Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Gefangene Geister Tauziehen um die Masken der indigenen Kogi Autor: Burkhard Birke Regie: Claudia Kattanek Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2022 Erstsendung: Dienstag, 22. März 2022, 19.15 Uhr Es sprachen: Claus Dieter Clausnitzer, Jochen Langner, Thomas Balou Martin, Matthias Ponnier, Heike Trinker und der Autor Ton und Technik: Gunther Rose und Thomas Widdig Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Atmo 1 Tanz/Ritual/Musik Sprecher 1 Zitat Ritual der Sonnenmaske (1): "Sonnenmaske kam nach Noavaka und stellte alle Sitze aus Gold dorthin. Nach sieben Tagen kam auch Priester Guavejzu. Nun sagte Guavejzu zu Sonnen Tayku Maske: Nimm dir das Gesicht ab, und weiter: Ergreife es. Darauf sagte Núla Maske, die Trockenzeit-Maske zu Sonnen Tayku: Sonne, erweise mir die Gefälligkeit", und bat um vier Tage Regen." Atmo 2 Natur/Meeresrauschen. Darüber: O Ton 1 Arregoces Conchacala La devolución. Esta devolución significa qué? Los hijos que están secuestrados, los que están condenados, pues volverlos rescatarlos a sus origines Sprecher 2 (OV) Wir fordern die Rückgabe: Unsere entführten Kinder müssen gerettet werden und dorthin zurückkehren, wo sie herstammen. Sprecherin 1: Gefangene Geister. Tauziehen um die Masken der indigenen Kogi. Ein Feature von Burkhard Birke Autor (Autor) Wellen brechen sich an einem schmalen Sandstrand, gesäumt von üppiger Vegetation. Eine Brise weht von den nahegelegenen schneebedeckten Gipfeln der Sierra Nevada de Santa Marta und ist sehr willkommen. Sie kühlt die heiß-feuchte Luft der Karibik. Jaba Taniwashkaka heißt dieser Ort an der kolumbianischen Karibikküste gleich neben dem Dorf Dibulla, wo sich das Süßwasser des Rio Jerez mit dem Salzwasser des Ozeans vermischt. Es ist ein heiliger Ort - seit tausenden Jahren für die Kogi, die letzte indigene Hochkultur Lateinamerikas mit einem noch lebendigen Hohepriestertum. Palmen, Strand, Schnee - ein Paradies. Atmo hoch. Autor Vor fünf Jahren, als ich zuletzt hier war, sah es hier noch anders aus. Aus ein paar bescheidenen Hütten und einem Frauenhaus am Strand ist eine richtige Siedlung mit einem großen Versammlungsgebäude geworden. Den verkommenen Landstrich, den früher alte Matratzen, Plastik- und anderer Müll verunstalteten, haben die Kogi in eine blühende Landschaft mit Mangroven und Wiesen verwandelt. Sie haben den Ort vom Unrat befreit und es der Natur überlassen, sich selbst zu regenerieren. O Ton 2 Mama Shibulata (Kágaba) Sprecher 3 (OV) Jaba Taniwashkaka wiederzubekommen und wieder herzurichten war enorm wichtig. Seit elf Jahren kämpfe ich dafür und es gibt große Fortschritte. Der Traum unserer Vorfahren ist Wirklichkeit geworden. Ich werde diesen Ort weiter reinigen, auch spirituell, so wie es mir meine Vorfahren aufgetragen haben. Dafür brauchen wir natürlich auch die Unterstützung von außen. Die Botschaft lautet: Dieser Ort ist für uns von enormer Bedeutung. Es ist wichtig, dass Du ihn kennenlernst und die Botschaft weiterträgst. Atmo 3: Dorf Autor Mama Shibulata ist einer der spirituellen Führer der Kogi, der Hüter von Jaba Taniwashkaka und einer der wenigen, der das Ritual der Sonnenmasken beherrscht. Er ist klein und hager, die Augen in seinem dunklen, sonnengegerbten Gesicht strahlen Ruhe aus. Er trägt die typische weiße Baumwollkleidung der Kogi, nur sein kegelförmiger Hut weist ihn als Mamo, als Priester aus. Die vier schwarzen horizontalen Linien auf der Kopfbedeckung stehen für die vier Klimazonen der Sierra Nevada. Erst vor gut zehn Jahren ist es den Kogi gelungen, diesen für sie heiligen Ort zurückzubekommen. Mit Hilfe des Amazon Conservation Teams ACT, einer privaten US -amerikanischen Umweltorganisation, und der kolumbianischen Regierung haben sie hier 250 Hektar Land erworben. Nun werden hier Feldfrüchte angebaut. Atmo hochziehen Autor Kinder spielen, Frauen arbeiten im Gemüsegarten, Hähne krähen. Es herrscht reges Treiben. Einige Kogi tragen wie Mama Shibulata kegelförmige gewebte Mützen: Es sind Mamos, Priester, aus anderen Dörfern, zum Teil mehrere Tagesmärsche entfernt. An diesem Wochenende sind viele Kogi aus allen Ecken der Sierra Nevada zu einem Treffen angereist. Sie planen und beraten sich, lassen sich beraten, u.a. um den Kaffeeanbau weiter oben in den Bergen und die Vermarktung des Kaffees zu optimieren. Vor allem aber können hier wieder regelmäßig Rituale durchgeführt werden. Denn Jaba Taniwashkaka ist für die Kogi der Ursprung allen Seins. Der Ort, an dem alle Spezies der Natur, Tiere, Pflanzen, ja selbst Materie entstanden sind. Nun können die Mamas, die Priester, hier wieder arbeiten, um alle Wesen der Natur - auch die in den Bergen - zu schützen. Sprecher 1 Zitat Ritual der Sonnemaske (2) "Sonnen-Tayku-Maske ist derjenige, der die Trockenzeit macht. Vorher bewirkten Priester Kaguisveizu, Guaveizu und Priester Nuiakave - diese drei -, dass neun Tage lang Trockenheit herrsche. Als das Sonnen-Tayku sah, rief er auch alle seine Leute zusammen und gebot ihnen, die Felder zu roden. Das taten sie neun Tage lang. Da setzte der Regen noch