Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Mord im Tiergarten Von Silvia Stöber und Thomas Franke Regie: Thomas Franke Redaktion: Gabriela Hermer, Wolfgang Schiller Produktion: rbb/Deutschlandfunk 2022 Erstsendung: Dienstag, 23.08.2022, 19.15 Uhr Langfassung Es sprachen: Vlad Chiriak, Lorena Handschin, Tilmar Kuhn, Peter Rene Lüdicke, Sarah Maria Sander, Stephan Siegfried, Tobias Schulze sowie die Autoren Ton: Martin Scholz und Benjamin Ihnow Regieassistenz: Andreja Andrisevic Regie: Thomas Franke Sprechregie für die Autoren: Guiseppe Maio Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - AT 1 Kleiner Tiergarten Erzählerin: Berlin, Kleiner Tiergarten. Es ist Freitag der 23. August 2019. Ein warmer Tag. Die Stimmung in der Stadt ist sommerlich entspannt. AT 2 Restaurantterrasse Erzählerin: Selimchan Changoschwili geht in den Park, die Bäume spenden Schatten, es weht ein leichter Wind. Eine junge Frau führt ihren Hund spazieren. Die Tische auf der Terrasse des Parkrestaurants Alverdes sind voll besetzt. Besonders Justizbeamte und Schöffen aus den nahen Gerichten verbringen dort die Mittagspause. Das Kriminalgericht Moabit ist nur 700 Meter entfernt. Die Restaurantgäste beachten Changoschwili nicht weiter. Und auch der dunkel gekleidete Radfahrer, der sich ihm von hinten nähert, fällt nicht weiter auf. AT 3 Knall Erzählerin: Vom Knall schrecken die Restaurantgäste hoch, schauen, sehen, wie der Radfahrer absteigt. In aller Ruhe geht er zum am Boden liegenden Selimchan Changoschwili. Mit ausgestrecktem Arm zielt er mit einer Pistole mit Schalldämpfer auf dessen Kopf und drückt ein drittes Mal ab. Dann steigt er auf sein Rad und fährt davon. Einige Gäste bringen sich im Restaurant in Sicherheit. Zwei Männer laufen zu Changoschwili. Doch der ist tot. ANSAGE Mord im Tiergarten Feature von Silvia Stöber und Thomas Franke Collage Ansage Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau OT 1 Wir beginnen mit einem Mord, der das deutsch-russische Verhältnis massiv belastet, OT 2 Gleich mehrere Spuren in dem Kriminalfall führen nach Moskau. OT 3 August 2019 im Kleinen Tiergarten in Berlin. Ein Radfahrer erschießt quasi im Vorbeifahren einen Fußgänger. OT 4 Der mutmaßliche Täter war mit falschem Pass aus Russland eingereist. Er hatte offenbar Helfer in Deutschland. OT 5 Das Opfer soll früher gegen den russischen Staat gekämpft haben. Wurde der Georgier deshalb hier am helllichten Tag ermordet? Erzählerin: Die Ermittler schicken Anfragen nach Moskau. Ergebnislos. Nach drei Monaten reicht es der Bundesregierung und sie weist zwei russische Diplomaten aus. "Trotz wiederholter hochrangiger und nachdrücklicher Aufforderungen", hätten die russischen Behörden "nicht hinreichend bei der Aufklärung des Mordes" mitgewirkt, heißt es. Es gibt mittlerweile Hinweise, dass der russische Staat hinter der Tat stecken könnte. Das wäre dann Staatsterrorismus. In solchen Fällen übernimmt die Bundesanwaltschaft den Fall. Am 18.06.2020, zehn Monate nach dem Mord, erhebt der Generalbundesanwalt vor dem Berliner Kammergericht Anklage. Dann vergehen noch einmal fast vier Monate, bis der Prozess am 7. Oktober 2020 vor dem Kammergericht in Berlin Moabit eröffnet wird. AT 4: Erzählerin: Der Flur vor Saal 700 ist voll. Die Sicherheitsvorkehrungen sind hoch: Taschen müssen in einem Regal bei den Justizbeamten deponiert werden, Laptops und Handys sind im Gerichtssaal nicht erlaubt. Protokollantin: Lediglich Stift und Papier. Die folgenden Gerichtsszenen beruhen deshalb auf meinen Notizen während der Verhandlung. Ich werde bis zum Schluss dem Prozess folgen. Erzählerin: Der Angeklagte wird über einen nicht einsehbaren Treppengang in den Gerichtssaal geführt. Die Anklagebank ist mit Sicherheitsglas geschützt. Mann: Ach, haben wir Doppelglas, ja sehr gut. Protokollantin: Richter Olaf Arnoldi eröffnet die Hauptverhandlung und wendet sich als erstes an den Angeklagten: Richter: Ich weise Sie darauf hin, dass Sie keine Angaben zur Person machen müssen, um sich nicht selbst zu belasten. Erzählerin: Bereits beim Namen des Angeklagten geht es um die Hauptfrage des Verfahrens: Handelt es sich um Vadim Sokolov, einen russischen Touristen, der zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort war und nun ungerechtfertigt vor Gericht steht, oder um Vadim Krasikov, der im Auftrag des russischen Staates nach Berlin gekommen ist, um Changoschwili zu ermorden? Protokollantin Wahlverteidiger Robert Unger stellt klar, dass sein Mandant Sokolow heißt und während der Verhandlung auch so genannt werden will. Richter: Dann frage ich Sie, sind sie Vadim Sokolow, geboren am 20. August 1970, Bauingenieur aus Brjansk? Krasikov "Das ist richtig" Erzählerin Das sind seine einzigen Worte am ersten Verhandlungstag. Und es werden in den 14 Monaten bis zur Urteilsverkündung nur wenige folgen. Protokollantin: Unger erklärt, eine Person namens Vadim Krasikov sei dem Mandanten nicht bekannt. Die weiteren Ausführungen des Richters verfolgt der Angeklagte aufmerksam und munter. Die Bundesanwaltschaft verliest die Anklage. Vadim Krasikov sei mit einem von den russischen Behörden gefälschten Pass auf den Namen Sokolov nach Deutschland eingereist. Für die Tat habe er eine halbautomatische Kurzwaffe mit Schalldämpfer benutzt. Tatmotiv Habgier oder niedere Beweggründe. Habgier, wenn es ihm um das Honorar gegangen sei. Niedere Beweggründe, wenn er die Absicht des russischen Staates geteilt hätte, Changoschwili zu töten. Erzählerin: Es spricht einiges dafür, dass der russische Staat hinter dem Mord stehen könnte. Denn Selimchan Changoschwili war Feldkommandeur im Zweiten Tschetschenienkrieg. Der dauerte von 1999 bis 2009. Menschen wurden bei lebendigem Leib zerstückelt, vergewaltigt. Am Ende war alles kaputt. Auch die Menschen. Das Ziel war, wie schon im ersten Tschetschenienkrieg Mitte der 90er, die Unabhängigkeit Tschetscheniens von der Russischen Föderation. In beiden Kriegen zusammen sind weit mehr als 150.000 Menschen ums Leben gekommen. Musikakzent Erzählerin: Der Mord im Kleinen Tiergarten war nicht der erste Versuch, Changoschwili umzubringen. In Deutschland hatte er