DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 09.10.2007 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 - 20.00 Uhr Der Preis der Unbestechlichkeit - Thomas Sankara, Freiheitsmythos in Afrika Von Tita Gaehme URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Rap Musik: Samsklejah Kinderstimme: "Ich wünsche, dass man von mir das Bild eines Mannes in Erinnerung behält, dessen Lebensführung nützlich für alle war. Ich möchte kein Mensch sein, der nur für sich selbst kämpft, sondern für die anderen und mit den anderen," sagte Präsident Thomas Sankara. Atmo Schüsse Ansage: Der Preis der Unbestechlichkeit Thomas Sankara, Freiheitsmythos in Afrika Ein Feature von Tita Gaehme O-Ton Sankara Reconnaître donc notre présence aus sein du tiers monde .... Übersetzer 1: "Wenn wir unsere Zugehörigkeit zur Dritten Welt bestätigen, heißt das, um José Marti zu paraphrasieren, " wir versichern, dass wir jeden Schlag auf unserer Wange spüren, der einem Menschen, wo auch immer auf dieser Welt, gegeben wird." Wir haben bis heute auch die andere Wange hingehalten. Die Ohrfeigen sind kleben geblieben. Aber das Herz der Bösen wird nicht weich. Sie haben die Wahrheit der Gerechtigkeit niedergetreten. Sie haben die Worte von Christus verraten. Sie haben sein Kreuz in eine Keule verwandelt. Sie haben ihm sein Gewand vom Leib gerissen. Sie haben unsere Körper und unsere Seelen zerstört. Sie haben seine Botschaft verdunkelt. Sie haben sie verwestlicht, dennoch haben wir sie erhalten als eine Botschaft der weltumspannenden Befreiung. Sprecherin: Mittelgroß, im Drillich mit roter Baskenmütze, sportlich, ein intelligentes Gesicht, ein jungenhaft offener Blick, schwarz, selbstbewusst, entspannt. Er ist 35 Jahre alt. Am 4. Oktober 1984 steht Thomas Sankara am Rednerpult vor der Generalversammlung der UNO in New York: O-Ton UNO-Rede Sankara: (franz) Je viens en ces lieux.... désormais de mourir d`igorance, de faim et de soif Übersetzer 1: Ich komme an diesen Ort, um Ihnen den brüderlichen Gruß aus einem Land zu bringen, das 274 000 Quadratkilometer groß ist, wo sieben Millionen Kinder, Frauen und Männer sich ab jetzt weigern sterben zu müssen, nur weil sie unwissend sind, Hunger und Durst leiden. Sprecherin: Thomas Sankara kommt aus Burkina Faso in Westafrika. Die frühere französische Kolonie Obervolta, formell seit 1960 unabhängig, ist flächenmäßig knapp ein Viertel kleiner als Deutschland; ein Vielvölkerstaat, in dem ungefähr sechzig verschiedene Ethnien mit unterschiedlichen Sprachen, Glauben, Sitten und Riten zusammenleben. Thomas Sankaras Vater ist Fulbe, die Mutter Mossi. Die Misch-Ethnie mindert seine soziale Wertigkeit. Er ändert den Landesnamen Obervolta, der für ihn die Kolonisation symbolisiert. Der Name Burkina Faso ist eine Sprachmischung und Programm; wir übersetzen es mit Land der Unbestechlichen. Burkina ist Mooré und meint Aufrichtigkeit, Unbestechlichkeit, Unbescholtenheit. Faso ist Dioula und bedeutet Hof, es umschreibt den Bezirk, der einer Familie, einem Clan gehört, im übertragenen Sinn: Heimat. Das Wort Land gibt es in der Sprache der Dioula nicht. Schon unsere Übersetzung des Ländernamens ist nur eine Annäherung. Atmo: Straße Ouaga Ziegen, Trommeln (ländlich) Sprecherin: Nach dem "Human Development Report" der UNO gilt Burkina Faso heute als das drittärmste Land der Erde. In der Hauptstadt Ouagadougou gibt es Elend, aber keine Slums. Seit 20 Jahren regiert Blaise Compaoré weitgehend autokratisch, eine relevante parlamentarische Opposition kann sich bisher nicht entwickeln. Es geschehen Morde, die nicht aufgeklärt werden; im Dezember 2006 bombardieren Militärs das Polizeipräsidium der Hauptstadt; sie erhalten seitdem höhere Löhne und Krankenversicherung. Trotzdem scheint die innere Lage stabil. Weil es weder Krieg noch Bürgerkrieg gibt, erfüllt Burkina Faso die europäischen Embargo- Bestimmungen für den Waffenhandel. Krieg wird anderswo geführt. Blaise Compaoré und seine schöne diamantenbehangene Frau Chantal hätten daran enorm verdient, behaupten Insider. Jahrelang sei Ouagadougou Waffendepot für den liberianischen Kriegsherrn Taylor, für den Diktator in Togo und für den Bürgerkrieg in Angola, Sierra Leone und im Tschad gewesen. Musik Sprecher 1 "Es kam ein unbestechlicher Mann, um ein würdevolles Afrika zu aufzubauen, Sankara, mein Präsident, Sankara von Burkina", Musik: Song Samsklejah Sankara Sankara, mon Präsident ..... Sankara Sankara du Burkina , Il est devenu, comme un l´homme integre.... Sankara Sankara, mon