DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 22.09.2009 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 ? 20.00 Uhr "Leben. Leben ist wunderbar!" Denis Goldbergs Kampf für ein demokratisches Südafrika Von Birgit Morgenrath URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo: Schülergespräche O-Ton Mädchen Übersetzerin/Jugendliche Wir haben ihn mehr als einmal gefragt, was er von der politischen Situation damals gehalten hat, und er hat immer wieder gesagt, was er wirklich will, ist Fairness für jedermann. O-Ton Junge Übersetzer/Jugendlicher Ich fand das großartig. Weil er für Afrika aufgestanden ist, obwohl er weiß war. Er hat sich nicht als Weißer verstanden, er hat nicht gedacht, dass er uns als Weißer leiden lassen sollte, uns Schwarze. ER ist aufgestanden für uns alle. ER ist für mich ein Held. O-Ton Denis Goldberg (DG) Übersetzer 1 Ich bereue nichts, gar nichts, außer einem Fehler: Ich wurde gefangen genommen (raunendes lachen), aber ich bereue wirklich nichts. Wenn du die Waffen gegen ein unterdrückerisches Regime erhebst, erwartest du nicht zu überleben. Klassischerweise heißt es dann oft: erschossen auf der Flucht oder man wird gehängt oder anders hingerichtet. Während des Gerichtsprozesses haben wir erwartet, dass man uns hängt. Und als der Richter sagte, er werde nicht die Höchststrafe, die Todesstrafe, verhängen, lächelten wir ein wenig und als er dann sagte, er verurteile uns zu lebenslänglich, lachten wir! Weil Leben ist wunderbar. Sagte ich damals - und jetzt bin ich hier und das Leben IST wunderbar, ich bereue nichts. Atmo Ansage: "Leben. Leben ist wunderbar!" Denis Goldbergs Kampf für ein demokratisches Südafrika Ein Feature von Birgit Morgenrath Autorin 100 Schülerinnen und Schüler aller Hautfarben hängen an den Lippen des Mannes, der vorne locker auf einem Tisch sitzt und frei redet, erzählt, argumentiert. Denis Goldberg, mittelgroß und korpulent, ist wie immer salopp gekleidet ? kurzärmeliges Hemd, Jeans mit Hosenträgern, Sandalen. An diesem Morgen erzählt er in einer Schule in Kapstadt über sein Leben. Er macht das oft und ist dabei in seinem Element. Die großen wässrig blauen Augen hat er fest auf seine jungen Zuhörer gerichtet. O-Ton DG Übersetzer 1 Meine Generation hat Südafrika verändert, zum Beispiel das Schulsystem. Das war früher in allen Bereichen von der Rassenzugehörigkeit bestimmt. Heute hängt eure Zukunft nicht mehr davon ab, sondern davon, wie hart Ihr arbeitet, wie clever Ihr seid und wie Ihr eure Möglichkeiten wahrnehmt. Nehmt Ihr Drogen? Oder seid Ihr selbstdiszipliniert? Wollt Ihr in der Welt, in der Ihr lebt, etwas bewegen? Autorin Denis Goldberg ist heute 76 Jahre alt. Eine halbe Ewigkeit hat das Gefängnis Goldbergs Leben geprägt: 22 Jahre lang. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich habe keine Alpträume mehr wie kurz nach der Freilassung. Damals schlug ich nachts mit den Armen um mich und meine Frau weckte mich und hielt mich, um mich zu beruhigen. Ich habe das selbst nicht gemerkt, aber es war da und ich musste zugeben, dass die Wunden sehr tief sind, aber ich bin sehr entschlossen, dass mein Leben nicht von dieser Gefängniserfahrung entstellt wird. O-Ton Schlagzeilen 9. September 1963 Übersetzer 3 Südafrikanische Truppen stürmten eine Villa in Rivonia, einem Vorort von Johannesburg und nahmen etwa 20 Männer und eine Frau fest, unter ihnen die Anführer der Saboteure. Atmo: Möwen Autorin: An diesem Morgen, 46 Jahre später, fährt Denis Goldberg zusammen mit einem ehemaligen Mitkämpfer auf die Gefängnisinsel Robben Island. Nicht nur weil ein Filmteam aus Deutschland die Beiden aufnehmen will. Denis Goldberg trifft sich gerne mit seinen alten comrades, Genossen, wie sich die Befreiungskämpfer untereinander nennen. Atmo Fähre innen Autorin: Die beiden alten Männer tuscheln leise miteinander, unerkannt von den Touristen auf der Fähre. Achmed Kathrada, ein zurückhaltender, feiner Herr, war nach der Befreiung fünf Jahre lang Berater Nelson Mandelas und viele Jahre im Beirat des Museums auf der Gefängnisinsel tätig. Kathrada, Mandela und Goldberg wurden im selben Prozess verurteilt: wegen Sabotage, kommunistischer Aktivitäten und versuchten Umsturzes. O-Ton Achmed Kathadra Übersetzer 2 Die Nacht vor dem Ende des Prozesses war eine schlaflose Nacht. Ich kam mit einem unserer Anwälte nach Robben Island und erst Jahre später sagte er mir, dass sie schon am Tag vor der Urteilsverkündung wussten, dass wir nicht gehängt würden. Aber