COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Bildung für alle Kinder? Wie setzen Kommunen das Bildungspaket um? 9.6.2011 ______________________________________________________________ Anmoderationsvorschlag: Kinder armer Eltern sollen nicht ausgeschlossen sein vom Fußballverein, von der Musikschule, von der Klassenfahrt, vom gemeinsamen Mittagessen in der Schule. Das ist der Ansatz des Bildungs- und Teilhabepakets, das es seit gut zwei Monaten gibt. Allerdings bekommen die Eltern dafür nicht mehr Geld vom Staat, auch Fußballvereine oder Schulen werden finanziell nicht besser ausgestattet. Nein, es sind Sachleistungen, auf die finanzschwache Eltern jetzt einen Anspruch haben - und sie müssen einzeln beantragt werden. Kritiker nennen das Bildungspaket deshalb ein "bürokratisches Monster." Verantwortlich dafür sind die Kommunen. Claudia van Laak über ein Gesetz, das gut gemeint, aber schwierig umzusetzen ist. Beitrag Länge: 4'03 Autorin: Claudia van Laak Redaktion: Heidrun Wimmersberg Das Gesetz zum Bildungs- und Teilhabepaket war keine 6 Wochen in Kraft, da wurde es bereits novelliert. Der Grund: Nur einzelne Eltern beantragten Nachhilfe für ihre Kinder, den Zuschuss zum Sportverein oder den Gitarrenunterricht. Denn erstens wusste kaum jemand davon und zweitens waren vor Ort die Zuständigkeiten nicht geklärt. Deshalb wurde schnell nachgebessert und die Antragsfristen verlängert, erläutert Verena Göppert vom Deutschen Städtetag. Man kann ja den Berechtigten nicht vorwerfen, dass das Gesetz so lange gedauert hat, und deshalb hat man sich verständigt, auch von Seiten des Bundes, man verlängert jetzt die Frist und kann jetzt bis Ende Juni - das ist ja auch nicht mehr so lange - rückwirkend Anträge bezogen auf den 1.Januar stellen. Das heißt: Berechtigte, deren Kinder seit Anfang Januar Nachhilfe erhalten, bekommen auf Antrag die Ausgaben dafür ersetzt. Doch wer ist berechtigt? Nicht nur die Bezieher von Arbeitslosengeld II, auch diejenigen, die Wohngeld erhalten oder einen Kinderzuschlag. Und Asylbewerber, allerdings nur eingeschränkt. Sie müssen sich an die jeweils für sie zuständige Behörde wenden. Deren Mitarbeiter wiederum müssen erst geschult werden. Auch die Schulen erhalten zusätzliche Arbeit: wenn Eltern den Nachhilfeunterricht bezahlt bekommen wollen, müssen die Lehrer zunächst bestätigen, dass diese Nachhilfe auch sinnvoll ist. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen in einer ersten Bilanz: Jetzt zeigt sich, das Bildungspaket ist harte Knochenarbeit, das passiert nicht über Nacht, das passiert nicht innerhalb von vier Wochen. Und in höchst unterschiedlichem Tempo. Während zum Beispiel die Stadt München alle Berechtigten bereits im März angeschrieben und mit entsprechenden Formularen versorgt hat, spart sich die Stadt Berlin das Geld für das Porto. Während man in Bremen noch auf weitere Ausführungsvorschriften vom Bund wartete, erhielten die ersten Familien in Erfurt schon positive Bescheide. Wie viele der Berechtigten bereits einen Antrag auf Leistungen aus dem Bildungspaket gestellt haben, ist unbekannt. In einer ersten Umfrage des Städtetages zeigte sich ein uneinheitliches Bild: in einigen Kommunen waren es 2 Prozent, in anderen bereits 30. Verena Göppert vom Städtetag auf die Frage, wie das Bildungspaket angenommen wird: Im Durchschnitt eher zögerlich. Aber überall war die Tendenz erkennbar, die