Hörspiel Feature Radiokunst Feature "Ein Fluss muss fließen" Wo Wasserkraft mehr schadet als nutzt Autor: Egon Koch Regie: Claudia Kattanek Redaktion: Wolfgang Schiller Produktion: Deutschlandfunk/ORF 2024 Erstsendung: Dienstag, 22.10.2024, 19.15 Uhr Es sprachen: Claudia Matschulla und Jean Paul Baeck Ton und Technik: Lukas Fehling und Malte Wiegert Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Atmo 01: Kamp (Fließendes Gewässer) (2:20) Regie: Atmo 01 leise unter folgenden Takes legen Sprecher: "Ein Fluss muss fließen" Wo Wasserkraft mehr schadet als nutzt Ein Feature von Egon Koch Atmo 02: Clemens Feigel steigt in den Kamp (0:58) Atmo (0:06) Clemens Feigel: Weil wir noch einen ziemlich steilen Aufstieg vor uns haben, machen wir einen kleinen Zwischenstopp hier bei den schönen Granitsteinen, für einen kleinen Zwischenschwimm im Kamp. ... Erzählerin: Clemens Feigel, früher Künstler, heute Steuer- und Unternehmensberater, ist 1992 aus Wien nach Niederösterreich gekommen, der Landschaft wegen. Er geht an seinem geliebten Kamp entlang. O-Ton 01: Clemens Feigel Vor zehn Jahren hat mich ja auch eine Frau da angesprochen, wie ich zum Lebendigen Kamp, aktiv geworden bin, sie gewusst hat, ich bin Ansprechpartner, hat sie gesagt: Du, Clemens, glaubst du, können wir das Ganze noch verhindern? Das ist doch schon längst beschlossen. Ich habe gesagt, ja sicher, werden wir es verhindern. Und sie hat gesagt, wieso denn? Da hab ich gesagt: Ja, weil ich jetzt dabei bin. (0:13) Er steigt ins Wasser (0:16) Clemens Feigel: fern) Leider wenig Wasser hier, weil es Restwasser ist, dafür schön kalt. Hu ..... (Lachen) .... (0:24) Sprung ins Wasser.... Atmo 03: Clemens Feigel steigt in den Kamp (1:30) Wasserplätschern... Steine plumpsen ins Wasser.... O-Ton 02: Clemens Feigel (in Gars) Der Kamp ist der längste Fluss im Waldviertel. Er hat 114 Kilometer... und macht dann kurz nach dem letzten Kraftwerk Rosenburg einen starken Rechtsknick und fließt in die Donau hinein. Ungefähr bei der Hälfte ... nach 60 Kilometer macht er diesen Rechtsknick. Und das dolle ist, dass zwischen Thurnberg, also bei Wegscheid, wo ich wohne, und Rosenburg eigentlich ein einzigartiges Naturgebiet gibt, .... Also so gesehen, bin ich total begeistert. ... Die Natur ist gigantisch. Atmo 04: Morgenstimmung in Wegscheid (Vogelzwitschern)(4:39) Regie: Atmo 04 unter folgende Takes legen Erzählerin: Doch die Idylle am Kamp ist gefährdet. Das Unternehmen Energieversorgung Niederösterreich, kurz EVN, will bei Rosenburg die bestehende Staumauer von vier auf fünf Meter sechzig erhöhen, den Stausee verlängern und ein neues Kraftwerkgebäude bauen. So soll statt wie bisher für 1200 Haushalte in Zukunft für 2400 Strom erzeugt werden. O-Ton 03: Stefan Zach Wir haben diese Anlage vor einigen Jahrzehnten übernommen. Das Kraftwerk ist dann in die Jahre gekommen. 2002 ist es noch dazu bei einem Jahrtausendhochwasser schwer beschädigt worden. Erzählerin: Stefan Zach, Pressesprecher der EVN. O-Ton 03: Stefan Zach Seit 2002 haben wir jetzt mehrere Anläufe gestartet, um dieses Kraftwerk wieder auf den Stand der Technik zu bringen. ... Das Wasserrecht läuft noch bis 20-27, muss danach wieder verliehen werden. Und eine Wiederverleihung kann nur dann stattfinden, wenn ein Wasserkraftwerk dem Stand der Technik entspricht. Erzählerin: 2018 protestieren Umweltschützer gegen die Erweiterungspläne der EVN. Unter ihnen Stefan Glaser und Clemens Feigel von der Bürgerinitiative Lebendiger Kamp. O-Ton 04: Clemens Feigel Der "Bürgeranwalt" vom ORF ist, die Senderreihe, ist mit einem Team hergekommen, hat da eine Aufnahme gemacht. Wir waren circa 100 Leute, haben gezeigt, dass wir sehr, sehr kräftig sind, von jung bis alt. Atmo 06a: ORF 2 Fernsehen (Sendereihe Bürgeranwalt vom 15.09.2018) Erkennungsmelodie ---- (0:13) Moderator: Die Themen heute .... (0:26) Atmo 06b Wasserrauschen (0:01) Stefan Glaser: In dem eingereichten Projekt der EVN ist geplant, ein altes Krafthaus niederzureißen, durch ein modernes Krafthaus zu ersetzen, eine neue Staumauer zu bauen, die dann 5 1/2 Meter hoch ist in etwa, und über einundeinhalb Kilometer Länge soll der Kamp aus seinem natürlichen Bett, der in seinem natürlichen Lebensraum ist. ausgebaggert werden. Damit das ganze Sediment dann wegtransportiert werden kann, soll eine LKW taugliche Brücke gebaut werden, mitten in einem Landschaftsschutzgebiet .... Was die niederösterreichische Landesregierung als Flussheiligtum erklärt hat, soll eine Großbaustelle für eine lächerliche Stromausbeute gemacht werden. (0:40) Musikakzent Atmo 07: Wehr Hirschberg (Wasserrauschen und Vogelzwitschern, fern) (1:39) Regie: Atmos 07-11 dienen vor allem zum Unterlegen der Erzählerin und zum Abpuffern der O-Töne Erzählerin: Rund 450 Kilometer nordwestlich von Rosenburg hat Christian Dötsch 2017 im thüringischen Hirschberg ein 700 Quadratmeter großes Grundstück an der Saale erworben. Am bestehenden Steinmühlenwehr möchte der Unternehmer eine Wasserkraftanlage bauen. An derselben Stelle, wo zu DDR-Zeiten schon einmal eine stand. O-Ton 05: Christian Dötsch [3 Sek Atmo] Ich bin Inhaber eines Elektro-Handwerksbetrieb in dritter Generation. Wir beschäftigen uns mit Antriebstechnik, Elektromotoren, Elektromobilität und regenerativen Energien. Und über diesen Weg bin ich auch tiefer in die Wasserkraft hineingekommen. Atmo 08: Wehr Hirschberg (Wasserrauschen und Vogelzwitschern, fern) (1:37) Erzählerin : Auf seinem Grundstück will Christian Dötsch ein kleines Kraftwerk mit Turbinen hinstellen und über das Wehr eine Fischtreppe setzen. Das 70 Meter breite Wehr müsste durch Taucher auf Schäden untersucht und renoviert werden. Die Kosten der Sicherung des Wehres schätzt Christian Dötsch auf rund 100.000 Euro, den Bau des Kraftwerks auf 250.000 Euro. Dazu würde er noch Eigenleistungen im Wert von 100.000 Euro erbringen. O-Ton 07: Christian Dötsch Selbst wenn wir jetzt zumindest einen Kompromiss finden würden zwischen dem Fischaufstieg, -abstieg, so wie sich das Wasserwirtschaftsamt vorstellt, müsste halt immer noch eine Turbinenausbauleistung von 85 KW machbar werden und man könnte damit dann rechnerisch, also im Uransatz waren wir von 400 Haushaltsgleichwerten ausgegangen, die man halt versorgen könnte, also in Form stabiler Grundlast, die hier vor Ort direkt im Ortsnetz eingespeist wird. Atmo 09: Saale (Fließgeräusch- 1:53) Regie: Atmos 09 + 10 unter folgende Takes legen O-Ton 08: Steffen Bachmann In Hirschberg gibt es, muss man ehrlicherweise sagen, ein Für und Wider. Die Angler haben