Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Die Affäre Finaly Entführt im Auftrag des Vatikans Autor und Regie: Georg Renöckl Redaktion: Elisabeth Stratka, Wolfgang Schiller Produktion: ORF/Deutschlandfunk 2024 Erstsendung: Dienstag, 12.03.2024, 19.15 Uhr Erzählt von Emily Cox. Mit Karl Markovics als Robert Finaly, Rafael Schuchter als Gérald Finaly und Michael Dangl als Guy Brun. Gesprochen haben weiters: Lilith Häßle, Eszter Hollosi, Raphael Sas, Ursula Scheidle, Gabriel Schett, Ursula Strauß, Stefan Suske und Robert Reinagl. Technik: Ralph Gabriel, Anna Kuncio und Manuel Radinger Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Gérald Oui. Ben on allait dans... cette année il y avait de la neige là bas, normalement il n'y a pas de neige, mais cette année il y avait de la neige et on a été aller plus de 6 h dans terrain tout blanc, tout blanc, rien du tout. Pas de personnes, pas de... no tree, nothing Normalerweise liegt dort kein Schnee, in diesem Jahr aber schon. Wir marschierten sechs Stunden lang durch eine völlig weiße Landschaft. Alles war weiß, man sah überhaupt nichts. Keinen Menschen, keinen Baum, nichts. mod Ein Schmugglerpfad über die Pyrenäen im Hochwinter. Schneehöhe: 60 Zentimeter. Robert und Gérald Finaly, zwei Buben in kurzen Hosen und Straßenschuhen, steigen in die Fußstapfen eines baskischen Schleppers. Er bringt die beiden von Frankreich nach Spanien. Die Kinder sind zehn und elf Jahre alt. Sie sind Juden, ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Wir schreiben das Jahr 1953, der Krieg ist seit acht Jahren zu Ende. Robert On avait froid aux pieds. Moi j'ai toujours dû pleurnicher, mon frère... et il a fait cette montée. On est arrivé à une auberge où on a mangé quelque chose. J'ai... dans cette auberge, j'ai bu trois trois verres d'anisette Wir hatten eisige Füße. Ich musste die ganze Zeit weinen, mein Bruder auch, aber er hat es geschafft. In einer Herberge haben wir etwas gegessen. Ich habe drei Gläser Anisschnaps getrunken. Die Affäre Finaly. Entführt im Auftrag des Vatikans. Ein Feature von Georg Renöckl mod Robert und Gérald Finaly leben heute in Israel. Dort besucht sie der freie Journalist Georg Renöckl im November 2022, beinahe 70 Jahre nach ihrer Überquerung der Pyrenäen. Gérald lädt in seine Wohnung in einem Vorort von Haifa ein, einer quirligen Hafenstadt im Norden Israels. Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren lebt der 80-Jährige allein in einer großzügigen Wohnung mit Balkon. Gérald Finaly ist ein braungebrannter alter Herr mit schütterem Haar, rundem Gesicht und strahlendem Lächeln, der sich auch am Stock noch gerade hält. Als leidenschaftlicher Koch sucht er regelmäßig den arabischen Basar der nahen Altstadt von Akko auf, um Lebensmittel einzukaufen. Für den Besuch hat er Gemüsesuppe, Lammpastete und Quittenkompott gekocht. Robert Finaly, der in Be'er Sheva im Süden Israels lebt, hat sich für das Treffen ein elegantes Hemd angezogen, der 81-jährige sitzt aufrecht auf dem Sofa. Robert hat flinke Augen, ein gewinnendes Lachen und spricht auch nach Jahrzehnten noch ein gepflegtes Französisch. Jeder auf seine Weise erzählen die Brüder die unglaubliche Geschichte ihrer Kindheit. 1953 standen sie im Mittelpunkt eines Justiz- und Kirchenskandals, der die französische Nachkriegsgesellschaft in Atem hielt und in zwei unversöhnliche Lager spaltete. Begonnen hat alles in Wien. Die Vorgeschichte. Wien, Deutsches Reich, August 1938 Robert Ma mère c'est Anni Schwarz, son nom de famille est Schwarz. Son père et sa mère avaient un magasin de vêtements à Gmünd. G-M-Ü-N-D qui est en Autriche du nord à côté de la Tchéquoslovaquie. Mod Anni Schwarz aus Gmünd im Waldviertel ist Robert Finalys Mutter. Sie ist 1915 geboren. Nach Abschluss der Handelsakademie in Prag geht sie für ein Jahr nach Manchester, um ihr Englisch zu perfektionieren. Anni ist eine moderne junge Frau: Für den Aufenthalt in England lässt sie sich den Führerschein, den sie kurz zuvor gemacht hat, übersetzen. Auch Fritz Finaly, Annis Bräutigam, sticht aus der Masse heraus. Er publiziert schon während des Medizinstudiums in Wien auf dem damals noch jungen Gebiet der Radiologie. Neben dem Studium ist Fritz politisch aktiv, als überzeugter Sozialdemokrat und Zionist. Gleichzeitig mit seiner Promotion im Juli 1938 wird er als Jude mit Berufsverbot belegt. Kurz darauf heiraten die beiden. Robert Mon père a appris la médecine à Vienne. Il était, il a été... il a travaillé comme médecin à la faculté de Vienne mais à cause des nazis on lui a annulé son titre académique c'est-à-dire qu'il ne pouvait plus travailler comme médecin en Autriche. A cause de cela il a essayé de trouver quelque part où il pouvait