einen Antrag auf politisches Asyl gestellt. Der wurde jedoch abgelehnt. Changoschwili sei nicht gefährdet, hieß es damals. Protokollantin: Vor Gericht treten an den ersten Prozesstagen elf Zeugen des Mordes auf. Erzählerin: Die meisten sind die Gäste, die an jenem 23. August auf der Terrasse des Restaurants in unmittelbarer Nähe zum Tatort saßen. Protokollantin: Zum Beispiel Zeuge H., 57 Jahre alt. Zeuge H.: (Regie: Zeuge H besonders wissend.) Ich war mit Kollegen vom Landesrechnungshof, der Polizei und der Justiz zum Essen auf der Terrasse des Restaurants Alverdes. Gegen 12 Uhr haben wir bestellt. Wir hörten einen Knall: "Da schießt doch einer", dachte ich. Die Gäste auf der Terrasse haben sich im Restaurant in Sicherheit gebracht und durch die großen Scheiben verfolgt, was draußen geschieht. Ich habe einen Mann mit einem Fahrrad gesehen, der eine Waffe in einen Beutel gesteckt hat. Protokollantin: Richter Arnoldi fragt nach: Richter: Wie weit waren Sie vom Tatort entfernt? Zeuge H.: So etwa 80-100 Meter. Der Täter hat den Beutel mit der Waffe an den Lenker seines Fahrrads gehängt. Aber, was für eine Gurke. Total einfach und billig. Immerhin hatte es ein Schutzblech. Die Handfeuerwaffe war ein größeres Modell, so etwa 30 cm lang. Richter: Welchen Eindruck hatten Sie vom Täter? Zeuge H.: Er wirkte abgeklärt, er stieg ruhig auf das Fahrrad. Richter: Wie sah der Täter aus? Zeuge H.: Er war mittelgroß, hatte auffällige blonde Haare, schulterlang und gewellt. Richter: Herr Unger, sie haben das Wort. Unger: Haben Sie die Waffe gesehen oder nicht? Im Polizei-Protokoll steht, sie hätten die Waffe nicht gesehen. Zeuge H. Meine Aussage von damals ist richtig. Erzählerin: Viele Zeugen erinnern sich vor Gericht anders als direkt nach der Tat. Experten sagen, das sei normal und eher ein Zeichen, das sie nichts erfinden. Normal sei es auch, dass sich die Erinnerungen der verschiedenen Zeugen widersprechen. Am widersprüchlichsten sind die Beschreibungen der Haare des Täters. Da ist von dunklen blau-schwarzen Locken die Rede, "Haare wie der junge Diego Maradona." Weiter gibt es lange Haare mit Basecap, gelbliche Rastalocken, einen Anglerhut, eine Karnevalsperücke zu erinnern. Zeuge H.: Ich bin dem Täter hinterhergelaufen, am Opfer vorbei. Sein Kopf lag in einer Blutlache auf dem Gehweg, er war tot. Als der Täter aus dem Park fuhr, hab ich ihn aus den Augen verloren. Ich hab dann die Polizei gerufen. AT Spree Erzählerin: Etwa ein Kilometer vom Tatort entfernt lassen sich zur Tatzeit zwei junge Männer auf den Stufen einer Treppe an der Spree nieder. Zeuge D.: Wir kamen von einer Wohnungsrenovierung. Mit einem Bier haben wir uns unten auf die Treppe zur Lessingbrücke gesetzt. Dann sahen wir einen Mann mit einem Fahrrad in die Büsche am Ufer fahren, so drei, vier Meter von uns entfernt. Erzählerin: Die jungen Männer erhalten Zeugenschutz und haben einen Anwalt als Beistand vor Gericht. Im Gerichtsprotokoll heißen sie Zeuge D. und Zeuge S. Zeuge D.: Wir sind die Treppe hoch und sahen seinen Schatten, er warf das Fahrrad in die Spree, zog sich um, kurz war sein nackter Oberkörper zu sehen, dann kam er mit neuer Kleidung raus. Unger: Haben Sie den Mann im Gebüsch die ganze Zeit gesehen? Zeuge D Er war mal mehr, mal weniger gut hinter den Blättern zu erkennen. Unger War es die gleiche Person, die in das Gebüsch hineinging und dann herauskam? Zeuge D Es konnte keine zweite Person im Gebüsch sein. Erzählerin: Offensichtlich hatte der Mann sich in Windeseile im Gebüsch umgezogen. Zeuge D: Er trug ein gestreiftes T-Shirt und eine kurze Hose. Und er hatte einen Schnauzbart. Er warf noch mehr Sachen in die Spree, die dann auf dem Wasser trieben. Wir hörten es mehr als zwei Mal platschen. Erzählerin: Die Sachen trieben in Säcken in der Spree. Zeuge D.: Ich rief die Polizei. Er hatte es offensichtlich eilig. Der machte das alles mit sehr großem Tempo. Mein Freund ist ihm dann hinterher. Er hat das offensichtlich gemerkt, hat sich zwei, drei Mal umgedreht. Er wurde nervöser. Dann ging er in die Einfahrt vom Haus Holsteiner Ufer 10. Erzählerin: Dort stand ein privater E-Roller für ihn bereit. Offenbar hatte er einen Komplizen, der ihm den Fluchtweg vorbereitet hat. Die Polizei war schneller. Zeuge D.: Die haben noch beim Fahren die Autotür aufgemacht. Sind dann in die Einfahrt gelaufen und haben ihn festgenommen. Protokollantin: An den folgenden Prozesstagen sagen mehrere Polizisten aus, die den Angeklagten festgenommen haben. Polizist G. 1: Es waren 5-6 bewaffnete Kollegen anwesend. Wir hatten erhöhte Eigensicherung, weil die Zielperson womöglich eine Schusswaffe trug. Ich habe ihn laut angebrüllt, sehr massiv angebrüllt. Die Person reagierte zögerlich, checkte die Lage, ob er noch davonkommen könnte. Er scannte uns regelrecht mit seinem Blick. Richter: Wie wirkte er auf Sie? Polizist G. 1: Wie er auf mich gewirkt hatte, er wirkte, er wirkte bedrohlich. Polizist G. 2: Ich war bei der Festnahme an zweiter Position. Der Kollege sprach den Verdächtigen an und hat ihm mit Händen gezeigt, was er machen soll. Der Verdächtige legte sich nur zögerlich hin. Das letzte Stück haben wir ihn dann aktiv zu Boden gebracht, seinen Kopf gesichert, ihm die Hände fixiert. Wir haben ihm Papiertüten über die Hände gezogen, um mögliche Schmauchspuren zu sichern. Erzählerin: An seinen Händen wurden keine Schmauchspuren gefunden. Offenbar hatte er bei der Schussabgabe die Handschuhe getragen, die im Wasser gefunden wurden. Richter: Wie haben Sie mit ihm kommuniziert? Polizist G. 2: Ich habe ihn mehrfach angesprochen. Er hat aber nicht geantwortet. Ein russischsprachiger Kollege übernahm dann die Ansprache. Polizist G. 1: Er erhielt eine Belehrung über Rechtsmittel auf Russisch. Nach der Festnahme haben wir ihn zum Gruppenwagen gebracht. Polizist G. 2: Ich habe den Festgenommenen durchsucht. Er hatte eine Bauchtasche eng an seinen Körper geknotet. Wir haben die abgeschnitten. Darin waren Pass und viel Bargeld. Polizist G. 1: Er sah aus wie ein Tourist. Polizist G. 2: Wenn wir 20 Sekunden später gekommen wären, wäre er nicht mehr aufgefallen und weg gewesen. AT 5 Spree