COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Die Kleine Sprachgeschichte. Dialekte als Muttersprache - Oder : Warum die da so anders sprechen - Autor Uschi Götz Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 11.05.2012 - 13.07 Uhr Länge 18.00 Minuten Moderation Blumen und Süßigkeiten sind beliebte Gesten der Aufmerksamkeit am Muttertag. Wir fügen dieser Geste nun eine weitere hinzu : Dialekte als MutterSprache. Mit ihnen, ja in ihnen wachsen wir auf. Moderne Medien, Schulen und Verwaltungen lehren uns dann Hochdeutsch. Aber im Anfang ist der Dialekt. Er vermittelt uns Identität. Jedenfalls da, wo er noch gesprochen, also gepflegt wird. Dialekte als eigentliche Muttersprache. Uschi Götz nahm sich in der Reihe Die Kleine Sprachgeschichte des Themas an. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag (Kurpfälzisch/ Prof. Dr. Hans-Peter Schwöbel) "Ja, isch find, dass es einfach ein frecher, nasser Dialekt is. Das "sch" spielt eine große Rolle, also man spürt, dass das ein Dialekt is, der an einem Fluss gewachsen ist, ja, und wo die Menschen gerne a große Gosch habe." (Bayerisch/Martina Schwarzmann) Und wos i am allerschlimmsta find is, dass sich die Bayern zum Großteil selber aussterbn lossen. Au bei uns, total am Land, siggi oder her i immer efter, dass Oiltern mit ihre Kinder Hochdeutsch reden, obwohl se s selber gar net kennet." (Karasek) "Als ich zum ersten Mal nach Württemberg kam, wo ich jahrelang bleiben konnte, hat meine geliebte Tante zu mir gesagt: "Ich hole dir den Teppich von der Bühne". Damit war gemeint, die Decke vom Boden." AUTOR Eine von mehreren D i a l e k t-Geschichten, die der Literaturkritiker Hellmuth Karasek zum Besten geben kann. "Sprache ist Heimat", also erzählt auch der "Teppich von der Bühne" der Tante ein Fazit: (Karasek/Kongress "Heimat ist Sprache" 2011) "Die deutsche Sprache ist deshalb so reich, und wir sollen ihr deshalb nicht diesen Reichtum zu rauben versuchen, weil sie unendlich viele Dialekte und Sprachformen hat, die so reich sind ... die böhmischen Köchinnen haben nach Wien den Schmeten gebracht, den wir Sahne nennen, der aber sonst auch Schlagoberst heißt. Von den Buletten, dem Faschierten, dem Hackbraten, den Fleischpflanzerln, von den Semmel, Brötchen, Wecken, Rundstücken, davon will ich gar nicht sprechen. Der Reichtum unserer Sprache liegt in dem Wortschatz der Regionen. (Schwäbisch/ Christoph Sonntag) Hai jo, i trag de Apparat no ra, kenn mer des geschewend han? (Kölsch/ Gaby Köster)Isch bin Blondine, habe ne Oberweite von 105 und habe nen Vornamen, aber den verrat ich net (Platt/ unbekannt) In schede normale Familie, is ein Verrückter in, sacht sie. Aber da komm ich doch nich bei und steck die ganze Familie in die Klappsmühle. AUTOR Unendlich viele Dialekte und Sprachformen heißt auch unendliche viele "Verwandlungen". Und jede hat ihre Geschichte. Eine große Sprachumsetzung fand nach dem 2. Weltkrieg statt. Millionen von Flüchtlingen zogen in ihnen fremd klingende Sprachräume. Sie sprachen Deutsch, aber was für eins! Der starke Dialekt war mit den Trecks in fremde Landschaften gezogen. Bisweilen trafen verschiedene Welten aufeinander. Dabei waren die Wortenden noch einfach zu verstehen: (ältere Dame) "Wir sagten zu unseren alten Tanten: Tante Friedchen, Tante enchen, wir sagten nicht Tante Lene; es war immer "chen".. ach mein Herzchen, mein Engelchen, die haben gar nicht mal die Namen gesagt.. Mein Bruder, der so groß ist ... ach mein Jungche ... so ging das." AUTOR Heute sind die Damen alt; sie kamen als Kinder nach Süddeutschland. Ihre