travailler comme médecin. Il a réussi à fuir l'Autriche en 39 ou fin 38. Ils ont réussi à emballer toutes leurs affaires. Ils ont réussi à trouver une place en Bolivie. Mein Vater hat in Wien Medizin studiert. Er hat an der Uni geforscht, doch die Nazis haben ihm verboten, in Österreich als Arzt zu arbeiten. Er hat sich daher umgesehen, wo seine Ausbildung anerkannt wurde. Ende 1938 haben sie es geschafft, aus Österreich zu fliehen und ihr ganzes Hab und Gut mitzunehmen. Sie haben ein Visum für Bolivien bekommen. Mod Anni und Fritz kaufen Fahrkarten für den Ozeandampfer Orbita, der sie von Frankreich nach Südamerika bringen soll. Im Frühjahr 1939 fliehen sie aus Wien zunächst in die benachbarte Tschechoslowakei. Auch dort marschieren wenig später Hitlers Truppen ein. Über die Schweiz reist das Paar nach Frankreich, doch die Fahrt dauert zu lang. Die Orbita sticht am 22. April 1939 ohne Anni und Fritz Finaly in See. Robert Ils ont aussi acheté un billet pour un bateau qui partait de Cherbourg, en Bolivie, puis il n'ont pas réussi à monter sur ce bateau. Pourquoi je ne sais pas. Mon père a réussi de trouver quelque travail comme journaliste à Paris. A la fin il a reçu la permission de travailler comme médecin dans la région de Grenoble. Warum sie es nicht an Bord geschafft haben, weiß ich nicht. Mein Vater hat danach Arbeit als Journalist in Paris gefunden. Schließlich hat er eine Arbeitsgenehmigung als Arzt in der Region von Grenoble bekommen. Mod Im April 1941 wird Robert geboren. Frankreich ist in einen deutsch besetzten Norden und eine freie Zone im Süden geteilt. Grenoble und seine Umgebung befinden sich in diesem relativ freien Teil Frankreichs. Doch auch hier werden Juden registriert und mit Berufsverboten belegt. Fritz praktiziert heimlich als Arzt, behandelt auch Flüchtlinge und Résistance-Kämpfer. Im Juli 1942 kommt ein zweiter Sohn zur Welt, Gérald, der wie schon sein älterer Bruder eine Woche nach der Geburt beschnitten wird. Im Herbst 1943 besetzen Hitlers Truppen Südfrankreich. Sie beginnen sofort mit der Jagd auf Juden. Einige fliehen im letzten Moment. Robert Ils sont allés dans le Vercors, dans les forêts pour se cacher. Ils ont essayé d'influencer mon père. Ma mère, je ne sais pas, mais mon père ne voulait pas quitter ces malades. C'est pour ça qu'il est resté, qu'il a été attrapé par la Gestapo en 44. Sie haben sich in den Wäldern des Vercors-Gebirges versteckt und wollten auch meinen Vater dazu überreden. Von meiner Mutter weiß ich es nicht so genau, doch mein Vater wollte seine Kranken nicht im Stich lassen. Deshalb hat ihn die Gestapo erwischt. Mod Am 14. Februar 1944 wird Fritz, der gerade von einem Krankenbesuch kommt, auf der Straße verhaftet, Anni wenig später in der Familienwohnung. Die Kinder sind zu diesem Zeitpunkt in Sicherheit. Anni und Fritz haben sie bereits seit dem Herbst 1943 in einem Kinderheim versteckt. Robert Mon frère et moi on était tous les deux ensemble dans la même pouponnière, disons. Et de là-bas, le propriétaire de cette pouponniere prenait, euh, a pris contact avec les dames de ND de Sion et eux c'est ces sœurs c'est eux qui ont réussi à e nous mettre à la pouponnière de Grenoble chez Mademoiselle Brun, Antoinette Brun. Mein Bruder und ich wurden von den Nonnen von Notre Dame de Sion nach Grenoble, in die Kinderkrippe von Antoinette Brun gebracht. Guy Et enfin, ils avaient identifié Mademoiselle Brun dans sa fonction de directrice comme une porte accessible pour garder des enfants. Mod : Die Direktorin der städtischen Kinderkrippe von Grenoble hat bereits einen kleinen Buben bei sich aufgenommen: Guy, für den Robert und Gérald in den folgenden Jahren zu Ziehbrüdern werden. Heute lebt Guy mit seiner Frau Nicole im Dorf Caraman in Südwestfrankreich, unweit von Toulouse. Guy Et je sais que ça s'est passé ainsi pour nous, moi, ainsi que pour Robert et Gérald, des enfants qui n'avaient plus leurs parents ou des parents en difficulté sérieuse. Donc elle les recevait et Notre Dame de Sion payait. Robert, Gérald und ich waren Kinder ohne Eltern, oder mit Eltern in ernsten Schwierigkeiten. Mlle Brun hat uns aufgenommen und Notre Dame de Sion bezahlte. Mod Guy ist gleich alt wie Robert. Auch seine Mutter stammt aus einer gutbürgerlichen jüdischen Wiener Familie. Guy wurde auf der Flucht geboren, seine Mutter geht später ohne ihn in die USA. Guy, Robert und Gérald leben von nun an wie Geschwister zusammen. Deutsches Heeresgebiet Südfrankreich. Grenoble, Frühjahr 1944 Mod Die Ordensfrauen von Notre Dame de Sion betreiben ein äußerst effizientes Widerstandsnetzwerk im Raum von Grenoble. Sie fälschen Papiere und verstecken zahlreiche jüdische Flüchtlinge vor der SS und der Gestapo. Sie