Erzählerin: Während die Polizisten den mutmaßlichen Mörder festnehmen und abfahren, treiben die Sachen auf der Spree. Ein Polizist eilt zum Ufer und springt hinein. Er sichert das Fahrrad und die anderen Sachen. Zwei Kleidersäcke hatte der Täter mit Steinen beschwert. Polizeitaucher finden später nah am Ufer die Pistole. Neben der Kleidung stellt die Polizei eine Haarschneidemaschine, eine Sonnenbrille, eine schwarze Sprühflasche, eine Dose mit einer roten Substanz, die offenbar Paprika-Pulver ist, ein Messer und neun Patronen Kaliber 9 Millimeter sicher. Soweit die Rekonstruktion des Tathergangs. Doch der Fall ist ein paar Nummern größer. Wer war Selimchan Changoschwili, dass mutmaßlich ein russischer Geheimdienst einen Killer nach Berlin schickt, um ihn zu erschießen? AT 6 Friedhof Autor: Wir sind nach Duisi gefahren, einem tschetschenischen Dorf im Pankisital in Georgien. Hier wurde Selimchan Changoschwili geboren, hier ist er begraben. Der kleine Tiergarten ist 2500 Kilometer weit weg. Hinter dem Dorf sieht man die schneebedeckten Berge des Nordkaukasus im Dunst. Irgendwo da oben verläuft die Grenze nach Russland, zur Teilrepublik Tschetschenien. Ali Changoschwili, der Neffe von Selimchan führt uns auf den Friedhof. Viele Gräber sind von Gräsern überwuchert. Selimchan Changoschwilis Grab ist frisch. Der Haufen Erde noch grau und kahl. Der schwarze Stein glänzt in der Sonne. OT 6 (Russisch) Zelimkhan Khangoschwili Sultanowitsch... Übersetzer: Und dann sein Geburts- und sein Todesdatum. Autor: Geboren am 15.8.1979, gestorben 23. August 2019. Alis Gesicht umkränzt ein Bart, sein Bizeps wölbt sich unter einem Polohemd. Es ist ziemlich warm. Nachmittags mittlerweile. OT 7: (Russisch) TF: Warum liegen hier so viele junge Männer begraben? Ali: Übersetzer: Viele wurden in den Tschetschenienkriegen getötet, andere in Abchasien, in Tskhinvali - das hier sind alles Kriegstote. AT 7 Generator OT 8: (Russisch) Generator Übersetzer: Seit mehr als 400 Jahren kämpft Russland mit uns. Alle 50 Jahre haben wir Krieg. Russland ist unser Feind: Nicht das Volk, aber die Machthaber. Es gibt keine Familie, die in den letzten zwei Kriegen niemanden verloren hat. Getötet von den russischen Besatzern. OT 9: (Russisch) Generator TF: U Vas jest chustwa mesti? Haben Sie Rachegefühle? Übersetzer: Zurzeit können wir ihn nicht rächen. Für uns ist die Hauptsache, dass der Prozess in Berlin gerecht verläuft. Und je mehr man die Daumenschrauben gegen Russland anzieht, desto besser ist das für uns. Wir werden uns darüber freuen. AT 8 Duisi Zwei Autotüren AT 9 Duisi Wasserplätschern Kuh, Kind 50" Kuh AT 10 Duisi Kinder Autos Hupen Autor: Ali bringt uns zum Dorfältesten ins Dorf. Dort trotten Kühe über die Straße. Kinder rennen um die Wette. Die Mauern der Häuser hier sind grob verputzt. Alles ist ziemlich einfach. AT 10 : Reingehen AT 11 TF: Gamarjobat AT 12 Alte Frau kommt dazu Autor: Der Dorfälteste heißt auch Changoschwili. In Duisi gibt es viele Changoschwilis. Chaso Changoschwili ist der Nachbar von Selimchan. Der Älteste ist bei traditionellen Tschetschenen wichtig und hier im Pankisital sind sie sehr traditionell. Autor: Es ist Freitag. Chaso Changoschwili ist gerade in der Moschee. Wir warten. AT 13: Kurz Georgisch Mit Rusudan AT 14 Wein für die Gäste Autor: Bei uns sind noch eine georgische Assistentin und eine Reporterin vom Deutschlandfunk. Die Gastgeberin bittet uns auf eine Terrasse, die ist mit Wein überrankt. Das Weinlaub ist trocken und braun, die Trauben dunkelblau. Rusudan: Also für die Gäste haben wir natürlich Wein. Autor: Die Hausherrin stellt Teegläser und Früchte auf den Tisch im Garten. AT 15 Rascheln AT 16 Dorf mit Hahn AT 17: Alter kommt: Gamajobard Autor: Chasso Changoschwili geht an Krücken. Er trägt einen bläulichen Anzug, darunter einen groben grauen Rollkragenpullover. Auf dem Kopf hat er die graue runde Fellkappe, die ihn als Autorität ausweist. OT 10: Übersetzer: Selimchan war unser Nachbar und Verwandter. Er ist vor meinen Augen aufgewachsen. Ich kenne ihn gut, seit seiner Kindheit und Jugend, als er ein Mann wurde und seine Pflichten erfüllte, wie es sich für einen Mann gehört. Er war ein sehr guter Junge, sehr höflich. Er ist mit unseren Traditionen groß geworden. Selimchan war ein einzigartiger Mann, ein sehr guter Junge. OT 12 TF: Potschemu ubili Selimchana? Warum wurde Selimchan umgebracht? OT 11: Übersetzer: Er war ein Krieger. Er konnte seine Hörer beeinflussen. Er war ein geborener Führer. Ganz klar. Deshalb haben sie ihn getötet. Er war kein Untergrundkämpfer, kein Gangster, er war ein Krieger. Er hat das Land seiner Vorfahren verteidigt, Itschkerien, das ist die Republik Tschetschenien. Die hatte ihre eigene Armee, und zu der gehörte er. Er war ein Feldkommandeur. Erzählerin: Und offensichtlich wichtig genug, um ihn im Ausland ermorden zu lassen und internationale Spannungen zu verschärfen. Angesichts der internationalen Aufmerksamkeit äußerte sich Präsident Putin 2019 zweimal zu Selimchan Changoschwili. Das erste Mal bei einem Gipfel am 10. Dezember in Paris, an dem auch die deutsche Bundeskanzlerin, sowie die Präsidenten Frankreichs und der Ukraine anwesend waren. Auf der gemeinsamen Pressekonferenz fragte ein deutscher Journalist nach den Folgen des Tiergartenmordes. OT 13: Übersetzer: Dieser Mann stand auf unserer Fahndungsliste. Er war ein sehr harter und blutiger Mensch. Er war einer der Organisatoren der Explosionen in der Moskauer Metro. Ich weiß nicht, was mit ihm passiert ist, das ist ein Banditenmilieu, da kann alles passieren. Erzählerin: Belege für Changoschwilis Schuld haben die russischen Behörden nie vorgelegt. Das zweite Mal spricht Putin neun Tage später bei seiner jährlichen Pressekonferenz über Changoschwili, erneut gefragt von einem deutschen Journalisten: OT 14: Übersetzer: Er war ein absoluter Killer. Nur bei einer der Aktionen im Kaukasus hat er 98 Menschen getötet, denken Sie an diese Zahl: 98 Menschen. AT Duisi OT 15: (Russisch) Übersetzer: Das ist Verleumdung. Ich will das nicht mal kommentieren. Er war ein sehr gemäßigter Mensch. Er hat immer versucht, einen Kompromiss zu