück weit auch eine Seilbahn genutzt werden kann. A: Doch auf dem Rückweg stürzen die fünf Bergsteiger kurz unterhalb des Gipfels über steiles Felsgelände rund 400 Meter in die Tiefe. E: Der zurückgebliebene 43-Jährige sieht den Absturz und alarmiert sofort den Wirt der Weissmieshütte, Norbert Burgener. 13. Zuspielung: 0'11 Er hat mich angerufen, dass seine fünf Kollegen abgestürzt sind. Als die Meldung hereinkam, habe ich sofort den Alarm ausgelöst für die Rettungskräfte. E: Doch die fünf Hobby-Bergsteiger können nur noch tot geborgen werden. A: Ein Unfall, der Rätsel aufgibt. War die Gruppe angeseilt oder nicht? E: War es ein klassischer Mitreißunfall? A: Hat glatt getretener Schnee oder Nebel eine Rolle gespielt? E: Oder hat der auftauende Permafrost das Felsgelände gelockert und zum Ausrutschen geführt? A: Stefan Winter, zuständig für den Breitensport beim Deutschen Alpenverein, stellt folgende These auf: 14. Zuspielung: 0'19 Dadurch, dass alle fünf abgerutscht und nach unten gefallen sind, ist davon auszugehen, dass es die oberste oder vorletzte Person war, die ins Rutschen gekommen ist und die anderen praktisch mitgenommen hat. Nach den jetzigen Erkenntnissen war hier schlichtweg auch Pech im Spiel, man kann niemanden Vorwurf machen. A: Auch der Hindelanger Bergführer Patrick Jost kennt das Lagginhorn, bezeichnet es mittlerweile aber nicht mehr als "leichten" Viertausender. Seiner Ansicht nach ist das auf den Klimawandel zurückzuführen. 15. Zuspielung: 0'12 Das schmilzt mehr ab, die Flanken werden anders und beim Lagginhorn ist es so - es ist nicht so schwer, aber oben steilt es sich auf und wenn die Verhältnisse schlecht sind, dann ist es halt nicht mehr einfach. E: So kann ein vermeintlich leichter Viertausender wie das Lagginhorn von Hobby- Bergsteigern leicht unterschätzt werden. Zum Unfallzeitpunkt war der Granitgrat rutschig oder stellenweise sogar vereist. A: Ob die fünf Bergsteiger nun angeseilt waren oder nicht, ist nach wie vor unklar. Doch egal ob mit oder ohne Seil - für Pit Schubert, den ehemaligen Sicherheits-Papst des Deutschen Alpenvereins, ist das Ganze eine Abstands-Frage. 16. Zuspielung: 0'35 Nun, nachdem was wir jetzt wissen, sind die fünf in kurzen, sehr kurzem Abstand hintereinander gegangen. Offensichtlich ist der Oberste gestürzt und hat die anderen niedergerissen. sie hätten in größerem Abstand gehen müssen, das hätte geholfen. Größerer Abstand heißt 10, 15, 20 Meter, aber in der Regel befinden sich die Leute, weil sie nicht so viel Erfahrung haben, in einem Gebiet, das sie nicht so richtig beherrschen, und da gehen sie immer sehr eng beieinander, haben das Gefühl, da bin ich sicherer - in Wirklichkeit nicht. E: Pit Schubert bezweifelt allerdings auch, ob es geholfen hätte, wenn die fünfköpfige Gruppe beim Abstieg in der Steilflanke des Lagginhorns am Seil gegangen wäre. 17. Zuspielung: 0'12 Das Seil ist in diesem Fall eine vorgegaukelte Sicherheit, ganz klar! wenn man am Seil geht und nicht genügend Erfahrung hat, sollte man einen Bergführer nehmen und der nimmt höchstens zwei Leute ans Seil. A: Den eigentlichen Fehler, den die ursprünglich sechsköpfige Gruppe gemacht hat, war, so Pit Schubert, dass sie sich für diese Tour keinen Bergführer genommen hat. 18. Zuspielung: 0'19 Es waren sechs Personen und die hätten sich drei Bergführer nehmen müssen. Ein Bergführer nimmt in einem solchen Gelände nur zwei Mann ans Seil und lässt sie beim Abstieg vorangehen. Wenn dann einer gestolpert wäre, hätte ihn der Bergführer sofort am Seil gehalten, da wäre nichts passiert. A: Pit Schubert weiß, wovon er redet. Als Sicherheitsexperte des Deutschen Alpenvereins hat er einige Selbstversuche in puncto Mitreißunfall durchgeführt. 