was gegen Wasserkraft. Die haben Angst, ihre Fische werden, die sie auch teilweise einsetzen müssen, werden geschädigt und aber vielen, vielen ging es eigentlich darum, dass Wehr zu erhalten, die ich sage mal die Wasserkraft-Nutzung war für viele dann höchstens das Sahnehäubchen, wo sie sagen, ja, das ist auch sinnvoll, gerade auch im heutigen Zeit. Erzählerin: Der Hirschberger Steffen Bachmann kennt die Geschichte des früheren DDR-Grenzortes. Der benachbarte Hag, die mit Laub- und Nadelbäumen bewachsene Felswand an der Saale, war verbotene Zone. O-Ton 06: Steffen Bachmann Mir stehen von ehemaligen Grenzanlagenkeine 20 Meter entfernt. Hier unten war es höchstsensibles Gebiet, man ist an das Wehr gar nicht rangekommen zu DDR-Zeiten. Also hier der Weg hüben war der Kolonnenstreifen gewesen, ... vorm Kolonnenstreifen standen Zaun und dann dahinter kam dann gleich die Mauer. Bis hierher konnte man als Hirschberger Bürger gehen. Dann hier hinten fing dann der Bereich an, wo einem die Grenzer nicht so gern gesehen haben. Da waren auch Wachtürme gewesen und das war eigentlich alles dann zugebaut und und und. Das war ja eine kahle Fläche. Das alte Mühlengebäude, ist in 80er Jahren dann abgerissen worden. Man wollte einfach ein freies Gelände haben, dass man Überblick hat, dass die Grenzer das alles ordentlich einsehen konnten. Erzählerin: Anders als am Kamp in Österreich kommt der Widerstand an der Saale vom Wasserwirtschaftsamt Hof. Durch das Verwaltungsabkommen zwischen Thüringen und Bayern hat es am Grenzfluss das Sagen. Christian Weiß ist sein stellvertretender Leiter: O-Ton 09: Christian Weiß Die Situation ist erst mal so, dass das eine alte Wehranlage ist, an der derzeit keine Wasserrechte bestehen. Diese Wehranlage, die ist marode, die besteht schon sehr, sehr lange. Die deutsch-deutsche Grenze war es, dass Wasserrechte eben eingezogen wurden in der DDR-Seite. Und das Bauwerk, das draußen steht, das befindet sich in der Sächsischen Saale, die eben Grenzfluss ist zwischen Bayern und Thüringen. Die Landesgrenze ist in der Bauwerks Mitte. Erzählerin: Die Behörde möchte das Wehr lieber abflachen, ohne die Stauhaltung zu senken. Allein für diese Maßnahme veranschlagt sie Kosten von 1,5 Millionen Euro. O-Ton 10: Christian Weiß Das ist jetzt so, dass das Bauwerk ungefähr ganz grobe Fallhöhe von 2 Meter 50 hat und relativ steil dann runtergeht. Und später ist es, dass die Fallhöhe ähnlich bleibt in der Form. Also ist es auch noch ein Bauwerk da, nur die Anschüttung im Prinzip zu der Oberkante von dem Bauwerk, die ist eben sehr, sehr flach. Dass man über diese Stufe eben auch als Fisch oder Kleinlebewesen eben drüber kommt. O-Ton 11a: Christian Dötsch Wir sprechen hier über eine Maßnahme, die ja, ich sage mal, eine zoologische Maßnahme ist, die auf einen beschränkten Bereich von ein, zwei Kilometern wirksam wäre. Erzählerin: Christian Dötsch hält das vom Wasserwirtschaftsamt Hof geplante Wehr für überteuert, den Nutzen für gering. Unweit seines Grundstückes schaut er am Thüringischen Ufer auf zwei Informationstafeln. O-Ton 11b: Christian Dötsch Der Freistaat Thüringen und das Wasserwirtschaftsamt haben diese Tafeln jetzt vor zwei Wochen ungefähr aufstellen lassen und erklären hier die, die Umbaumaßnahmen zur Ökologie und zu der geplanten Sohlgleite, wie es im Fach-Deutsch heißt, über die dann das Wasser strömen soll, so dass also Wander-Fischarten wie jetzt vielleicht die Bachforelle, die hier illustriert ist, drübergehen. Es ist halt ein eingeschränkter Zugbereich, der hier im Endeffekt hergestellt wird, weil wir flussabwärts die Saalekaskade haben mit dem bis zu 60 Meter hohen Staumauern. Also ein Gesamtzug auf der Länge der Saale oder Elbe bis zur Mündung würde ohnehin nicht stattfinden. Erzählerin: Mit der abgeflachten Wehranlage will das Wasserwirtschaftsamt Hof die Wasserrahmenrichtlinie der EU umsetzen. Sie schreibt den Mitgliedsstaaten vor, die Gewässer in Europa bis spätestens 2027 in einen "guten Zustand" zu bringen. Ein Merkmal dafür ist, dass Flüsse für alle Lebewesen durchgängig sind. Atmo 10: Saale (Fließgeräusch- 252) O-Ton 12: Sigrun Lange Es gibt von der Wasserrahmenrichtlinie die Kriterien, welcher ökologische Zustand der Fluss hat. Das wird bemessen an den Tier- und Pflanzenarten, die im Fluss vorkommen. Erzählerin: Sigrun Lange leitet seit Mitte 2022 beim WWF Deutschland, dem World Wide Fund For Nature, das Projekt "Lebendige Flüsse". O-Ton 13: Sigrun Lange Ein ökologisch guter Zustand ist, wenn eben die charakteristischen Arten vorkommen in den jeweiligen Fließgewässern. Und wenn die eben fehlen, dann ist der ökologische Zustand nicht mehr gut. Das ist ein Kriterium, das anhand des Artenspektrums festzumachen. Und es gibt aber andere Kriterien. Also beispielsweise kann der Fluss noch natürlich fließen? Also ist die normale Abflussdynamik noch gewährleistet? Kann das Sediment sich bewegen im Fluss? Was ja für Fluss-Ökosysteme auch immer sehr, sehr wichtig ist. Ist der Fluss begradigt worden oder kann er noch so fließen, wie er natürlicherweise geflossen ist? Das sind eben alles Kriterien und die Verbindung natürlich von Fluss und Aue, weil man Fluss nie eigentlich isoliert denken kann, sondern der immer verbunden ist mit seinen Uferbereichen und den Auenbereichen. Erzählerin: Laut Umweltbundesamt entsprechen derzeit etwa 14 Prozent aller natürlichen Gewässer den Vorgaben der EU. Bei den erheblich veränderten und künstlichen Gewässern sind es nur 5 Prozent. Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken, stellt die Europäische Kommission fest, würden die Gewässer erheblich belasten. Diese Form der Energiegewinnung verschlechtere in 12 Prozent aller Wasserkörper den Gewässerzustand. Erzählerin: Den Bauantrag für das neue Kraftwerk stellte Christian Dötsch in Thüringen. Zog den jedoch Anfang 2023 wieder zurück, weil ihm Bayern nicht das Wasserrecht zur Nutzung des Wehres erteilt hatte. Atmo 11: Wehr Hirschberg (Wasserrauschen, stärker als zuvor; 1:43) O-Ton 14: Christian Weiß Das andere ist die Geschichte, wenn man auf die Wasserkraft Bezug nimmt, da ist es relativ eindeutig: die ehemalige Mühle, wo auch jetzt vielleicht das wieder geplant wäre, wo man Wasserkraft errichten wollte, die ist auf Thüringer Seite. Insofern ist da erst mal Thüringen gefragt, für das Rechtsverfahren des dafür notwendig ist nach Wasserrecht. Und entsprechend würde dann Bayern beteiligt. Aber federführend ist eben eindeutig Thüringen. O-Ton 15: Christian Dötsch So ging das die Jahre auch schon immer hin und