sie haben uns nichts gesagt, wir hatten Angst zu sterben. Und der Richter sprach das Urteil so leise, dass ich nicht hören konnte, was er gesagt hatte. Denis rief: Leben. LEBEN - und so habe ich das erst herausgefunden. O-Ton DG Übersetzer 1 du warst damals Aktivist der Kommunistischen Partei... O-Ton AK Übersetzer 2 Nur wenn Denis nach Johannesburg kam, ebenfalls underground, haben wir uns kurz getroffen. Erst in Rivonia haben wir uns dann wieder gesehen. Atmo Kathadra in Mandelas Zelle Sprecher Nach der Verurteilung wurden Kathadra, Mandela und fünf weitere comrades auf Robben Island eingesperrt. Denis Goldberg kam, weil er der einzige Weiße war, in eine 1000 Kilometer entfernte Haftanstalt in der Hauptstadt Pretoria - Apartheid auch im Gefängnissystem. O-Ton AK Übersetzer 2 Die Menschen dachten Robben Island wäre das schlimmste, aber das stimmt nicht. Unsere weißen Kameraden hatten es viel schwerer. Materiell ging es ihnen vielleicht ein wenig besser, zum Beispiel beim Essen. Aber generell wurden die weißen comrades wie Verräter behandelt. Wir nicht. Außerdem waren wir auf Robben Island alle zusammen. In Pretoria saß gerade mal eine Hand voll Gefangene. Wir waren allein 30 politische Gefangene und Hunderte andere in den Zellen hier. Gerade im Gefängnis braucht man eine Gemeinschaft, je größer, desto besser. Denis und die anderen hatten das nicht. Autorin Denis Goldberg schaut zu Boden. Dieser Satz muss eine Genugtuung für ihn sein. Denn die schweren Belastungen für ihn und andere weiße Anti-Apartheid-Aktivisten werden im Südafrika von heute nicht besonders gewürdigt. Atmo Gesänge auf Demonstration Sprecher Der Bauingenieur Denis aus der in linken Kreisen bekannten Familie Goldberg hatte zum Beispiel schon ein paar Jahre gegen den Pass agitiert, den nur Schwarze bei sich tragen mussten - Symbol ständiger Kontrolle und rassistischer Unterdrückung. Als im März 1960 rund 20 000 Menschen friedlich dagegen protestierten, erschoss die Polizei fast 70 von ihnen, die meisten von hinten. Diesem Massaker von Sharpeville folgten landesweite Unruhen und Streiks, das Regime reagierte mit Ausnahmezustand und Verhaftungen. Der Afrikanische Nationalkongress, ANC, und andere Organisationen wurden verboten. Sprecher Nelson Mandela und andere ANC-Führer gründeten nach fast 50 Jahren gewaltloser Proteste den militärischen Arm des African National Congress, "Umkontho we sizwe", den "Speer der Nation", kurz MK. Autorin: Nun begann für Denis Goldberg die Arbeit im Untergrund. Atmo: 3 Männer singen: 'Hama djoni' (I'am a soldier) Autorin Mamre liegt eine Autostunde von Kapstadt entfernt. Drei Männer in dunklen Jacketts mit weißen Baseball-Kappen auf dem Kopf singen: "Ich bin ein Soldat", ein Lied aus alten Tagen. Denis steht dabei, freut sich, grinst breit. Weit ab vom Ort, auf offenem Gras- und Buschgelände, fand das erste Übungscamp des MK statt. O-Ton DG Übersetzer 1 Erinnert Ihr Euch: Ich war der commander dieses Trainingcamps und ich erklärte, als wir hier mit dem LKW ankamen, dass wir keine Offiziere haben würden ? unser höchster Rang war seargant und alle nannten mich comrade Kommandant. (lachen) O-Ton Alfred Willy Sepehto Übersetzer 3 Wir waren sehr stolz Soldaten zu werden. Denis war mein Kommandant ... und das ist er sogar heute noch. (lachen) Autorin Willy Sepetho, der später General der südafrikanischen Armee wurde, und rund 30 andere junge Männer ließen sich damals in Sabotage unterweisen: wie man Telefonleitungen lahm legt, Automotoren außer Kraft setzt oder im Untergrund kommuniziert. O-Ton DG Mamre Übersetzer 1 ... und als die Polizei uns hier entdeckte und befahl, das Camp zu verlassen, sind wir marschiert wie comrade Looksmart. Der hatte seinen eigenen militärischen Stil erfunden! O-Ton (lachen) " ... left left left... left right left ... ? (lachen) Sprecher Aber die Lage nach dem Massaker von Sharpeville war sehr ernst. Autorin: Als es in Kapstadt für den allseits bekannten "Mister Technico", den Technischen MK-Comander Goldberg, zu brenzlig wurde, beorderte ihn das Oberkommando nach Johannesburg. Unter verschiedenen Decknamen kaufte und bestellte er Einzelteile und Sprengstoffe für Landminen und über 200 000 Handgranaten. Sprecher Wenig später flog die Gruppe auf. Fast das gesamte Oberkommando des militärischen ANC-Flügels wurde auf der Farm von Rivonia gefasst. Atmo Autorin Über diese Zeit zu sprechen fällt dem 76-Jährigen nicht leicht. Er sitzt am Küchentisch in dem großzügigen hellen