nicht ein, worauf Sonnenmaske dem Priester Nuiakave Trockenzeit zu machen befahl und allen gebot, die Felder zu verbrennen. Danach säten sie die Aussaat." Autor Als eines von vier indigenen Völkern, die das Erbe der Tayronakultur bewahren, leben die auch Kágaba genannten Kogi noch wie vor tausend Jahren. Spanische Kolonialisierung, Guerilla, Militärs, Grabräuber, Drogenhändler, Paramilitärs, und selbst die letzten fünf Jahrzehnte bewaffneter Auseinandersetzungen haben sie als eigenständige Kultur überdauert. Bis heute leiten die Mamos, die Priester, mit ihrem besonderen, mündlich überlieferten Wissen die Gemeinden ihres Volkes an - spirituell und im Alltag. Überlebt haben die Kogi, indem sie sich vor den Kolonisatoren in die unwegsamen Höhen der Sierra Nevada zurückzogen. Ihre rituellen Stätten an der Küste und an anderen tiefer gelegenen Orten mussten sie aufgeben. Abtreten an die "hermanos menores", die jüngeren Brüder, wie sie uns, die Nicht-Indigenen nennen, weil wir die Gesetze der Natur nicht respektieren, vieles zerstören und auch die Bedeutung der Rituale und Masken in ihrer Dimension nicht erfassen. Und nicht wissen, was Aluna ist. O Ton 3 Shibulata (voice over) Sprecher 3 (OV) Aluna ist überall: In den Steinen, im Meer, in allem. Alles existiert in Aluna - in der spirituellen Welt. Momentan ist viel negative Energie zu spüren. Die Menschheit verbreitet viel negative Energie. In Aluna sehen wir das dadurch entstandene Ungleichgewicht. Wir spüren die Folgen der Negativität, die Probleme sowohl in der Menschheit als auch in Form von Naturphänomenen. Auf unserem Territorium halten sich illegale bewaffnete Gruppen auf. Die bringen negative Energie und das spüren wir in Aluna. Wir müssen zum Aluna des Ursprungs zurückfinden, dem positiven Denken. Das ist meine Botschaft. Atmo 4 Gespräch Shibulata am Reden Autor Mama Shibulata hat einen Poporo in der Hand, das traditionelle Kürbisgefäß mit Muschelkalk. Während er erzählt, taucht er immer wieder den Stab in den Poporo und schiebt sich damit Kalk in den Mund, der aus den Kokablättern die belebende Substanz löst. Anschließend reibt er den Stab an der äußeren Hülle des Kürbisses. Atmo 5 Poporo Autor Als ich Mama Shibulata ein Foto der Masken zeige, legt sich seine Stirn in Falten. Das Foto zeigt die Masken in einer weißen Kiste, das schützende Seidenpapier ist beiseitegeschoben. Das Bild hatte ich vor meiner Abreise im Depot des Ethnologischen Museums in Berlin aufgenommen. O Ton 4 Shibulata (Kágaba) Sprecher 3 (OV) Die beiden Masken zu sehen macht mich sehr traurig. Mama Pedro Juan und Mama Jacinto haben versucht, sie zurückzuholen und haben klargemacht, welche Bedeutung diese Masken für uns haben. Leider ist es bis jetzt nicht gelungen. Wenn ich die Masken jetzt anschaue, mache ich mir noch mehr Sorgen. Ich möchte sie nicht angucken. Es ist höchste Zeit, dass die Masken zu uns auf unser Gebiet zurückkehren, dass sie zurückgegeben werden, weil sie alles auf unserem Territorium kontrollieren.Wir spüren die Abwesenheit der Masken auf unserem Gebiet: Es ist zu Naturkatastrophen gekommen, Krankheiten breiten sich aus. Am liebsten möchte ich weinen. Atmo 6 Museum Dahlem Autor Fast neun Jahre zuvor hatte eine Delegation der Kogi, auch Kágaba genannt, den Masken einen Besuch in ihrem "Gefängnis", dem Ethnologischen Museum in Berlin Dahlem, abgestattet. Die Kustodin des Museums, Manuela Fischer, erinnert sich: O Ton 5 Fischer Im Grunde genommen waren zwei Kágaba hier, der Cabildo Gobernador Santos Sauna, der inzwischen verstorben ist, und Mama Pedro Juan, der auch verstorben ist, und das war 2013. Sie haben die Masken gesehen und sehr vorsichtig angedeutet, dass es besser wäre, sie wären nicht hier im Museum eingesperrt. Autor Ein Fernsehteam des ZDF hat den Moment damals eingefangen, als der Kogi-Priester Mama Pedro Juan Nuevita versuchte, durch die Glasscheibe mit den Masken zu kommunizieren. Berühren durfte er sie nicht. Atmo 7 ZDF-Reportage Stehen lassen bis ‚32 - dann runterblenden Autor Die Begleiter wurden dann gebeten, die Kogi allein in dem Raum mit den Masken hinter der Vitrine zu lassen. Der Mamo wollte ungestört mit ihnen sprechen. Pedro Juan war als einer von wenigen für das spezifische Ritual mit den Masken ausgebildet worden, für den Tanz mit Nui Teyku - mama wake, der Sonnenmaske, und Muguzhi - Mulkulu jugukui, der Ober-Maske, die alles steuert. Zum Mamo wird man geboren - oder zur "Saga", so heißt das weibliche Pendant. Besitzt ein Neugeborenes nach Auffassung der hohen Priester, der Mamos, spirituelle Fähigkeiten, so verbringt es in der Regel die ersten Lebensjahre bis zum Erwachsenwerden in absoluter Dunkelheit, in Höhlen, wo sie ohne Ablenkung von jedwedem Materiellen von erfahrenen Mamos lernen, die Welt hinter der Welt zu sehen: Aluna - die Welt der Gedanken, eine Parallelwelt, in der alles existiert. Nach dem Besuch im Museum forderte der Cabildo Gobernador, der politische Führer Santos Sauna: O Ton 6 Santos Sauna Yo creo que estas dos reclamamos mejor me devuelvan a la Sierra. No estoy hablando de todo lo que hay ahí solo estas dos, porque estamos