19. Zuspielung: 0'26 Wir haben ja solche Versuche unternommen: 200 Meter abgestürzt , aber in einem Gelände wo es unten flacher wurde und keine Spalten gab, und da haben wir festgestellt, dass mal er eine zwischendurch den Sturz bremsen konnte, aber dann wurde er von den anderen wieder mitgerissen, denn dass das synchron erfolgt, das ist unmöglich. Es ist die fundamentale Erkenntnis, dass man in einem solchen Fall überhaupt nichts machen kann, gar nichts! MUSIKAKZENT (gesamt 1'09, freistehend 0'06) LC 1421, take 8 "Libra", Tony Fernandez & Rick Wakeman, Komposition ebenfalls Tony Fernandez & Rick Wakeman, Bellaphon Records. E: Es ist ein weiter Weg von der Cosmiques-Hütte nahe der Aiguille du Midi über den Mont Maudit und Montblanc du Tacul auf den 4810 Meter hohen Gipfel des Montblanc. Geübte Bergsteiger sind rund 12 Stunden unterwegs und brechen mitten in der Nacht auf zu dieser langen Tour. A: So auch am 12. Juli. Mehrere Seilschaften haben sich für die so genannte "Drei- Berge-Route" entschieden und sind gegen halb zwei im Schein der Stirnlampen losgegangen. Alles erfahrene Alpinisten, die meisten von ihnen haben einen Bergführer engagiert. E: Nach einigen Tagen wechselhaften Wetters mit Neuschneefällen und starkem Wind scheinen die Verhältnisse stabil. Ein Schönwettertag ist prognostiziert, keiner hat Bedenken loszugehen. Auch Bernd Zehetleitner, Bergführer und Leiter der Bergschule Oberallgäu, wäre an diesem Tag aufgebrochen. 20. Zuspielung: 0'13 Die Gäste, die der Kollege dabei hatte, waren ganz erfahrene Alpinisten, die schon viele schwerere Hochtouren gemacht haben, sie waren bestens ausgerüstet, bestens trainiert. Für niemanden hätte sich die Frage gestellt, jeder Bergführer wäre da losgegangen. A: Die Seilschaften sind in Abständen zwischen 30 bis 100 Metern unterwegs und über den ganzen vergletscherten Steilhang verteilt. Dann passiert es, gegen halb sechs Uhr morgens auf rund 4000 Meter Höhe am Mont Maudit, dem "verfluchten Berg". E: Eine Lawine reißt 24 Bergsteiger mit. 15 werden verletzt, neun Alpinisten, darunter drei Deutsche, sterben in den Schnee- und Eismassen. A: Der Schock ist groß, auch in der alpinen Fachwelt. Reinhold Messner analysiert das Unglück: 21. Zuspielung: 0'27 Dieser Unfall am Montblanc ist vermutlich wohl deshalb passiert, weilt dort eine Nacht oder zwei Nächte davor der Sturm sehr viel Schnee in ein Lee geblasen hat. Dieser Schnee hat sich nicht richtig verbunden mit der Reiffläche darunter, der klebte sozusagen auf dieser steilen Fläche drauf, und als da sehr viel Gewicht drauf war, sehr viele Bergsteiger, die auch Erschütterungen auslösen, ist der ganze Hang abgegangen. A: Und Chris Semmel, der Sicherheitsexperte des Deutschen Alpenvereins, resümiert: 22. Zuspielung: 0'29 Das Problem ist speziell am Montblanc, dass man aufbricht in der Nacht, es ist stockdunkel, man sieht nichts, man kann also die Verhältnisse optisch nur vom Vortag beurteilen, das heißt, hier ist schon verdammt viel Gespür und Beurteilungsvermögen notwendig, um so was zu