überreden Antoinette Brun, Robert und Gérald in der Krippe unterzubringen. Unter den anderen Kindern fallen die beiden Neuzugänge nicht auf. Dennoch wird die Sommerwohnung von Antoinette Brun, in der die Kinder von der Hausangestellten Marie betreut werden, eines Tages Ziel einer Razzia der SS. Guy erinnert sich. Guy Enfin Marie est venue vers nous, affolée. On ne l'a jamais vue comme ça. Elle a pris un air autoritaire, " Taisez vous et suivez moi, Venez là! Pas un bruit, planquez vous là. " Bon ok, on avait traversé une rafle, mais j'ai vu plus tard, quand j'ai cherché des vérités, qu'il y avait une rafle à 300,400 mètres de là. Une plaque commémorative le signale sur le mur du cimetière de Vif. Donc nous avons compris qu'au printemps 44, nous avons été dénoncés et qu'une rafle aurait pu nous embarquer. Wir hatten Marie noch nie so aufgeregt gesehen. Sie wurde plötzlich sehr streng und sagte: "Seid leise und kommt mit! Hierher! Keinen Laut! Versteckt euch da!" Ich habe als Erwachsener versucht, die Wahrheit herauszufinden und eine Gedenktafel für eine Razzia beim Friedhof von Vif entdeckt. Wir waren im Frühjahr 1944 denunziert worden. Sie hätten uns genausogut mitnehmen können. Mod Im September 1944 ist Frankreich befreit. Wenige Monate später, am 9. Februar 1945, bekommt der Bürgermeister von La Tronche einen Brief aus Neuseeland. "Haben Sie bitte die Güte zu entschuldigen, dass ich Sie in großer Angst mit einer Familienangelegenheit belästige: Können Sie mir Informationen über den Aufenthaltsort meines Bruders Dr. Fritz Finaly, seiner Frau Anni Finaly und ihrer beiden Söhne geben? Ihre Margarete Fischl. Der Bürgermeisters antwortet sofort: "Anni und Fritz wurden von den deutschen Behörden am 14. Februar 1944 verhaftet, ins Lager Drancy gebracht und in weiterer Folge deportiert. [...] Es war der dringlichste Wunsch Ihres Bruders, dass Sie sich im Fall eines Unglücks der Kinder annehmen. Erst acht Monate später, im November 1945, erhält Margarete Fischl auch einen Brief von Antoinette Brun. "Ich ziehe Ihre Neffen auf meine alleinigen Kosten groß und habe nie die geringste Hilfe von einer jüdischen oder sonstigen Organisation bekommen. Hier sind nun Gefühlsbindungen, die man nicht so einfach brechen darf. Ihr Geld ist mir völlig egal. Die Liebe meiner Kinder ist mein Lohn, ich bitte um keinen anderen. Ihre Neffen sind Juden, soll heißen, sie sind in ihrer Religion geblieben. Mit diesem Brief ist alles gesagt. Mit vorzüglicher Hochachtung, Antoinette Brun Mod Margarete Fischl leitet alles Nötige in die Wege, um den letzten Wunsch ihres Bruders zu erfüllen und die Kinder nach Neuseeland zu holen. Dabei wird sie vom Roten Kreuz, vom Bürgermeister von La Tronche und vom französischen Außenministerium unterstützt. Im Oktober 1946 hält eine Sozialarbeiterin des Roten Kreuzes fest: "Mlle Brun, mit der ich Kontakt aufgenommen habe, weigert sich kategorisch, die Finaly-Kinder herauszugeben. Sie hat sich außerdem am 12. November 1945 als Vormund einsetzen lassen, konform mit dem Artikel 142 des Code civil. Dieser Artikel sieht jedoch den Fall, dass sich andere Familienmitglieder danach noch melden, nicht vor. [...]" Mod Als Vormund bezieht Antoinette Brun staatliche Beihilfen für die Kinder. Sie lässt sämtliche Bemühungen Margarete Fischls ins Leere laufen. Vier Jahre lang unternimmt Margarete alles Menschenmögliche, scheitert aber an der Unnachgiebigkeit der Krippen-Direktorin. 1948 übernimmt Margaretes jüngere Schwester Hedwig Rosner, die mit ihrem Mann nach Palästina fliehen konnte, die Angelegenheit. Robert ist mittlerweile sieben, Gérald sechs Jahre alt. Von der Existenz und der Verzweiflung ihrer Tanten ahnen die beiden nichts. Gerald On sait qu'on nous a dit que les parents ou la famille de nous est mort. Je ne savais pas que... du premier moment quand quand tu rappelles que je... tu sais que Mlle Brun qu'elle est que notre mère, mais pas naturelle. Marie était là et la notre comment s'appelle... elle fait tout ce qu'on a besoin de bien. Alors tu ne vas pas penser à autre chose. Man hat uns gesagt, dass unsere Eltern und Verwandten tot sind. Ich kann mich an nichts anderes erinnern. Wir wussten, dass Mademoiselle Brun nicht unsere natürliche Mutter war. Marie kümmerte sich um uns. Für uns war das ganz normal. Mod Hedwig Rosner und ihr Mann bitten einen alten Bekannten um Hilfe, der in Grenoble lebt. Der Chemiker und Unternehmer Moïse Keller ist ein ehemaliger Résistance-Kämpfer, während der deutschen Besetzung hat er sein eigenes Kind bei französischen Bauern versteckt. Vom Schicksal der Familie Finaly fühlt er sich persönlich betroffen. Keller geht zur Krippe, um mit Antoinette Brun zu sprechen. Als er ihr sein Anliegen