vivos sus hijos, estamos vivos; queremos hablar con el, queremos actuar, queremos hacer ejercicios, defender el agua, la tierra, debemos seguir conservando. Sprecher 2 (OV) Diese beiden Masken sollen zurück in die Sierra kommen, statt hier im Museum zu bleiben. Denn wir, die Kinder dieser Masken leben! Wir wollen mit ihnen sprechen, Rituale durchführen, um die Ressourcen, um das Land und das Wasser zu schützen. Autor Doch in dieser Welt in Berlin sind die Masken Weltkulturgut. Sie tragen Inventarnummern. Sie sind Besitz des Museums. Ihr Alter wird auf 600 Jahre geschätzt, ihr Wert auf je 500.000 Euro. Was für die Kogi das Natürlichste gewesen wäre, nämlich die Masken in ihre Mochilas, die typischen gewebten Umhängetaschen, zu stecken und nach Hause mitzunehmen - unvorstellbar. Doch seitdem steht die Frage im Raum, wem die Masken gehören, die dort gefangen sind? Unter welchen Umständen die Objekte damals erworben wurden, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Der Ethnologe und Kustos des damals Königlichen Museums für Völkerkunde, Konrad Theodor Preuss, hatte die beiden Sonnenmasken - neben zahlreichen anderen Kulturgütern und archäologischen Objekten - von einer Forschungsreise aus Kolumbien mitgebracht. Preuss brach 1913 auf und verbrachte 1915 mehrere Monate in den Bergen der Sierra Nevada an der kolumbianischen Karibikküste bei den Kogi in Noavaka, im oberen Teil des Palomino Flusses. Während dieser Zeit forschte Preuss zu Mythen und Sprache der Kogi. Mit Wachswalzen konnte er sogar akustische Aufnahmen von einigen Tänzen und Ritualen machen, die das Ethnologische Museum digitalisiert hat. Atmo 8 Aufnahme Preuss. Darüber: Autor: Mit Hilfe eines Übersetzers schrieb er die Mythen zu den beiden Sonnenmasken auf, die ihm die Mamos erzählten. Sprecher 1 Zitat Ritual Sonnenmaske (3) "Danach ließ Kaguisvejzu vier Tage lang Regen fallen, wie es Sonnen-Tayku ihm sagte, und es fiel wirklich Regen, wie Sonnen-Tayku gebot. Es begannen dann alle den Feldfrüchten zu tanzen, damit Bohnen, Mais, Kartoffeln nicht welk würden und verfaulten. Das tat Sonnen Tayku Maske, wie die Väter und Priester berichtet haben." Autor Nach seiner Rückkehr im Jahr 1919, am Ende der Wirren des Ersten Weltkrieges, integrierte Preuß als Kustos des Völkerkundemuseums die beiden Masken und andere so genannte "Mitbringsel" vom Volk der Kágaba in die offizielle Sammlung. Das Museum in Dahlem besitzt insgesamt 113 Gegenstände aus der Sierra Nevada, darunter Goldschmuck, gewebte Beutel, Steine und Ketten. Auch etwa zwei Dutzend Steinskulpturen aus San Agustín sind dabei, Grabfiguren aus einer der bedeutendsten präkolumbischen Nekropolen Lateinamerikas, gelegen im Süden von Kolumbien. Ein Teil der Sammlung sind Gebrauchsgegenstände aus dem Alltag, andere werden als archäologische Objekte eingestuft und wieder andere wie die Masken als Kulturgüter, da sie rituelle Bedeutung haben. O Ton 7 Museum/Fischer Sie erinnern sich: Das ist der alte Mesoamerika-Saal, Bornemann, von Bornemann gebaut, Atmo 9 Geräusche Schlüssel / Schrank wird geöffnet Autor Ethnologisches Museum in Berlin-Dahlem. An der Wand des riesigen Raums steht eine lange Reihe von Stahlschränken. Seit dem Umzug ins Humboldtforum, befindet sich hier, in den alten Ausstellungssälen, nur noch das Depot. O-Ton 8 Fischer' Und was wir hier gemacht haben ist, da die Preuss'sche Sammlung ja eine strittige Sammlung ist, die gesamte Sammlung von Konrad Theodor Preuss aus der Sierra Nevada de Santa Marta hier jetzt zusammenzuziehen, denn das sind ja strittige Sammlungen, die gegebenenfalls zurückgefordert werden oder zurückgegeben werden müssen. Und die sind auch aus den Sammlungen rausgenommen, damit sie zur Verfügung stehen. Autor Aus einer Schublade nimmt Kustodin Manuela Fischer eine weiße Holzkiste, schiebt das Seidenpapier beiseite und zeigt mir die Ausstellungsstücke mit den Archivnummern V A 62649 und V A 62650. Auf den ersten Blick wirken sie unscheinbar. Zwei geschnitzte Masken aus dunklem Holz, die leeren Augenhöhlen wie geblendet zu den Leuchtkörpern an der Decke gerichtet. Ich hatte sie mir viel größer vorgestellt, wohl aber nicht bedacht, dass die Kogi sehr klein sind. Traurig und verloren sehen sie aus, als wären sie nicht am richtigen Platz: Die mächtige Großsonnenmaske und die Sonnenmaske - Mama Nuikukui Uakai und Mama Uakai - unter diesen Namen hat Konrad Theodor Preuss die Masken registriert. Mamo Pedro Juan hatte sie - Nui Tayku - mama wake und Muguzhi - Mulkulu jugukui genannt. O-Ton 9 Frage Birke: Hat Konrad Theodor Preuss diese Masken legitim oder illegitim erworben? Fischer: Also die Masken sind sicher nicht legitim erworben worden, denn Preuss sagt selbst, er hat einen Erbstreit sich zunutze gemacht, um an diese Masken zu kommen, d.h. derjenige, der von seinem Vater die Masken geerbt hat in gewisser Weise, war kein Mama, also kein autochthoner Priester, und hat auch mit den Masken nichts anfangen können, selbst nichts anfangen können, und hat sie deswegen verkauft, was er eigentlich nicht hätte tun dürfen. Also wir wollen da gar nicht auf die Schuldfrage eingehen - es