Präsident Sankara Sankara du Burkina. Sprecherin: singt Samsklejah. Seitdem der burkinische Musiker und Radio-Moderator im Januar 2007 seine CD "Eine Kerze für Thomas Sankara" herausgebracht hat, wird er im Internet mit dem Tod bedroht. "Sieh dich schon mal auf den Friedhöfen umsehen, bevor du uns über den Weg läufst." O-Ton Sankara Je n` ai pas ici la prétention d`énoncer des dogmes. Je eine suis nie un messie ni un prophète. Je eine détiens aucune vérité. Übersetzer 1: Ich habe hier nicht den Anspruch Dogmen vorzubringen. Ich bin weder ein Messias noch ein Prophet, ich besitze überhaupt keine Wahrheit. Sprecherin: sagt Thomas Sankara den UNO-Delegierten. Seit genau einem Jahr und drei Monaten, seit dem 4. August 1983 ist er Staatspräsident von Burkina Faso. O-Ton Sankara: (franz) Juste quelques clichés pour présenter l`ex-Haute-Volta Übersetzer 1 Gleich einige Klischees um Ihnen das ehemalige Obervolta vorzustellen: 7 Millionen Einwohner, davon 6 Millionen Bäuerinnen und Bauern. Die Sterblichkeitsrate der Kinder beträgt 18 Prozent. Die Lebenserwartung ist auf 40 Jahre begrenzt. Die Analphabetenquote ist 98 Prozent. Ein Arzt für 50 000 Einwohner. Eine Einschulungsquote von 16 Prozent. Und schließlich ein Nettosozialprodukt pro Kopf von wenig mehr als 100 Dollar. Sprecherin: Sankaras will die soziale Situation der Bauern verbessern. Sofort. Er übernimmt Mao Tse tungs Parole: "Auf die eigene Kraft vertrauen", er propagiert das Wagnis die Zukunft zu erfinden und beginnt eine Strukturanpassung aus eigenen Kräften. Dazu gehört: selbst zu produzieren, wenig zu importieren, keine ausländischen Kredite aufzunehmen und keine alten Schulden zu bezahlen. Musik RAP: drop the dept Übersetzer 1 Die Schulden dürfen nicht zurückgezahlt werden, zunächst weil unsere Geldgeber nicht umkommen, wenn wir nicht zahlen. Das steht fest. Zahlen wir aber doch, werden wir selbst umkommen, das steht ebenso fest." Sprecherin: Mit dieser Haltung macht sich der junge burkinische Präsident den Internationalen Währungsfond und die Weltbank zu Feinden. Den Schweizer Soziologieprofessor Jean Ziegler, Uno- Sonderberichterstatter gegen den Hunger in der Welt und Autor des Buches "Das Imperium der Schande" beeindruckt die Überzeugungskraft von Thomas Sankara, dies explosive Gemisch aus volkstümlicher Pädagogik, afrikanischer Erzählweise und begrifflicher Analyse. O-Ton Ziegler Das erste Mal, als ich seine Stimme hörte, das war Weihnachten 1983. Bei mir zu Hause klingelte das Telefon. "Ici le capitain Sankara", hier der Hauptmann Sankara. Ich hatte nie von ihm gehört und er sagte mir: "Im Gefängnis habe ich Ihr Buch ,Die Soziologie des neuen Afrikas` gelesen. Ich muss Sie sehen, wir müssen reden, kommen Sie nach Ouagadougou." Und dann hab ich gesagt, "es ist Weihnachten, ich bin bei mir zu Hause, und hab einen kleinen Sohn und meine Frau." "Dann bringen sie die mit, die sollen auch diskutieren." Und dann sind wir gegangen. Dieser Wille die Welt zu erkennen, die Welt zu verstehen und auch das Selbstvertrauen, das er in sich selbst hatte und aus ihm einen unglaublich toleranten, weitsichtigen und viel gebildeten Autodidakten gemacht hat. Musik Akzent Sprecherin: Thomas Sankara wächst als drittes von zehn Kindern in einer intakten katholischen Familie auf; intakt, das heißt, in der Familie herrscht ein liebevoller, kultivierter Umgang, eine richtungweisende solidarische Moral; die Armut ist normal; normal das heißt, er durchwühlt die Mülleimer des Hotels Indépendent nach Essbarem, wie andere Kinder in Ouagadougou auch. Die Eltern sorgen für eine gute Schulbildung. Er geht zum Militär, um der Armut zu entkommen. Er ist elektrisiert von den Ideen der antikolonialen Theoretiker, von Franz Fanons Klassiker "Die Verdammten dieser Erde" und notiert: "Ein Soldat ohne politische Bildung ist lediglich ein potentieller Mörder." In dieser Zeit beginnt die Freundschaft mit Valère Somé, der in Paris Wirtschaftswissenschaften und Anthropologie studiert und eine marxistisch-leninistische Studentenorganisation gründet. Später, 1986, wird er in Sankaras Revolutions-Regierung Bildungsminister. Noch später, 1990, wird er ein Buch schreiben: Thomas Sankara - die gemordete Hoffnung. O-Ton Somé Übersetzer 2: Unsere Generation war mit den Ergebnissen der Unabhängigkeit unzufrieden. Es gab dieses nationalistische Gefühl, das uns Afrikaner animiert hat. Wir wollten alle zusammen für unser Volk kämpfen, um es kurz zu sagen, für die Würde unseres Volkes, für unsere Persönlichkeit, wir wollten die afrikanische Eigenart verteidigen. Wir wollten eine Lösung finden für unser Volk, das im Elend lebte. Wir wollten die wirkliche Bestätigung unserer Unabhängigkeit. Sprecherin 1978, auf dem Fortbildungskurs für Fallschirmjäger in Rabatt/Marokko beginnt Sankaras enge Freundschaft mit Blaise Compaoré; sie teilen ihre politischen Ansichten und ihre Entschlossenheit. Compaoré wird als menschlich bescheiden, scheu und zurückhaltend beschrieben. Ein strategisches Talent. Thomas Sankara hat Charme und Tiefe, liebt nächtliche Geselligkeit, Feste, das Gitarrespielen. 