vorträgt, reagiert sie mit einem Tobsuchtsanfall: "Ihr Juden seid doch eine feige Bande! Als es gefährlich wurde, habt ihr eure Haut gerettet und euch aus dem Staub gemacht, die Kinder zurückgelassen. Und jetzt haben Sie die Stirn, sie zurückzufordern! Sie glauben, dass das so gehen wird? Sie kennen mich schlecht. Niemals werden Sie diese Kleinen sehen! Ich werde sie niemals zurückgeben. Hören Sie gut zu: Niemals! Das einzige, was ich Ihnen dazu noch sagen kann, und das Ihnen bestimmt Freude machen wird, ist, dass ich sie habe taufen lassen. Ich habe kleine Katholiken aus ihnen gemacht." Mod Diese Taufe, die am 28. März 1948 im Dorf Vif vorgenommen wurde, verändert die Situation grundlegend. Laut dem Kirchenhistoriker Thomas Prügl zieht das vollzogene Sakrament gravierende kirchenrechtliche Folgen nach sich. Prügl Es ist verboten, jüdische Kinder zu taufen, aber wenn sie getauft werden, dann gelten sie als Christen und müssen christlich erzogen werden, und sie müssen den Eltern weggenommen werden, weil ein jüdisches familiäres Umfeld nicht garantieren kann, dass diese Kinder im christlichen Glauben beharren, sondern dann wieder vom Glauben abfallen und als Apostaten gelten. Auf der Flucht. Frankreich/Schweiz, 1948 bis 1952 Mod Seit ihrer Einschulung leben Robert und Gérald in Internaten und verbringen nur die Sommermonate im Dorf Vif, wo Antoinette Brun eine Sommerwohnung hat. Durch Moïse Kellers Intervention ändert sich ihr Leben von Grund auf. Robert Du moment qu'on a su, c'était à l'age , de euh, de huit, neuf ans que les juifs voulaient nous nous prendre, alors c'est ça, c'est à ce moment-là qu'on commençait à fuir. Mit acht oder neun Jahren erfuhren wir, dass die Juden hinter uns her waren. Ab diesem Zeitpunkt waren wir auf der Flucht. Mod Ein unstetes Leben mit wechselnden Identitäten und Wohnsitzen beginnt. Das Schuljahr 1949/50 verbringen sie in Lugano in der italienischen Schweiz. Dort wird ihnen verboten, französisch zu sprechen. Gérald Personne ne savait pas qu'on est Finaly. On a fait des on a, on nous a appelait d'autres, d'autres noms, Quadri. Robert a été Louis et moi j'étais Marc. Alors le premier temps je devais étudier l'italien Niemand wusste, dass wir die Finaly-Kinder sind. Unser Familienname war jetzt Quadri. Robert hieß Louis und ich Marc. Und wir mussten zunächst einmal Italienisch lernen. Mod Im Jahr darauf kommen die Brüder zurück nach Frankreich. Auch hier wechseln sie zu Beginn jedes Schuljahres das Internat und die Namen. Während sich die Brüder vor den vermeintlichen Verfolgern verstecken, zieht ihre Pflegemutter Antoinette Brun die Gerichtsverfahren in die Länge. Antoinette Brun ist die langjährige Geliebte des Bürgermeisters von Grenoble, im Gesellschaftsleben der Stadt spielt sie eine wichtige Rolle. Sie liebt auch den Luxus und umgibt sich mit einer umfangreichen Kunstsammlung, die sie ständig erweitert. Bei der Herkunft der Gegenstände ist sie nicht wählerisch. Guy Elle a récupéré et fait récupérer toutes ses affaires dans l'appartement qu'ils ont quitté précipitamment sous le coup de la rafle. Je sais, et je l'ai vue qu'elle a récupéré une bague splendide, massive, en or, sertie de diamants et peut être de saphirs. Je ne sais pas. Je me rappelle plus bien s'il y avait de la couleur. C'est possible. Qui appartenait à la maman Finaly. Sie ließ den gesamten Besitz der Familie Finaly zu sich bringen. Ich habe gesehen, dass sie einen herrlichen Ring am Finger trug, aus massivem Gold, besetzt mit Diamanten und vielleicht Saphiren, das weiß ich nicht mehr so genau. Der hatte zuvor Anni Finaly gehört. Mod Erst im Mai 1952, vier Jahre nach Moïse Kellers erster Begegnung mit Antoinette Brun und unzähligen Gerichtsterminen, werden Robert und Gérald erstmals von einem Richter angehört. Das Gericht und die Öffentlichkeit erfahren, dass die Direktorin der Kinderkrippe gar nicht dem Bild der liebenden, um ihre Schützlinge kämpfenden Ersatzmutter entspricht, das sie selbst in der Öffentlichkeit stets gezeichnet hat. Robert On la craignait. Voilà. C'est une personne qu'on craignait et qu'on n'avait pas... on n'allait pas se faire chouchoyer, non c'est bonjour, bonsoir c'est tout. Et recevoir les, les corrections c'est qu'on a fait à une sottise. Je me rappelle que, je ne sais pas pourquoi, mais j'étais une fois toute la nuit enfermé dans le... où il y avait le charbon, dans la cave. Wir hatten Angst vor ihr. Undenkbar, dass sie einmal zärtlich gewesen wäre. Guten Morgen, Gute Nacht, das war alles. Und die Strafen, die sie verteilte. Ich weiß nicht mehr, warum, aber einmal hat sie mich sogar über Nacht in den Kohlenkeller gesperrt. Mod Am 11. Juni 1952, sieben Jahre nach Margarete Fischls erstem Brief, fällt