her, dass Thüringen sagte, wenn die Bayern zustimmen, dann könnte Thüringen zustimmen. Bayern sagt nein, die Thüringer geben ja keine Genehmigung, also können wir jetzt auch nichts machen. Da versteckt sich im Endeffekt einer hinter dem anderen, muss man sagen. Erzählerin: Im Juli 2023 reichte er mit der Interessengemeinschaft Kleinwasserkraftwerke einen Petitionsantrag in Thüringen ein: Zitator 1: Nach den Verwerfungen auf dem Energiemarkt halten wir den Wiederaufbau des Wasserkraftwerkes am Steinmühlenwehr für unverzichtbar. (...) (Das) Ziel der Klimaneutralität Deutschlands bis zum Jahr 2045 machen Anstrengungen auf allen Gebieten notwendig. Ohne die konsequente Nutzung bestehender Wasserkraft-Potentiale sind diese Ziele nicht zu erreichen. O-Ton 16: Reinhard Werner Moosdorf Er wurde abgewiesen, unter anderem mit dem Hauptargument, das aber aus dem thüringischen Umweltministerium kommt, dass ja dieses Wehr dort im bayerischen respektive thüringischen Eigentum wäre und man ja nicht das Wehr dem Wasserkraftbetreiber überlassen könne. Und deshalb wäre auch Wasserkraftbetrieb nicht möglich. Erzählerin: Reinhard Werner Moosdorf moderiert die Interessensgemeinschaft Strom aus Wasserkraft in der Region Nordbayern. O-Ton 17: Reinhard Werner Moosdorf Daraufhin habe ich einen renommierten Wasserrechtsanwalt gebeten, da ein Gutachten dafür auszustellen. Ich zitiere mal jetzt: "Die Steigerung der Erzeugung von Strom aus erneuerbarer Quelle ist nicht, wie das thüringische Umweltministerium meint, lediglich gesamtgesellschaftlich wünschenswert. Sie ist kraft Gesetzes im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Das gilt gerade auch dann, wenn die Anlage von einem privaten Unternehmer betrieben wird." Atmo 12: Ufer Saale (4:06) Außenatmo, (Vögelchen, Stimmen fern)...Schritte auf Holzbrücke (ab 1:05).... Stehen bleiben (1:47) .... Außenatmo (Rauschen Fluss) Regie: Atmo 12 unter folgende Takes legen Erzählerin: Tatsächlich hatte im Jahr 2022 der Entwurf zum "Gesetz zu Sofortmaßnahmen für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und weiteren Maßnahmen im Stromsektor" erst einmal vorgesehen, kleine Wasserkraftanlagen mit einer Leistung mit bis zu 500 Kilowatt künftig "aus ökologischen Gründen" nicht mehr zu fördern. Im Juli 2022 verabschiedete der Bundestag dann ein völlig gegensätzliches Gesetz. - Sigrun Lange: O-Ton 18: Sigrun Lange Im Zuge der Energiekrise, die ja ausgelöst wurde durch einen Ukrainekrieg, ist es so, dass man die Erneuerbaren, man hat denen ein überragendes öffentliches Interesse eingeräumt. Und jetzt haben alle, also auch die Klein-Wasserkraft, eben dieses überragende öffentliche Interesse. Und für uns ist es natürlich eine schwierige Situation, weil wir befürchten, dass damit der Naturschutz letztendlich ausgehebelt wird. Erzählerin: So erhalten 7200 Wasserkraftanlagen bis 500 Kilowatt Leistung weiterhin die im Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 formulierte Einspeisevergütung. Der WWF rechnet vor, ein Windrad mit einer installierten Leistung von 3 Megawatt könnte rund 60 entsprechende Kleinstwasserkraftwerke ersetzen. O-Ton 19: Moosdorf (im Haus) Die vielen Kleinen machen halt auch Mist. Und diese vielen kleinen Beiträge sind enorm wichtig für die Energiewende, weil sie dezentral sind, deshalb auch resilienter bei Ausfällen. Und diese vielen kleinen Wasserkraftwerke haben auch durch die drehenden Elemente, die Turbinen und die Räder eine ausgleichende Wirkung auf das gesamte Netz. Also die stabilisieren das Netz. O-Ton 21: Sigrun Lange Natürlich ist es wichtig für uns, Energie zu erzeugen. Aber ich glaube, wir müssen immer das Verhältnis sehen, zu welchen Kosten die Energie erzeugt wird. Und wir glauben, dass es zum einen bei der großen Wasserkraft eben ein besseres Verhältnis gibt, also von der Stromausbeute eben zu den Kosten, zu den, den Kosten der Natur, die man damit letztendlich in Kauf nehmen muss, im Vergleich jetzt zu Windkraftanlagen beispielsweise, die ja lang nicht so viel Natur verbrauchen, bei denen man aber dann natürlich auch Maßnahmen ergreifen muss, um in Artenschutz zu berücksichtigen. Also es gibt eigentlich bei allen Dingen, die man tut, immer wieder negative Auswirkungen, die man minimieren muss. O-Ton 22: Reinhard Werner Moosdorf (im Haus) Jede Energieerzeugung kostet und das gehört auch zur Ehrlichkeit, dass man sagt, auch Wasserkraft ist ein Eingriff und das kostet was. Kostet Natur, kostet Geld, kostet auch Arten und auch Leben von Tieren. Aber wenn das halt so gering ist wie bei der Wasserkraft, also selbst die Wasserkraft-feindlichsten Gutachten unterstellen, dass 33 Wasserkraftanlagen so viel Fisch vernichten wie ein Reiher am Tag. Also wenn man das so mal rechnet. Musikakzent Atmo 13: Schritte zum Kraftwerk (0:26) O-Ton 24: Clemens Feigel (Atmo Schritte 15 Sek) Zum Krafthaus führt keine feste Straße. Sie wollten früher eine große Brücke bauen, damit sie mit den LKW drüberfahren können. Jetzt fahren Sie wieder durch die Wasserfurt durch. Erzählerin: Clemens Feigel geht auf dem schmalen Steg über den Kamp zum ockerfarbenen Kraftwerksgebäude am Hang des Umlaufbergs. Hier führt der Fluss nur etwa ein Drittel der Wassermenge wie im Ort Wegscheid, in dem der Umweltschützer wohnt. Die Wasserrechte von Deutschland und Österreich schreiben Mindestwassermengen vor. Die müssen für Lebewesen im Flusslauf sichergestellt werden. O-Ton 25: Clemens Feigel Das Restwasser ist dann ganz wichtig für den Fisch, wie er drin leben kann. Ob er wandern kann. Wenn es zu seicht ist, können nur ganz bestimmte Fische wandern. Und zum Beispiel der Huchen, das ist ein großes Thema, weil der Huchen vom Aussterben bedroht ist, der bräuchte circa 60 Zentimeter Wassertiefe, um gut wandern zu können. Und hier haben wir eine Wassertiefe von maximal jetzt circa 20 Zentimeter durchgängig bis 30. Das ist für viele Fische schon am Limit. Atmo 14: Schritte, Ufer am Kraftwerk (0:26) Erzählerin: In der Vorderseite des Kraftwerks ist eine große grüne Stahltür eingelassen. Nebendran das Schild evn Naturkraft Erzeugungsgesellschaft mbH. Darüber ist ein Wappen, ein blauer Rand umgibt die Ziffer 1907 und ein Posthorn. O-Ton 26: Clemens Feigel [Atmo Schritte 17 Sek] Es ist wirklich ein sehr technisch sehr einfaches Kraftwerk. (Atmo Schritte) Ja, und hier hören wir schon die Turbinen. Atmo 15: Turbinen (1:20) Erzählerin: Gegen den Ausbau des Wehrs und Stausees, aber auch gegen den Abriss des Gebäudes hat die Bürgerinitiative Lebendiger Kamp protestiert, auch in der Sendereihe Bürgeranwalt