Muttersprache ist Ostpreußisch. Einmal im Monat treffen sich die Frauen in Stuttgart, um sich ungestört in ihrer Muttersprache zu unterhalten: Atmo : Auszug mehrere Frauen unterhalten sich (Ostpreußen/ Stuttgart) AUTOR Ostpreußisch wird in wenigen Jahren aussterben. Nur noch wenige sprechen den Dialekt. Zu den letzten prominenten Sprechern des Dialekts zählt der bei Danzig geborene Schriftsteller Günther Grass. Manche Figuren in seinen Büchern kamen in der Heimatsprache zu Wort. Vieles lässt sich im Dialekt verständlicher, besser sagen. Der Dialekt ist ein Sprachgewand, das man trägt. (Zitat aus Günter Grass/ Im Krebsgang gelesen von Gertrud Buttgereit) "Wie aisig die See jewesen is und wie die Kinderchen alle koppunter. Das musste aufschraiben. Biste ons schuldig als glicklich Ieberlebender. Werd ech dir aines Tages erzählen, klitzeklain, ond denn schreibste auf." Atmo : Kurz aus Unterhaltung (Ostpreußen/ Stuttgart) AUTOR Uta Lüttich war vier Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter die Sprachheimat verließ. Heute setzt sie sich als Bundesvorsitzende der ostpreußischen Frauenkreise für den Erhalt ihres Dialektes ein. (Ute Lüttich) "Das Ostpreußische ist einfach weicher, zumindest wenn Frauen es sprechen. Dann liebe ich auch dieses rollende "r", nicht? Das meine Mutter so schön gesprochen hat (lacht) ((im Dialekt) Freileinche geben se mer Heilsberg drei, drei, drei ... (lacht) Dann fühle ich mich in meine Kindheit versetzt." AUTOR Kindheit heißt hier auch: Heimat. Man kann seine Heimat verlassen. Gezwungenermaßen oder freiwillig. Manche erleben den Wegzug aus der Heimat sogar als Befreiung. Aber der Dialekt als natürliche Sprache bleibt einem. Man kann sie ebenso wenig ablegen wie den Kopf. Wilhelm von Humboldt, preußischer Staatsmann und Sprachforscher, formulierte es so: "Die wahre Heimat ist eigentlich die Sprache. Sie bestimmt die Sehnsucht danach, und die Entfernung vom Heimischen geht immer durch die Sprache am schnellsten." (Alemannisch/ Schwyzerdütsch, unbekannt) "Rätselhaft in jedem Fall, ist das Zürcherdütsch für alle (Rheinisch/ unbekannt) Also ich weiß ja ned, ob dad all so rischtig is? Vielleicht kennen sie ja unseren Henning Nettekoven unseren küfnischen Heimatdichter?(Fränkisch/unbekannt) Es longd wenn mr am Dog dreimal lacht, am besten noch m Essen, weil, wenn dr Bauch voll is, kriecht ma kai Bauchweh." AUTOR Wie weit müssen wir uns vom Heimischen entfernen, um uns fremd zu fühlen? Jede Region hat ihre Sprache, jede Landschaft ihren Dialekt gefunden. Fühlt sich ein Bayer in Ostfriesland fremd? Vielleicht nicht, aber es gibt in der Regel Verständnisprobleme, obwohl der Bayer und der Ostfriese Deutsch beherrschen. Ein Wort kann in einem Dialekt verschiedene Bedeutungen haben. Und im Verständnis eines Dialektfremden noch ganz andere. Es kommt auf den Standort an. Die Schriftstellerin Herta Müller dazu : (Herta Müller) "Zwischen allen Sprachen tun sich Bilder auf. Jeder Satz ist ein von seinen Sprechern so und nicht anders geformter Blick auf die Dinge. Jede Sprache sieht die Welt anders, hat ihr gesamtes Vokabular durch diese andere Sicht anders gefunden - ja sogar anders eingefädelt ins Netz seiner Grammatik." AUTOR "In jeder Sprache sitzen andere Augen in den Wörtern." Also werden Missverständnisse durch Doppelbödigkeiten vorbereitet. (Karasek) "Ich bin ein Flüchtlingskind. Meine Mutter stammt aus Wien und ich bin neulich nach Wien geflogen, und da kam die Ansage, dass (das) Flugzeug bald landen würde; neben mir saß eine Dame, die schnell ihren Kaffee in sich