finden, damit es hier friedlich ist. Und als der Krieg begann, ist er natürlich in den Kampf gezogen. Der Befreiungskampf hat ja nicht erst gestern angefangen, der läuft mehr als 300 Jahre und er ist nicht zu Ende. Er hält nur gerade an. Die Tschetschenen sind nicht gebrochen. Sie sind allenfalls unterdrückt. (Hahn, Muezzin) AT 18 Ende Muezzin bei 30" zweiter Muezzin OT 16 Übersetzer: Diejenigen, die gegen Russland gekämpft haben, die aktiv waren, die sind entweder schon tot oder im Ausland. Hier gibt es nur noch sehr wenige. Es ist ja nicht nur Selimchan. Sie töten alle, ob sie in Katar sind, in Österreich sind, in Deutschland, in England. Sie sind überall. Sie haben überall ihre miesen Verbindungen. OT 17 TF: Warum glauben Sie, dass er in Deutschland sicherer war als hier in diesem Dorf? Übersetzer: Wir wissen, dass Europa, besonders Deutschland, demokratisch ist, und dort läuft alles nach Gesetzen. Der Mensch, sein Leben ist dort geschützt. Das wissen wir gut. ?ls er in Deutschland ankam, war ich beruhigt. Aber Sie sehen ja, ein Killer findet sein Opfer überall. Erzählerin: Tschetschenen, die für die Unabhängigkeit ihres Landes kämpften, leben in ständiger Angst. Auch Manana Z., die erste Frau von Selimchan Changoschwili. Protokollantin: Auch sie ist als Zeugin vor Gericht geladen. Richter: Warum haben Sie sich scheiden lassen? Manana Z.: Als ich nach Berlin kam, habe ich erfahren, dass er eine andere Frau hat. Mein Vater war mit der Scheidung einverstanden. Erzählerin: In Tschetschenien dürfen Männer bis zu vier Frauen haben. Manana Z.: Ich habe das nicht akzeptiert. Richter: Sie stammen aus Grosny, der Hautstadt Tschetscheniens? Manana Z.: Das ist richtig. Das Haus meiner Eltern stand in Grosny. Richter: Im Protokoll steht, dass sie 1998 ein Studium an der medizinischen Fakultät in Dagestan abgeschlossen haben und dann zur Facharztausbildung nach Grosny zurückgekehrt sind. Manana Z.: Das ist richtig. Richter: Schildern Sie uns bitte, was sie in Grosny erlebt haben. Manana Z: Sie haben das Zentrum von Grosny bombardiert. Die Stadt bot ein Bild wie aus dem Hades. Meine 7jährige Schwester und meine 3jährige Nichte wurden getötet. Meine Mutter wurde schwer verletzt, ihr Körper war voller Splitter. "Mama, stirb bitte nicht", habe ich gerufen. Wir haben im Bombenhagel meine Mutter durch die Gärten in das Krankenhaus gebracht. Die Stadt wurde sechs Tage lang bombardiert. Richter: Wie haben Sie Tschetschenien verlassen? Manana Z.: Das war schwierig. Wir sind, wie sehr viele Frauen, Alte und Kinder, nach Georgien geflüchtet. In Inguschetien schossen Kampfjets auf die Flüchtlingskonvois. Wir saßen auf einem Lkw und haben versucht, uns zu verstecken. Richter: Wer war bei Ihnen? Manana Z.: Meine Eltern und drei meiner Schwestern mit ihren Kindern. Richter: Wo haben Sie Selimchan Changoschwili kennengelernt? Manana Z.: Wir kamen Anfang Mai 2000 ins Pankisi-Tal. Dort haben wir uns kennengelernt und gleich geheiratet. Dann zog er in den Krieg. Ich war da bereits schwanger. Ich hatte Fieber und eine Nierenentzündung. Er kam und holte alles Geld, das wir hatten. Er musste ja sein Land verteidigen. Er war Angehöriger der Armee Maschadows. Wir sahen uns ein Jahr und zwei Monate nicht. Unser erstes Kind starb. Unsere weiteren Kinder wurden 2002, 2004, 2005 und 2010 geboren. Erzählerin: Aslan Maschadow war Stabschef der Tschetschenischen Armee im Ersten Krieg. Maschadow war eher moderat, ein klassischer Militär, ausgebildet noch in der Sowjetischen Armee. 1997 wurde er Präsident der nicht anerkannten Tschetschenischen Republik. Im Zweiten Tschetschenienkrieg war auf ihn ein Kopfgeld von 10 Millionen US-Dollar ausgesetzt. Im März 2005 wurde Maschadow von Spezialkräften des russischen Inlandsgeheimdienstes ermordet. Das russische Fernsehen präsentierte triumphierend seine Leiche. Die Familie durfte ihn nicht bestatten. GBA Malskies Handelte es sich bei der Armee Maschadows um eine reguläre Armee? Manana Z. Was meinen Sie? GBA Malskies Na, handelte es sich bei der Armee Maschadows um eine reguläre Armee? Wie andere Armeen auch oder um eine Terrorgruppe. Manana Z. Das war unserer Armee. Protokollantin: Generalbundesanwalt Malskies versucht von Manana Z. immer wieder Informationen über die Organisationsstruktur der tschetschenischen Kämpfer zu erfragen. Sie ist sichtlich irritiert, er scheint überfordert. Die Übersetzungen verstärken die Verständnisschwierigkeiten. GBA Malskies: Hatte er eine Uniform und Waffen im Haus? Manana: Er trug Zivilkleidung. Ich habe ihn erst auf Fotos in Uniform gesehen. GBA Malskies: Welche Beziehung hatte Ihr Mann zu Schamil Bassajew? Manana Z.: Selimchan stand nicht unter dem Kommando von Bassajew. Er war Kommandeur einer kleinen Einheit von Männern. Sie wollten die Unabhängigkeit des tschetschenischen Staates verteidigen. Erzählerin: Schamil Bassajew war eine Zeitlang der meistgesuchte Mensch in Russland. Er wurde für Terroranschläge verantwortlich gemacht. Auch im Westen stand Bassajew auf Fahndungslisten. Spezialkräfte des Inlandsgeheimdienstes liquidierten ihn im Juli 2006. Protokollantin: Manana Z. erzählt, wie ihr Mann nach Kriegsende nach Georgien zurückgekehrt ist. Bereits in den Jahren danach gab es Versuche, ihn zu entführen oder zu ermorden. Richter: In ihrem Asylantrag liegt die Kopie einer Anzeige, die sie bei der Polizei erstattet haben. Demnach sind sie bedroht worden. Können Sie das bitte ausführen? Manana Z.: Als ich mit den Kindern in der Nähe von Warschau im Flüchtlingslager war, erhielt ich 5 bis 6 Tage lang jeweils 3 - 4 SMS mit Drohungen. Richter: Wann war das? Manana: Das war im August 2016. Richter: Was stand da? Manana: "Wir wissen, dass Sie in einem Lager bei Warschau sind." "Wir wissen, dass Sie Kinder haben." "Kommen Sie nach Georgien zurück." "Wohin Ihr auch reist, wir lassen Euch nicht in Ruhe." "Glaube nicht, dass Dein Mann sicher ist." "Wenn Ihr nicht still seid, kommen wir auch zu Euch." "Das nächste Mal klappt es." Ich habe das der Polizei gemeldet. Selimchan hat auch solche Drohungen bekommen. Richter: Was stand da drin? Manana: Das weiß ich nicht. AT 19 Kleiner Tiergarten Manana kommt AT 20 Kleiner Tiergarten Kaffee oder Tee AT 21 Kleiner Tiergarten Verkehr AT 22 Kleiner Tiergarten still AT 23 Kleiner Tiergarten rauschig Autor: Nach einem Verhandlungstag gehen wir mit Manana Z. die 500 Meter vom Gericht zum Tatort. OT 18: Übersetzerin: Ich wohne eineinhalb Stunden von Berlin entfernt. Meine Anwälte sagen mir Bescheid, wenn interessante Zeugen aussagen. Dann komme ich, wann immer es möglich ist. 3 Mal die Woche arbeite ich in Berlin. Autor: Manana Z. hat große blaue Augen. Ihr Haar verhüllt sie mit einem Kopftuch. OT 19: Übersetzerin: Der Prozess ist wichtig, weil wir im Prinzip ja genau deshalb aus Georgien geflohen sind. Der georgische Staat wollte einen Anschlag auf Zelimchan 2015 nicht aufklären. 