erkennen, gerade auch weil Lawinen im Sommer nicht die Regel sind, eher atypisch. Was im Endeffekt die Lawine wirklich ausgelöst hat, ob es die Anzahl der Personen im Hang oder ob es ein Serac war, das wird sicher nie klargestellt werden können. E: Einer der Überlebenden, ein junger Bergführer aus dem Allgäu, erinnert sich an das Geräusch eines abbrechenden Eisturms. Es sind nur Bruchteile von Sekunden. Dann reißt das Schneebrett auch ihn und seine beiden Gäste mit. A: Zwei Stunden liegt der 28-Jährige verletzt und einbetoniert in den Schneemassen, bis er gerettet wird. Zwei lange, traumatische Stunden. In Reichweite neben ihm der eine tote Gast, unter ihm der andere Tote. E: Patrick Jost, der Leiter des Hindelanger Bergführerbüros, wird von anderen Kollegen vor Ort von dem Unglück verständigt. Er fährt sofort los nach Chamonix, um den Angehörigen der Opfer zu helfen und dem verunglückten Bergführer beiseite zu stehen. 23. Zuspielung: 0'22 Die Angehörigen wollten mit uns und mit ihm sprechen und umgekehrt wollte er das auch. Gerade so eine Aussage von einem Angehörigen, dass er heilfroh ist, dass er das überlebt hat, dass wenigstens einer überlebt hat. So en Unfall ist immer schlimm, aber das war ein Ausmaß, das war schon recht bitter auch. A: Schnell macht in den Medien die Schlagzeile vom unverantwortlichen Massentourismus am Montblanc die Runde. Stefan Winter, Leiter des Breitensport- Referats im DAV, hält dagegen: 24. Zuspielung: 0'19 Massentourismus als Unfallursache sind plakative Propaganda-Schlagzeilen die mit der Realität überhaupt nichts zu tun haben, denn die Bergsteiger, die dort hingehen, verteilen sich auf ein mehrere Dutzend Quadratkilometer großes Gebiet. Und wenn es mal Stau gibt, dann reguliert sich das über die Schlafplätze auf den Hütten. E: Für Guido Köstermeyer, den Vizepräsidenten des DAV, ist das Argument Massentourismus im Zusammenhang mit dem Lawinenunglück am Mont Maudit ebenfalls absurd. 25. Zuspielung: 0'12 Das waren äußerst erfahrene Bergführer da, mit die besten in Europa, die dort verunglückt sind. Das ist kein Massentourismus,eini Restrisiko bleibt und da nun mit besonders tragischen Folgen. A: Auch Bernd Zehetleitner, Präsident des Verbands der Deutschen Bergsteigerschulen, wertet das Unglück als tragische Verkettung von Restrisiko und höherer Gewalt. In einer Stellungnahme des Verbands kritisiert er: 26. Zuspielung: 0'21 Dass so ein Unfall von verschiedenen Persönlichkeiten im Alpinismus genutzt wird, um mal wieder in die Medien zu kommen, indem man sagt, würden die Leute zuhause auf ihren Wanderberg gehen und nicht auf den Montblanc, dann hätten wir das Problem nicht, und im Übrigen sind ja natürlich die Bergsteigerschulen schuld an dem Massentourismus - und das ist in jeder Hinsicht ein totaler Blödsinn! E: Natürlich ist der höchste Berg der Alpen ein begehrtes Ziel für jeden Alpinisten. Doch während vor zwanzig Jahren ein Bergführer bei der Besteigung des Montblanc bis zu 5 Gäste am Seil hatte, ist er heute mit maximal 2 Gästen unterwegs. Allerdings stellt sich durchaus die Frage, inwieweit der Druck der Kunden bei der Entscheidungsfindung des Bergführers eine Rolle spielt, ob man die Tour angeht oder nicht. Bernd Zehetleitner betont: 27. Zuspielung: 0'16 Gerade bei diesen Hochtouren muss klar sein, da gibt es keinen sozialen Führungsstil, wo die Leute mitentscheiden. Die Entscheidung, ob die Tour angetreten wird und ob die Gäste den Gipfel erreichen, die trifft einzig und allein nur der Bergführer. A: Trotzdem kann sich kein Bergführer dem Druck der Kundschaft ganz entziehen. Und der steigt ständig in einer Welt der all-inclusive-Mentalität und des - auch - alpinen Machbarkeitswahns. 