das Gericht ein rechtskräftiges Urteil. Die Kinder müssen an ihre Tante Hedwig Rosner, vertreten durch Moïse Keller, übergeben werden. Als Datum der Übergabe wird der 15. Juli 1952 festgelegt. Als Moïse Keller in Begleitung eines Gerichtsvollziehers und eines Polizeikommissars vor der Krippe erscheint, sind Antoinette Brun und die Kinder verschwunden. Guy Il y a eu des des petits événements. Par exemple, Moïse Keller, qui sonnait au portail parce qu'il voulait rendre visite à mademoiselle Brun, dire ce qu'ils avaient à dire et l'entendre répondre. Et nous ou moi tout seul, le plus longtemps, plus souvent... mais je crois qu'il y avait encore Robert et Gérald, mais je ne peux pas l'affirmer complètement. Elle nous disait ou elle me disait de me taire pour qu'il n'y ait pas la l'indice d'une présence de la fenêtre de sa salle à manger qui donnait. Et là, elle était en observation derrière les rideaux. Elle attendait que Keller abdique et se dise Bon, mais y a personne, Je n'aurais pas de réponse ou de partenaire à qui parler aujourd'hui. Donc je me rappelle bien de Keller qui sonnait et qui attendaient au portail. Es kam öfter zu solchen Begebenheiten. Moïse Keller läutete am Tor, da er mit Mademoiselle Brun sprechen wollte. Ich weiß nicht, ob Gérald und Robert zu diesem Zeitpunkt da waren, auf jeden Fall schärfte sie uns ein, still zu sein. Sie selbst versteckte sich hinter dem Vorhang und beobachtete Keller solange, bis er aufgab und erkannte, dass er mit niemandem sprechen konnte. Ich kann mich gut an Keller und seine vergeblichen Besuche erinnern. Mod Die Direktorin der Kinderkrippe sucht nun Unterstützung beim Orden Notre Dame de Sion, der Robert und Gérald während der deutschen Besatzung bei ihr untergebracht hat. Mère Antonine, die Oberin des Ordens in Grenoble, berät sich mit Kardinal Gerlier, dem Erzbischof von Lyon und obersten Bischof Frankreichs. Dieser hat im Oktober 1946 ein Rundschreiben des Heiligen Offiziums erhalten, der für den Schutz der Glaubenslehre zuständigen Abteilung des Vatikans. Dieser Brief ruft Frankreichs Bischöfen einige Prinzipien im Umgang mit Holocaust-Waisen in Erinnerung. Der wichtigste Punkt darin lautet: "Kinder, die getauft wurden, dürfen keinen Institutionen anvertraut werden, die ihre christliche Erziehung nicht garantieren können." Mod Der Befehl aus Rom gilt auch für Robert und Gérald. Kardinal Gerlier bittet den Vatikan um detailliertere Anweisungen im konkreten Fall Finaly und gibt Mère Antonine einstweilen Rückendeckung bei ihrem Vorhaben, die Kinder bis auf weiteres verschwinden zu lassen. Mère Antonine organisiert nun das Leben von Robert und Gérald. Nach Aufenthalten im Elsass und in Paris landen sie schließlich unter falschen Namen in einer Schule des Ordens Notre Dame de Sion in Marseille. Robert Et quand on est parti de Paris pour aller à Marseille, alors on a fait ça volontièrement sans discuter. On a dit vous allez en collège à Marseille. On a même tout tout laissé à Paris. On avait des livres, on avait, j'avais une collection de timbres que je continuais maintenant aussi mais j'ai tout perdu, J'ai tout laissé dans les différents endroits où on avait des... où on restait. On a avait rien appartenir à nous. Als wir aus Paris nach Marseille gingen, haben wir das bereitwillig gemacht, ohne Widerrede. Wir mussten alles in Paris zurücklassen, die Bücher und auch meine Briefmarkensammlung, die ich wieder begonnen hatte. Ich habe unterwegs immer alles verloren. Wir hatten nichts, was uns gehörte. Mod Im Jänner 1953 beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Zwei Journalisten der populären Zeitschrift Paris Match sind auf den Fall aufmerksam geworden und treffen Antoinette Brun für ein Interview. Bei dieser Gelegenheit stehlen sie ein Foto von Robert und Gérald, das am 17. Jänner groß auf dem Cover abgedruckt wird. Ganz Frankreich kennt nun die Geschichte, vor allem aber auch die Gesichter der entführten Waisen. Mère Antonine nimmt sie sofort aus der Schule und versteckt sie bei einem Priester in Marseille. Eine Woche später trifft ein Schreiben aus dem Vatikan bei Kardinal Gerlier ein. Es ist unterzeichnet von Kardinal Giuseppe Pizzardo, dem Sekretär des Heiligen Offiziums. "Die Kirche hat das unantastbare Recht, die freie Wahl der Kinder zu verteidigen, die ihr durch die Taufe angehören. [...] Gesetzt die schmerzliche Hypothese, wonach der definitive Spruch der höchsten Instanz dem der ersten Instanz widersprechen sollte, wird es angezeigt sein, dieser Dame zu raten, sich in jedem möglichen Maß dem Befehl, die Kinder zu übergeben, zu widersetzen." Mod Während der Vatikan an der Entscheidung festhält, das rechtsgültige Urteil des französischen Gerichts zu missachten