hineinschüttete. Da kam die Stewardess und sagte: "Sie brauchen sich nicht zu tummeln." Da erinnerte ich mich sofort an meine Mutter, die sagte, wenn ich zu spät in die Schule gehen wollte: tummel dich! Während in Berlin nur Conny Froboess die Badehose einpackte und wir tummeln uns im Wasser wie Fische, das ist fein. Und nur meine kleine Schwester traut sich nicht herein." AUTOR Sprache ist ein wesentlicher Teil von heimatlichen Bezügen, Dialekte sind es erst recht. Hermann Bausinger, emeritierter Professor der Universität Tübingen und viele Jahre Leiter des Ludwig-Uhland Instituts für Empirische Kulturwissenschaft: (Bausinger) "Es ist ja kein Zufall, dass man von Muttersprache spricht, weil das doch ein ganz elementarer Bezug ist. Wenn man das Wort ernst nimmt. Ich finde das eigentlich ganz sympathisch, dass eigentlich mehr über Muttersprache gesprochen wird, als über Nationalsprache, weil da also deutlich wird, dass das etwas mit ganz elementaren, engen Verhältnissen zu tun hat." AUTOR Bausinger hat fast alle sprachlichen Strömungen der letzten Jahrzehnte erlebt und viele davon wissenschaftlich untersucht. Sollen oder müssen Kinder Hochdeutsch sprechen? Wie viel Dialekt, also Muttersprache, dürfen Kinder eigentlich sprechen? Ist es sinnvoll an Schulen wieder den Heimatdialekt zu lehren? Fast alles ist dazu gesagt, auch vom Tübinger Professor. Rein sprachlich sind wir in einer neuen Zeit angekommen, glaubt Bausinger: (Bausinger) "Die Sprachmelodie und der Sprachrhythmus, der spielte lange in der Linguistik, also in der Sprachwissenschaft, so gut wie keine Rolle, weil man da eben sehr schwer beigekommen ist. Sondern man hat den Dialekt immer fest gemacht, entweder an besonderen Wörtern oder aber an grammatischen Eigenheiten, also im Satzbau usw. Erst verhältnismäßig spät hat man sich auch der Melodie und auch dem Rhythmus zugewandt. Und in Wirklichkeit ist das wahrscheinlich mit das wesentlichste Element." Atmo : Babygeschrei AUTOR Gleich nach der Geburt schreien Neugeborene wohl in ihrer Muttersprache, in der Melodie ihrer Muttersprache, die der Dialekt ja eigentlich ist. Atmo : Kleinkind lacht (kurz frei & unter Autor) AUTOR Je nach Leidensdruck mit der mütterlich geprägten Sprache landen sie dann vielleicht auf der Couch von Ariane Willikonsky. Frau Willikonsky ist Fachfrau für Stimmbildung und Sprecherziehung in Stuttgart. Ihr Fachgebiet: Hochdeutschkurse für Dialektsprecher. Motto: Wir können alles, auch Hochdeutsch. Namhafte Größen aus Funk und Fernsehen und nicht zuletzt aus der Politik behandelt die Sprecherzieherin. Und nicht nur Schwaben zählen zur Kundschaft. Viele Dialektsprecher wollen beides können: Muttersprache und Hochdeutsch. (Willikonsky): "Ich finde der Dialekt ist Muttersprache, aber das Deutsche ist eben auch Muttersprache. Ich bin ja auch Frau und Mutter, oder ich bin Frau Kollegin und Chefin. Das eine schließt ja das andere ja nicht aus. Beides ist Heimat, aber beides ist auf seine Weise ... , hat das seinen Raum und seinen Platz und dann fühlt man sich wohl. Und wenn man beides kann, denkt man gar nicht darüber nach, sondern das passiert aus der Situation heraus. Ich mach das ja nicht im Kopf." AUTOR Jeden Sprach-, oder besser Sprechkurs beginnt Sie mit dem Satz: Sie müssen das Hochdeutsche wie eine neue Sprache, eine Fremdsprache, betrachten und so lernen. Deutsch als Fremdsprache, der Dialekt als Muttersprache. (Willikonsky): "Das eine schließt das andere nicht aus! Ich kann Schwäbin sein, ich kann aber gleichzeitig auch Deutsche sein und ich kann mich auch in beiden Sprachen, in