Anträge, die Menschen, die das Bildungspaket wollen, die Zahl der Anträge ist gestiegen. Wir haben zunehmend mehr Anträge zu verzeichnen. Und das hat sich in den letzten Wochen noch verstärkt. Der Städtetag sieht den bürokratischen Aufwand bei der Umsetzung des Bildungspakets, verteidigt aber genau wie die Bundesregierung das Prinzip der Sachleistung. Anders die Wohlfahrtsverbände. Das Bildungspaket sei Murks, sagt zum Beispiel Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. Der Bund habe die Kommunen bei der Umsetzung alleine gelassen. Das größte Problem ist, und das gestaltet sich vor Ort sehr unterschiedlich, ist, dass dieses Gesetz auf vorhandene Strukturen aufsetzt. Das Problem liegt wirklich darin, das man ohne Kenntnis vor Ort von oben was aufgepflanzt hat, das macht den Kommunen sehr zu schaffen. So zahlen einige Städte - wie zum Beispiel Potsdam - bereits ein warmes Mittagessen für alle bedürftigen Kinder. Laut Gesetz müssen sie aber jetzt die Eltern zur Kasse bitten, ihnen pro Essen 1 Euro in Rechnung stellen. In anderen Städten existiert ein gut funktionierendes System ehrenamtlicher Nachhilfelehrer. Doch jetzt kommen kommerzielle Anbieter und pochen auf das neue Gesetz. Alles in allem: der bürokratische Aufwand für die Umsetzung des Bildungspakets ist hoch. Die Stadt Berlin zum Beispiel rechnet mit zusätzlichen 100 Millionen Euro vom Bund, voraussichtlich mehr als 13 Millionen davon landen allerdings nicht bei den Bedürftigen, sondern in der Verwaltung. Bildung für alle Kinder - wie klappt es mit der Umsetzung des Bildungspakets? Beispiel Leipzig Magazin Länderreport 9.06.2011 Länge: 7:30 Min. Autor: Ralf Geissler Redaktion: Heidrun Wimmersberg ___________________________________________________ // Beitrag Dialog Johannes Kröber / Marlies Overmann Wie alt ist ihr Kind, Herr Kröber? Er ist anderthalb und geht aber zur Tagesmutter, beziehungsweise wird hingebracht. Besteht dort die Möglichkeit, dass er an einer regelmäßigen Mittagsverpflegung teilnimmt? Ja. Genau. Und da gäbe es bei ihnen die Möglichkeit, dass sie das bezuschussen lassen können vom Jobcenter, indem sie einen Antrag stellen auf Zuschüsse zur Mittagsverpflegung. Aha Autor Die Kirchliche Erwerbslosen-Initiative in Leipzig. Johannes Kröber - ein junger Vater - lässt sich zum Bildungspaket beraten. Er hat gerade sein Lehramtsstudium Geschichte und Deutsch abgeschlossen und wartet nun aufs Referendariat. Sein Sohn ist zwar noch ein Kleinkind - doch auch für die Jüngsten gibt es Geld aus dem Bildungspaket, erklärt Beraterin Marlies Overmann. Dialog Johannes Kröber / Marlies Overmann Dann besteht noch die Möglichkeit, dass sie auch einen eintägigen Ausflug mal haben. Mmh. Also dass die Kinder der Tagesmutter mit der Gruppe Ausflüge macht, eintägige. In den Zoo oder so? In den Zoo zum Beispiel. Und das würden sie dann als tatsächliche Geldleistung erhalten. Also den Eintritt dann und die Verpflegung. Autor Jeden Tag kommen dutzende Hilfesuchende in das Büro der Erwerbsloseninitiative im Leipziger Stadtzentrum. In letzter Zeit geht es fast immer ums Bildungspaket. Viele Bedürftige sind mit dem Papierkram überfordert. Ob Essenszuschuss, Geld für Klassenfahrten oder den Sportverein - jede Maßnahme muss einzeln beantragt werden. Beraterin Dorothea Klein hat fünf verschiedene Formulare auf ihrem Schreibtisch liegen. O-Ton Dorothea Klein Ich hatte hier eine alleinerziehende