und die Kinder versteckt zu halten, wird Antoinette Brun in Untersuchungshaft genommen. Mère Antonine lässt Robert und Gérald nun nach Bayonne im französischen Baskenland bringen, doch sie werden erkannt. Im letzten Moment gelingt es der Ordensfrau, die Kinder vor dem Eintreffen der Polizei aus der Schule zu holen und in einem Pfarrhof unterzubringen. Am 4. Februar wird Mère Antonine verhaftet, eine als Résistance-Heldin und Ordensoberin hoch angesehene Frau. Die Presse stürzt sich auf den Skandal. Bald ist Frankreich in zwei unversöhnliche Lager gespalten: Die Verfechter des laizistischen Rechtsstaats einerseits und das katholisch-nationalistische Lager andererseits. Auf den Kommentarseiten der französischen Zeitungen wird ein erbitterter, oft untergriffiger Kampf um die Deutungshoheit im Fall Finaly ausgefochten. Zeitungscollage: Le Figaro 20. Februar 1953: "Mlle Brun ist ein Monster der Barmherzigkeit, seit vierzig Jahren rettet sie großherzig gefährdete Kinder." Le Populaire 22. Februar 1953: "Man macht sich über uns lustig und tut so, als würde die Kirche in Frankreich nicht Bescheid wissen." Nouvelle Gazette de Biarritz, 23. Februar 1953 : "Ist es vorstellbar, dass bei uns in Frankreich diese höheren Wesen, deren Leben allein durch ihre Funktion ein Muster an Geradlinigkeit, Selbstverleugnung und Güte ist, von einem Tag auf den anderen auf das feuchte Stroh eines Kerkers geworfen werden?" Le Monde 2. März 1953: "Es scheint hoch an der Zeit daran zu erinnern, dass Frankreich ein Rechtsstaat ist, dass keine Kirche über rechtliche Autorität verfügt, und dass die Sakramente aller Religionen keinerlei rechtliche Bedeutung haben." Mod Angesichts der aufgeheizten Stimmung beschließt Kardinal Gerlier, Robert und Gérald außer Landes bringen zu lassen. Er hat gute Kontakte nach Spanien, zum Bischof von Toledo, in dessen Einflussbereich die Kinder nun untergebracht werden sollen. Robert On est resté enfermé dans une cure. Et là on nous a dit : Vous devez fuir les Juifs qui veulent vous prendre. Vous devez traverser les Pyrénées. On a accepté sans discuter, comme de bons enfants. Als wir im Pfarrhof versteckt waren, hieß es eines Tages: Die Juden sind euch wieder auf den Fersen, ihr müsst fliehen. Über die Pyrenäen. Als brave Kinder haben wir das ohne Widerspruch akzeptiert. Baskenland, Februar 1953 Mod In den Abendstunden des 12. Februar 1953 bringt ein kirchentreues Ehepaar Robert und Gérald mit dem Auto ins Dorf Biriatou, am Fuß der Pyrenäen. Im Fall einer Polizeikontrolle sind sie angehalten, Robert und Gérald als die eigenen Kinder auszugeben. Gérald On a arrivé la-bas dans un village dans la soirée, on nous a donné à coucher dans là-haut.... where is the food... the grenier. On a dormi là bas et au matin arrivait cette personne qui nous a pris et on est allé avec lui. Wir sind am Abend in einem Dorf angekommen und haben in einem Haus im Dachboden geschlafen. Am nächsten Tag ist ein Mann gekommen, der uns mitgenommen hat. Mod : José Susperreguy, " Ttomo" genannt, ist ein 66-jähriger Baske, den die Priester aus Bayonne als Schlepper ausgewählt haben. Er führt die kleine Gruppe, die aus Robert, Gérald und einem Priester besteht, auf einem alten Schmugglerpfad in Richtung Spanien. Abmarsch 7:30. Er wird später zu Protokoll geben: "Wir verloren keine Zeit, um das bisschen Dunkelheit noch auszunützen. Ich ging voran und machte mit meinen Gummistiefeln tiefe Spuren in den Schnee. Der ältere der beiden folgte mir und stieg genau in meine Fußstapfen. Dann kam der Pfarrer, zum Abschluss der jüngere Bruder. Niemand sprach ein Wort, doch der Anstieg war hart. Die armen Kleinen und auch ich selbst mit meinen 66 Jahren, wir mussten die Zähne zusammenbeißen. Für die vier Kilometer bis zur Grenze brauchten wir vier Stunden. Den Kindern rannen die Tränen hinunter." Gérald On avait seulement des... comme ça, des chaussettes et des normales shoes... Wir hatten nur Socken an und ganz normale Schuhe Robert On marchait sans discuter trop avec les contrebandiers. Eux, ils voulaient marcher vite. Et nous comme enfants, on n'avait pas la possibilité sportive de faire ce chemin. On restait tout le temps enfermé dans des chambres sans même aller se promener dans les alentours. Tout d'un seul coup, on nous prend pour traverser la montagne avec de la neige et et avec le froid. C'était pour moi, c'était pour Gérald, c'était pénible de faire ce chemin. On l'a fait pour fuir. Wir haben auf dem Weg nicht mit ihm gesprochen. Er wollte schneller marschieren, aber wir konnten nicht, uns fehlte die Kraft. Wir hatten die Monate davor stets versteckt in Zimmern verbracht und waren kaum ins Freie gekommen. Und nun mussten wir plötzlich ein Gebirge überqueren, bei