gibt in solchen Situationen auch ein Gegenüber, das mitmacht, aber Preuss war schon bewusst, dass das nicht in Ordnung war. Birke: Weiß man den Kaufpreis zufällig noch? Fischer: Nein, der Kaufpreis wird nicht genannt. O Ton 10 Aura Reyes En el caso de las máscaras de la Sierra Nevada de Santa Marta y en conjunto objetos que provienen de ahí que hacían parte de rituales de ese momento, incluso él iba un poco detrás de estas piezas por eso, porque hacían parte de un conjunto de rituales que le intereseban mucho a él. Preuss es muy claro en sus publicaciones que él obtiene estos objetos a partir de unos conflictos internos que hay en la comunidad. O sea que le son vendidos por una persona de la misma comunidad, no obstante hay un conflicto detrás de esta adquisición. Mas allá de la estructura juridica nacional uno si podría ver como una cuestión ética, mas ética. Porque se lleva unas piezas cuando el sabe que hay un conflicto interno pues y que no deberían ir a manos de externos, sin embargo aprovecha un poco estas fisuras. Sprecherin 1 (VO) Die Masken und andere Gegenstände, die Preuss aus der Sierra Nevada mitgebracht hatte, wurden in einigen speziellen Ritualen benutzt. Deshalb haben sie ihn besonders interessiert. In seinen Veröffentlichungen macht Preuss denn auch keinen Hehl daraus, dass er diese Gegenstände aufgrund eines internen Konfliktes erwerben konnte. Sie wurden ihm von einem Mitglied der Gemeinschaft verkauft; allerdings war das sehr umstritten. Unabhängig von der juristischen Frage handelt es sich also auch um ein Problem der Ethik. Weshalb nutzt Preuss den internen Konflikt und nimmt Objekte mit, von denen er weiß, dass diese keinesfalls in die Hände von Außenstehenden gelangen dürfen. Autor Die kolombianische Ethnologin und Universitätsdozentin Aura Reyes hat sich lange mit der Frage der Herkunft der Masken beschäftigt. Ihre Doktorarbeit hat sie über Konrad Theodor Preuss geschrieben. Auf meiner Reise nach Kolumbien treffe ich sie in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Konrad Theodor Preuss war fasziniert von der Kultur der Kogi, erzählt sie. Und es ist ihm offenbar gelungen, das Vertrauen der Mamos zu gewinnen. Sonst hätten ihm die Mamos wohl kaum die Bedeutung der Rituale beschrieben. Das besondere Ritual der Sonnenmasken dürfte Preuß aber nicht erlebt haben, ist sich Reyes sicher. O Ton 11 Reyes Es un conocimiento que la comunidad ha decidido también mantenerlo privado. Lo cual es bastante lógico. Uno no tiene que ir a contarle a los investigadores toda su vida. Porque hay mucho gente - si uno mira los trabajos de Reichel, mira los trabajos de otros antropologos que han investigado la Sierra - realmente la información que se da sobre los bailes, sobre este tipo de objetos es muy poca. Y sobre la diversidad, en fotos, en laminas en el siglo 19 hay dibujos y hay laminas también de máscaras que otros viajeros digamos vieron con sus ojos, incluso participaron algunos en rituales y en bailes y te das cuenta de que es un mundo muy grande. Sprecherin 1 Es ist logisch, dass das Volk der Kogi dieses Wissen für sich behalten wollte. Schließlich muss man den Forschern ja nicht alles auf die Nase binden. Wenn man sich die Arbeiten von Reichel oder anderen Anthropologen anschaut, die in der Sierra geforscht haben, so gibt es sehr wenig Informationen über die genaue Rolle dieser Objekte in rituellen Tänzen. Lediglich aus dem 19. Jahrhundert existieren einige Abbildungen von früheren Besuchern bei den Kogi, die vielleicht sogar Ritualen beiwohnen duften, und da sieht man auf alle Fälle eine große Vielfalt. Atmo ? O Ton 12 Juan Mayr Una de las máscaras es de Teyuna. Teyuna es la actual Ciudad Perdida. Sprecher 4 (OV) Eine der Masken stammt aus Teyuna, dem heutigen Ciudad Perdida. Autor Juan Mayr war der erste, der 1976, nach der spektakulären Entdeckung die 250 Terrassen der Ciudad Perdida - auf Deutsch ‚verlorenen Stadt' fotografiert hatte. Seitherverbindet den späteren Umweltminister und Botschafter Kolumbiens in Deutschland eine innige Freundschaft mit dem Volk der Kogi und eine spezielle Beziehung zu Ciudad Perdida. Diesen Namen ‚verlorene Stadt' verdankt der magische Ort in der Sierra Nevada dem Umstand, dass der Militärhubschrauber den von Grabräubern entdeckten und beschriebenen Platz beim ersten Überflug nicht finden konnte. Die indigenen Völker der Sierra Nevada nennen diesen Platz oberhalb des Buritaca Flusses Teyuna oder Teyruna: Daher wohl auch der Name der Tayronakultur für die Vorfahren der heute noch existierenden vier Völker: Den Kogi, den Arhuacos, den Wiwa und den Kanguamo. Juan Mayr war es auch, der die Masken wiederfand. Denn die Kogis erzählten zwar die Geschichte von dem "hermano menor", dem jüngeren Bruder aus Deutschland, der wie andere Forscher und Missionare Masken mitgenommen hatte. Von ihrer Existenz im Berliner Ethnologischen Museum wussten sie jedoch lange Zeit nichts, wie mir Juan Mayr während eines Besuchs in seinem Haus in Sopó, in der Nähe von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá erzählt. O Ton 13 Juan Mayr Fui en el año 1984 a Europa a hacer