8 Kugeln wurden auf ihn abgefeuert, gezielt auf den Kopf. Die georgischen Behörden haben diesen Fall auf so stümperhafte Weise ermittelt, haben all unsere Anträge ignoriert, Anträge auf Ermittlungen und Bitten um Schutz. Autor: Wir sind am Tatort angekommen. Die Bänke sind verwaist, die Sträucher grau. Tischtennisplatten. Nichts erinnert im Kleinen Tiergarten an den Mord. OT 20: Übersetzerin: Es gab Zeiten, da wollten sie ihn lebendig. Aber sie können ihn nicht lebendig aus Deutschland durch mehrere europäische Staaten transportieren. Viele Jahre haben sie ihr Ziel verfolgt und schließlich erreicht, was sie wollten. Die heutigen Machthaber in Russland oder in Tschetschenien akzeptieren keine Andersdenkenden. Sobald einer etwas anders denkt als sie mit ihren beschränkten Denkmustern, sehen sie in diesen Menschen ernsthafte Gegner, die sich möglicherweise eines Tages gegen sie erheben. Mir scheint, das lässt ihnen keine Ruhe. Sie töten all diejenigen, die nicht zu ihnen zurückkehren und sie nicht um Verzeihung bitten. Egal, ob in Deutschland, Österreich, der Türkei, in England. Dem ersten Ermittler, der mich befragt hat, habe ich gesagt: Sie werden den Angeklagten umbringen. Ich war überzeugt davon, dass sie den Mörder umbringen. Dass sie zu ihm kommen, dass Russland Leute findet, die ihn dort, im Gefängnis umbringen. Ich war überzeugt davon. Als ich das gesagt habe, hat der Ermittler zu mir gesagt: Sie sind hier in Deutschland. Wenn das passiert, dann räume ich meinen Posten. Seine Worte haben mir so gefallen, das war sehr würdig. Autor: Sie lächelt. Der Prozess bedeute ihr sehr viel, sagt sie. OT 21: Übersetzerin: Ich hoffe, dass der Mörder sein verdientes Urteil bekommt. Denn es gibt keinerlei Zweifel mehr, dass er das ist. Und ich möchte ganz und gar nicht, dass der Prozess irgendwie politisch beeinflusst wird und er deshalb anders verläuft. Davor habe ich Angst. AT: Gerichtsflur, Stimmen Erzählerin: Es ist der 16. Februar 2021. Bewaffnete Sicherheitsbeamte bewachen den Gerichtssaal und den Zeugen G. Der Journalist trägt einen anthrazitfarbenen Anzug mit einer dunkelroten Krawatte. G. hat zum Tiergartenmord recherchiert und soll helfen aufzuklären, wer da eigentlich vor Gericht steht: Vadim Sokolow, wie der Angeklagte sagt oder Vadim Krasikow, der im russischen Sicherheitsapparat arbeitet und mindestens an zwei Morden beteiligt gewesen sein soll. Protokollantin: G. stellt sich vor. Aufgewachsen in Bulgarien. Dort habe er Journalismus studiert. Anschließend arbeitete er im Medienmanagement, darunter für Medien in Russland. Seit 2016 arbeite er hauptsächlich für die Rechercheorganisation Bellingcat. Sein Team habe sich mit dem Abschuss des Fluges MH17 mit 298 Toten beschäftigt, der Vergiftung von Sergej Skripal in Großbritannien und den internationalen Aktivitäten des russischen Militärgeheimdienstes GRU. Auch an den Recherchen zur Vergiftung von Alexey Nawalny war er beteiligt. Bellingcat habe auch Waffenlieferungen an den Iran und aus NATO-Staaten nach Saudi-Arabien recherchiert. Richter: Wieso sind die meisten Ihrer Recherchen zu Russland? Zeuge G.: Weil Russland die meisten grenzüberschreitenden Verbrechen begeht und sie nicht aufklärt. Richter: Wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt? Zeuge G.: Ich werde nicht von Bellingcat bezahlt, Euer Ehren. Mein Einkommen beziehe ich aus Investitionen in Medienunternehmen. Richter: Wann haben Sie angefangen, zum Mord an Selimchan Changoschwili zu recherchieren? Zeuge G.: Ende August 2019. Richter: Wo haben Sie recherchiert, wenn Sie doch nicht nach Russland fahren dürfen? Zeuge G.: In russischen Datenbanken. Vieles ist frei im Netz zugänglich. Außerdem sind Meldedaten russischer Städte in den vergangenen Jahren geleakt worden. Und man kann Telefonnummern zurück recherchieren. Daneben haben wir in geschlossenen Datenbanken Ein- und Ausreisedaten russischer Staatsbürger recherchiert, Passdaten und Steuerakten. Richter: Wie kommen Sie an solche Sachen? Zeuge G: Die offenen Daten sind im Internet verfügbar. Um an die geschlossenen Akten heranzukommen, braucht man Informanten. Die verlangen dafür meist Geld. Eine Steuerakte kostet zum Beispiel 20 Euro, Mobilfunkdaten sind für 200 Euro zu haben, Euer Ehren. Richter: Sie sagen, dass es sich beim Angeklagten um Vadim Krasikow handle und nicht, wie er selbst behauptet um Vadim Solokow. Wie kommen Sie zu dem Schluss? Zeuge G: Die Daten zu Vadim Sokolow sind nicht schlüssig. Zum Beispiel seine Steuerakte, die ist unvollständig. Darin stehen auch Daten eines Inlandspasses, die anderswo nicht zu finden sind. Für uns ist das ein Beleg, dass es keinen Inlandspass gibt. Dazu kommt, dass die Akte von Sokolow in der Passdatenbank nur für hochrangige Beamte zugänglich ist. Normalerweise kommt jeder Polizist oder Grenzbeamte an die Daten. Richter: Wie sind Sie daran gekommen? Zeuge G.: Wir haben einen Informanten mit höherem Dienstgrad gefragt. Der war allerdings verärgert, hat gesagt, er wolle nie wieder so brisante Fälle für mich anschauen. Sokolovs Akte war besonders geschützt. Ab da wusste ich, dass da viel zu erwarten ist. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Person nicht existieren kann. Der Staat muss an der Erschaffung der Person beteiligt gewesen sein. Sokolov muss also eine Scheinidentität sein. Richter: Können Sie das bitte etwas genauer ausführen? Zeuge G: Der Inlandsgeheimdienst FSB wendet in solchen Fällen ein bestimmtes Verfahren an. Der Vorname und das Sternzeichen der Mitarbeiter wird beibehalten. Das Geburtsdatum wird oft um ein Jahr zurückdatiert. Bei Sokolow war das anders. Deshalb hatten wir zunächst Schwierigkeiten. Fündig wurden wir, als wir Sokolows Geburtsjahr um fünf Jahre verschoben haben und nach vergleichbaren Mordtaten suchten. Das führte uns zur Person Vadim Krasikow. Richter: Wie kamen Sie auf ihn? Zeuge G: 2013 ist in Moskau ein Geschäftsmann getötet worden. Der Mörder kam mit einem Fahrrad und hat eine Pistole benutzt. Die russischen Behörden haben daraufhin Krasikow international mit einem Foto zur Fahndung ausgeschrieben, auch bei Interpol. Wir haben dann festgestellt, dass auf Krasikow keine Mobilfunknummer läuft. In den Datenbanken war auch kein Eigentum und kein Bankkonto zu finden. Richter: Und wie haben Sie dann herausgefunden, wo er sich aufgehalten haben soll? Zeuge G: Über die Social-Media-Konten und die Telefonnummer seiner Frau. Dann haben wir Handynummern gesucht, die sich nachts an den gleichen Orten aufgehalten haben und fanden seine Nummer. Ungewöhnlich war, dass es eine Strafakte von Krasikow gibt, die aber leer war. Unsere Quelle erklärte das damit, dass Einträge gelöscht wurden. So etwas können nur Geheimdienste. Richter: Wie geht das? Zeuge G.: Das geht nur, wenn der Inlandsgeheimdienst FSB das macht. Richter: Warum sollte der FSB das tun? Zeuge G.: Ich schließe daraus, dass Krasikow auf einen Einsatz vorbereitet werden sollte. Meinen Recherchen zu Folge wurde die Akte Krasikow gesäubert, als der Mord in Berlin vorbereitet wurde. Bei Interpol lag das Fahndungsfoto aber noch vor. Wir haben dann mit einem Computerprogramm einen Gesichtsvergleich von diesem und vom Foto bei der Festnahme gemacht und wir haben die Bilder einem Spezialisten für Gesichtsvergleiche vorgelegt. Beide Male wurde sehr hohe Ähnlichkeit festgestellt. Richter: Was haben Sie über Krasikow herausgefunden? Zeuge G: Mit Hilfe der Mobilfunkdaten haben wir Bewegungsprofile von ihm erstellt. Wir hatten auch Aufzeichnungen seines Autokennzeichens auf Straßenkameras. Sein Handy hielt sich mehrfach nahe hochgesicherter Einrichtungen des FSB und der Sondereinheit Vympel auf. Auf der Anrufliste des Handys waren Kontakte zu FSB-Offizieren. Einer der Kontakte kommt als Mittäter in Frage. Das sind nur Indizien. Für uns ergeben sie aber ein überzeugendes Bild. Protokollantin: G. möchte keine Angaben zu seinen Informanten machen. Aus Sicherheitsgründen. Mehrere seien festgenommen worden. Richter Arnoldi und der Verteidiger betonen aber, dass bei Gerichtsprozessen, zumal bei einem Kapitalverbrechen, strenge Regeln für die Anerkennung von Beweisen gelten. Verteidiger Unger verweist darauf, dass Journalisten anders als Ermittler arbeiten und andere Ziele verfolgen. Unger: Die Frage ist doch, gibt es keine Passakte zu Sokolow oder hat der Zeuge einfach keinen Zugang bekommen. Herr G. kann ja von seinem Recht Gebrauch machen, die Quellen nicht offenzulegen. Das kann ich verstehen, dass man es als Journalist nicht tut. Aber damit ist es weder dem Gericht noch der Staatsanwaltschaft noch uns möglich, diese Quellen auch nur ansatzweise zu überprüfen. Das heißt, Herr G. berichtet etwas, was ihm berichtet worden ist, was wiederum demjenigen, der ihm das berichtet hat, berichtet worden ist darüber, dass man angeblich Daten in russischen Datenbanken nicht habe finden können. Überprüfen kann das niemand von uns. Hinzu kommt, dass G. nun für das investigative Journalistennetzwerk Bellingcat arbeitet und sich darauf spezialisiert hat, russische Untaten aufzudecken, so dass er also auch ein einen klaren Auftrag hat, aus meiner Sicht auch darüber finanziert wird. Protokollantin: Die Anwältinnen der Nebenkläger halten dagegen. Das Landeskriminalamt Berlin habe unabhängig von Bellingcat ermittelt, dass Sokolow und Krasikow die gleiche Person seien. Die Vielzahl der Indizien lasse keine andere Erklärung zu, als dass Krasikow den Mord im Auftrag staatlicher russischer Stellen begangen hat. Erzählerin: Vier Tage dauerte die Befragung von G. Kein Zeuge wurde im Tiergartenmordprozess so lange vernommen. Bis Mitte März 2021 kommen weitere Zeugen und Sachverständige zu Wort. Die Beweislage ist mittlerweile so dicht, dass eines sicher scheint: Der Angeklagte ist derjenige, der im Kleinen Tiergarten die tödlichen Schüsse abgegeben hat. Ob er aber tatsächlich Vadim Krasikov ist und demzufolge in Verbindung mit den russischen Sicherheitsbehörden stand, bleibt offen und damit die Frage, ob das Gericht die Tat als Staatsterrorismus bezeichnen wird. Protokollantin: Richter Arnoldi sagt deshalb: Richter: Ich bitte die Vertreter der Anklage und der Verteidigung, ihre Plädoyers vorzubereiten. Erzählerin: Doch dann trifft Material aus der Ukraine ein. Ermittler und Polizei des Landes hatten es im ostukrainischen Charkiw sichergestellt -dort lebt die Familie von Krasikows zweiter Ehefrau. Fotos, Videos und Dokumente geben einen Einblick in Krasikows Privatleben und Hinweise auf eine Karriere im russischen Sicherheitsapparat. Sachverständige vergleichen die neuen Fotos mit der Aufnahme nach der Festnahme des Beschuldigten. Sie kommen mehrfach zu dem Schluss, dass es sich beim Angeklagten und Krasikow "wahrscheinlich" oder mit "hoher Wahrscheinlichkeit" um ein und dieselbe Person handelt. Wenn es Unsicherheiten gibt, dann aufgrund der Bildqualität der Familienfotos. Auf einem der Fotos sitzt Krasikow am Strand. Deutlich sind zwei Tätowierungen am rechten Unterarm und am linken Oberarm zu erkennen, wie sie genauso auch der Angeklagte hat. Dass es zwei Personen mit den gleichen Tätowierungen und Narben gibt, ist so gut wie unmöglich. Ein Familienmitglied erklärt sich bereit, vor Gericht auszusagen, Zeuge V. ist eingeheirateter Schwager. Die beiden kennen sich von Familientreffen in Charkiw. V. nimmt den Weg auf sich, erhält in Deutschland Personenschutz. Ende Juli sagt er das erste Mal aus. Protokollantin: Die Stimmung ist gespannt, als der Richter den Angeklagten bittet, seine FFP2-Maske abzunehmen und aufzustehen, damit