Wohnraum, der voller Bilder hängt. Viele zeigen Portraits afrikanischer Männer und Frauen, bei der Arbeit, beim Tanz. Das Domizil im Bauhaus-Stil liegt in Houtbay, südlich von Kapstadt mit Blick auf eine malerische Bucht. In der Nachbarschaft leben heute Familien aller Hautfarben. O-Ton DG Übersetzer 1 Das Gefängnis war die einsamste Zeit meines Lebens, ein Leben emotionaler Verwüstung, ja es ist wirklich wie eine gefühlsmäßige Wüste, eine Zeit sexueller Eifersucht, denn Du bist eingesperrt, du bist jung und sehr attraktiv und deine Frau ist draußen, vielleicht würde ich ja nie freigelassen werden... Autorin Goldberg fährt sich mit der Hand über das Gesicht, wiegt ein wenig den Kopf mit dem lichten grauen Haar. Damals war er 31 Jahre jung und hatte seine Frau Esme mit den beiden kleinen Kindern Hilly und David ins Exil nach London geschickt. Esme Goldberg war in Südafrika zuvor bereits verhört worden. O-Ton DG Übersetzer 1 Und ich schrieb ihr, dass sie frei sei, ihr Leben zu leben, in dem ganzen Ausmaß, das sie sich wünsche. Nicht, weil ich sie nicht liebte, sondern weil ich sie liebte. Und ich wollte nicht, dass sie meinte, sie müsse mir gegenüber total loyal sein, sodass sie wie ein vertrockneter alter Stock würde. Erst nach vier Jahren durfte sie mich zum ersten Mal besuchen. Wir hatten ein paar Stunden zusammen. Zwischen uns eine Glasscheibe, wir konnten uns nicht berühren. Dann erlaubten sie ihr nach ein paar Jahren einen weiteren Besuch, und dann sah ich sie 14 Jahre lang nicht, bis ich aus dem Gefängnis entlassen wurde. Atmo: Büro Cronin Autorin Jeremy Cronin gehörte zur zweiten Generation weißer Befreiungskämpfer. Denis Goldberg besucht ihn in seinem Büro. O-Ton DG Übersetzer 1 Jeremy, wir sind alte comrades, politische Genossen aus dem Gefängnis. Wann haben wir uns zum ersten Mal getroffen? O-Ton Jeremy Cronin (JC) Übersetzer 2 Ich erinnere mich genau ? es war im September 1976. Kurz zuvor hatte man mich zu sieben Jahren verurteilt. Autorin Jeremy Cronin ist heute stellvertretender Minister für Transport. Viele Jahre saß der smarte, leise und bescheiden wirkende 60-Jährige im Parlament. An den Wänden seines Büros hängen Plakate mit Parolen der Südafrikanischen Kommunistischen Partei. O-Ton JC Übersetzer 2 Und du hast mich gefragt, wie viele Jahre ich gekriegt habe und ich sagte: sieben Jahre und Du hast geantwortet das ist ein Parksein. Du wirst nicht lange genug hier sein, um zum Spüldienst zu kommen. O-Ton DG Übersetzer 1 Wie arrogant... O-Ton JC Übersetzer 2 Nein, nein, es war keine Arroganz. Das war ein wichtiger Punkt. Du warst ja schon länger dort. Ich war ja froh, dass ich nur sieben Jahre bekommen hatte, weil der Staatsanwalt die Todesstrafe gefordert hatte. O-Ton DG For you? O-Ton JC Übersetzer 2 Ja. Wir hatten das Pech für die Studenten- und Schülerunruhen 1976 in SOWETO verantwortlich gemacht zu werden. Wir passten gut ins Bild als weiße Kommunisten. Sprecher 1979 gelang drei Mithäftlingen die Flucht. Alle politischen Gefangenen hatten daran mitgewirkt. Obwohl persönliche Spannungen die Atmosphäre untereinander monatelang schwer belastet hatten. Die Zurückgebliebenen mussten die Konsequenzen tragen. Das Gefängnis wurde umgebaut. Die Politischen wurden für mehr als zwei Jahre in einen anderen Trakt verlegt. O-Ton DG Übersetzer 1 Dieser Teil des Gefängnisses wurde Beverly Hills genannt ? aus Galgenhumor. Weil es ein schrecklicher Ort war. Etwa 150 Hinrichtungen am Galgen jedes Jahr, 50 Wochen im Jahr, zwei bis vier Hinrichtungen jede Woche. Unser Hof für den Umschluss war neben den Galgen und jede Woche konnten wir die Schreiner kommen hören, die die Falltüren prüften. Wir konnten das hören: klack! Also gingen wir nicht zum Freigang, einen ganzen Tag lang. Am späten Nachmittag kam ein Amtsrichter, der die Todeskandidaten für den nächsten Morgen informierte. Dann begannen die Gefangenen Hymnen zu singen, Kirchenlieder, sehr traurig, sie sangen und hörten auf und begannen wieder, bis 3000 Gefangene gemeinsam sangen ? die ganze Nacht hindurch. Unsere Zellen lagen genau unter den Galgen. Zehn Meter vielleicht. Wir hörten, wie die Gefangenen in den Exekutionsraum gebracht wurden, wir hörten, wenn das Ende kam, das Ganze Gefängnis wusste das, und wie auf Knopfdruck rissen die hoffnungslosen Gesänge ab. Peng! Und danach herrschte tiefe, tiefe Stille. Wir waren dort zwei lange Jahre und acht Monate. Das machte uns krank ? jede Woche wurden Menschen gehängt, das war tragisch. Atmo Gesang Autorin Anfang 1983 kam Jeremy Cronin frei. Er war 34 Jahre alt, Denis Goldberg wurde zwei Jahre später entlassen. Da war er 50. Atmo toyi toyi (Schlachtrufe) Sprecher In den 80er-Jahren geriet das Apartheidregime immer stärker unter Druck. Der Widerstand im Inneren weitete sich zu einer breiten Bürgerbewegung aus. International gewann der ANC größere Anerkennung und die südafrikanische Armee wurde in teuren Stellvertreterkriegen in Angola, Namibia und Mosambik aufgerieben. Das Land stand vor dem wirtschaftlichen Bankrott. Die politischen Gefangenen wurden zu Symbolfiguren, die junge Menschen überall auf der Welt inspirierten. 