des ORF Fernsehens im September 2018. Atmo 16a: ORF 2 Fernsehen (Sendereihe Bürgeranwalt vom 15.09.2018) (0:12) Erkennungsmelodie Atmo 16: "Bürgeranwalt" ORF2 Fernsehen vom 15.09.2018 um 17.30 Uhr (0:17) Moderator: Über einige Punkte wollen wir diskutieren. Von den Umweltschützern sind Clemens Feigel und der Magister Stefan Glaser von der Initiative "Lebendiger Kamp" zu uns gekommen. (Mehrfach "Guten Abend") Und auf der Gegenseite steht der Sprecher der EVN, Magister Stefan Zach ("Grüß Gott) ... Atmo 17: "Bürgeranwalt" ORF2 Fernsehen vom 15.09.2018 um 17.30 Uhr (0:18) Stefan Zach: Wir müssen, um die österreichischen Klima- und Energieziele zu erreichen , alle natürlichen Ressourcen nutzen, die uns zur Verfügung stehen. Die EVN wird deshalb in den nächsten Jahren ganz stark auf Sonnenenergie, auf Windkraft, auf Bio-Masse, aber auch auf Wasserkraft setzen. Atmo 18: Beim Kraftwerk (1:00) Außenatmo (fernes Rauschen Fluss) Regie: Atmo 18 dient als Puffer zwischen Atmos Bürgeranwalt und O-Ton Feigel Atmo 18b: Bürgeranwalt" ORF2 Fernsehen vom 15.09.2018 um 17.30 Uhr (0:25) Stefan Glaser: Ich wollte da jetzt eine Grafik herzeigen, von der Niederösterreichischen Landesregierung. Wir wissen das alle, die Wasserkraft ist eine alte, gut ausgereifte Technologie, die Wasserkraft ist am Anschlag ausgebaut, die allerletzten Fließkilometer zu verbauen, wird nichts daran ändern, dass wir, um die Energiewende zu schaffen, wegzukommen von fossilen Energien und vom Atomkraft, die anderen Energieträger fördern müssen. Und da ist in der Photovoltaik noch herzlich wenig getan. O-Ton 27: Clemens Feigel Die Konfrontation beim Bürgeranwalt, haben wir dann von allen attestiert bekommen, wir haben gewonnen, wir waren überzeugend, wir waren pointiert. Wir haben ihnen gezeigt, auch mit diesen großen Tafelbildern, die wir vorbereitet haben, wie stark hat Österreich Wasserkraft bereits ausgeschöpft und wie, wie säumig sind sie bei den anderen Energieformen. Wir haben einfach die Argumente sehr gut gebracht. Das war ein großer Schub, der Bürgeranwalt. Da haben sie einfach gemerkt: Wir sind sehr versiert, wir kennen uns aus, sie können uns nicht wegreden. Atmo 19: Schritte am Ufer, fließender Kamp (4:26) Von Anfang an Schritte und Flussrauschen, bei (1:18) keine Schritte mehr, nur noch Flussrauschen Regie: Atmo 19 unter folgende Takes legen O-Ton 28: Helena Mühlmann Viele Menschen glauben: wir sind so ein schönes Land und wir haben Berge und Flüsse und Seen und alles ist gut. Das stimmt leider nicht. 56 Prozent unserer Fließgewässer keinen guten ökologischen Zustand haben, sondern einen mäßigen, unbefriedigend oder sogar schlechten Zustand. ... Erzählerin: Helena Mühlmann arbeitet im österreichischen Ministerium für Land und Forstwirtschaft, Regionen, Wasserwirtschaft, in der Abteilung für nationale und internationale Wasserwirtschaft. Mit dem 2019 begonnen Iris-Projekt, Integrität River Solutions, versucht sie, den Zustand der österreichischen Gewässer zu verbessern. O-Ton 29: Helena Mühlmann Die Ursachen dafür sind in Österreich sehr stark die morphologische Veränderung unserer Flüsse, die Flussregulierungen, die gemacht worden sind in der Vergangenheit, die Begradigungen der Flüsse. Die Flüsse wurden oft in enge Korsette gelegt, von ihrem Umland abgeschnitten. Es wurde eine Vielzahl von Querbauwerken reingebaut, um auch den Fluss Regulierungen stabil zu halten. Und dazu kamen dann noch die, die die Baumaßnahmen durch die Wasserkraft. Wir haben fast 3000 Wasserkraftwerke in Österreich, die dann auch wieder 3000 zusätzliche Querbauwerke bedeuten und mit ihren Ausleitungen und mit ihren Aufstauungen natürlich die Gewässer noch mehr beeinträchtigen. Erzählerin: Österreich erzeugt durchschnittlich 60 Prozent des gesamten Stroms in Wasserkraftwerken, Deutschland 4,8 Prozent. O-Ton 30: Helena Mühlmann Wasserkraft hat auch eine sehr lange Tradition in Österreich und es ist wirklich ein großer Faktor in der Stromproduktion bei uns. Nichtsdestotrotz kommt ein Großteil dieser Menge an Strom aus den großen Anlagen. Wir haben entlang der Donau und an den großen Flüssen an Enz und an der Mur, an der Salzach haben wir große Wasserkraftanlagen, die eine große Menge Strom produzieren. Und wir haben eine Vielzahl an Kleinanlagen, die in Summe natürlich beitragen zum erneuerbaren Ausbau und zu erneuerbaren Stromproduktion in Österreich. Aber hier ist es schwierig, öffentlich abzuwägen, wie groß ist der ökologische Schaden, der verursacht wird, und was ist eigentlich der Output? Das ist ein Konfliktfeld, der nicht leicht zu lösen ist. O-Ton 31: Clemens Feigel Es geht um die Netzsicherheit, also Netzstabilität, das ist Wasserkraft, natürlich auch für die EVN, da können Sie die Fahne hochhalten und sagen: die bietet einfach auch in der Nacht und bei jedem Wetter eine Versorgung. Aber es ist eben mit der Batterie-Zukunft, der Technologie der Batterien ein neues Blickfeld zu öffnen. Erzählerin: Mit 900 Kilowatt Leistungsvermögen steht in Rosenburg für österreichische Verhältnisse ein mittelgroßes Kraftwerk. Die Kraftwerke unter der 500-Kilowatt-Marke, sie machen 90 Prozent der Anlagen in Österreich aus, produzieren gerade einmal 10 Prozent des Stroms. O-Ton 32: Helena Mühlmann Österreichs Fließgewässer sind furchtbar fragmentiert. Wir haben für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie eine Belastungserhebung gemacht und haben uns alle Querbauwerke in Österreich angeschaut, die eine, die die Fischbarkeit unterbinden. Und das sind also waren damals 2009 über 30.000. Und unser Gewässernetz, das wir bearbeitet haben, ist circa 30.000 Kilometer lang. Also im Durchschnitt haben wir jeden Kilometer in Österreich irgendwo ein Querbauwerk, eine Barriere im Fluss stehen, wo die Fische nicht vorbeischwimmen können. Und das wirkt sich sehr stark auf den ökologischen Zustand aus. Erzählerin: Auch in Bayern gibt es rund 4.200 Wasserkraftanlagen, circa 8.200 sind es in ganz Deutschland. 