Mutter. Und die war dankbar, dass ich sie darauf ansprach und dass ich ihr geholfen habe, das zu beantragen. Aber sie sagt: Sie hat so viele Freundinnen, die kämpfen jeden Tag mit ganz normalen Dingen im Leben und haben gar keine Zeit, sich um diese bürokratischen Dinge wieder zu bemühen. Es ist einfach wieder sehr, sehr viel Bürokratie. Und manche haben das einfach satt. Autor Vielleicht ist das der Grund dafür, warum in Leipzig das Interesse am Bildungspaket anfangs gering war. Nach Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April stellten nur wenige einen Antrag. Inzwischen hat Sozialbürgermeister Thomas Fabian aber jeden Berechtigten persönlich anschreiben lassen. Mit guter Resonanz. O-Ton Thomas Fabian In Leipzig haben inzwischen knapp 20 Prozent, das heißt also: Es wurden für ein Fünftel aller anspruchsberechtigten Kinder und Jugendlichen diese Anträge schon gestellt. Also es sind insgesamt über 10.000 Anträge. Und ich denke, das ist erst mal eine gute Bilanz. Und ich denke, dass die Antragszahlen auch noch weiter steigen werden. Autor Um die Anträge zu bearbeiten, hat die Stadt im Sozialamt und im Job-Center neue Mitarbeiter eingestellt. Zudem wurde eine spezielle Software in den Behörden installiert, um Daten und Belege erfassen zu können. Bislang haben aber die wenigsten Antragsteller einen Bescheid erhalten. Auch Susanne Eberhardt wartet noch. Sie ist alleinerziehend, lebt derzeit von Hartz IV. O-Ton Susanne Eberhardt Also ich habe den Antrag gestellt für meinen Sohn. Dass der weiter seinen Verein machen kann. Weil in der Schule gibt es nicht so viele Sachen. Autor Die junge Mutter sitzt auf der Couch ihrer kleinen Wohnung. Sie würde gern als Altenpflegerin arbeiten. Doch Schichtarbeit und alleinerziehend - das passt für sie schlecht zusammen. Neben ihr turnt Sohn Max über die Polster. Der Siebenjährige will einmal Polizist werden und trainiert Judo in einem Sportverein. O-Ton Sohn Max Als erstes lernt man Purzelbaum und so. Und Handstand. Handstand kann ich aber immer noch nicht. Falltechniken lernt man als zweites. Und dann lernt man erst Umlegetechniken. Autor Mit leuchtenden Augen erzählt Max von seinem Sport - den sich die Mutter nur mühsam leisten kann. O-Ton Susanne Eberhardt So ein Anzug kostet schon 25 Euro. Man muss auch 15 Euro Jahresbeitrag bezahlen, damit die Kinder überhaupt an der Gürtelprüfung teilnehmen können oder am Turnier. Aber das ist einmal im Jahr. Ansonsten ist das monatlich 12,50 Euro. Wenn der Anzug zu klein ist, müsste dann schon ein neuer her. Aber wir haben den schon größer bestellt. Der wird dann einfach umgenäht. Autor Wenn ihr Antrag bewilligt wird, bekommt Susanne Eberhardt 10 Euro im Monat zusätzlich. Das ist die Obergrenze, die für Freizeitaktivitäten in Sport- oder Kulturvereinen aus dem Bildungspaket bewilligt wird. Nicht gerade viel - meint auch Ulrike Eckert. Sie arbeitet Teilzeit und hat eine 17-Jährige Tochter. O-Ton Ulrike Eckert Also es ist besser als gar nichts. Aber für 10 Euro kann eigentlich kein Kind Musikschule machen, weil da hängt ja noch mehr dran. Es ist ja diese Gebühr, dann brauchen sie Instrumente, was außer einer Blockflöte alles kostenintensiv ist. Da käme diese Ausleihegebühr schon wieder dazu. Autor Sozialbürgermeister Fabian kennt diese Kritik. Doch er kann sie nur zum Teil verstehen: O-Ton Thomas Fabian Diese 10 Euro sind in der Tat auf der