1982 verabschiedete das Regime ein Gesetz, das zum ersten Mal einen Straferlass vorsah, 1985 bot es allen politischen Gefangenen, auch denen aus Rivonia, die Freilassung an ? unter der Bedingung, den bewaffneten Kampf aufzugeben. Nelson Mandela und alle anderen Rivonia-Prominenten lehnten ab. Autorin Doch Denis Goldberg nahm das Angebot an. Er war der Meinung, nach 22 Jahren draußen nützlicher sein zu können. Atmo Protestlieder Autorin In einem Brief an den damaligen Präsidenten Pieter Botha schrieb Goldberg, dass er weiter für Demokratie und Freiheit in Südafrika kämpfen werde, wenn auch nicht mit Waffen. Sein angeblicher Alleingang wurde zum Gegenstand hitziger Debatten innerhalb der Befreiungsbewegung. Pallo Jordan, ein alter comrade aus Kapstädter Tagen, damals ein hoher ANC-Funktionär und schon lange im Exil, gehörte zu den Kritikern Goldbergs. Im April 2009 treffen sich die Beiden. O-Ton Pallo Jordan Übersetzer 3 Es hat eine Diskussion gegeben über diese Freilassung. Es gab die einen, die sehr stark in die contra Richtung tendierten, und die anderen, die Pro-Freilassung empfanden. Autorin Denis Goldberg wird sehr ernst, angespannt, er hat die Hände vor sich auf dem Tisch verschränkt. O-Ton Pallo Jordan Übersetzer 3 Aber am Ende musste die Bewegung abwägen ? wurde hier eine Sünde, Verrat, begangen, und wenn ja, bekämpfen wir dann die Sünde oder den Sünder? Schlussendlich sagten die Leute: Kann sein, dass wir mit dem, was gelaufen ist, nicht glücklich sind, aber wenn man alle Umstände berücksichtigt, ist comrade Denis Teil der Bewegung und wir nehmen ihn wieder auf. Autorin Goldberg lässt den anderen aussprechen. Dann korrigiert er und erklärt ruhig Wort für Wort betonend: O-Ton DG Übersetzer 1 Was du nicht weißt, Pallo, ist, dass es Verhandlungen über meine Freilassung gab und dass Thabo Mbeki, der zweite Mann im Hauptquartier, sicher davon wusste und auch ANC-Präsident Oliver Tambo. Autorin Ein israelischer Unterhändler aus dem Kibbuz, in dem Goldbergs Tochter seit ein paar Jahren lebte, hatte sieben Briefe der Tochter und britischer Politiker mit der Bitte um Freilassung von Denis Goldberg an den südafrikanischen Präsidenten Pieter Willem Botha lanciert. Die ANC Spitze hatte diese Initiative abgesegnet und die südafrikanische Regierung ließ sich darauf ein. Botha stand unter dem Druck der USA, die die regionalen Konflikte in der Region, etwa in Angola, beenden wollten. Die israelische Regierung profilierte sich mit dieser Aktion als nichtrassistischer Helfer schwarzer Befreiungsbewegungen in Afrika, vermutet Denis Goldberg. Aber das Ganze war geheim. Jetzt ist es Pallo Jordan, der äußerst gespannt, auch überrascht zuhört. O-Ton DG Übersetzer 1 Und die ANC-Führer redeten nicht mal mit anderen darüber. Als ich rauskam, konnte ich auch nicht darüber sprechen, weil die Führung nicht darüber sprach. Aber tatsächlich hat man versucht, mir eine Botschaft zukommen zu lassen die mir sagen sollte: Die Freilassung ist okay. Autorin Auch wenn das viele Sprechen für Denis Goldberg anstrengend ist, am Abend, in seinem Hause in Houtbay, erzählt er weiter. Er erinnert sich präzise an ganz konkrete Situationen. Zum Beispiel an den Tag, als er nach seiner Freilassung in Israel landete. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich dachte, ich würde dort nur meine Tochter treffen, aber meine Frau Esme war aus London gekommen und traf mich am Ende der Flugzeugtreppe. Und das war eine unglaubliche Erfahrung, weil ich nicht sicher war, wie es mit uns weitergehen würde. Es war immer schwerer geworden, Briefe zu schreiben nach all den vielen Jahren, mehr für sie als für mich. Ich bekam sehr oft keine Antworten von ihr. Und da war sie nun, um mich abzuholen und wir sahen uns nur an und sie lächelte, dasselbe Lächeln wie damals. Ich war kahl und alt mit Brille und sie war dicker und grauer, aber sie war der gleiche Mensch. Autorin Das Paar fand wieder zusammen, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten. Große Probleme hatte Denis Goldberg mit seiner Tochter. Sie öffnete zum Beispiel ungefragt seine Post. Der Vater reagierte sehr wütend, schließlich war seine Post 22 Jahre lang durch unzählige fremde Hände gegangen und zensiert worden. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich hätte verständnisvoller sein sollen, aber ich selbst brauchte auch Verständnis. Ich hätte schneller verstehen sollen, dass meine Tochter keine Zeit gehabt hatte, sich von ihrem Daddy zu lösen. (.) Sie dachte ich wäre Robin Hood, der die Armen beschützt. Sie brauchte vier Jahre und ging auch in eine Therapie, die ihr half. Später kam sie nach London, um mit uns zusammen zu wohnen. Autorin Goldbergs Sohn David reagierte ganz anders und fragte den Vater, was er in Zukunft zu tun gedenke: O-Ton DG Übersetzer 1 Und ich sagte: Ich muss politisch aktiv sein. Und er antwortete: Wenn du das nicht wärest, würdest du deine 22 Jahre wegwerfen, du hättest sie dann vergeudet, also musst du aktiv sein. Er und seine Frau würden sich freuen, wenn ich sie besuchte, wenn ich in London wäre, aber sie verstünden auch, wenn ich zu beschäftigt sei.(weint) Und ich dachte, woher nimmt dieser Junge eine so tiefe Einsicht? Weil ich doch nicht für ihn da gewesen war! Und er verstand so gut, dass ich weiter politisch aktiv sein musste. Weil meine comrades immer noch im Gefängnis saßen. Autorin Ein anderes Mal folgte der Sohn dem Vater in sein Zimmer: O-Ton DG Übersetzer 1 Warum hast du etwas gemacht, das dich uns so lange wegnahm? Er hätte sagen können: Warum hast du uns im Stich gelassen? Und wir setzten uns beide hin und ich sagte: Ich wusste, dass ich euch alle drei verletzte, aber ich habe euch nicht verlassen. Ich habe etwas getan, wovon ich dachte, dass es wichtig war. Millionen von südafrikanischen Kindern konnten ihre Väter nicht sehen, weil die als Wanderarbeiter woanders leben mussten. Ich empfand das als so falsch, dass ich etwas dagegen unternehmen musste. Also ging ich nicht weg von euch ? ich bin tätig geworden. Und ich sehe ihn an und da ist dieser 28-jährige große Mann und weint, in Tränen aufgelöst, weil er endlich diese Kränkung los war und wusste dass ich ihn tatsächlich liebte. Musik Autorin Die eigene Kindheit schildert Goldberg als sehr liebevoll. Seine Familie wohnte im Osten Kapstadts, in einem "weißen" Arbeiterviertel, in kleinen Häusern an engen Straßen. O-Ton DG Übersetzer 1 Meine Eltern waren Juden, aber total unreligiös. Ich bin jüdisch, weil ich Goldberg heiße, meine Großeltern haben die hohen heiligen Feiertage gefeiert, ich kannte die, aber wir zu Hause haben die nie mitgemacht. Autorin Die Großeltern waren vor Pogromen in Litauen nach England geflohen. Sie hatten im Londoner East End gewohnt, einem jüdischen Arbeiterviertel. Goldbergs Mutter hatte die sozialistische Sonntagsschule besucht, der Vater war im Ersten Weltkrieg zur See gegangen, weil er nicht als Soldat am imperialistischen Krieg teilnehmen wollte. Ende der 20er-Jahre wanderten die Goldbergs nach Südafrika aus und hier fand der Vater alle möglichen Jobs ? aber Politik war ihm immer wichtiger. O-Ton DG Übersetzer 1 In unser Haus kamen ständig Besucher, Menschen aller Rassen und aus allen möglichen linken Gruppierungen. Das war für mich eine eindrucksvolle Lehre, allen immer mit Respekt zu begegnen. Ganz egal, ob sie derbe Menschen aus der Arbeiterklasse waren, ich musste sie mit Respekt behandeln, als menschliche Wesen ? und das war etwas anderes, als was meine Mitschüler über diese Leute gesagt hätten. Atmo Sprecher: 1985 lag das Apartheid-Regime in seinen letzten Zügen lag und ging ? neben den Geheimverhandlungen - mit Mord, Folter und Ausnahmezustand gegen seine Gegner vor. Autorin Goldberg reiste in diesem Jahr, kurz nach seiner Freilassung, in die sambische Hauptstadt Lusaka, ins Hauptquartier des ANC. Dort wurde entschieden, er solle in die britische Hauptstadt gehen und als ANC-Sprecher in aller Welt für die Bewegung werben. Als Botschafter des ANC hielt er Ansprachen vor Gewerkschaftern, Kirchenleuten, Studenten, Schülern und Anti-Apartheid-Aktivisten. Er gab unzählige Interviews in Presse, Radio und Fernsehen. Er reiste durch Großbritannien, zur UNO nach New York, nach Skandinavien. In Schweden empfing die Regierung Olof Palme die weltweit als ANC-Terroristen denunzierten Befreiungskämpfer