1979 heiratet er Mariam Serme, die in Caen Finanzwissenschaften studiert hat. Ihr Haus wird zum geheimen Treffpunkt der jungen Offiziere um Sankara und Compaoré. Musik Akzent Sprecherin Fast jeden Abend, diskutieren sie Stunden um Stunden, redigieren Flugblätter. Damals hätten sie schon verabredet, erzählt Blaise Compaoré später einem Journalisten, wer Präsident ihrer Revolutionsregierung werden solle und wer welches Ministeramt bekäme. Musik Akzent Sprecherin: Sankara fürchtet sich nicht vor dem Bekenntnis zum Guten im Plenarsaal der "Vereinten Nationen", als er dort später die Ideen der Befreiungsbewegung vorträgt. Intellektuelle Scheu vorm Pathos der politischen Begriffe Wahrheit, Freiheit, Gleichheit kennt er nicht. Anfang der 80er Jahre steht noch die Mauer in Berlin, die Welt ist geteilt: in zwei Macht-Blöcke, kapitalistisch und sozialistisch und in drei Welten, von denen eine tückisch zur "dritten Welt" erklärt wurde. O-Ton Sankara: (franz) cont. Rede UNO Nul eine s`etonnera de nous associer l`ex Haute-Volta, aujourd`hui le Burkina Faso, à ce fourre-tout méprisé, le tiers monde.. Übersetzer 1: "Niemand wird erstaunt sein, das frühere Obervolta, heute Burkina Faso, mit der Dritten Welt verbunden zu sehen, dieser verachteten Rumpelkammer, welche die anderen Welten zum Zeitpunkt der formalen Unabhängigkeit erfunden haben, um unsere intellektuelle, kulturelle, wirtschaftliche und politische Entfremdung besser abzusichern. Wir wollen uns dort einfügen, ohne diesen gigantischen Betrug der Geschichte gutzuheißen. Noch weniger wollen wir damit akzeptieren, dass wir der Hinterhof des satten Westens sind. Im Gegenteil - wir wollen damit, als Blockfreie und mit der Prägnanz unserer Überzeugung, das Bewusstsein bekräftigen, dass wir zu den drei Kontinenten gehören, die eine besondere Solidarität eint. Diese drei Kontinente Asien, Lateinamerika und Afrika stehen im selben Kampf gegen dieselben politischen Schacherer, dieselben ökonomischen Ausbeuter. O-Ton Sankara: (franz) ....Alors, nos yeux se sont ouverts à lutte des classes. Il n`y aura plus de gifles. Übersetzer 1: Nun, unsere Augen sind für den Klassenkampf geöffnet. Es wird keine Ohrfeigen mehr geben. Musik O-Ton Asche Ein musikalischer und phantasievoller Militär ist vielleicht wirklich eine contradictio in adjecto, das kann schon sein, wir waren alle, wir das heißt auch die europäischen und amerikanischen Ausländer, die im Land lebten, wir waren allesamt von ihm fasziniert. Auch die, die das kommunistische Brimborium drum herum nicht besonders goutiert hatten, den "Genossen Präsidenten" nicht unbedingt als Genossen Präsidenten schätzten. Sprecherin: Helmut Asche ist heute Professor für Afrikanistik an der Universität in Leipzig. Von 1986 - 1991 war er Ouagadougou volkswirtschaftlicher Regierungsberater im Auftrag der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. O-Ton Helmut Asche: Zu sagen, dass ein Land in Westafrika, das sich darin gefällt, dass 90 Prozent in einer vollkommen rückständigen Landwirtschaft die auch noch ökologisch bedroht ist, weiterwursteln, während sich eine verschwindend kleine städtische Elite sich nur danach ausrichtet, möglichst viel von der Entwicklungshilfe und anderen abzuräumen und ansonsten den französischen Lebensstil möglichst perfekt zu imitieren, wenn man in Worte und in ein Programm fasst, dass das eine unhaltbare Situation ist, in der sich faktisch nichts entwickeln kann, dann war in Gottes Namen Sankara ein guter Ideologe. Musik Akzent Sprecherin: Oberst Saye Zerbo, der im November 1980 die langjährige Diktatur des Generals Lamizana in Obervolta wegputscht, hat schon einige Monate später Ärger mit der Gruppe junger Offiziere um Sankara und Compaoré, die seine lasche, korrupte Amtsführung ebenso offen kritisieren wie seinen bourgeoisen Lebensstil, der die Volksmassen beleidige. Oberst Zerbo glaubt, mit diesen "jungen Wölfen, die scharfe, lange Zähne haben", fertig zu werden, wenn