einen Seite nicht wirklich viel, um dann beispielsweise den viel zitierten teuren Geigenunterricht zu bezahlen. Aber auf der anderen Seite kann ich mir durchaus vorstellen, dass man zum Beispiel Gruppenangebote entwickelt, wo dann der individuelle Beitrag zur Teilnahme an so einer Musikgruppe dann durchaus in dem Rahmen dieser 10 Euro monatlich auch noch liegt. Autor Fabian will in Leipzig mit Vereinen sprechen, um genau solche 10-Euro-Angebote zu schaffen. Der SPD-Politiker hätte sich eine andere Förderpolitik der Bundesregierung gewünscht: mehr Geld für Schulen und Jugendtreffs. Doch jetzt, da das Bildungspaket beschlossen ist, müsse man das Beste daraus machen, sagt der Sozialbürgermeister. O-Ton Thomas Fabian Ob es gelingt, mit diesen zusätzlichen 10 Euro zu bewirken, dass Kinder jetzt bestimmte Angebote nutzen, die sie bislang nicht genutzt haben - das muss das große Ziel sein. Dass wir sozusagen eine höhere Bildungsbeteiligung haben. Dass wir dadurch auch eine höhere gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen. So bescheiden diese 10 Euro auch sein mögen. Es ist in der Tat erst mal eine erste Möglichkeit. Autor Leipzig hat schon in der Vergangenheit Kinder aus sozial schwachen Familien gefördert. Bislang gab es für sie den Leipzig-Pass. Er ermöglichte verbilligten Eintritt in Museen und Theater, niedrige Beiträge bei Sportvereinen. Vicki Hänel arbeitet beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in der Stadt. Und sie fragt sich, ob diese Vergünstigungen nun wegfallen - wegen des Bildungspakets. O-Ton Vicki Hänel Unsere Sorge ist, dass viele Leistungen, die bisher auch schon kommunal ausgehandelt worden sind - siehe Leipzig-Pass. Wofür es viele Vergünstigungen gibt wie günstiges Mittagessen, günstig Straßenbahn fahren und so weiter. Dass da jetzt überlegt wird, sich eben stattdessen das Geld vom Bund zu holen. Und das wäre sehr schade, wenn solche kommunalen Bemühungen ab absurdum geführt werden. Autor Wird das Bildungspaket in Leipzig für die Hilfsempfänger zum Nullsummenspiel? Tatsächlich will die Stadt ihre Förderpolitik überarbeiten. Sozialbürgermeister Fabian sagt aber, dass für Bedürftige am Ende trotzdem mehr herauskommen wird. Das Bildungspaket ist für die Stadt kein große Wurf, aber eine kleine Hilfe - von der 30.000 Kinder in Leipzig profitieren könnten. // Ende Magazin Länderrepport "Bildung für alle Kinder? Wie setzen Kommunen das Bildungspaket um?" 09.06.2011 Beispiel Hamburg Länge: 7:10 Autorin: Verena Herb Redaktion: Heidrun Wimmersberg _________________________________________________________________ Atmo Musikschule, Chorprobe Lied Jeden Montagnachmittag proben die Sängerinnen des Mädchenchores der staatlichen Musikschule in Hamburg. Draußen ist es heiß, es riecht nach Regen. Trotz des schwülen Wetters sind die Mädchen aufmerksam. Konzentrieren sich auf das Singen. Auch Kiran. O-Ton Vitjama Ich singe so gerne, ich singe sogar in der U-Bahn manchmal. Und das ist mir egal, wenn andere Leute jetzt im Freibad...sind... aber ich darf hier sein und richtig singen, und ich mag das so... ist meine Lieblingssache... So wie andere Musikinstitutionen oder Sportvereine ist auch die Jugendmusikschule einer der sogenannten Leistungsträger, die beim Hamburger Bildungs- und Teilhabepaket mitmachen, erklärt Schulleiterin Claudia Draser: O-Ton Claudia Draser Es kam dazu, dass wir kurz vor Jahresende des