ganz offiziell. O-Ton DG Übersetzer 1 Kinder haben mir einen Satz schwedisch beigebracht... Autorin Denis Goldberg sammelte Geld für den ANC, erfand die ersten Werbeartikel wie etwa T-Shirts mit Aufdruck, die sich sehr gut verkauften und lebte selbst von einem Taschengeld. In diesen 16 Jahren des Exils unterhielt seine Frau mit ihrem Einkommen die Familie. Und auch im Exil war er nicht sicher, die Arme des südafrikanischen Geheimdienstes reichten bis nach Europa. Zudem war die konspirative Arbeit im Exil auch für den Alltag der Befreiungsaktivisten nicht ohne Folgen geblieben: O-Ton DG Übersetzer 1 Bei militärischen Aktionen im Untergrund musste man wie ein Soldat funktionieren ? man bekam einen Befehl und hatte ihn auszuführen. Mit einer Befehlsverweigerung hätte man das Leben aller anderen, die von einem abhingen, bedroht. Und dadurch hatte sich in unserer Bewegung ein autoritärer Stil breit gemacht. Autorin Andererseits widersprach dieser Stil Denis Goldbergs Überzeugung, man solle allen Menschen mit Respekt begegnen. Lange hat er, der loyale Parteisoldat, seinen Ärger darüber runtergeschluckt. O-Ton DG Übersetzer 1 ... Entscheidungen wurden an der Spitze getroffen und durchgesetzt. Dabei waren wir nicht sehr diszipliniert und manche Leute kamen mit ziemlich widerlichem Verhalten davon, trotz der richtigen Entscheidungen. Ich ließ mir zum Beispiel nicht von anderen vorschreiben, was ich zu denken hätte. Das habe ich einfach nicht erlaubt. Und als einer im Londoner ANC Büro das versuchte, sagte ich: Wieso glaubst du, testen zu müssen, wie du mich klein kriegen kannst? Das haben Experten in Apartheid-Gefängnissen 22 Jahre lang probiert und sie sind gescheitert. Versuch' es gar nicht erst! Denn du wirst keinen Erfolg haben. Außerdem haben wir Besseres zu tun - wir haben so viel zu tun, dass wir es sowieso kaum schaffen. (...) Aber darüber will ich heute nicht mehr reden. Das gibt es in allen Bewegungen, in allen, weil es überall Frustrationen gibt und Entfremdung und Einsamkeit. Es ist einfach so. Da waren wir nicht anders. Gesang Nationalhymne, Version 1994, Version 1992 Sprecher Erst nach der Übergangsphase mit bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, die noch einmal über 10 000 Tote gefordert hatten, durften alle Südafrikaner zum ersten Mal wählen. Frei und geheim. Autorin: Denis Goldberg blieb in London, weil seine Familie ihm nicht nach Südafrika folgen wollte. Er hätte gerne beim Wahlkampf geholfen. Doch die Order aus Lusaka hieß, er solle im Ausland bleiben: O-Ton DG Übersetzer 1 Du berätst dich mit Anderen und tust, was notwendig ist. Ich sagte, ich würde gerne einen Entwicklungsfond gründen. Mein Vorgesetzter in Lusaka fand, das sei bitter nötig. Ich habe sogar einen Brief von Nelson Mandela, der mich ums Spendensammeln bittet. Also habe ich die Wohlfahrtsorganisation Community Heart aufgebaut und die Unterstützung war enorm! Ich wusste, das Bildungssystem in Südafrika brauchte finanzielle Mittel. Wir haben seit 1994 englischsprachige Bücher für Schulen gesammelt und heute - here we are - 15 Jahre später, sind fast zweieinhalb Millionen Bücher in Südafrika angekommen und wir können die Spenden gar nicht bremsen. So konnten wir die Solidarität aus der Apartheidzeit in die Zeit des Wiederaufbaus hinüberretten. Das war für mich sehr befriedigend und erfüllend. 1995 oder 96 traf ich dann eine Dame namens Tina Jerman, die eine Organisation führte mit Namen Exile Kulturorganisation. Sprecher Menschen in Deutschland spendeten Geld für den Transport der Bücher nach Südafrika und für Projekte im Bildungs- und Gesundheitswesen in den schwarzen Wohnvierteln. Exile organisierte mehr als 20 Vortragsreisen für Denis Goldberg. O-Ton DG Übersetzer 1 Wenn ich über die Geschichte unseres Kampfes erzähle, rede ich über Moral, will junge Leute dazu bringen, nachzudenken über richtiges Verhalten. Über Zivilcourage! Du siehst etwas Schlechtes, in der Verwaltung, dann musst du etwas unternehmen. Du kannst nicht wegsehen. Du erlebst Mobbing in einer Schule ? da musst du etwas tun, du kannst nicht einfach davon gehen. Die Geschwister Scholl waren sehr klein in ihrem Widerstand gegen die Nazis. Aber wichtig an ihnen war, dass sie aus Gewissensgründen sich gegen alles wandten, was man ihnen beigebracht hatte und handelten. Das kostete sie das Leben, das sind echte Helden. Wenn ich die Geschwister Scholl als Beispiel nehmen kann, dann mache ich das. Autorin Am Abend erzählt Denis Goldberg