er den Kopf der Gruppe, Thomas Sankara, in seine Regierung holt. Im September 1981 ernennt er ihn zum Staatssekretär im Informationsministerium. Er macht einen Fehler. Diesen Fehler wiederholt sein Nachfolger, Staatspräsident Jean- Baptiste Ouédraogo, der nach dem nächsten Militärputsch im November 1982 an die Macht kommt. Der Arzt und Major Ouédraogo, gemäßigt, nationalistisch und gänzlich unverdächtig, mit dem Marxismus-Leninismus zu sympathisieren, ernennt Thomas Sankara, den er für außergewöhnlich intelligent und anständig hält, zum Premierminister. Fidèle Kientega wird Sankaras außenpolitischer Berater. Seit Juni 2007 sitzt er als einer von 14 oppositionellen Abgeordneten im Parlament von Burkina Faso. O-Ton Fidèle: sank fidel 25.2. Es hat mich sehr begeistert mit ihm zu arbeiten, weil jeden Tag war es für mich ein Entdeckung dieser Persönlichkeit, der sehr ernst war und der attentiv auch war und der Fähigkeit haben zuzuhören und zu begreifen. Sprecherin: Die politische Macht in Obervolta, von erzreaktionär bis marxistisch- leninistisch, organisiert sich nach dem Militärputsch von 1982 im "Rat für das Wohl des Volkes". Dessen Generalsekretär Jean-Baptiste Lingani, Thomas Sankara, Blaise Compaoré und Henri Zongo, profilieren sich zu Anführern des linken Flügels. Musik Akzent O-Ton Ziegler: Das französische neokoloniale System in Afrika ist total intakt. Sankara hat den Bruch versucht. ... Sich mit dem neokolonialen System, dem staatlichen, dem militärischen, aber vor allem den riesigen Finanz- Interessen sich anzulegen, das ist lebensgefährlich. Musik Sprecherin: Thomas Sankara tritt als Volkstribun auf, ist spontan, authentisch, geht auf die Menschen zu, will wissen, was sie bewegt, ist witzig, schlagfertig. Immer in Militärkleidung, nie ohne seine Pistole. Ein begabter Gitarrist. Mit seiner Band "Tout a coup Jazz" gibt er Konzerte; er ist ein passionierter Fußballspieler und Motorradfahrer auf den rotsandigen Pisten der Hauptstadt. O-Ton Fidèle Er hatte viel gearbeitet und hatte auch ganz einfach gelebt. In seiner Familie habe ich immer mit ihm gegessen. Und hatte nichts anderes, als ich heute esse in meinem Haus, und ich bin nicht reich. Er hatte diese Gewohnheit, dass er ab und zu heimlich in der Stadt geht, wo man Bier trinkt, so einfach saß und zu den Leuten hörte. Sprecherin: Der katholische Ministrant steckt immer noch in ihm. Wie im Gottesdienst seiner Kindheit beginnen und enden seine politischen Reden mit der Litanei. Die Menge macht bei der rituellen Präambel mit: O-Ton Sankara L`imperialisme! A bas ! Le Colonialisme ! A Bas! Le Neokolonialisme! A bas L`imperialisme! A bas ! O- Ton Fidèle Aber man kann nicht sagen, dass er Kommunist war. Er hatte immer nein gesagt. Wir wollen nicht diese Ideen so bloß von Ausland mitgebracht. Wir müssen alles nehmen, was uns helfen kann, um unsere selber Entwicklung durchzuführen. Sprecherin: Die Zuhörer schlürfen die revolutionären Parolen ihres kühnen Premierministers Thomas Sankara und sind glücklich, endlich ihren eigenen Helden zu haben, ihren Patrice Lumumba, ihren Che Guevara. O-Ton Ziegler Er konnte die westliche Arroganz, die neokoloniale Unterwerfung nicht ertragen, fast physisch nicht ertragen, er konnte die Erniedrigung der Frauen, also die Prostitution die in diesen Regionen sehr gefördert wird, nicht ertragen auch die Excision konnte er nicht ertragen, die Beschneidung der Frauen, das war eine physische Ablehnung, eine Entrüstung. Er war total für den Bruch jedes Ethnozentrismus, die Gleichheit aller Menschen, aus welcher Kultur sie auch kommen, das waren die ontologischen Grundwerte von Sankara. Sankara war konstituiert durch diese Werte. Musik Akzent Sprecherin: Der persönliche Berater des französischen Präsidenten Francois Mitterand in Afrikafragen, kommt am 16. Mai 1983 nach Ouagadougou. Er habe dafür gesorgt, dass Premierminister Thomas Sankara verhaftet wurde. Für die Linke der Beweis, dass Staatspräsident Jean-Baptiste Ouédraogo nichts anderes ist als die Marionette der Franzosen. Als am 17. Mai 1983 morgens um zwei Uhr fünf Autos das Haus von Thomas Sankara umzingeln, hält der seine Wachen zurück, um ein Blutbad zu vermeiden. Hoch erhobenen Hauptes lässt er sich festnehmen. Am selben Tag werden auch seine linksradikalen Freunde, Jean-Baptiste Lingani, und Henri Zongo eingesperrt. Nur Blaise Compaoré riecht die Gefahr und kann den Polizisten, die ihn verhaften wollen, entwischen. O-Ton Fidèle Auch Leute, die nicht intelligent sind, können klug sein, wie