letzten Jahres, es war Dezember, eine Art Aufruf hatten hier in Hamburg - also all jene Institutionen, die kulturelle oder Bildungsangebote machen, sollten sich beteiligen. Und das haben wir als staatliche Jugendmusikschule natürlich auch gemacht. Anders als in anderen Bundesländern, hat Hamburg einen unbürokratischeren Weg gewählt, um Familien, die Hartz IV beziehen, Wohngeld oder Kinderzuschläge bekommen sowie Asylbewerber und damit Anrecht auf Förderung aus dem Paket haben, zu erreichen. Detlef Scheele, Sozialsenator der Freien und Hansestadt Hamburg meint, das System aus Anträgen und Bewilligungen wie andere Bundesländer dies handhaben, O-Ton Sozialsenator Detlef Scheele Das ist ein verrücktes Verfahren Denn viele der teilnahmeberechtigten Eltern haben keine Routine, Sport- oder Bildungsangebote wahrzunehmen, so der SPD-Politiker. Es gebe da eine gewisse Hemmschwelle, die viele nicht überschreiten und durch weitere Anträge abgeschreckt werden. In der Hansestadt kann jeder Teilnahmeberechtigte zu einem Träger - beispielsweise zu einer Musikschule oder einem Sportverein gehen - O-Ton Scheele Seinen Bewilligungsbescheid vorlegen, der Sportverein schreibt den Namen des Jugendlichen auf und rechnet das mit der zuständigen Stelle, in diesem Fall mit dem Jobcenter oder mit den Bezirken ab. Mehr muss hier nicht geschehen. 78.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene können in Hamburg von dem Paket profitieren. 2011 stehen für das Bildungspaket rund 45 Millionen Euro zur Verfügung, dazu kommt noch Geld aus dem Haushalt der Stadt. Das Hamburger System vereinfache den Prozess, ist sich der Sozialsenator sicher. Doch noch lässt sich nicht sagen, ob und wie das neue Angebot genutzt wird. Während viele der Maßnahmen im Bildungsbereich, wie zum Beispiel die kostenlose Nachhilfe, erst nach den Sommerferien starten, gibt es die soziokulturellen Angebote schon jetzt. Doch auch der Sozialbehörde liegen noch keine Zahlen vor. Auch Claudia Draser als Direktorin der staatliche Jugendmusikschule kann nicht sagen, wie viele Jungen und Mädchen aufgrund des Teilhabepakets angemeldet wurden: O-Ton Draser Dafür ist es noch zu früh. Es gibt da tatsächlich noch keine belastbaren Zahlen. Auch nicht aus meiner Schule. Das müssen wir im Moment noch ein bisschen beobachten. Wir haben auch noch einmal ganz gezielt all jene Familien, die bei uns bereits als Schüler angemeldet sind, angeschrieben, um da noch einmal drauf aufmerksam zu machen, dass sie dieses Teilhabepaket auch geltend machen können. Und die Resonanz darauf war überraschenderweise sehr gering. Die Schulleiterin ergänzt: Beitragsermäßigungen für bedürftige Familien gibt es schon seit langer Zeit an ihrer Schule: O-Ton Draser Wir haben diese Gebührentatbestandsklauseln schon ganz, ganz lange in unserer Satzung. Insofern ist das ein gewachsenes Phänomen, dass wir jenen Familien, die sozial nicht so gut gestellt sind, da entgegen kommen wollen und eben auch sicherstellen wollen, dass wir mit unserem Angebot auch genau die erreichen können. Was bedeutet: Das Teilhabepaket ist im Fall der Musikschule überflüssig. Und das gilt für viele Einrichtungen mit soziokulturellem Angebot in Hamburg. Warum die Resonanz so gering ist, kann die Schulleiterin nur vermuten: O-Ton Draser Möglicherweise fühlen sie sich, dadurch, dass wir diese Gebührenermäßigungen einräumen, schon ganz gut betreut oder bedient