las fotografías de las piezas de oro que estaban en tres de los principales museos: En el Völkerkundemuseo de Berlin, en el British Museum en Londres y en el museo de Madrid y tuve la oportunidad de hacer las fotografias de todas estas piezas y estando en Berlin la persona encargada en el museo de sacar las piezas de oro para que yo las pueda fotografear me comentó, cuando le dije que trabajaba en la Sierra que conocía el mundo indigena me dijo: Ay! Aquí hay unas colecciones de los Kogi que trajo Konrad Theodor Preuss. Entonces dije: Ay podría yo hacerles unas fotografias? Me dijeron que sí, que no había ningun problema y me sacaron las piezas y entonces pude tambien hacer unas fotografias de los objetos Kogi que se llevó Preuss de forma dudosa a Alemania. Sprecher 4 (VO) 1984 bin ich nach Europa geflogen, um die aus Kolumbien stammenden Goldschätze in den bedeutendsten Museen zu fotografieren: Im Völkerkundemuseum Berlin, im British Museum in London und in Madrid. Als ich in Berlin war, erzählte mir der Mitarbeiter, der mir die Objekte zum Fotografieren bereitstellte, von einer Sammlung, die Konrad Theodor Preuss von dem indigenen Volk der Kogi mitgebracht hatte. Er erlaubte mir dann, Fotos von einigen Objekten zu machen, die Preuss von den Kogi auf zweifelhafte Art und Weise erworben und nach Deutschland gebracht hatte. Autor Nach seiner Rückkehr spricht Juan Mayr mit den Mamos. Könnten das die verlorenen Masken sein? Was er herausfindet, ist überraschend: Die Kogi-Priester erinnern sich noch genau an die letzten Aufenthaltsorte der Masken. Mehr als 100 Jahre nach ihrem Verlust. O Ton 14 Juan Mayr Eso quiere decir que en un determinado momento llevaron esta máscara de Teyuna luego hacia Palomino y yo diría hacia otro lugar que es Seicanji. Seicanji es un lugar dónde estuvieron las máscaras que luego se movieron a Noavaca ...que .... Con las cuales se hacían los bailes en la cuenca de Palomino tanto en Mamarongo, en Salaja, bueno en los diferentes centros ceremoniales. Cuando Preuss las adquirió de una persona que se las robó a los Kogi estaban estas máscaras en la región de Palomino. Sprecher 4 (VO) Das bedeutet zu einem gewissen Zeitpunkt haben sie diese Maske von Teyuna in die Gegend von Palomino und von dort wahrscheinlich nach Seicanji gebracht. Von Seicanji gelangten die Masken später nach Noavaka - dort, im Palomino-Becken, wurden die Masken zu rituellen Tänzen eingesetzt an Orten wie Mamarongo, Salaja und anderen zeremoniellen Zentren. Als Preuss sie von einer Person erwarb, die den Kogis die Masken gestohlen hatte, befanden sie sich in der Gegend von Palomino. Autor Mit den Steinskulpturen von San Agustin war Preuss noch weniger zimperlich. Die Regierung von Bogotá hatte damals ein Ausfuhrverbot für archäologische Güter erlassen. Um dieses zu umgehen, schmuggelte der Ethnol oge die wertvollen präkolumbischen Figuren als "Steinschutt" deklariert am Zoll vorbei auf ein Schiff, das sie nach Berlin brachte. In seiner Zeit als Botschafter in Berlin gelang es Mayr, 2013 den ersten Besuch der Kogi im Museum in Dahlem zu organisieren. Ein zweiter Anlauf ein Jahr später für ein Ritual mit den Masken in Berlin scheiterte jedoch. Die Kogi hatten sich auf die Reise schon durch Befragungen ihrer Vorfahren und Opfergaben in der Sierra Nevada spirituell vorbereitet, als der angesetzte Termin eine Woche vor Abreise vom Museum abgesagt wurde. O Ton15 Juan Mayr Surgió este primer inconveniente que no pudieron salir las máscaras - cuestión que no habían dicho antes y ya se había hablado que era en un sitio donde hubiera agua, donde hubiera bosque donde hubiera tranquilidad y todo el mundo habia sido de acuerdo asi que pusieron este primer problema y el segundo problema que pusieron - y es la primera vez que lo mencionaban - es que las máscaras estaban contaminadas con unos químicos con los cuales se habian fumigado todas las colecciones de madera, las plumas, en fin, del museo antes de la segunda guerra mundial y que ellos no se responsabilizaban si - al tener las máscaras puestas - el mama iba a tener algun problema de salud Sprecher 4 (VO) Zum einen durften die Masken das Museum nicht verlassen, Das zweite Problem war, dass uns erstmalig mitgeteilt wurde, dass die Masken mit Chemikalien verseucht wären, die vor dem Krieg bei vielen Objekten benutzt wurden, um sie bei der Auslagerung zu schützen. Das Museum wollte nicht die Verantwortung dafür übernehmen, wenn sich der Mama durch das Aufsetzen der Maske gesundheitliche Schäden zuzieht. Autor Die Enttäuschung war groß: Geplant war ein dreitägiges Ritual in einer naturnahen Umgebung, im Botanischen Garten in Berlin. Laut Angaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz war esjedoch nicht möglich, die beiden auf je 500 000 Euro Wert geschätzten Masken über das Museum zu versichern. Zur Kontaminierung der Masken teilte mir das Ethnologische Museum schriftlich mit: Sprecher 1 Zitat Brief: "Alle organischen Materialien in den Sammlungen des Ethnologischen Museums sind mit Pestiziden wie Lindan, Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und Pentachlorphenol (PCP) sowie mit Schwermetallen (vor allem Arsen und Quecksilber) belastet. Die oben genannten Masken sind seit fast 100 Jahren im Bestand des Museums. Wa¨hrend des Zweiten Weltkrieges waren sie ausgelagert und sind u¨ber das ehemalige Kunstgutlager Schloss Celle in den 1950er Jahren nach Berlin zuru¨ckgekehrt. Anhand der Kistenlisten der in Schloss Celle gelagerten Objekte ist eine Belastung mit Pentachlorphenol und Mottenpulver fu¨r die beiden Masken eindeutig nachweisbar." Autor Zwar hat das Museum anhand einer Probe das Alter der Masken ermitteln lassen - sie wurden zwischen 1440 und 1470, also noch vor Ankunft der Spanier angefertigt - eine exakte Analyse über den Grad der Kontaminierung wurde jedoch nicht in Auftrag gegeben. Den Mamos blieb keine Wahl, als aus der Ferne in der Sierra, mit den Masken in Verbindung zu treten. Ein Fernsehteam des ZDF durfte die Zeremonie damals filmen. Atmo 10 ZDF-Reportage Tanz Mama Autor Zu Gesängen und Rasseln tanzt Mama Luntana Vacuna, verbindet sich spirituell mit den Masken in Berlin und überbringt der im Versammlungshaus im Kreis sitzenden Gemeinschaft eine Botschaft von ihnen: O Ton 16 Mama Luntana Vacuna Sprecher 2 Wir sind am Leben und möchten unsere Arbeit tun und die Erde ins Gleichgewicht bringen. Nur wir können die Töne des Meeres, der Winde, der Bäume begleiten und sie leiten. Wir können durch die Welt reisen und diese beleben. Atmo 10 stehen lassen Autor Im Anschluss erneuerte Mamo Pedro Juan die Rückgabeforderung der Kogi: O Ton 17 Pedro Juan (Kágaba) Sprecher 3 (VO) Die Masken wurden vor sehr langer Zeit aus Hukumeizi weggenommen, wichtige Masken, wichtige Wesen vom Ursprung der Zeit. Die Masken sind mit der Sonne und der Erde verbunden und sie sind hohe Autoritäten über alle Dinge der Natur: Bäume, Tiere und Früchte, Erdbeben und sogar über das Meer. Sie sollten dort sein, wo sie der Natur helfen können, damit diese in Harmonie mit den Kogi und den Menschen ist. Atmo 11 Trekking Autor Um der Spur der Masken zu folgen, mache ich mich in Kolumbien auf den Weg nach Ciudad Perdida oder Teyuna. Neben Macho Picchu die größten präkolumbischen Stadt Lateinamerikas. Verloren war Ciudad Perdida freilich nie. Auch wenn der Ort um 1700 herum aufgegeben werden musste wegen der von den Europäern eingeschleppten Krankheiten, ist er durchgehend für heilige Rituale genutzt worden. Bis heute werden von den Nachfahren der Tayronakultur hier Zeremonien abgehalten - jedes Jahr im September ist der Ort deswegen für Touristen gesperrt. Nach der "Entdeckung" hat die kolumbianische Regierung den Ort zum nationalen Kulturerbe deklariert - zum Leidwesen der Kogi. Auf Druck der indigenen Völker der Sierra dürfen aber zumindest keine Hubschrauber mehr Touristen auf die 1250 Meter hoch gelegenen Terrassen fliegen. Die einzige Option ist ein extrem beschwerlicher Marsch durch die üppige Vegetation der Sierra Nevada. Atmo 12 Trekking Autor Von Mamey aus, etwa drei Autostunden von Santa Marta entfernt, geht es - zunächst durch eine recht offene Landschaft: Die Siedler haben hier den Urwald abgeholzt, um Marihuana und Coca zu pflanzen. Die Vegetation wird jedoch zunehmend dichter die Vielfalt an Vögeln und Schmetterlingen nimmt zu, je weiter wir uns mit unserem indigenen Führer Celso in die Berge vorarbeiten. Am dritten Tag nähern wir uns dem Ziel: Wir überqueren den wilden Buritaca Fluss mit seinem eiskalten Wasser, das sich über riesige Felsbrocken ergießt und stehen vor einer Natursteintreppe. O-Ton 18 O Ton Celso anspielen Ahorita ya pasamos Rio Buritaca y ahorita vamos a empezar las escaleras para llegar en Ciudad Perdida. Vamos a subir 1200 escalones -entonces que tengan cuidado porque hay rocas pequeñas y grandes - entonces vamos a evitar peligro y esperemos que llegemos bien arriba en la terraza principal. Autor Mehr als 1200 Stufen müssen wir erklimmen, erklärt Begleiter Celso. Atmo 13 Stufen Autor Die Strapaze hat sich gelohnt: Oben angekommen öffnet sich eine magische Welt: sonnenüberfluteten Terrasse im intensiven Grün des Dschungels. O Ton 19 Celso Teyuna. Porque el que construyo este sitio se llamó Tewimaku. El mismo Tewimaku le pone nombre Teyuna. Significa la fuerza y la vida y el alma. Porque es un lugar energético que no fue construido por un humano. En la historia de los mamos nos cuentan que los lugares sagrados, lugares enegéticos fueron construidos por dioses extraterrestres Sprecher 4 (OV) Teyuna! Der Name kommt von Tewimaku. Er hat diesen Ort erschaffen. Das erzählen die Mamos. Er hat diesen Ort Teyuna getauft, was Kraft, Leben und Seele bedeutet. Teyuna besitzt eine besondere Energie und wurde wie alle heiligen Stätten mit besonderer Energie nicht von Menschen, sondern von außerirdischen Göttern geschaffen. Autor Auch ohne den Glauben an Außerirdische fällt es schwer, sich der besonderen Energie dieses Ortes zu entziehen. Umrandet vom Dickicht unterschiedlichster Grünschattierungen liegt der Ort hier in den Bergen der Sierra Nevada auf einer Linie zwischen dem ewigen Schnee und der Karibikküste. Mein Begleiter Celso führt mich über einen engen Pfad zu einer