Tiere. Ich lbin Jäger und ich weiß, dass in der Busch die Löwen und die Büffel sind sehr klug. Und sie können intelligente Jäger töten in dem Busch. Er hat das. Ich glaube, er ist nicht intelligent, aber er hat Instinkt, um Dinge zu fühlen, um seine Macht zu bewahren, er weiß das. Helmut Asche Blaise Compaoré kommandierte das Militär. Blaise Compaoré ist ein Mossi, Sankara war kein Mossi. Die Mossi sind die dominierende, die über die Jahrhunderte immer geherrscht habende Ethnie in Burkina Faso, Blaise hatte damals schon das Vertrauen der traditionellen Autoritäten des Mossi-Staates, die Sankara mehr oder weniger gegen sich aufgebracht hatte, und Blaise hatte sicherlich auch das Vertrauen bestimmter internationaler Partner allen voran der französischen Regierung. Sprecherin In der kleinen Ortschaft Pô, 147 km südlich der Hauptstadt Ouagadougou, organisiert Blaise Compaoré mit ungefähr 300 Elitesoldaten einen Volksaufstand zur Befreiung seiner Freunde. Am 20. Mai bewegt sich ein imposanter Zug auf die Hauptstadt zu. Schüler, Studenten, Arbeitslose, die obdachlosen Straßenkinder, die ambulanten Händler, Bettler, die Verkrüppelten, die Prostituierten, sie alle versammeln sich; die Gewerkschaft ruft zum Generalstreik auf; von überall kommen Arbeiter und Bauern in klapprigen Bussen und auf Motorrädern, sie rollen auf Mofas, Fahrrädern, Eselskarren heran, Trotzdem, so Helmut Asche, ist die soziale Basis dieser Revolution denkbar schmal. O-Ton Asche: Ein Teil der Armee, die arbeitslose städtische Jugend, der kleinere Teil des Staatsapparats. Die Bauernschaft war passiv und einen politisch wichtigen Teil der Bauernschaft, nämlich die traditionelle Chefferie, hatte man gegen sich. Und dann gab es noch ein paar Sympathisanten unter den Intellektuellen und den Funktionären. Aber schon die Funktionäre hatte man zum großen Teil als Gegner, weil die neue Regierung sich nicht zu unrecht als eines der Hauptziele vorgenommen hatte, die unsägliche Korruption, die im Staatsapparat grassierte, zurück zu schneiden, deshalb auch die Gehälter gekappt hatte und gesagt hatte, das nutzen wir jetzt mal für soziale Investitionen. Sprecherin Die Regierung muss Thomas Sankara aus dem Gefängnis entlassen, versucht vergeblich, ihn unter Bewachung zu halten. Zu Tausenden pilgern die Menschen zu seinem Haus. Er ist die politische Figur, die geliebt wird, er hat die Ideen, er gibt die Impulse. Blaise Compaoré hält die militärischen Zügel in der Hand. Am Donnerstag, den 4. August 1983, ist die Regierung in Ouagadougou mit den Vorbereitungen der Feier für den morgigen 23. Jahrestag der kolonialen Unabhängigkeit beschäftigt. Aber Compaoré, Sankara, Zongo und Lingani haben beschlossen: Sas Land ist reif für eine soziale Explosion. Sie erobern die Macht im Geniestreich. In Pô besetzt Hauptmann Compaoré in der Mittagshitze alle wichtigen Schaltstellen. Die Bevölkerung strömt in revolutionärer Begeisterung auf die Straßen. Dann folgt die Eroberung der Hauptstadt, deren Zufahrtsstraßen seit dem Volksaufstand im Mai kontrolliert werden. Getarnt als Straßenbau-Trupp in vier requirierten Autos der kanadischen Entwicklungshilfe, gelangt Compaoré mit einer Handvoll Elite- Soldaten ins Zentrum von Ouagadougou. Die Kommando-Kolonne teilt sich auf, in der Abenddämmerung fahren die einen zum Präsidentenpalast die anderen zur Radiostation, zur Polizeistation, zum Staatssicherheitsdienst, zum Panzerverband der Streitkräfte. Atmo Schüsse Sprecherin: Vor der Presidence schießen sie in die Luft. Warnschüsse. Zwei Männer sterben. In anderthalb Stunden ist die alte Macht weggefegt. Nun nennen sich die vier Freunde die "vier historischen Chefs der Revolution". Musik Nationalhymne Sprecherin: Um 22 Uhr proklamiert Thomas Sankara im Rundfunk die Revolution. O-Ton Rede Sankara La patrie ou la mort, nous vaincrons ... Sprecherin: Irgendwann wird wahrscheinlich jeder Prominente einmal gefragt, welches Buch er denn mitnehmen würde, wenn die Fahrt auf eine einsame Insel ginge. "Natürlich Staat und Revolution von Lenin", antwortet Sankara. "Und je nachdem, ob ich guter oder schlechter Laune wäre, würde ich mir die Sätze auf verschiedene Weise auslegen. Aber ich würde auch die Bibel und den Koran mit auf die Insel nehmen." O-Ton Sankara: Schluss der UNO-REDE (franz) Je suis venu ici pour demander à chacun de vous que nous puissons mettre ensemble nos efforts ... . Übersetzer 1 Ich bin hierher gekommen, um jeden von Ihnen zu fragen, wie wir gemeinsam unsere Anstrengungen verstärken können, damit