meiner Rolle zuhause fühlen. Also, ich bin, wenn ich auf dem Weindorf hocke ond drumrom schwätzed älle Schwäbisch, dann verfalle ich automatisch rein und bin dann immer noch ich.. und wenn ich einen Vortrag halten würde, in Hamburg oder in Berlin, dann würde ich mir fremd vorkommen, also selber fremd vorkommen, wenn ich das in Schwäbisch machen würde." AUTOR Dialekte stehen für eine nationale Bilingualität. Gelegentlich könne sie dem Gesprächspartner wie eine Fremdsprache anmuten und manches abverlangen. "Hochdeutsch", gibt der bayrisch sprechende Journalist Hermann Unterstöger von der "Süddeutschen Zeitung" zu, sei für ihn eine sehr nahe Fremdsprache. Es gebe Situationen, da sei es mit dem Hochdeutschen, wie wenn er nach längerer Zeit wieder mal Englisch sprechen müsse. (Unterstöger/ WDR) "Wenn ich Dialekt rede, dann bin ich ausgesprochen locker. Dann rede ich so vor mich hin, wie ich es von Kind her gewohnt bin. Während, wenn ich Hochdeutsch rede, mich zusammenreißen muss, richtiggehend, weil ich das Hochdeutsche erst relativ spät gelernt habe. Ich bin kein anderer Mensch, ich bin schon noch der Gleiche, aber ich bin in einer anderen Rolle. Bilde ich mir jedenfalls ein." AUTOR Wir können uns öffentlich zu unserem Dialekt bekennen. Es wird zunehmend zu einer Art Auszeichnung ein Bayer, ein Rheinländer ein Schwabe oder wer auch immer zu sein. Gerade die Schwaben scheinen - möglicherweise dank des Werbespruchs alles außer Hochdeutsch zu können, ihr schlechtes Dialektimage aufgeholt zu haben. Dialekt ist in, die eigentliche Muttersprache zu sprechen ist ein Bekenntnis. Dialektrubriken in Zeitungen haben wieder zugenommen. Der Kulturwissenschaftler und Buchautor Eckart Frahm spricht von einer Modeerscheinung. Sprache suggeriere lediglich Heimat, so Frahm: (Frahm) "Nun ist es so, dass der Begriff Heimat ein Begriff ist, der auf der einen Seite sehr gefühlvoll ist und eine Rückzugsmöglichkeit und eine Basis ist. Aber auf der anderen Seite ist Heimat natürlich auch etwas Doppelbödiges. Es ist eine Beschränkung auf eine Region, es ist eine Beschränkung auf einen ganz bestimmten Blickwinkel. Man muss also beides sehen." AUTOR Die Beschränkung findet bisweilen sowieso statt. Ob gewollt oder nicht: Wir alle bringen bestimmte Dialekte mit einschlägigen Eigenschaften in Verbindung. (Willikonsky) "Also wenn man sich darüber lustig macht, über den schwäbischen Dialekt i s t d a s g a n z o f t , w e n n d i e S c h w a b en so s p r e c h e n. Ich glaube, wenn jemand einfach einen Dialekt spricht, dann wirkt der eigentlich nie lächerlich. Aber diese Schwaben haben die Neigung dazu, sich zu bemühen Hochdeutsch zu sprechen. Der Schwabe sagt ja auch, er spricht nach der Schrift. U n d d a s h ö r t s i c h d a n n soo an, wenn die S c h w a b e n sich b e m ü h e n H o c h d e u t s c h zu sprechen." AUTOR Manche Muttersprachen gelten als sehr leise und weich, andere machen mit einem Satz klar, wer das Sagen hat: (Frahm) Für mich das klassische Beispiel ist die Gegenüberstellung des Selbstbewusstseins in der Sprache Bayrisch und Schwäbisch: Mir san mir! Also dieses Selbstbewusstsein, was dort auch heraus klingt. Natürlich drückt die Sprache auch das Lebensgefühl aus. Das Bayrische oder das Wienerische oder das Berlinerische ist sehr viel kommunikativer, sehr viel die Anderen einbeziehender." AUTOR Der gebürtige Flensburger hat wie sein Kollege Bausinger viel zur Dialektforschung beigetragen. Jahrzehntelang trug ein Team um Frahm und Bausinger Sprachproben von Dialektsprechern zusammen. Die Wissenschaftler werteten die