90 Prozent davon liegen auch hier unter der 500-Kilowatt-Marke. Laut Umweltbundesamt wurden in Deutschland 215.000 künstliche Querbauwerke erfasst, jeden zweiten Kilometer steht eines im gesamten Fließgewässernetz. Die Folge: Fischbestände sind zurückgegangen, einige Populationen sind vom Aussterben bedroht. Reinhard Werner Moosdorf sieht jedoch ökologische Vorteile in den vielen Querbauwerken. O-Ton 33: Reinhard Werner Moosdorf Damit entsteht eine Fragmentierung, die wir für die Artenvielfalt brauchen. Wenn wir Vereinheitlichung haben und machen und schaffen, dann wird die Artenvielfalt heruntergesetzt. Mit Habitatsgrenzen wird die Artenvielfalt nach oben gesetzt. O-Ton 34: Sigrun Lange Ein Fluss muss fließen und wenn ein Fluss gestaut wird, dann verliert er sein Fließgewässer Charakter. Und natürlich gibt es dann irgendwelche anderen Arten, die Sie dann vielleicht einstellen, jetzt in den Staubereichen. Aber das sind nicht die Arten, die zu diesem System gehören. Uns kommt es darauf an, dass eben die Natürlichkeit wiederhergestellt wird. Und das ist eben das Ziel der Wasserrahmenrichtlinie Musikakzent Atmo 20: Wehr, Wasserrauschen, Warme Steinach (1:56) Bei (1:00) Rauschen stärker Erzählerin: Rund 450 Kilometer nordwestlich von Rosenburg steht im oberfränkischen Döhlau eines der 215.000 deutschen Querbauwerke in der Warmen Steinach. O-Ton 35: Konrad Switalski (draußen) Mein Name ist Konrad Switalski von der Mühle Switalski Mühle in Döhlau, die seit 1953 in unserem Besitz ist. Es ist eine kombinierte Roggen- und Weizen-Mühle mit einer Tagesleistung von 25 Tonnen pro 24 Stunden, bezogen auf das Getreide, was in die Mühle reingeht. Wir beziehen die Energie aus dem Wasser. Die Turbine leistet 18 Kilowatt und ist verbunden mit einem Generator, der praktisch ins Netz liefert. Und von Netz nehmen wir die Energie wieder Erzählerin: Das Landratsamt Bayreuth fordert von Switalski, dass er eine Fischauf- und abstiegshilfe baut. Oder dass er stattdessen sein Wehr zurückbaut. Doch eine Fischtreppe - das wird kompliziert: Felsen an einem Ufer und Mühlengebäude am anderen zwängen die Warme Steinach ein. O-Ton 36: Konrad Switalski (im Haus) Auf der rechten Seite flussabwärts ist ja das Sandsteingebäude, das kann man nicht wegreißen. Und auf der linken Seite ist ja Steilhang, der schon mal abgerutscht ist. Und das müsste alles komplett weg. Da müsste zum Teil des Fundaments von der jetzigen Wehranlage müsste weggebaggert oder weggesprengt werden, um die Fischtreppe an der Position zu positionieren. Erzählerin: In Bayern sind die Landratsämter für die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben und Genehmigungen zuständig und die Wasserwirtschaftsämter für die fachliche Beurteilung. Wie in Hirschberg ist das auch in Döhlau das Wasserwirtschaftsamt Hof. Boris Roth ist für alle wasserwirtschaftliche Belange in Stadt und Landkreis Bayreuth zuständig: O-Ton 37: Boris Roth [01:26:16] Hintergrund war letztlich der Antrag vom Herrn Switalski, dass er seine Wehre umbauen möchte. Und im Zuge dessen hat man ihm dann eben auch gesagt: Ja, an deiner Anlage, auf Verlangen des Landratsamtes, müsste die Durchgängigkeit hergestellt werden Erzählerin: Beim Ortstermin am 2.Januar 2023 trug Konrad Switalski vor: Zitator 1: Die Einsprengung eines Fischpasses in die bestehende linksseitige Felswand würde einen Kostenaufwand von ca. 100.000 € verursachen. Die Errichtung eines Fischabstiegs auf der rechten Seite bedeutet massive Eingriffe in die bestehende Bausubstanz und würde noch einmal mit einer zweiten vergleichbaren Summe zu Buche schlagen. Schon eine dieser Maßnahmen verteuert den geplanten Wehrumbau (...) um ein Mehrfaches. O-Ton 38: Boris Roth Von unserer Seite gibt es da jetzt keine Förderung. Es ist auch so, dass derjenige, der letztlich ein Gewässer nutzt, hat Rechte und Pflichten. Man verdient letztlich ja auch mit dieser Wasserkraftanlage. Und jeder, der so ein Gewässer nutzen möchte, das Gewässer ist nun mal ein Allgemeingut, der muss irgendwo schauen, dass er die Auswirkungen aufs Gewässer möglichst egalisiert, ausgleicht und nicht irgendwie einen Schaden zufügt der Natur, der Umwelt oder vielleicht auch Dritten. Und das muss alles in einem Rechtsverfahren letztlich geprüft werden. Und da trägt dann derjenige, der quasi ja den, den natürlichen Zustand verändert, trägt auch die Kosten dafür. O-Ton 39a: Florian Wiedemann Der Fall vom Herrn Switalski,der eignet sich schon gut, mal die Problematik aufzuzeigen, die wir einfach haben. Erzählerin: Landrat Florian Wiedemann. O-Ton 39b: Florian Wiedemann Also auf der einen Seite eben wirklich ein Unternehmen, wie man sich's wünscht, das regional aufgestellt ist, regionale Produkte nutzt und auch in der Region vermarktet. Und das ganze eben gepaart mit den erneuerbaren Energien, die da genutzt werden und letztlich dadurch dann der CO2 Ausstoß auch deutlich reduziert wird. Auf der anderen Seite haben wir aber eben die Anforderungen aus der Wasserrahmenrichtlinie und es ist tatsächlich so, dass der Herr Switalski Umbaumaßnahmen jetzt machen müsste ... an seiner kleinen Wasserkraftanlage. Erzählerin: Konrad Switalski schätzt die Gesamtkosten auf 330.000 Euro. Er kämpft mit Reinhard Werner Moosdorf von der Interessensgemeinschaft Strom aus Wasserkraft um den Bestand der Mühle. Auf seinem Laptop ruft Moosdorf eine Zeichnung aus dem Jahr 1924 auf. Auf der ist im Querschnitt die 2 Meter 60 steil abfallende Stufe im Bett der Warmen Steinach im harten Sandstein zu sehen. O-Ton 40: Reinhard Werner Moosdorf (im Haus) [Atmo 6 Sek] Hier haben Sie in dieser alten Aufnahme genau diese geologische Schwelle, die hier drin liegt, wo man das Wehr draufgesetzt hat. Und das heißt, hier gab es in den letzten 60.000 Jahren gab es definitiv keine Durchgängigkeit. Die würde jetzt das erste Mal hergestellt und damit verschiedene Habitate mit verschiedenen Ökosystemen das erste Mal verbunden. Es ist also ökologisch Unsinn. Es ist kontraproduktiv an dieser Stelle eine Fischtreppe zu bauen bzw. sogar zwei Fischtreppen. (Atmo 7 Sek) O-Ton 41: Florian Wiedemann Für uns als Landratsamt ist es äußerst schwierig, zum einen haben wir eben die Wasserrahmenrichtlinie, die klar sagt: Okay, wir müssen dafür sorgen, dass wir vom Zustand her gute Gewässer haben. Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch das Ziel und auch die Vorgabe mittlerweile, dass erneuerbare Energien letztlich hier gefördert werden sollen. Und daher versuchen wir ja schon, kompromissbereit zu sein. Aber das hat eben dann ein Ende, wenn wir feststellen oder aus unserer Sicht das nicht mehr gegeben ist, dass die Wasserrahmenrichtlinie eingehalten wird. O-Ton 42: Reinhard Werner Moosdorf (im Haus) Auch in der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die herangezogen wird, um die Durchgängigkeit zu fordern, steht, dass man solche Sachen nur unter Berücksichtigung auch kultureller, historischer und sogar paläontologischer, also aus Zeiten, bevor der Mensch da war, Gesichtspunkte überhaupt bewerten darf. Das wird aber alles unter den Tisch gekehrt, hier wird praktisch nur durch die Fischbrille beurteilt. Erzählerin: Die Wasserrahmenrichtlinie, auf die sich die Ämter berufen, hat den Fokus jedoch stärker auf biologische als auf kulturhistorische Aspekte. O-Ton 43: Reinhard Werner Moosdorf ) In der EU-Wasserrahmenrichtlinie unterscheidet man zwischen natürlichen und naturnahen Gewässern und erheblich veränderten Gewässern bzw künstlichen Gewässern. Wenn Sie hier sehen, das ist natürlich seit Generationen ausgebaut. Das Gewässer ist verändert, stark verändert und in den Richtlinien, selbst in den bayerischen steht sogar, wo eine Wasserkraftanlage ist, da kann nicht einfach gesagt werden, das ist natürlich oder naturnah. Erzählerin: Nach dem Umweltbundesamt gilt für erheblich veränderte und künstliche Gewässer ein anderes Bewirtschaftungsziel als der gute ökologische Zustand: das so genannte gute ökologische Potenzial. Bei dieser Einordnung kann die bereits bestehende intensive Nutzung durch den Menschen beibehalten werden, wie das bei Wasserstraßen oder großen Wasserkraftanlagen der Fall ist. In der Bewertungstabelle für erhebliche veränderte Gewässer gibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie jedoch Durchgängigkeit als Pflicht vor, wenn sie dazu verhilft, das Gewässer in einen guten ökologischen und biologischen Zustand zu bringen. Wenn der sich aus irgendeinem Grund auch ohne Durchgängigkeitsmaßnahmen als "gut" einstellt, muss sie nicht geschaffen werden. O-Ton 44: Florian Wiedemann Ich war selber mit vor Ort und wir haben damals auch aufgezeigt, wie das funktionieren könnte und haben dann auch gesagt, okay, es müssen jetzt bitte ganz konkrete Pläne vorgelegt werden bei uns, damit wir diese dann auch beurteilen können. Und insbesondere haben wir die Herausforderung, dass natürlich keinesfalls durch die verwendete Hydraulik und das Hydrauliköl in dieses Gewässer kommen darf. Und mit der Fischtreppe haben wir immer wieder die Diskussionen. Aber beide Dinge sind für uns, aus unserer Sicht rechtlich unumgänglich. Erzählerin: Der Streit eskaliert: Wegen ungenehmigter technischer Veränderungen der Anlage von Switalskis Vorgängern verschickt das Landratsamt im November 2020 eine Strafandrohung. O-Ton 45: Reinhard Werner Moosdorf (im Haus) [Atmo 4 Sek, aus dem Off) Da sollte er, also, wenn er nicht bald seine Fischtreppe baut, wird er dazu verdonnert, das Wehr zurückzubauen auf den Stand von, was war das, 96. Und wenn er es nicht macht, dann hat er 1.000 Euro zu zahlen und hat 150 € für diesen Bescheid zu zahlen. Dagegen hat er geklagt. Und diesen Prozess haben wir so was von gewonnen. Also, das ist dem Landratsamt um die Ohren geflogen Erzählerin: Im Gerichtsbescheid des Bayerischen Landesgerichts Bayreuth vom 4. August 2022 heißt es: Zitator 2: Das streitgegenständliche Zwangsmittel ist ein striktes Beugemittel ohne strafähnlichen Ahndungscharakter. Damit soll eine Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht durchgesetzt werden (...). Der Umsetzung der Rückbauverpflichtung aus dem Jahre 1996 soll dadurch Nachdruck verliehen werden. Der Kläger hat aber inzwischen ernsthaft zu erkennen gegeben, dass er die Anlage komplett umbauen möchte. (...) In Anbetracht dessen erweist es sich ersichtlich als unverhältnismäßig, eine Rückbauanordnung weiter zu vollstrecken, wenn bereits umfassende Pläne zu einem Gesamtumbau der Anlage bei der Genehmigungsbehörde eingereicht wurden. Erzählerin: Bei einem erneuten Treffen mit Landrat Wiedemann im September 2024 erklärten sich Konrad Switalski und Reinhard Werner Moosdorf bereit, das geforderte Gutachten zur Hydraulikanlage beizubringen. Und zu dem bereits vorliegenden geologischen Gutachten wollen sie noch ein fischfaunistisches Gutachten erstellen lassen. Falls dieses bestätigt, dass an der Wehranlage von Switalski in der archäologisch und paläontologisch relevanten Zeit keine Durchgängigkeit gewesen ist, hoffen sie, dass das Landratsamt von der Forderung nach einer Fischtreppe doch noch absieht. Musikakzent Atmo 22: Saale (Fließgeräusch- 2:52) Erzählerin: Im August 2023 reicht Christian Dötsch eine Petition im Bayerischen Landtag ein. Zitator 1: Die Petition richtet sich gegen das Verhalten des Wasserwirtschaftsamtes Hof in Sachen Wasserkraft am Steinmühlenwehr. Es verhindert federführend den Bau einer Wasserkraftanlage zur Reaktivierung des alten Standortes am 400 Jahre genutzten Steinmühlenwehr / Saale. Erzählerin: Im Mai 2024 kommen Mitglieder des Petitionsausschuss Bayern zu Christian Dötsch nach Hirschberg an die Saale. O-Ton 47: Christian Dötsch Es war eben dann das Wasserwirtschaftsamt mit zwei Vertretern hier, das Umweltministerium mit einem und das Landratsamt mit einem Vertreter. Und wir konnten halt in kleiner Runde unsere Argumente vorbringen. Und wir wollen, dass ein Perspektivwechsel stattfindet in der Politik. Erzählerin: Christian Dötsch hat Erfolg. Am 24.Juli 2024 erreicht den Unternehmer die Antwort vom Bayerischen Landtag. Mit den Stimmen aller Fraktionen wurde sein Petition Mitte Juli angenommen. Zitator 2: Im Rahmen des Ortstermins habe vereinbart werden können, dass .... die Wehranlage erhalten bleiben (könne). Die entscheidende Frage sei gewesen, ob es einen Einklang zwischen Naturschutz und Stromerzeugung gebe. (...) Sowohl Sie als auch das Wasserwirtschaftsamt hätten signalisiert, man wolle aufeinander zugehen, sofern eine entsprechende Fachplanung vorgelegt werde, die die Stromerzeugung und die Umweltbelange mitberücksichtige. Diese Fachplanung sei in Auftrag gegeben worden. Man solle sich verständigen. O-Ton 48: Christian Weiß Wir hatten es tatsächlich in der Überlegung, das zurückzubauen. Das ist aber wieder vom Tisch, weil eben auch wir mit den, den Bürgern und mit der Stadt Hirschberg, die diesen Raum dahinten sehr intensiv zur Freizeit nutzen, den sie auch da von der Historie her erst seit 1990 wieder ordentlich betreten können. Aber eben andererseits das, was wir als Wasserwirtschaftsverwaltung haben, die ökologische Durchgängigkeit, dass man da eine gute Lösung findet. Und sind mit der Stadt Hirschberg ganz gut in Kontakt. Erzählerin: So Christian Weiß vom Wasserwirtschaftsamt Hof. Für Christian Dötsch folgt aus der Antwort des bayerischen Petitionsausschusses: seine aktualisierte Planung für Wasserkraftwerk und Fischtreppe muss vom Wasserwirtschaftsamt Hof berücksichtigt werden. Ausgang offen. Musikakzent Atmo 23: Schritte Wanderweg (1:03) O-Ton 49: Clemens Feigel Sie haben ja die Umweltverträglichkeitsprüfung zuerst eingereicht, die EVN. Und dann haben sie gemerkt, es gibt auch den Umweltanwalt bei