28. Zuspielung: 0'38 Ganz aktuell haben wir gerade einen Fall, wo zwei Gäste den Montblanc nicht erreicht haben, weil bereits auf der Vorbereitungstour - wir machen immer eine Vorbereitungstour auf einen leichteren Berg - da musste der Bergführer ihnen den Rucksack sogar ins Tal tragen. Und diese Leute wollen jetzt einen Prozess führen gegen die Bergsteigerschule, weil der Bergführer sie nicht auf den Montblanc gebracht hat. Die Bergführer sind da sehr geschockt und enttäuscht, weil sie haben den Gästen noch ein Alternativprogramm geboten, wo leichtere Gipfel erreicht wurden, das haben sie in vollem Umfang mitgenommen, doch der Anwalt sieht das anders, dass den Gästen durch das Nicht-Erreichen des Montblanc-Gipfels ein Schaden entstanden ist und so will er die Bergschule jetzt verklagen. Wir sind gespannt wie so was ausgeht! MUSIKAKZENT (gesamt 0'47, freistehend 0'10) LC 1421, take 8 "Libra", Tony Fernandez & Rick Wakeman, Bellaphon Records. E: "Der Tod kam mit lautem Getöse" A: So titelt ein großes deutsches Magazin zum Lawinenunglück am Manaslu, dem achthöchsten Berg der Erde. E: Vom "Killerberg" oder "Todesberg" ist in der Bergliteratur die Rede, denn der 8.163 Meter hohe Manaslu gilt seit Jahrzehnten als äußerst gefährlich. A: Der verhängnisvolle Tag war der 23. September 2012. E: Verhängnisvoll vor allem deshalb, weil sich so viele Alpinisten an diesem nepalesischen Himalayagipfel aufhielten. A: Das hatte einen simplen Grund. 29. Zuspielung: 0'30 Es war so, dass Tibet die Grenze plötzlich gesperrt hat für den Cho Oyu, den Everest und Shisha Pangma, und somit waren die vielen Gruppenreisen, die unterwegs waren, um diese Berge zu besteigen, plötzlich blockiert an der Grenze zu Nepal, und Nepal hat ad hoc den Manaslu für all diese unglücklichen, verhinderten Achttausenderstürmer freigegeben - und damit waren nicht wie üblich 30 bis 50 Leute am Manaslu, sondern mehrere Hundertschaften. E: Am Manaslu war nach Ansicht von Reinhold Messner im September eine Konzentration von Menschen an einem ganz bestimmten Punkt gegeben. 30. Zuspielung: 0'19 Wenn zu viele Leute an einer solchen "Piste" sind und die ersten das Zelt an einer falschen Stelle aufgeschlagen haben, dann schlagen die anderen auch alle das Zelt an dieser Stelle auf, und dann sind viele tot, wenn eine Lawine kommt, siehe am Manaslu im letzten Sommer. A: Einen gewissen "Riecher" für die tödliche Gefahr hatten die beiden Münchner Speed-Bergsteiger Sebastian Haag und Benedikt Böhm. Sie hatten ihre Expeditionszelte abseits der großen Lager aufgeschlagen. E: Als die beiden Extremsportler in der Nacht zum 23. September zu ihrem Lager II auf 6.400 Meter Höhe zurückkehrten, mussten sie zunächst hart arbeiten. Es galt, die Zelte auszuschaufeln, da sie von Neuschneemengen bedeckt waren. A: Benedikt Böhm schildert, was im Morgengrauen passierte. 