an der Stelle, so dass sie ihrerseits gar nicht unbedingt diese Veranlassung sehen. Oder dass da noch ne gewisse Hemmschwelle besteht. Oder ein Scheu, sich dann tatsächlich aktiv zu melden bei uns. Die Hansestadt wirbt indes mit weiteren Maßnahmen, wie das Bildungs- und Teilhabepaket im Stadtstaat umgesetzt wird: künftig wird der von der Bundesregierung vorgesehenen Eigenanteil von 1 Euro pro Mittagessen für förderungsberechtigte Kinder übernommen, heißt es. Damit ab jetzt alle Kinder und Jugendlichen kostenlos in der Schule mittags essen können. Fakt ist jedoch: Kostenloses Mittagessen in Schulen gibt es in Hamburg schon seit einigen Jahren. Ireen Thiede ist alleinerziehende Mutter. Die 36jährige bezieht seit einigen Jahren Hartz IV, stockt ihr Einkommen durch einen 1-Euro-Job als Küchenhilfe in einer Schule auf. Büchergeld oder die Kosten für Schulbedarf für ihre zwei Kinder wurden schon immer übernommen, erklärt sie: O-Ton Thiede Die Klassenfahrten, die Ausflüge, mein Sohn ist schon seit vier Jahren beim Sport. Und die 5 Euro die kann ich auch vom Kindergeld bezahlen, das ist nicht so das Ding. Auch sie findet: Das Bildungs- und Teilhabepaket ist völlig überflüssig. Was da als Kompromiss von Koalition und Opposition beschlossen wurde, scheint auf einmal nichts anderes zu sein als "alter Wein in neuen Schläuchen", verbunden von einem gehörigen Maße an zusätzlicher Bürokratie. Doch für Hamburg gilt das nicht ganz. Zwar fallen bereits existierende Maßnahmen nun unter das neue Programm, doch gibt es auch eine Neuerung. Künftig sollen leistungsschwache Schüler in Hamburg kostenfrei Nachhilfe erhalten. An allen Grundschulen, Stadtteilschulen und den Gymnasien. Dafür werden Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket zur Verfügung gestellt, das Budget von 1,2 Millionen auf 7,8 Millionen Euro erhöht. Ireen Thiede findet das gut. Doch macht sie deutlich, dass die Unterstützung durch das Bildungs- und Teilhabepaket bei vielen Angeboten nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Beispiel: Der Tanzunterricht für ihre 5jährige Tochter. Den kann sie sich nicht leisten. Er kostet 80 Euro im Monat: O-Ton Weils ja nur 10 Euro sind, die die Behörde bezahlt. Und wenn ich 80 Euro bezahlen muss, dann bringen mir die 10 Euro auch nicht viel. Sie weiß, dass viele Betroffene überfordert sind: zum einen wüssten viele nicht, was ihnen an Förderung zusteht, wo was beantragt werden kann. Das liege auch daran, dass die Mitarbeiter in den Argen häufig überlastet sind. Viele Hartz IV Empfänger, Bezieher von Wohngeld und Kinderzuschlägen haben zwar Informationsbriefe von der Arge erhalten - doch das scheint nicht zu genügen. Das weiß auch Sozialsenator Detlef Scheele, SPD, und fordert deshalb verstärkten Einsatz der Institutionen: Am besten erreiche man die Eltern über die Regelsysteme: O_Ton Scheele Also dort, wo Eltern ohnehin Hilfe suchen oder Hilfe in Anspruch nehmen. Sei es Kindertagesstätten, in Elternschulen, in Eltern-Kind-Zentren... dort müssen die Fachkräfte Eltern ansprechen und sagen: Guck mal, es gibt etwas Neues. Wollen sie dies für ihr Kind nicht in Anspruch nehmen. Und das ist übrigens ganz einfach, nur darüber kann man Eltern erreichen. Ende dieses Monats wollen Bund und Länder wieder zusammenkommen, um über das Bildungs- und Teilhabepaket zu debattieren. Dann sollen auch erste Zahlen und Erfahrungsberichte vorliegen.