Schnee und Kälte. Es war sehr hart für uns beide, aber wir mussten eben fliehen. Mod Die erschöpften Kinder werden nie in Toledo ankommen. Der Schlepper übergibt sie baskischen Priestern, die sich von einem französischen Kardinal keine Vorschriften machen lassen. Robert und Gérald bleiben vorerst im Kloster von Lazkao, einer nationalistisch-baskischen Hochburg. Angesichts der zunehmend schlechten Presse für die Kirche in Frankreich drängt Kardinal Gerlier unterdessen darauf, mit der Familie zu verhandeln. Im März 1953 kommt eine geheime Vereinbarung zustande: Die Rosners sind bereit, alle Entführungsklagen fallen zu lassen, wenn die Kinder zurückgebracht werden. Doch nun weiß der Kardinal nicht mehr, wo sie sind. Da ihr Aufenthaltsort im baskischen Kloster durchgesickert ist, haben die Mönche Robert und Gérald getrennt zu verschwiegenen Familien gebracht. Robert On a été séparé. J'ai été à Saint Sébastien chez un ingénieur. Là-bas j'ai été défendu de parler le français. Je devais apprendre l'espagnol que j'ai réussi après. J'avais un livre de Dumas. Saint-cristo. Le comte de Saint-Cristo. Oui, j'ai lu, c'est le seul livre que j'avais en français, je l'ai lu quatre, cinq fois et il n'y avait pas d'autre chose. J'ai défendu de parler le français. Je regardais rien que derrière la fenêtre. Mon frère il a été dans un village dans une cure où il était libre il y avait toute ... il était libre d'aller où il voulait. Wir wurden getrennt. Ich war in San Sebastian bei einem Ingenieur. Er hat mir verboten, Französisch zu sprechen, ich musste Spanisch lernen. Ich hatte aber ein Buch von Alexandre Dumas, den Grafen von Monte Christo. Ich habe es fünfmal gelesen, etwas anderes konnte ich nicht tun. Nur aus dem Fenster schauen. Mein Bruder war in einem Dorf bei einem Pfarrer, der durfte machen, was er wollte. Mod Obwohl ein Kompromiss ausverhandelt ist, bleiben die Kinder verschwunden. Angesichts des Stillstands und des wochenlangen Schweigens des Vatikans informiert Großrabbiner Kaplan die französische Öffentlichkeit am 5. Juni 1953 von der Existenz des Kompromisses zwischen Kirche und Familie, sowie über den Bruch dieser Vereinbarung durch die Kirche. Die Medien berichten ausführlich, der neuerliche Skandal wirkt sofort: Das Heilige Offizium beauftragt Kardinal Gerlier und dessen spanische Amtskollegen, die peinliche Affäre schleunigst aus der Welt zu schaffen. Doch es kommt erneut zu Komplikationen. Gerald Franco a dit non. Il ne le veut pas. Les frères Finaly ne peuvent pas passer la frontière. Ils ne sont pas entrés en Espagne. Normal. Pour moi, ils ne sont pas en Espagne. Alors si vous voulez que les frère Finaly passent la frontière, retournent en France, je veux ça et ça et ça des Basques qui étaient encore encore... Alors ça a été l'histoire a été encore une fois arrêté. Franco hat Nein gesagt. Da die Kinder nicht nach Spanien eingereist sind, können sie auch nicht ausreisen. Offiziell sind sie nicht hier. Wenn Frankreich sie trotzdem haben will, dann will Franco im Gegenzug die Basken. Und so kam die Geschichte wieder an einen toten Punkt. Mod Für den spanischen Diktator Franco sind Robert und Gérald ein willkommenes Faustpfand. Er hat es auf die in Frankreich lebende baskische Exilregierung abgesehen und gibt den Befehl, Robert und Gérald weiter ins Landesinnere bringen zu lassen. Doch nun reagieren die baskischen Geistlichen blitzschnell. Um sich nicht zu Handlangern des verhassten Diktators zu machen, übergeben sie Robert und Gérald einer Emissärin Kardinal Gerliers, die sie am 26. Juni 1953 an den überrumpelten spanischen Grenzbehörden vorbei nach Frankreich zurückholt. In einem Haus nördlich von Paris, das einem Mitglied der französischen jüdischen Kultusgemeinde gehört, warten sie auf ihre Tante. Die Zeitschrift Paris Match veröffentlicht einen Brief von Antoinette Brun an Robert und Gérald. "Meine lieben Kleinen, Selbst wenn man euch zwingt, nun bei einer Familie zu bleiben, die sich jahrelang nicht um euch gekümmert hat, habt ihr immer euren Platz in meinem Herzen. Ihr seid meine Söhne und ihr seid Franzosen. Solltet ihr nach Israel gehen, verliert ihr auf einen Schlag eure Mutter und eure Staatsangehörigkeit, auf die ihr so stolz wart." Mod Am 2. Juli 1953 landet Hedwig Rosner in Paris. Nach fünfjährigem Kampf lernt sie nun endlich ihre Neffen kennen. Sie plant, drei Monate in Frankreich zu bleiben, doch die Familie kommt nicht zur Ruhe. Antoinette Brun versucht, ein Besuchsrecht bei den Kindern vor Gericht zu erstreiten. Eine erste Anhörung wird für den 29. Juli anberaumt. Hedwig Rosner, die kein Vertrauen mehr in den französischen Rechtsstaat hat, entscheidet sich zur vorzeitigen Abreise. Am 25. Juli landen