von seiner Rückkehr nach Südafrika. Wie üblich sitzt er am Küchentisch, wenn er nicht in seinem kleinen Büro arbeitet oder sich Sport im Fernsehen ansieht. Beim Sprechen spielt er mit einem Stift oder einer Büroklammer. Wie immer bemüht er sich, detailliert und wahrhaftig über den neuen Lebensabschnitt Auskunft zu geben. O-Ton DG Autorin Im Jahr 2002 war Denis Goldbergs Frau Esme an Herzversagen gestorben. Wenig später heiratete er Edelgard Nkobi, eine deutsche Journalistin, die, in der DDR aufgewachsen, selbst viele Jahre im südlichen Afrika gelebt hatte. O-Ton DG Übersetzer 1 Im September 2002, als ich dann als Berater im Ministerium für Wasser und Forstwirtschaft gearbeitet habe, hatte ich ein überschwängliches Gefühl der Freude nach Hause zu kommen. Aber die politischen Gefährten hatten während meiner 22 Jahre im Gefängnis und im Exil ihre eigenen Kreise gebildet. Autorin Der unbestechliche Basis-Aktivist und Spendensammler kam zurück in ein Land, in dem die Befreiungsbewegung bereits acht Jahre an der Macht war. Sprecher Nelson Mandela war 1999 zurückgetreten und sein Stellvertreter, Thabo Mbeki, war Staatschef geworden. Der Intellektuelle Mbeki regierte mit einer kleinen Gruppe vertrauter Ratgeber und kümmerte sich immer weniger darum, seine politischen Versprechen, zum Beispiel die Armutsbekämpfung, in die Tat umzusetzen. Autorin Dennoch warf sich Denis Goldberg mit Verve auf die neue Arbeit, reiste durchs ganze Land und sprach endlich mit den Menschen, für die er so viel geopfert hatte. O-Ton DG Übersetzer 1: Mit 13 Jahren hatte ich davon geträumt, Brücken und Straßen zu bauen und den Menschen Wasser zu bringen. In den schwarzen Townships fehlte damals jegliche Infrastruktur und das fand ich so völlig falsch, dass ich aktiv werden musste. Und schließlich kam ich dann zum "Speer der Nation" wegen meiner technischen Kenntnisse und wieder viele Jahre später konnte ich als Berater des Ministers für Wasser endlich den Menschen Wasser bringen. Da hat sich der Kreis geschlossen. Autorin Aber der Idealist und Pragmatiker Goldberg bekam auch tiefe Einblicke in die Regierungsgeschäfte und da gefiel ihm manches überhaupt nicht. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich wünschte, ich hätte als Berater mehr exekutive Befugnisse gehabt, weil ich eine Trägheit sah, an die praktische Arbeit zu gehen. Ich denke Schlamperei wäre ein gutes Wort dafür. Nach meiner politischen Überzeugung müssen geistige und praktische Arbeit zusammen gehen. Und das bedeutet, man kann nicht nur einfach Anweisungen geben. Man muss mit den Menschen zusammen arbeiten. Ich diskutiere mit den Menschen vor Ort und sie verstehen mich. Darum denke ich manchmal, ich hätte früher zurück kommen sollen, weil ich mich ständig mit den Menschen beschäftigt hätte. Autorin Heute würde er vielleicht seine Untergebenen sanfter behandeln als früher. Auch er war ein Kind seiner Zeit, gewöhnt an Befehl und Gehorsam im Kampf. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich war grob zu Leuten, wenn ich es nicht hätte sein sollen. Ich war intolerant, wenn ich hätte tolerant sein sollen. Ich habe lange gebraucht, um wirklich zu verstehen, was "unity in action", "Einheit im Handeln" bedeutet. Aber in der Hitze der Schlacht, nicht unbedingt der militärischen, hast du nicht immer die Zeit "bitte" und "danke" zu sagen. Du willst, dass etwas passiert, und zwar sofort. Aber es wäre besser gewesen, meinen Ton zu dämpfen. Autorin Nach vier Jahren war sein Job beendet. Seitdem betrachtet er sein Land, ohne selbst eine Funktion inne zu haben. Hin- und hergerissen zwischen tiefer Loyalität zum ANC und einer kritischen Bestandsaufnahme liefert er eine differenzierte Analyse. O-Ton DG Übersetzer 1 Als der ANC 1994 an die Regierung kam, war das Land buchstäblich bankrott. Und ob wir nun wollten oder nicht, die Weltbank schrieb uns vor, wie wir mit den Finanzen zu verfahren hatten. Ein Strukturanpassungs-Programm. Und wie man weiß, bezahlen bei diesen Programmen die Armen den Preis. Autorin Der ANC-Mann verteidigt dennoch vehement seine Partei, die große Teile des Weltbank-Programms umgesetzt hat, etwa Privatisierung öffentlicher Dienste. Die Regierung habe trotzdem einiges erreicht, habe zum Beispiel den zentralisierten Apartheidsstaat in einen föderalen demokratischen Staat umgebaut, Millionen Häuser errichtet, Strom- und Wasserleitungen gelegt, Krankenhäuser und Schulen gebaut, regelmäßig Kindergeld und Renten an Millionen Arme