Zeuge V ihn genau ansehen kann. Richter: Erkennen Sie den Angeklagten? Ist das Ihr Schwager Vadim Krasikow? Zeuge V.: Er sieht ihm ähnlich. Wenn er es ist, hat er sich sehr verändert. Richter Können Sie das genauer erklären? Zeuge V.: Ich habe ihn kräftiger und sportlicher in Erinnerung. Ich habe ihn zuletzt vor zehn Jahren gesehen. Protokollantin: Im Gerichtssaal ist Enttäuschung spürbar. Der Richter lässt Fotos auf eine Leinwand projizieren, die die ukrainischen Ermittler nach Berlin übermittelt hatten. Richter: Schauen Sie sich bitte die Fotos genau an. Erkennen Sie ihn wieder? Zeuge V.: Ja. Auf den Fotos erkenne ich ihn. So habe ich ihn damals erlebt. Das ist mein Schwager. Richter: Erkennen Sie die Tätowierungen auf dem rechten und linken Arm? Zeuge V. Ich habe ihn immer nur bekleidet gesehen. Wir sind uns auch nur zwei Mal begegnet, einmal im Winter im Park. Richter Was haben Sie gedacht, als sie Berichte über den Tiergartenmord gelesen haben? Zeuge V. Wenn ich Ihnen das sage, muss ich Asyl beantragen. Protokollantin: Immer wenn der Richter nach einer Verbindung zwischen dem Angeklagten und seinem Schwager sowie dessen möglichen Verbindungen zum russischen Sicherheitsapparat fragt, weicht V aus. Er erinnert daran, dass in der Ostukraine seit 2014 Krieg herrscht, dass das Leben dort für ihn unsicher sei, weil er auf Seiten der Ukraine stehe. Am Ende des Prozesstages beschreibt Verteidiger Unger den Zeugen als unglaubwürdig. Die Vertreterinnen der Nebenklage heben hervor, dass V. Krasikow auf den Fotos erkannt hat. Erzählerin: Zurück in der Ukraine entschließt sich V., Bellingcat ein Interview zu geben. Er trifft sich mit mehreren Journalisten in Kyiv und sagt ihnen, er habe sich im Gerichtssaal befangen gefühlt. Tatsächlich habe er seinen Schwager wiedererkannt. Dann schreibt er dem Gericht einen Brief. Er bietet an, noch einmal nach Berlin zu kommen. Protokollantin: Ende Oktober 2021 sagt er erneut aus. Richter: (strenger Ton) Ich frage Sie heute noch einmal: Ist der Mann auf der Anklagebank ihr Schwager Vadim Krasikov, den Sie in Charkiw kennen gelernt haben? Zeuge V. Ja, das ist er. Richter: Warum haben Sie beim ersten Mal nicht die Wahrheit gesagt? Zeuge V. Letztes Mal habe ich mich unsicher gefühlt. Als ob jemand eine Pistole an meine Schläfe hält. Ich hatte Angst, auf den Radar russischer Spezialeinheiten zu geraten. Richter: Hier in Deutschland erhalten Sie Schutz. Bei Ihnen zu Hause sind die ukrainischen Behörden zuständig. Zeuge V: In der Ukraine sieht die Gesetzeslage keinen Schutz für mich vor. Richter: Und was hat Sie dann bewogen, doch noch einmal hier auszusagen? Zeuge V: In Charkiw ist mir klar geworden, dass ich so oder so tragisch enden werde. Außerdem will ich meinem Schwager helfen. Er soll nicht als Krimineller verurteilt werden, sondern als Militärangehöriger, der im Auftrag Russlands gehandelt hat. Die Verantwortung für den Mord trägt Russland. Russland führt 30 Kilometer von Charkiw entfernt Krieg. Richter: Hatten Sie nach dem Beginn des Krieges 2014 noch Kontakt zu Krasikow? Zeuge V. Nur noch ein paar mal am Telefon, zu den Geburtstagen. Er kam nicht mehr zu Besuch. Ich stehe auf der Seite der Ukraine. Richter: Wie würden Sie Ihren Schwager beschrieben? Zeuge V.: Er hat sein Leben im Sicherheitsapparat Russlands zugebracht. Es fing an mit einer Ausbildung bei den Fallschirmjägern. Dann war er mit der Sondereinheit Wympel in Afghanistan. Als in Kirgistan vor ein paar Jahren Unruhen ausbrachen, ist er mit einem Kameraden hingeflogen. Er hat dann von der Präsidentin eine Auszeichnung bekommen. Richter Kennt Krasikow Putin? Zeuge V. Ich glaube. Einmal habe ich etwas über Putin gesagt. Dann unterbrach er mich und sagte: Du solltest so etwas nicht sagen. Du kennst ihn nicht. Am Anfang habe ich geglaubt, dass er bei der Präsidentengarde ist und sie sich darüber kennen. Dann hat sein Verhalten immer mehr wie das eines Agenten gewirkt. Krasikow und meine Schwägerin haben ständig ihre Telefonnummern gewechselt und immer selbst angerufen. Er ging oft auf Reisen, es war nicht klar, wohin er fuhr. Und er hatte T-Shirts und Kalender von der Sondereinheit Wympel des FSB. Erzählerin: V. ist von allen Zeugen die Person, die Krasikov am nächsten steht. Er konnte ihn nicht nur identifizieren. Er gab auch Hinweise auf dessen Karriere in den Sicherheitsstrukturen Russlands, die zu Informationen von Bellingcat passen und teils von Ermittlern bestätigt werden konnten. Durch sein Verhalten lieferte V der Verteidigung Angriffspunkte. Richter: Herr Unger, Sie haben das Wort. Unger: "Sie haben das letzte Mal gelogen. Sie erzählen heute das Gegenteil. Ich sage es Ihnen deutlich: Sie lügen heute wieder." Zeuge V.: Ich habe doch erklärt, warum ich mich beim letzten Mal nicht genauer geäußert habe. Sie treten hier als Vertreter Moskaus auf. Protokollantin Unger hingegen legt nahe, dass V nicht freiwillig ein zweites Mal nach Berlin kam. Unger: Ich weise darauf hin, dass laut einem Vermerk des Bundeskriminalamtes die ukrainische Polizei Gespräche mit V führte. V fuhr in Begleitung eines ukrainischen Polizisten nach Berlin. Protokollantin Daraufhin verstricken sich Unger und der Zeuge in ein Hin und Her darüber, ob und welche ukrainische Behörden Druck auf V. ausgeübt haben könnten. Unger: Es ist doch offensichtlich, dass die Ukraine ein politisches Interesse hat, eine Verwicklung Russlands in den Fall festzustellen. Protokollantin: Die Nebenklagevertreterinnen gestehen zu, dass die Ukraine ein politisches Interesse an einer Verurteilung des Angeklagten hat. Erzählerin Die letzten Zweifel, ob es sich beim Angeklagten um Vadim Krasikov handelt, werden durch die Dokumente aus dem Besitz der Familie und immer weitere Belege, die die Bundesanwaltschaft vorlegt, ausgeräumt. Die Verteidigung hingegen legt nichts vor, präsentiert auch keine Zeugen, die den Angeklagten entlasten könnten. Verteidiger Robert Unger ist von den russischen Behörden nicht unterstützt worden. OT 22: Die russischen Behörden haben nur am Anfang kurz kooperiert und mitgeteilt, nach ihren klaren Feststellungen handelt es sich bei Herrn Sokolow und