Robert und Gérald mit ihrer Tante in Tel Aviv. Die Buben sind 12 und 11 Jahre alt. Ihre Eltern sind seit neun Jahren tot, acht Jahre lang haben ihre Tanten um das Sorgerecht gekämpft. Eine jubelnde Menschenmenge empfängt sie. Die Brüder verbringen die ersten Wochen in Israel in einem Kibbuz, in dem Französisch gesprochen wird. Dann ziehen sie ins Haus ihrer Tante Hedwig. Gérald lernt dort schnell Hebräisch, Hedwig schickt ihn täglich einkaufen. Die Freude an ausgedehnten Marktspaziergängen ist ihm bis heute geblieben. An der renommierten Technischen Hochschule von Haifa wird Gérald zum Spezialisten für Feinmechanik und optische Geräte ausgebildet. Er macht Karriere in der Armee, danach geht er in die Industrie. Er spricht oft von seiner Mutter Anni, einer modernen, dem Leben zugewandten Frau, in der er sich wiedererkennt. Mit seiner Vergangenheit ist der 4-fache Großvater im Reinen. Gérald Il n'y a pas de question de faire de la guerre avec ce qui s'est passé. Ce qui s'est passé s'est passé et c'est dommage, c'est difficile, c'est la vie. Il y avait, on doit, on va quand ça va, ça continue à s'avancer. C'est pas directement je ne veux pas parce que mon parent, on est là bas, on meurt. Ok, c'est... on n'est pas enchanté de ça, mais on va faire la vie, continuer la vie. Es hat keinen Sinn, mit der Vergangenheit zu kämpfen. Was geschehen ist, ist geschehen, und das ist schade und es ist schwierig, aber so ist das Leben. Es ist traurig, dass meine Eltern dort starben. Aber man muss weitermachen, weiterleben. Mod Robert spricht nach der Ankunft in Israel wochenlang kein Wort. Der bekannte Psychologe Reuven Feuerstein, ein Schüler Jean Piagets, hilft ihm dabei, sich im neuen Umfeld zurechtzufinden. Robert möchte Arzt werden wie sein Vater, scheitert aber aus sprachlichen Gründen an der Aufnahmeprüfung der medizinischen Fakultät der Universität von Jerusalem. Man rät ihm, den ersten Studienabschnitt in einem frankophonen Land zu verbringen. Robert wird in Genf zum Studium zugelassen. Er reist per Schiff nach Europa und nimmt sein Motorrad mit, um sein ehemaliges Kindermädchen Marie und Bekannte der Familie in Frankreich zu besuchen. In Europa zu bleiben, ist nach erfolgreich absolviertem Studium keine Option für ihn. Robert Non, pour moi c'était clair que je reviens en Israël. Il n'y avait pas de de possibilités, d'autres possibilités que... J'ai dit Je vais étudier la médecine, je vais faire mon diplôme et retourner en Israël. C'est là. C'est la place où je... que j'ai vu, où je dois vivre. Für mich war es klar, dass ich nach Israel zurückkehre und dort mein Diplom mache. Israel war für mich der Ort, an dem ich leben sollte. mod Antoinette Brun kehrte nach ihrer Enthaftung wieder an ihren Arbeitsplatz in der Kinderkrippe zurück. Sie adoptierte Guy, der sich mit 17 frühzeitig zum Militärdienst meldete, um aus dem Haushalt der ungeliebten Adoptivmutter ausziehen zu können. Guy verbringt Jahrzehnte damit, seine leibliche Mutter ausfindig zu machen. Erst, als er über vierzig ist, kommt es zum Wiedersehen. Jahrelang hat Guys Mutter von den USA aus verzweifelt versucht, ihren Sohn zu sich zu holen. Sie scheiterte jedoch an Antoinette Brun, die wie im Fall der Brüder Finaly einfach nicht auf ihre Briefe reagierte. Mit seiner Vergangenheit hat sich auch Guy längst ausgesöhnt. Sein Urteil über seine Adoptivmutter Antoinette Brun ist jedoch unerbittlich. Guy On n'était pas des enfants à aimer, à élever, à choyer, etc. Non, on était une source de profits, ça j'en suis convaincu. Et je voudrais bien que quelqu'un me dise le contraire avec ses arguments. Wir waren keine Kinder, die geliebt, erzogen oder gar gehätschelt wurden. Nein, wir waren eine Geldquelle, davon bin ich überzeugt. Mod Innerhalb der katholischen Kirche zieht die Affäre Finaly weite Kreise. Unter den Päpsten Johannes XXIII und Paul VI definiert die Kirche ihr Verhältnis zum Judentum neu. Das Judentum gilt von nun an explizit als Religion des Heils, die beiden Religionen als Geschwister im selben göttlichen Plan. Robert und Gérald Finaly sind die letzten jüdischen Kinder, die im Namen der katholischen Kirche um ihres Seelenheils willen entführt wurden. Sie hörten: Die Affäre Finaly. Entführt im Auftrag des Vatikans. Ein Feature von Georg Renöckl Erzählt von Emily Cox. Mit Karl Markovics als Robert Finaly, Rafael Schuchter als Gérald Finaly und Michael Dangl als Guy Brun. Gesprochen haben weiters: Lilith Häßle, Eszter Hollosi, Raphael Sas, Ursula Scheidle, Gabriel Schett, Ursula Strauß, Stefan Suske und Robert Reinagl. Musik: Maciej Golebiowski Redaktion: Elisabeth Stratka Technik: Ralph Gabriel, Anna Kuncio, Manuel Radinger Eine Produktion von ORF und Deutschlandfunk 2024. 2