31. Zuspielung: 0'55 Schlafen tut man dort oben sowieso nicht, also ich zumindest nicht, man hört immer wieder Lawinen von diesen Steilwänden abgehen, und so gegen 4.30 Uhr haben wir eine Lawine gehört, uns aber nichts dabei gedacht. Als aber eine große Druckwelle durch unser Lager kam, die die Lawine vor sich herschiebt, und wir aus Erfahrung wussten, es muss was Größeres sein, haben wir uns sehr schnell aus den Zelten bewegt und geschaut was da los ist. Wir haben Stirnlampen gesehen im Lager 2, auch in Lager 3 ein großes Stirnlampen-Gewusel, haben dann schon die ersten Hilferufe gehört, haben nicht lange überlegt, sofort unsere Sachen angezogen, unser Zeug gepackt, Sauerstoff, den wir ja für Notfälle dabei hatten, Schaufeln und Erste- Hilfe-Material und sind sofort zu Lager 3 marschiert und waren 15 Minuten nach dem Unglück an der der Unfallstelle. E: Bereits auf dem kurzen Weg zum benachbarten Lager ahnte Benedikt Böhm, dass etwas Furchtbares passiert sein musste. 32. Zuspielung: 0'31 "Wir waren, man muss schon sagen, in einem Lawinenschlachtfeld und sofort gefordert. Wir hatten Leute, die waren halb verschüttet, Leute ohne Schuhe, Leute, die verletzt waren, die geschockt warne, alles Mögliche. Wir konnten Leute mit Sauerstoff versorgen und Leute ausgraben, es waren viele ein betoniert im Schnee, aber zum Glück noch nicht tot. Einer hat dann die ganzen Schuhe gesucht und nach Größen sortiert, wir haben Handschuhe gesucht, Verpflegung ausgeteilt, Schlafsäcke gesucht und die Leute eingewickelt. A: Die Erste Hilfe auf dem Lawinenfeld war für die beiden Münchner ein Wechselbad der Gefühle. 33. Zuspielung: 0'21 Man kommt nicht viel zum Denken, nur in kurzen emotionalen Momenten, einer war dass ich eine alten Freund, einen amerikanischen Top-Skifahrer, Glen Blake, oben gefunden habe. Wie wir uns umarmt haben, sind uns beiden die Tränen rausgeschossen, obwohl wir eher Typen sind, die das versuchen zu kaschieren - aber das sind Momente, wo man nicht aus kann. E: Ganz auf sich allein gestellt hätte Benedikt Böhm mit seinem Berg-Partner Sebastian Haag die Versorgung der Verletzten nicht leisten können. Zum Glück kamen die verständigten Hubschrauberpiloten. A: Die Bilanz des gewaltigen Lawinenunglücks am Achttausender Manaslu: 11 Tote. Unter den Todesopfern ein Deutscher. E: Die Schneemassen waren wohl kurz unterhalb des Gipfelplateaus abgebrochen und über tausend Höhenmeter ins Tal gedonnert. Die Hochlager II und III der Höhenbergsteiger wurden vollkommen zerstört. A: Nach Medieninformationen konnten 18 Alpinisten gerettet werden. E: Als er hörte, dass es allen Verletzten, die in die Krankenhäuser von Katmandu eingeliefert worden waren, gut ginge, startete Benedikt Böhm seinen Aufstieg zum 8.163 Meter hohen Manaslu-Gipfel. In der Rekordzeit von 15 Stunden überwand er die 3.300 Höhenmeter bis ganz nach oben. 34. Zuspielung: 0'33 Am Gipfel war das überhaupt kein Freudegefühl, sondern ein Gefühl der Demut und ich bin auch sofort runter vom Gipfel und habe mich hingekniet. Ich hatte einen Karabiner aus dem Lawinenfeld und habe daran einen Schal befestigt, den ich von einem Lama, einem örtlichen Priester, geschenkt bekommen hatte, der gesegnet war und habe diesen Karabiner samt Schal da oben vergraben. Das war für mich so ein Moment des Abschließens und auch der Widmung meiner Besteigung an die Opfer des 23. Septembers und das war ein ganz besonderer Moment für mich. SCHLUSSMUSIK (gesamt 2'40, freistehend 2'30) LC 1421, take 8 "Libra", Tony Fernandez & Rick Wakeman, Komposition ebenfalls Tony Fernandez & Rick Wakeman, Bellaphon Records 4