Sprachproben aus und archivierten die Tonaufnahmen. Das geschah lange unbemerkt. Dann waren sie plötzlich wieder gefragt. Der Kulturwissenschaftler Frahm glaubt einen Zusammenhang zwischen kommenden Wirtschaftskrisen und einem Interesse für Dialekt und Heimatsprache erkennen zu können: (Frahm) "Und zwar nicht, wenn wir ganz unten sind, sondern wenn diese Krise beginnt. Man könnte sagen: Die Konjunktur von Heimat, die Konjunktur von Dialekt, die Konjunktur von Muttersprache jeweils ist ein Anzeichen, dass wir demnächst in eine Krise rutschen." AUTOR Ebenso trage die Globalisierung dazu bei, dass sich Menschen wieder irgendwo sprachlich zuhause fühlen möchten. Atmo : Stammtisch (Schwäbisch) kurz frei, dann unter Mod AUTOR In fast allen großen Städten gibt es Muttersprachen-Stammtische. Schon wenige Kilometer von der Heimat entfernt, hat mancher Weggezogene das dringende Bedürfnis, er müsse sich unbedingt mit seinesgleichen Dialektzungen treffen. So nennt der Berliner Schwabenstammtisch als eines seiner ersten Ziele die Zusammenführung und Vernetzung der in Berlin lebenden Baden-Württemberger. (Frahm) "Es treffen sich Plattdeutsch sprechende am Stammtisch in Stuttgart, und es treffen sich Bayrisch sprechende in Hamburg. Also es sind immer so Kontrastphänomene. Kontrast wozu? Das ist die Frage. Kontrast zu dem, was ich bin, wo ich lebe." AUTOR Oder die Dialektträger möchten einfach nur, dass ihre Muttersprache nicht ausstirbt. (Dialekt/Hessisch/unbekannt) "Dem Schorsch is sei Gebiss ins Bierglas gefalla. Was hamma gelachd. Und ich kend dr ned sache warum. Wärklisch net. (Hochdeutsch/ unbekannt) Rätselhaft für alle, ist das deutsche Deutsch für alle." AUTOR Sollen wir künftig Schwäbisch, Rheinländisch, Platt oder was auch immer sprechen, um unsere Muttersprache zu retten? (Frahm) "Weil wir glauben, dass der Dialekt jetzt verschwindet, wird er jetzt gepuscht und wird gefördert. Es ist ein Moment, der mich bei diesen Tagen immer stört: Es wird etwas gefördert, was im Wandel begriffen ist. Der Dialekt wandelt sich ja. Wenn ich denke, mein Kollege Bausinger, der erzählt immer als Beispiel: "Mei Frau isch outgesorst worra"." AUTOR Frei übersetzt: Frau Bausinger wurde, von wem auch immer, hoffentlich nur an ihrem Arbeitsplatz ersetzt. So wird nach und nach das eine oder andere Wort outgesourced: Gsälz, Bulletten, Schlorren und Marjellchen, ja vielleicht wird auch der Teppich auf der Bühne verschwinden. Die nachfolgende Generation kennt nur noch wenige Ausdrücke aus der Landwirtschaft, kennt nicht zig verschiedene Begriffe für einen Heuwagen. Warum auch? (Frahm) "Die kennt heute kein Mensch mehr, weil es diese Heuwagen in dieser Form nicht mehr gibt. Die landwirtschaftliche Produktion gibt es in dieser Form nicht mehr und die Begriffe sind ausgestorben. Und wenn ich die jetzt in einem Tag der Muttersprache hochjuble, dann denke ich: gut, das war es einmal. Aber auch der Dialekt entwickelt sich weiter. Er wird von einer Mundart, die lokal bezogen, die früher sehr lokal bezogen wurde- ein Dorf hat sich vom anderen mit den entsprechenden Begriffen abgetrennt, die wird heute zu einem Regiolekt, weil die Leute mehr rumkommen, weil die Leute mehr anderen Leuten in anderen Dialekten begegnen. Auch der Dialekt, auch die Muttersprache befindet sich im Wandel." Atmo : Baby schreit AUTOR Ohne Heuwagen werden die Kleinen künftig wohl auskommen können. Doch man möge ihre erste gehörte und verinnerlichte Sprache künftig nicht Regiolekt nennen. Wenigstens das soll bleiben, ganz altmodisch: die Muttersprache. -ENDE Beitrag- 11