bei Herrn Krasikow um zwei unterschiedliche Personen. Es kann viele Gründe geben, warum die russische Regierung sich an diesem Verfahren hier in Berlin nicht beteiligen will. Das können Vorbehalte gegenüber der Justiz hier sein. Das können Gründe sein innerhalb der russischen Politik. Erzählerin: Für den Zweiten Strafsenat um den Vorsitzenden Richter Arnoldi ist die Beweislage klar. AT 24 Gerichtsflur mit Jani AT 25 Gerichtsflur unfreundlich AT 26 So, bitte... Erzählerin: Am 15. Dezember 2021 drängeln sich Kamerateams und Fotografen auf dem Gerichtsflur. Nach 56 Verhandlungstagen verkündet Richter Olaf Arnoldi das Urteil. Protokollantin: Anschließend treten Anklage, Gerichtssprecherin und Verteidigung einer nach dem anderen vor die Journalisten. AT 27: Gerichtsflur Malskies: Weiter vor. Ja, okay. Erzählerin: Zuerst Lars Malskies von der Bundesanwaltschaft: OT 23: Dann gebe ich im Namen der Bundesanwaltschaft eine kurze Erklärung zum Verfahren ab. Der Zweite Strafsenat des Kammergerichts hat heute in vollem Umfang den Tatvorwurf, den die Bundesanwaltschaft erhoben hat, bestätigt. Der Angeklagte hat am 23. August 2019 in Berlin im Kleinen Tiergarten einen georgischen Staatsangehörigen getötet. Er hat ihn erschossen. Das geschah im staatlichen Auftrag. Der konkrete Auftraggeber ist nicht festgestellt worden. Das Tatopfer ist in das Visier geraten durch seine Feindschaft zum russischen Staat, insbesondere durch seine Teilnahme an den Kämpfen im zweiten Tschetschenienkrieg. Das war es, was dazu von uns zu erklären ist. Vielen Dank! Erzählerin: Der Verteidiger des Verurteilten, Robert Unger, sieht das erwartungsgemäß anders. OT 24: Unger: Es gibt dafür, dass es hier einen Auftrag, überhaupt einen Auftrag gegeben hat und insbesondere dafür, von wem dieser Auftrag stammt, keinerlei Beweismittel. Es gibt kein einziges Beweismittel, das hat das Gericht auch eingeräumt, es gibt kein einziges Beweismittel, das das [00:01:00] belegen würde. Es gibt nur Indizien und bei Indizien ist es eben in der Bewertung sehr schwierig. Aus unserer Sicht reichen die vorliegenden Indizien auf keinen Fall für eine solche Feststellung aus. Fragerin: Besteht denn Ihr Mandant auch immer noch darauf, Herr Sokolow zu sein. Unger: Der Angeklagte besteht darauf, er sei Herr Sokolow und nicht Herr Krasikow. Das ist richtig. Fragerin: Hat er irgendwelche Belege für seine Identität Sokolow? Unger: Er hat selber keine Belege beibringen können, die wir in das Verfahren hätten einbringen können, aus welchen Gründen auch immer. Unger: Innerhalb von einer Woche muss die Revision eingelegt werden, bislang ist die Entscheidung nicht getroffen worden und ich kann Ihnen auch nicht sagen, in welche Richtung er das entscheiden wird. Wir wissen alle Revision ist ja ein reines Rechtsmittel, wo nur die Rechtsfragen überprüft werden, nicht die tatsächlichen Fragen. Hier geht es insbesondere um die Feststellung von tatsächlichen Fragen. Und da ist die Frage, ob die Revision dann überhaupt eine Chance, eine Aussicht hat auf Erfolg oder ob man das Urteil so erst mal hinnehmen muss und dann sehen, wie weiter verfahren wird mit der Haft und den Haftbedingungen. Erzählerin: Für das Gericht tritt die Behördensprecherin Lisa Jani vor die Presse. OT 25 Jani: Das Gericht hat hier ganz eindeutig festgestellt, dass der Angeklagte im Auftrag russischer Regierungsstellen nach Berlin gereist ist, um hier einen Regimegegner zu liquidieren. Die Richter gehen davon aus, dass der Angeklagte aus den Mordmerkmalen der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe gehandelt hat, niedrige Beweggründe deswegen, weil er im Auftrag der russischen Regierung handelte, um einen unliebsamen Gegner, einen Regimekritiker hier auf deutschem Boden zu beseitigen. Der Senat hat das Ganze unter die Überschrift Staatsterrorismus gestellt, weil russische Regierungsstellen nach Überzeugung der Richter hier dafür verantwortlich waren, diesen Mord in Auftrag zu geben. Erzählerin: Staatsterrorismus ist das Wort, das aus einem Mordprozess eine internationale Krise macht. Normalerweise. Collage: Gong Tagesschau OT 26 TS Reporter: Ein Urteil, das das Verhältnis zu Russland weiter verschärft. OT 27: TT Miosga: Ein schweres Verbrechen mit Folgen für die Weltpolitik. OT 28: ZDF: Damit geht es um mehr als einen Kriminalfall, damit geht es um Völkerrecht, um Politik. OT 29: Baerbock: Dieser Mord in staatlichem Auftrag, wie vom Gericht heute festgestellt, stellt eine schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts und der Souveränität der Bundesrepublik Deutschlands da. OT 30: TS Sprecher: Nach dem Urteil im Prozess um den Tiergartenmord, hat Außenministerin Baerbock zwei russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt. OT 31: TS Reporter: Vom Außenministerium in Moskau heißt es: Berlins unfreundliche Akte werden nicht ohne angemessene Antwort bleiben. OT 33 TT Miosga: Die Liste der Vorwürfe gegen Russland, die wird ja immer länger. Da ist nicht nur der Tiergarten Mord, da gab es den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny und nun zuletzt der massive Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine. Erzählerin: Zwei Monate später marschieren Zehntausende russische Soldaten in der Ukraine ein. Der Mord im Kleinen Tiergarten, den der Richter als Staatsterrorismus bezeichnet hat, gerät angesichts des Krieges in den Hintergrund. Der verurteilte Vadim Krasikov verzichtet auf Revision. Er ist in Gefahr. Redet er, könnte er von den eigenen Leuten umgebracht werden. Und auch Tschetschenen könnte auf Rache sinnen. Ob er je das Gefängnis verlassen wird, ist unklar. Wer in der russischen Führung den Mord angeordnet hat, bleibt offen. ABSAGE Mord im Tiergarten Feature von Silvia Stöber und Thomas Franke Mit: Vlad Chiriak, Lorena Handschin, Tilmar Kuhn, Peter Rene Lüdicke, Sarah Maria Sander, Stephan Siegfried, Tobias Schulze sowie die Autoren Ton: Martin Scholz und Benjamin Ihnow Regieassistenz: Andreja Andrisevic Regie: Thomas Franke Sprechregie für die Autoren: Guiseppe Maio Redaktion: Gabriela Hermer Eine Produktion des Rundfunk Berlin-Brandenburg mit dem Deutschlandfunk 2022.