uns, der weisungsunabhängig ist. Und der hat Ihnen klar signalisiert: Das wird sich nicht so ausgehen. Erzählerin: Clemens Feigel geht am Kraftwerk Rosenburg vorbei, den Umlaufberg hoch in Richtung Stausee. O-Ton 50: Clemens Feigel Und dann kam plötzlich die Schlagzeile EVN zieht trotz positiver Bescheide Projekt zurück. Da war die Schlagzeile. Dann habe ich eine Gegendarstellung geschrieben Es gibt keine positiven Bescheide. Es hat vielleicht mal Teilbereiche gegeben, die positiv beschieden ... wären, wenn es ein Bescheid gegeben hätte. Aber es gibt keinen positiven Bescheid. Atmo 24: Fließgewässer (3:22) ) Regie: Atmo 24 dient zur Abpufferung zwischen Feigel, Zach und Erzählerin Erzählerin: Das Energieversorgungsunternehmen des österreichischen Bundeslandes Niederösterreich kommt dem Bescheid der Umweltverträglichkeitsprüfung zuvor O-Ton 51a: Stefan Zach Jetzt haben wir das Projekt neu überdacht ... Erzählerin: Stefan Zach, Pressesprecher der EVN. O-Ton 51b: Stefan Zach Wir waren in Erwartung eines positiven UVP-Bescheides. ... Aber für uns war es auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahre bei anderen Projekten so, dass wir davon ausgehen konnten, dass wir mit diesem Projekt bei den Höchstgerichten landen. Mit einer unabsehbar langen Verfahrensdauer. Und haben jetzt aber im Jänner 2024 bekanntgegeben, dass wir das Projekt zurückziehen in der Form, in der wir es eingereicht haben, und stattdessen in Richtung einer reinen Bestandssanierung gehen. O-Ton 52: Clemens Feigel Das ist auf jeden Fall ein riesen Sieg. Es war beschlossen, dass Sie das durchziehen. Alles war auf Schiene. Wir haben es geschafft in zehn Jahren, dass diese Schiene mal auf jeden Fall mal ein Abstellgleis ist und sie jetzt eine neue Weiche gestellt haben. Die, könnte man mit Kompromissen damit leben, wenn sie genug Fischaufstiegshilfen machen, wenn sie genug Restwasser abgeben, wenn sie beweisen können, dass die Tiere, die verdrängt werden, einen Platz finden, was sie nicht beweisen werden können. Ein Abriss wäre natürlich sinnvoller. (Atmo 3 Sek) O-Ton 53: Stefan Zach In Zeiten des Klimawandels und des Kriegs in der Ukraine erneuerbare Erzeugungsanlage abzubauen und durch nichts zu ersetzen, ist in der Unternehmensstrategie der EVN nicht beinhaltet. Wir werden das Stauziel nicht erhöhen, das heißt, weder die Staumauer wird erhöht, die wird nur saniert, noch die Unterwasser-Eintiefung wird gemacht. Es wird das Krafthaus neu gebaut inklusive Wasserschloss. Es kommen zwei neue Turbinen, Es kommt eine moderne Regelungstechnik. Die Fisch-Aufstiegshilfe wird an den Stand der Technik angepasst und es wird auch die Restwassermenge in der Restwasser-Strecke erhöht werden. Erzählerin: Beim Hochwasser im September 2024 wurden 24 Orte am Kamp zum Katastrophengebiet erklärt, auch Wegscheid. Mehrere Häuser mussten im Heimatort von Clemens Feigel evakuiert werden. Für den Umweltschützer ist die Lehre aus dem Ereignis, der Kamp braucht dringend mehr Uferflächen für Überflutungen. O-Ton 54: Clemens Feigel Wenn man die Wehr abreißen würde, würde aus diesen 16 Kilometern sechs Kilometer zusätzliche freie Bewegung kommen. Das ist ein großes Potenzial für diesen kleinen Fluss. Sehr viel Morphologie würde transportiert werden, also Geröll, das sich zerkleinern könnte. Und für den unteren Kamp-Bereich mal eine große Hilfe wäre, vor dieser Verschlammung und der Veralgung dadurch. Erzählerin: Für Stefan Zach dagegen haben die Stauseen am Kamp "einen wesentlichen Beitrag zur Minimierung des Hochwassers geleistet." Präzise Prognosemodelle hätten der EVN "ermöglicht, vorausschauend fünf Tage lang den Stausee Ottenstein kontrolliert abzulassen, um freies Volumen zum Abpuffern der zu erwartenden Wassermassen zu schaffen." Obwohl das Hochwasser dem Kraftwerk Rosenburg Schäden zugefügt hat, will es die EV weiterhin auf den neuesten Stand der Technik bringen. O-Ton 55: Stefan Zach Wenn wir einen Abriss einreichen würden, hätten wir in etwa die gleichen baulichen Maßnahmen wie bei dem alten Projekt, das wir zurückgezogen haben, weil wir ja den Fluss in seinen ursprünglichen Zustand versetzen müssten. Das würde auch bedeuten, dass wir dort das Kamp-Bett in der Form vor 100 Jahren nachbilden müssten. Da müssen Sie ja flussbauliche Maßnahmen vornehmen, und das ist für uns tatsächlich keine Option. Erzählerin: Wenn das Wasserrecht aufgegeben wird, schreibt das österreichischen Wasserrechtsgesetz dem Betreiber einer Wasserkraftanlage vor, letztmalige Vorkehrungen zu treffen, das heißt, vollständiger Rückbau der wasserrechtlich relevanten Anlagen, wie Wehr und Mühlbach. O-Ton 56: Clemens Feigel (am Stausee) [Unter dem gesamten O-Ton liegt Wasserrauschen] Natürlich könnte man auch ein Gesetz beschließen, in dem man sagt, wir machen einfach da eine Schneise rein, die Sache hat sich und lassen den Beton stehen. Der Natur ist das wurscht. Man baut das Metall ab, was da rum ist, macht eine Schneise rein. Der Fluss lebt damit ohne Probleme. Also dieses Gesetz, man muss ja jedes Betonklümpchen wieder wegräumen. Eine Gesetzesänderung und das Argument ist weg und der Schaden ist auch weg. Atmo 25a: Annäherung an Stausee (Schritte) (0:53) Schritte, bei (0:42) lauteres Rausche Erzählerin: Clemens Feigel will mehr, Durchgängigkeit für Fische von seinem Heimatort Wegscheid bis in die Donau. Auftrieb bekommt er durch das 2024 verabschiedete EU-Renaturierungsgesetz. Es besagt, die Mitgliedsstaaten müssen bis 2030 mindestens 30 Prozent, bis 2040 60 Prozent und bis 2050 90 Prozent der Lebensräume in schlechtem Zustand wiederherstellen. O-Ton 57: Clemens Feigel (am Kraftwerk, Spaziergang) Mich freut es natürlich total, wenn ich jetzt in den Wald gehe, nach zehn Jahren, und dann klopft mir jemand auf die Schulter. Und ich dreh mich um und sehe niemanden, und denk: Aha, wieder ein Baum, der mir über die Schulter klopft. Das ist einfach ein schönes Gefühl. Atmo 25b: Fischaufstiegshilfe, Strömung (2:25) Erzählerin: Clemens Feigel erreicht das Ziel seiner Wanderung entlang des Kamps, den Stausee des Rosenburger Wasserkraftwerks. Seitlich des Wehrs zweigt die Fischtreppe ab. O-Ton 58: Clemens Feigel (am Stausee) [Schritte, 25 Sek, unter dem gesamten O-Ton liegt Wasserrauschen] Da sind wir jetzt am Stausee. Man sieht grundsätzlich, die Mauer ist nicht sehr hoch, sie ist circa 5 Meter. Er ist auch nicht sehr lang derzeit. Er hat, glaube ich, jetzt derzeit ...600 Meter nur. Es ist ein marginaler See. Sicher verzichtbar. Sie wollten halt erweitern auf 1200. Verdoppeln. Und da