dies traurige Schauspiel der verhungernden Kinder aufhört, damit die Dummheit verschwindet, damit die legitime Rebellion der Völker triumphiert, damit der Lärm der Waffen schweigt, und wir mit einem einzigen und demselben Willen für das Überleben der Humanität kämpfen, um endlich dahin zu gelangen, mit dem großen Dichter Novalis im Chor zu singen. Dann werden die Gestirne die Erde wieder besuchen, der sie gram geworden waren in jenen Zeiten der Verfinsterung; dann legt die Sonne ihren strengen Zepter nieder und wird wieder Stern unter Sternen, und alle Geschlechter der Welt kommen nach langer Trennung wieder zusammen. Dann finden sich die alten verwaisten Familien, und jeder Tag sieht neue Begrüßungen, neue Umarmungen; dann kommen die ehemaligen Bewohner der Erde zu ihr zurück, in jedem Hügel regt sich neu erglimmende Asche, überall lodern Flammen des Lebens empor; alte Wohnstätten werden neu erbaut, alte Zeiten erneuert, und die Geschichte wird zum Traum der unendlichen, unabsehlichen Gegenwart. O-Ton Asche Sankara war ein Mann mit immenser politischer Phantasie und mit immenser politischer Mobilisierungsfähigkeit. Der Mann war ein Grüner bevor davon in Afrika die Rede war und er war ein Frauenbefreier, bevor davon in Afrika breiter die Rede war. Ökologie und Gender, auf diesen beiden Gebieten ist er ein geistiger Vorreiter gewesen und hat daraus eine breite Programmatik für sein Land gemacht, bevor das eigentlich überall sonst so rum war. Und das ist sicherlich eine bleibende auch intellektuelle Leistung, eine Leistung politischer Phantasie, von der Beschneidung, Brautpreisen, Zwangsheiraten, bis hin zu Frage der ungleichen Arbeitsverteilung auf dem Lande, wo man sich fragt, woher hatte der Mann das. O-Ton Ziegler Sankara hat den Walker, den amerikanischen Botschafterin Ouagadougou, aus seinem Büro geworfen, als ihm Walker gedroht hat. So ein Mann war Sankara, total in der Unabhängigkeit, total in der Würde und Souveränität, und im Moment wo er gestorben war, war dieses bitterarme Land Burkina autonom, war selbst versorgend, was die Grundnahrungsmittel, Hirse, Gemüse usw. angeht. Das hat er in vier Jahren erreicht. Er hat den Staatsapparat auf die Hälfte reduziert. Hat die Dezentralisiation in 8 Regionen geschaffen, hat die Basisdemokratie geschaffen. O-TON Somè ....notre revolution Übersetzer 2 Vom Standpunkt der westlichen Länder waren wir überhaupt nicht verständlich. Wir wurden als Kommunisten kategorisiert. Es ist wahr, manche hatten eine kommunistische Vergangenheit, aber unsere Revolution war überhaupt nicht kommunistisch. Wir hatten nicht Zeit genug, um sie zu erklären. Wir haben es nicht geschafft ein Marketing für unsere Revolution zu machen. Musik Sprecherin Im ersten Revolutionsjahr lässt die Regierung 2 Millionen Menschen, hauptsächlich Kinder, innerhalb von drei Wochen impfen. Seit 1983 pflanzt man in Burkina Faso bei jedem frohen Familienereignis einen Baum. Am Aktionstag Ehemänner auf den Markt übernehmen die Männer die alltäglichen Arbeiten der Hausfrauen. Sankaras politische Phantasie erweitert das gesellschaftliche Bewusstsein, sein Aktionismus polarisiert, ist aber auch werbe- und medienwirksam, wie seine Musik-Session mit Miriam Makeba und sein Kampf gegen Korruption, Luxus und Privilegien. Musik O-Ton Asche Sankara hatte die Regierung in die R5 gesteckt, die dann geliefert worden waren ohne verstärkte Stoßdämpfer und ohne Klimaanlage, und Compaoré war ja auch so einn fast 2m Mann, die saßen dann in diesem nicht stoßverstärkten R5, schwitzten sich zu Tode und fluchten auf jeder Dienstfahrt auf Thomas, der ihnen diesen Mist eingebracht hatte. Sprecherin Sankaras revolutionäre Progressivität war nicht ohne Rückbindung an Religion und kulturelle Tradition. Für diese afrikanische Komplexität gab es noch kein politisches Vorbild, aber es gab genügend Beispiele von afrikanischen Revolutionären, die sich zu blutrünstigen und korrupten Diktatoren wandelten. Sankara wollte nicht morden, um an der Macht zu bleiben. O-Ton Asche Es gab ein politisches Problem, das mit der Mythologie zu tun hatte, die damals von den entsprechenden Vorbildern in China, Kuba und anderswo entlehnt werden konnte, und die dazu führte, dass sich das Ganze gestaltete wie etwas, was man in Deutschland noch in den 70er, 80er Jahren von entsprechenden kommunistischen Gruppen kannte. Wenn man sich diese K-Gruppen alle bewaffnet vorstellt, dann hat man ziemlich genau die Situation des gegenseitigen Mißtrauens, die damals im Oktober 1987 