Hütte, Hühner laufen durch einen Gemüsegarten. Es ist das Wohnhaus von Mama Rumaldo, dem Hüter von Teyuna. Jeden Abend befreit er den Ort von der negativen Energie der Touristen, die tagsüber durch die Ruinenstätte laufen. Auch er trägt die typische helle Baumwollkleidung der Kogi, seine langen schwarzen Haare schauen seitlich unter der kegelförmigen Mütze des Mamos hervor. Vor dem Bauch baumelt die Mochila, die Umhängetasche, aus der er eine Handvoll Kokablätter nimmt und sie in die Tasche meines Begleiters Celso steckt: Der erwidert die für die Indigenen der Sierra typische Begrüßungsgeste. Rumaldo grüßt auch mich. Atmo 14 Begrüßung / Gespräch Rumaldo Autor Als ich Mama Rumaldo das Foto der beiden Masken aus dem Museum in Berlin zeige, verändert sich schlagartig sein Gesicht. Ungläubig blickt er auf die Bilder. O Ton 20 Frage anspielen Autor Ob er in Ciudad Perdida Rituale mit solchen Masken durchführe, will ich wissen. O Ton 21 Rumaldo Sprecher 3 (OV) Wir können hier nur mit dem Stock Rituale durchführen. Die Masken, die früher hier waren sind gestohlen worden. Die beiden Sonnenmasken von dem Foto wurden benutzt, um den Göttern eines jeden Elementes Opfer darzubringen. Die Masken stellten eine starke Verbindung in verschiedenste Dimensionen her. Autor Rumaldo weiß nicht mehr, wann die Masken aus Teyuna verschwunden sind. Aber, sagt er, es ist überliefert, dass sie zuletzt in Noavaca und Hukumeizi, den religiösen Zentren weiter oben in den Bergen, wo auch Konrad Theodor Preuss geforscht hatte, für Zeremonien genutzt wurden. Wohin sollten denn die Masken zurückkehren, frage ich. O Ton 22 Rumaldo Sprecher 3 (OV) Noavaca gehört zur Region Magdalena. Da ist der Cabildo Atanacio als politischer Führer der Kogi zuständig und der kann mit den Mamos dort sprechen, da können Sie die Masken direkt hinbringen. Autor Ich erkläre Rumaldo, dass ich leider keine Verfügungsgewalt über die Masken aus dem Museum besitze und deute an, dass mit der Rückkehr ein komplizierter bürokratischer Prozess verbunden ist. Es fällt dem Mamo sichtlich schwer zu verstehen, weshalb die Masken, die in Berlin gefangen gehalten werden, nicht einfach dahin zurückkehren können, wo sie einst gestohlen wurden. Ja warum eigentlich nicht? Sprecher1 Zitat Ritual der Sonnemaske "Sonnen-Nuikukui sagte: Damit Trockenzeit sei, um die Felder zu roden und die Rückstände verbrennen zu können, müssten ihn alle Menschen anreden. Dass man in dieser Weise singen müsste, sagte er, als er noch Mensch war und auf Erden lebte. Dann werde er hören, sagte die Sonne. Nur mit dem Stein Mámakuitsi solle man mit ihm reden, sagte Sonnen-Nuikukui. Das haben die Väter erzählt." O Ton 23 Parzinger Nach allem, was wir wissen, sind die Masken der Kogi nicht unrechtmäßig erworben worden. Sie sind von Konrad Preuss gekauft worden, bei Reisen Anfang des 20. Jahrhunderts in Kolumbien. Nichts desto weniger haben wir natürlich immer gesagt, dass Objekte, die für Communities, für indigene Gemeinschaften von besonderer ritueller oder sonstiger Bedeutung sind, dass wir dann natürlich immer über Rückgabe sprechen können. Das haben wir auch damals schon vor einigen Jahren den Kogi schon versichert. Die zuständige Kuratorin ist da auch in Kontakten gewesen und wir sind jederzeit bereit, dass Gespräch wiederaufzunehmen und nach Lösungen zu suchen. Autor Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Lange haben die Museen sich der Rückgabe von Kulturgütern verweigert. Doch die Zeiten haben sich geändert, die öffentliche Debatte der letzten Jahre um die Aufarbeitung des Kolonialismus hat auch die Berliner Museen erreicht. Die Preuss'sche Sammlung wird nicht mehr gezeigt, sie befindet sich im Depot. Speziell die Masken sollen auf Wunsch der Kogi auch nicht ausgestellt werden, da der Kontakt mit Publikum aus ihrer Sicht negative Energie schafft. Was nun? Manuela Fischer vom Ethnologischen Museum Berlin: O Ton 24 Fischer Mit der Kustodie, die wir einnehmen als Kuratoren der verschiedenen Sammlungen, haben wir eine Verantwortung übernommen für die Sammlungen hier und bisher war erstaunlicherweise nicht zu klären wie eine mögliche Rückgabe sein könnte. Wie sie ja ausgeführt würde. Ich war mehrfach in Kolumbien in den letzten Jahren und es war tatsächlich nicht möglich eine klare Abstimmung zu treffen, wie diese Rückgabe erfolgen soll. Autor Will das südamerikanische Land die von Preuß auf dubiose, zum Teil sogar, wie im Fall der Steinfiguren aus San Agustín kriminelle Art nach Deutschland gebrachten Kulturgüter gar nicht zurückhaben? In Kolumbien besitzt die Sammlung Preuß und ihr Umgang damit offenbar keine Priorität. Seit 2013 haben die Kogi immer wieder mündlich und zuletzt auch per Brief, geschrieben vom politischen Führer der Kogi, Cabildo Gobernador Arregoces Conchacala, die Herausgabe der beiden Sonnenmasken verlangt. Doch dem Anliegen der indigenen Gemeinschaft wurde von der Regierung in Bogotá bislang wenig Interesse entgegengengebracht. Eine offizielle Rückgabeforderung - Voraussetzung dafür, dass das Museum aktiv wird - hat sie nicht gestellt. Fischer mutmaßt über die Gründe: O Ton 25 