ausgezahlt. Aber etliche Projekte wurden jahrelang verzögert. Es habe an politischer Führung gefehlt, sagt Denis Goldberg. O-Ton DG Übersetzer 1 ... was ich bisher noch nicht öffentlich gesagt habe: In der Politik muss man Kompromisse machen. Und ich habe von unseren neuen Regierungsmitgliedern nicht erwartet, sodass sie so schnell und entschlossen reich werden wollten, wie es dann geschehen ist. Aber ich wusste, das würde passieren. Ich bin Kommunist und mir war die Macht der großen Aktiengesellschaften, der großen Unternehmen, des großen Kapitals und des internationalen Kapitals in Südafrika sehr bewusst. Und mit dicken Scheinen kann man Leute in die regierende Klasse kooptieren, als Alliierte. Und diesen Kampf wollte ich nicht führen. Ich wollte nicht ? um es im Klartext zu sagen ? als weißer Rassist beschimpft werden, wenn ich sagte: Schwarze sind Diebe. Denn Kritiker werden als weiße Rassisten bezeichnet. Das habe ich kommen sehen. Autorin Die jüngsten Entwicklungen sind dennoch für Goldberg Anlass zu Optimismus und Hoffnung - trotz aller Hindernisse und Kritik aus dem Ausland: Sprecher Seit den Wahlen im April 2009 ist Jacob Zuma neuer Staatspräsident Südafrikas. Was zu unzähligen besorgten, auch rassistischen Kommentaren vor allem in den Medien der westlichen Welt führte, weil Jacob Zuma unter dem Verdacht der Korruption gestanden hatte. O-Ton DG Übersetzer 1 Natürlich haben wir das Problem, dass der Präsident des ANC wegen Korruption angeklagt wurde. Diese Klage wurde fallen gelassen. Ein deutscher Kanzler, der bekanntermaßen von Elf Aquitaine bestochen worden ist, wurde nicht einmal angeklagt. Also ist Deutschland nicht korrupt? Bei uns geht es um Taschengeld, in Deutschland um Milliarden. Aber vier Jahre, nachdem Helmut Kohl zurücktreten musste, stellte seine Partei wieder die Regierung - und diese Deutschen sollen über Korruption bei uns beunruhigt sein? Ich mag Korruption nicht, ich will sie nicht verteidigen, weil es die einfachen Menschen sind, die dafür bezahlen müssen mit ihren Steuern. Atmo Wahltag in Houtbay Autorin Goldberg ist wieder bei den einfachen Menschen angelangt. Freude macht ihm derzeit vor allem die Kulturarbeit in Houtbay. Immer mit dem Ziel, die nach wie vor getrennt lebenden Gemeinschaften der Schwarzen, Farbigen und Weißen zusammenzubringen. O-Ton DG Übersetzer 1 Ich habe geholfen, ein Filmfestival zu organisieren, das erste hier in der Gegend. Ich habe geholfen, Musikinstrumente zu finden für eine Brass Band von Kindern aller Hautfarben, um sie von der Straße zu holen. Ich habe beim Wahlkampf mitgemacht und den Minister für öffentliche Arbeiten nach Houtbay gelotst, den ersten Minister, der jemals hierher kam. Wir haben das Problem, dass hier regierungseigene Gebäude leer stehen, die wir gut gebrauchen könnten. Für Kleinunternehmen unserer Leute und zum Beispiel für ein Kulturzentrum. Das Wesen der politischen Arbeit besteht darin, an der Basis zu arbeiten, Basisarbeit zu leisten mitten unter den Menschen. Atmo Preisverleihung O-Ton Frau Übersetzerin Ich bitte um Ruhe für die Verleihung des Ordens von Luthuli. Atmo/Musik Autorin Eine große Freude war es für Denis Goldberg, als sein lebenslanger, unermüdlicher Einsatz und seine Hingabe an die Sache endlich offiziell anerkannt wurden. Am 27. April 2009 erhielt er einen der höchsten Staatspreise, den Luthuli-Orden, benannt nach dem Präsidenten des ANC und Friedensnobelpreisträger Albert Luthuli. O-Ton Frank Chikane Übersetzer 3 Der Luthuli-Orden in Silber wird Denis Theodore Goldberg verliehen für sein Engagement im Kampf gegen die Apartheid und seinen Dienst am südafrikanischen Volk. Atmo Gesang Autorin: Übergangs-Präsident Kgalema Motlanthe überreicht ihm den Orden und eine gerollte Urkunde. Denis umarmt den Staatschef kurz ? auch er ein alter comrade. Atmo Gesang Autorin Und als Denis Goldberg, ausnahmsweise im schwarzen Anzug, über den roten Teppich das Podest verlässt, reißt er ganz kurz beide Arme hoch in die Luft, schüttelt ein wenig die Fäuste und lacht ein sehr, sehr glückliches Lachen. Atmo Gesang Absage: "Leben. Leben ist wunderbar!" Denis Goldbergs Kampf für ein demokratisches Südafrika Ein Feature von Birgit Morgenrath Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009 Es sprachen: Nina Petri, Ernst August Schepmann, Gregor Höppner, Wolf Aniol, Hans Bayer und Isis Krüger Ton und Technik: Michael Morawietz und Anna Dhein Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Karin Beindorff Atmo Gesang 2