eklatiert ist. Musik O-Ton Fidèle Wir haben Fehler gemacht, zum Beispiel mit CDR "Comités de defénse de la Revolution". Wir hatten den Jungen überall im Lande immer gesagt, sie müssen teilnehmen an Revolution, sie müssen die Revolution verteidigen. Sie müssen die Macht nehmen. Und sie haben wirklich die Macht genommen. Sprecherin Die Revolution läuft aus dem Ruder. Die revolutionären Jugendgarden, die "Komitees zur Verteidigung der Revolution" wüten auf dem Lande, um den Leuten revolutionären Geist beizubringen. Es kommt zu Mord, Vergewaltigung, Diebstahl und Schauprozessen. Die Entlassung von 1200 Lehrern wird für die Regierung verhängnisvoll. Die marxistisch-leninistischen Splittergruppen, auch die "vier historischen Chefs der Revolution" liegen miteinander im Streit. Thomas Sankara hat mit der "Diktatur des Proletariats" nichts im Sinn. "Toleranz ist die Tugend der Revolutionäre" predigt er, Einheit! "Nicht durch die Worte der Gewalt, sondern durch die Gewalt der Worte werden wir siegen." Seine Rede wird zunehmend weitschweifiger. Auf seinen nie erlahmenden Überzeugungsdrang reagieren die drei anderen "Chefs der Revolution" immer öfter mit Schweigen. Sie orientieren sich neu. Musik: Song Samsklejah Übersetzer 2 Du hast das höchste Opfer gebracht, dein Leben. Mit deinem Opfer hast du meinem Leben einen Sinn gegeben. O-Ton Fidèle Er war ein bisschen utopistisch. Er hatte geglaubt, "ich hab was gepflanzt, und man kann die Revolution nicht mehr stoppen." Man kann Sankara töten, aber die Revolution wirkt weiter. Das ist auch ein Irrtum von ihm. O-Ton Ziegler: Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, das war 4 Wochen vor seinem physischen Tod, da war er großartig, klug, wie frapide, wie er immer wollte in die Sozialistische Internationale eintreten. Ich habe einen Brief von ihm mitgenommen für Willy Brandt übrigens, Willy Brandt wollte den Thomas Sankara kennenlernen. Das wäre ja auch zustande gekommen. Er war total rational, hat begriffen, dass er Allianzen finden müsse jenseits Afrikas. Ich glaube überhaupt nicht, dass Sankara irgendwie die Bodenhaftung verloren hätte in den letzten Monaten seines Lebens durch die Einsamkeit, durch den Verrat, der ihn umgeben hat. O-Ton Fidel Ich hab ihn zum letzten Mal am 15. Oktober denselben Tag seiner Ermordung gesehen, früh am Morgen im Präsidialamt. Und er war nicht traurig, er war weit von mir. Nach unserer Unterhaltung habe ich ihm von meiner Angst gesprochen, weil die ganze Stadt hat rumor über coup d`etat, über Unruhen, über Missverständnisse zwischen ihm und Blaise und am Ende hat er mir gesagt, "si tu échoues qu`au moins tu échoues en osant de grandes choses, de sorte que ta place eine soit pas parmi ces âmes froides et timides, qui eine connaissent ni la victoire ni la défaite." Übersetzer 2 Wenn du scheiterst, ist dein Scheitern geringer, wenn du eine große Sache gewagt hast. Davon haben die kalten und furchtsamen Seelen keine Ahnung, die weder den Sieg noch die Niederlage kennen. Musik O-Ton Fidèl Und am 15. Oktober ist er mit seinen Eltern so lange geblieben, wie er niemals getan hat. Und als er Abschied nahm, hat er seine Mutter gesagt, ja, Muttter, wir werden uns nicht mehr sehen. Und die Mutter hat nicht aufgepasst. Als er draußen war, hat der Vater gesagt, dein Sohn sagt dir, dass sie sich nicht mehr sehen werden und du machst nichts. Und sie hat Sankara zurückgerufen und gefragt. Und er hat Ja gesagt: Man wird mich heute töten. Aber weinen sie nicht. Ich gehöre zur Geschichte jetzt. Ich hab das Wichtigste getan. Man wird mich nicht vergessen. Musik O-Ton Fidèl Als man Kalaschnikow hörte, überall in der Stadt konnte man hören: Bababab, bababa. Hat der Vater seine Frau angerufen und gesagt: Hörst du zu. Das ist Sankara, das man tötet. Und sie haben gesagt zusammen Halleluja. O-Ton Asche Es gibt in ernsthafter historischer, wissenschaftlicher Betrachtung nicht mehr den geringsten Zweifel daran, dass der Nachfolger von Thomas Sankara im Präsidentenamt auch derjenige war, der den Befehl zur Ausführung dieser Tat gegeben hat. Ich glaube über die politische Urheberschaft gibt es heute wahrscheinlich selbst bei ihm nicht mehr den geringsten Zweifel. O-Ton Ziegler Wenn Campore zum Mörder geworden ist, wenn jemand die Hand von Campore gelenkt hat, dann waren es sicher die französischen Geheimdienste. O-Ton Fidèl Jeden Donnerstag am Abend trieb er Sport. Er hatte eine Versammlung um vier Uhr und er wollte von dieser Versammlung in Sport gehen. Er trug Sportshemd, und 15 