hinten, es geht dort bisschen um die Ecke und dahinter sind sehr schöne Au, die wäre überflutet gewesen, teilweise, maßgeblich. Musikakzent Atmo 26: Stimmen (Begrüßung), Bagger (2:23) Stimmen .... (0:30) Bagger nähert sich .... Nach (0:50) Bagger sehr heftig! Erzählerin: Wovon Clemens Feigel für den Kamp träumt, wird im Ostallgäu umgesetzt: ein Stauwehr abgebaut im Hühnerbach bei Bidingen. Rund 12 Kilometer südöstlich von Kaufbeuren entfernt. Der Bagger steht im Wasser und zerkleinert den Beton im Bachbett, am Ufer häufen sich Stücke aus Beton. Mitarbeiter vom Wasserwirtschaftsamt sind vor Ort, Carolin Friedberger, Geschäftsführerin vom Wasser- und Bodenverband Bidingen. O-Ton 59: Carolin Friedberger Entspringen tut der Hühnerbach in den Gemeinde Rettenbach am Auerberg, mündet in die Genach. Der Hühnerbach ist 25 Kilometer lang. Erzählerin: Bidingens Bürgermeister Franz Martin: O-Ton 60: Franz Martin Der Bach hat schon noch eine gewisse Bedeutung für uns und natürlich als Erholungsgebiet für die Dorfbewohner natürlich immer gerne genutzt. Da war das sogenannte Weiler Wehr, In den 60er Jahren wurde das gebaut, ebenfür eine Mühle, um die Mühle mit Wasser zu versorgen. Also vom Hauptbach einen kleinen Nebenbach abzuschlagen, wurde ein Wehr gebaut mit relativ viel Beton, aber der Besitzer nimmt jetzt Abstand davon. Und deswegen wurde vom Wasserwirtschaftsamt jetzt die Auflage erteilt, das Werk zurückzubauen. Atmo 27: Hühnerbach, sanfte Strömung (3:30) Erzählerin: Geschäftsführerin Carolin Friedberger steht in der Mittagspause mit dem Baggerführer am schlammigen Ufer. O-Ton 61: Carolin Friedberger Der Bagger rollt an, hat die Eisenverbauungen, die noch so vorhanden waren, abgetragen, hat die die Brücken abgetragen, den Mittelpfeiler abgetragen und jetzt eben mit den Wänden begonnen. Und ganz zum Schluss kommt der Boden, die Sohle dran. O-Ton 62: Baggerführer Es war halt ne Betonwand da mit einem Steg und einem Wehr, wo man hat abschließen könne, damit man das Wasser bremse ko. Und jetzt hat man das abbroche, weil man es nimmer brocht. So was mach ich jetzt zum ersten Mal. Es ist halt ä Plon do vom Wasserwirtschaftsamt und den sollte man möglichst genau einhalte. Es ist schon ein bisschen schwierig mit dem vielen Wasser. Wenn weniger Wasser da wäre, wäre es natürlich einfacher, weil ich unter Wasser halt schlecht siek. Jo, isch mol was anderes, Spaß isch au was onderes. (Lachen) O-Ton 63: Sigrun Lange Letztendlich passiert ja gar nicht so häufig, dass solche Renaturierung möglich sind. In dem Fall kam halt sehr viel zusammen. Also letztendlich war es ja ... eine super engagierte Geschäftsführerin von diesem Wasser und Bodenverband, die sie jetzt über Wochen und Monate hinweg um die Planung gekümmert hat. Und wir waren halt der Partner, der jetzt das Finanzielle unterstützt hat. Erzählerin: Das WWF-Projekt Lebendige Flüsse, das Sigrun Lange leitet, finanziert sich über die Deutsche Postcode Lotterie. Damit fördert die Umweltorganisation auch Rückbauten wie am Hühnerbach. Die Gesamtkosten belaufen sich 36 bis 40.000 Euro. O-Ton 64: Carolin Friedberger Der Mühlenbesitzer hat seine Stromerzeugung aufgegeben Der Herr Huber hat mal gesagt, dass das ganze Wehr nicht sehr vom Geld her und auch von der Stromerzeugung her nicht sehr rentabel ist. Er hat es jahrelang gemacht, weil es ihm einfach total Spaß gemacht hat. Und natürlich auch jetzt in seinem speziellen Fall in die Jahre gekommen und hat sehr viel Reparaturkosten geschluckt und hätte noch in Zukunft viel mehr geschluckt. Und dann hat er sich irgendwann dazu entschieden, eben das Wasserkraftwerk aufzugeben Erzählerin: Durch den Rückbau der Wehranlage fließt der Hühnerbach nur wenige Kilometer bis zur nächsten Barriere einer stillgelegten Mühle. Aber immerhin, Bürgermeister Franz Martin hat der Rückbau zur Renaturierung eines Teilstücks des Bachs angeregt. Mit 75 Prozent Förderung vom Staat. O-Ton 67: Franz Martin Die Maßnahme kostet uns also geplant 30.000 Euro. Da sind alle Maßnahmen dabei, um den Bachlauf, der ziemlich gerade ist, einfach aufzurauen. Die Strömungsgeschwindigkeit zu vermindern, dass sich mehr Lebewesen Fische hauptsächlich dann auch heimisch fühlen können, laichen können, zum Beispiel indem man Felsen einbringt in den Bachlauf, in dem er Totholz einbringt, Wurzelstöcke, größere Buhnen baut, um einfach den Bachlauf einfach zu verändern, wieder Geschwindigkeit aus dem Bachlauf rauszunehmen, um dort der Natur, den Lebewesen wieder Rückzugsmöglichkeiten zu bieten. Atmo 28: Bagger (3:56) Intervallartiges Rattern Regie: Atmo 28 für einige Zeit mit Atmo 27 mischen Erzählerin: Im Jahr 2023 wurden in Europa 487 Stauwehre in Flüssen zurückgebaut. Allein in Frankreich 156. In Österreich 8. Die ersten jetzt auch in Deutschland. O-Ton 65: Sigrun Lange Wenn man schaut, was in Frankreich passiert, dass eben wirklich sehr, sehr große Barrieren zurückgebaut werden, dann besteht kein Beispiel, wo so was vergleichbares in Deutschland stattgefunden hat. Aber kleine Maßnahmen passieren schon immer wieder, auch in Deutschland, eben von den Wasserwirtschaftsämtern oder von den Kommunen letztendlich durchgeführt. Aber es sind halt immer viele Fallstricke. Also mal fehlt das Grundstück, mal fehlt das Geld, mal gibt es eben Altrechte von irgendwelchen Wasserkraftbetreibern, wo man nicht weiterkommt. Erzählerin: Solche Altrechte für die Wassernutzung sind zumeist unbefristet. Dammrückbauten finden jedoch in Europa mehr und mehr Befürworter. Im Netzwerk Dam Removal Europa schließen sich rund 5000 Personen und sieben Organisationen zusammen. Unter anderem der WWF. O-Ton 66: Sigrun Lange: Wie so vieles kommt die Bewegung aus den Vereinigten Staaten. Dort ist es losgegangen mit sehr großen Rückbauten, also wrklich Dämme, die bei uns unvorstellbar sind von der Höhe her, die dann eben dort zurückgebaut wurden, zum Beispiel in dem Elwha River. Und ich glaube, solche Rückbauten haben uns inspiriert. Also haben europäische Akteure inspiriert, die dann gesagt haben, was die Amerikaner können, das können wir auch und haben dann angefangen, Ausschau zu halten, welche Wehre eben auch bei uns zurückgebaut werden können. Atmo 29: Hühnerbach, sanfte Strömung (2:55) Sprecher "Ein Fluss muss fließen" - Wo Wasserkraft mehr schadet als nutzt Ein Feature von Egon Koch Es sprachen: Claudia Matschulla und Jean Paul Baeck Ton und Technik: Lukas Fehling und Malte Wiegert Regie Claudia Kattanek Redaktion Wolfgang Schiller Eine Produktion des Deutschlandfunks mit dem Österreichischen Rundfunk 2024 2