Minuten nachdem sie angefangen haben mit der Versammlung sind eine Militär-Eskorte gekommen mit einem Wagen und Kalaschnikow und haben angefangen zu schießen. Sankara hat den Leuten, die mit in der Versammlung waren, gesagt: setzt euch hin und bleiben Sie ruhig. Sie wollen mich. Ich werde herausgehen, damit Sie weiterleben können. Und er ist tatsächlich rausgekommen und sie haben ihn einfach getötet und sind trotzdem in Saal gegangen und haben alle Leute erschossen. Ja. Sprecherin Die Witwe erhält einen Totenschein: Thomas Sankara, geboren am 21. Dezember 1949, sei am 15. Oktober 1987 um 16 Uhr 30 eines natürlichen Todes gestorben. Auch das gehört zur Mythologisierung des letzten Augenblicks. Rap, Samsklejah Kinderstimme: "Ich wünsche, dass man von mir das Bild eines Mannes in Erinnerung behält, dessen Lebensführung nützlich für alle war. Ich möchte kein Mensch sein, der nur für sich selbst kämpft, sondern für die anderen und mit den anderen," sagte Präsident Thomas Sankara. Sprecherin: 200 m vom Ort des Mordes entfernt, bleibt Blaise Compaoré drei Tage zu Haus und meldet sich grippekrank. Dann präsentiert er sich, flankiert von den beiden anderen "historischen Chefs der Revolution", dem burkinischen Volk als neuer Staatspräsident. Er sieht wirklich mitgenommen aus. Seine Vorwürfe gegen den früheren Freund sind haarsträubend: Sankara hätte für den Abend einen Mordanschlag gegen ihn geplant. Dessen Herrschaft sei autokratisch gewesen. Blaise Compaoré verkündet die Korrektur der Revolution. O-Ton Asche Aus meinen damaligen Gesprächen habe ich den Eindruck bekommen, dass er selber sehr stark unter der Situation gelitten hat, deren Hauptakteur er gewesen ist, aber dass er von seiner persönlichen Befindlichkeit sich ein Stück weit auch fast wie ein Opfer gefühlt hat, wie jemand, der auch die Aufgabe hat, die realistischen und wirklich durchführbaren Teile des politischen Programms weiter zuführen, für das Thomas Sankara stand. Als ich das erste Mal in einer kleinen abgedunkelten Villa hinter dem Finanzministerium bei ihm zu Gast war, wenige Tage nach dem Putsch, hat er so oft so affektiv von Thomas geredet, wie wenn Thomas gerade mal rausgegangen wäre um Zigaretten zu holen. O-Ton Fidèle Kientega Der Vater von Sankara hatte immer gesagt, dass er zwei Kinder hat. Und der eine heißt Sankara und der zweite heißt Blaise Compaoré. Und er hat diese Blaise Compaoré wirklich im Herzen adoptiert. Trotz der Tod seines Kindes hat er immer gesagt: "Ich hab ein Kind verloren, es gibt noch ein, und ich warte, dass er zu mir kommt und sagt, ja du bist mein Vater." Er hat gewartet und ist er nie zu ihm gegangen, nie. O-Ton Ziegler Dieser Blaise Compaore wurde ferngesteuert, ist zum Mörder an seinem Freund Thomas Sankara geworden. Campore ist heute immer noch Staatschef von Burkina Faso. Inzwischen schwerreich, total korrupt und immer noch an der Macht wegen seiner brutalen Repression gegen jede Opposition. Sprecherin: Blaise Compaoré hat die Militäruniform abgelegt und tritt heute, gut aussehend, im schwarzen Anzug des Geschäftsmannes auf, bei Folkloreveranstaltungen im traditionellen Boubou. Er gilt immer noch als scheu und ist übrigens als einziger von den vier "historischen Chefs der Revolution" übrig geblieben. Henri Zongo und Jean- Baptiste Lingani wurden, zwei Jahre nach Sankaras Ermordung, des Putsches angeklagt und hingerichtet. O-Ton Somé (franz.) Übersetzer 2 Sankara hat sich für sein Volk geopfert. Er hat sein Volk geliebt. Und das sagt alles. Er hat alles gegeben. Nein, ich muss nicht mehr sagen, weil es alles sagt. Sein Volk lieben und für sein Volk zu sterben, das sagt alles. Ich kann nicht mehr als das sagen. Das ist wahr. Das ist wirklich wahr. O-Ton Ziegler Er hat ein neues Bewusstsein geschafft und deshalb hat er eine so unglaubliche Ausstrahlungskraft gehabt, in Mali, in Togo in Elfenbeinküste, Senegal, in der ganzen Region. Diese Ausstrahlung, die war tödlich, gefährlich für die neokolonialen Herren dieser Region und auch für die Söldner, die in den Präsidentschaftspalästen gesessen sind und leider immer noch sitzen. Musik: Rap Echo camarade, camarade, camarad Absage: Der Preis der Unbestechlichkeit Thomas Sankara, Freiheitsmythos in Afrika Ein Feature von Tita Gaehme Es sprachen: Isis Krüger, Paula Conze, Hüseyin Cirpici und Roland Schäfer Musik: Jochen Kilian Ton und Technik: Eva Pöpplein und Jürgen Hille Regie: Roland Schäfer Redaktion: Hermann Theißen Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks, 2007. Musik 25 1