Fischer Diese Rückforderungen gehen ja ganz offiziell über das Auswärtige Amt. In diesem Fall ist es aber so, dass die kolumbianischen Institutionen nicht informiert worden sind - also weder der kolumbianische Botschafter hier in Deutschland noch das Instituto Colombiano de Antropología e Historia, d.h. das ist eine Initiative, die ganz direkt von dem Cabildo Gobernador an das Auswärtige Amt gegangen ist und dann den Weg zu uns dann genommen hat ins Ethnologische Museum. Autor Meine hartnäckigen Nachfragen beim kolumbianischen Institut für Anthropologie und Geschichte, ICAHN, ergaben jedoch, dass man dort sehr wohl den Fall der Masken kannte - und auch den der Steinfiguren aus San Agustin, die Konrad Theodor Preuss damals illegal außer Landes geschmuggelt hatte. Seit 2012 versucht auch die lokale Bevölkerung von San Agustin, ihr kulturelles Erbe zurückzubekommen. Doch die Regierung tat wenig. Erst als die Initiativen aus San Agustín vor dem Verwaltungsgericht Bogotá 2017 schließlich ein Urteil erwirkten, das den kolumbianischen Staat zur Rückführung der historischen Figuren aus Berlin verpflichtete, kam Bewegung in die Sache. Dennoch dauerte es noch fast vier Jahre, bis Vizepräsidentin und Außenministerin Martha Lucia Ramirez Anfang November letzten Jahres nach einem Staatsbesuch in Berlin schließlich die Initiative ergriff. O Ton 26 Rámirez Nuestro gobierno es conciente del sentir de nustras comunidades que extrañan y reclaman el regreso al pais de piezas patrimoniales ancestrales como estos objetos de la cultura San Agustín que se encuentra en Alemania. De esa forma y siguiendo los correspondientes canales diplomáticos el 23 de noviembre, tres semanas despues de mi visita oficial de trabajo en Alemania nuestra embajada presentó al ministerio de relaciones exteriores de Alemania una nota verbal mediante la cual solicitamos oficialmente los buenos oficios para el comienzo de conversaciones bilaterales y el proceso para el regreso a Colombia de un lote de 133 piezas liticas que han sido identificados por expertos del Instituto Colombiano de Antropología ICAHN como piezas originales perteneciendo a la cultura de San Agustín. Sprecherin 1(OV) Unsere Regierung ist sich der Gefühle unserer indigenen Gemeinschaften bewusst, die die Kulturgüter ihrer Vorfahren vermissen und deren Rückkehr in ihr Land fordern. Am 23. November hat unsere Botschaft deshalb eine Verbalnote an das Auswärtige Amt gesandt. Darin ersuchen wir offiziell um die Aufnahme bilateraler Gespräche über die Rückgabe von 133 steinernen Objekten, die von Experten des kolumbianischen Instituts für Anthropologie (ICANH) als Originalobjekte der San-Agustín-Kultur identifiziert wurden. Autor Zum ersten Mal überhaupt stellt Kolumbien ein formales Rückgabeersuchen - für die Grabfiguren aus San Agustín. "Im Geist der Kooperation" sollen jetzt Gespräche geführt werden, erklärte mir Martha Lucia Rámirez. Aber warum wurde nicht auch die Rückgabe der Masken der Kogi gefordert? Atmo 15 Jaba Taniwashkaka O Ton 27 Arregoces Conchacala Venga con comisión con todos los papeles que toca hacerle y vaya la gente el mismo de Huhumeizi. O sea al que vaya recibir tiene que irse el mismo sulinaje. Esata persona tiene que irse. El dueño, mejor dicho, el dueño y el propietario. Sprecher 2 (OV) Wir könnten eine Delegation schicken mit den nötigen Papieren. Die Leute aus Hukumeizi sollten gehen, es muss einer aus der Familie von dort sein, der Meister und Besitzer der Masken. Autor Zurück in Jaba Taniwashkaka. Vor einer Hütte im Dorf bin ich zum Interview verabredet mit Arregoces Conchacala. Er ist der aktuelle Cabildo Gobernador, der oberste politische Führer der Kogi. Arregoces Conchacala gehört nicht zur Kaste der hohen Priester. Der eher kräftiger Mann in seinen Fünfzigern, der einzige Kogi mit Strohhut an diesem Tag, tritt mir zunächst reserviert gegenüber. Er trägt die typische weiße Baumwollkleidung, anders als die meisten barfuß laufenden Kogi jedoch Gummistiefel und strahlt Autorität aus. Was er entscheidet, muss respektiert werden. Aus Sicht der Kogi, sagt er, wäre eine Rückgabe der Masken denkbar einfach. Sie könnten so lautlos zurückkehren wie die Masken die Sierra Nevada verlassen haben: Eingepackt in den Mochilas einer Delegation, die nach Berlin käme. O-Ton 28 Conchacala Pues para subirlo - lo subimos a tierra o en el aire. Ahi si hasta podría yo invitar al presidente aleman que el mismo suba a Hukumeizi a llevarlos. Sería una historia volverlo, traerlo a sus sitios y todo la cuanta milliones no agradeceria el gobierno de Alemania, si se va dar eso. Me parece importante la voluntad del gobierno de Alemania. Si el gobierno quiere hacer a traves todo el procedimiento legales ...pues la verdad ... yo no compartiría pues dejemos las cosas! Sprecher 2 (OV) Die Masken könnten wir später dann auf dem Landweg oder mit dem Hubschrauber in die Sierra bringen. Ich würde aber sogar den deutschen Präsidenten nach Hukumeizi einladen, um die Masken zu übergeben. Das wäre ein historischer Schritt, die Masken wieder an ihren Ursprungsort zurückzubringen. Deutschland wäre millionenfacher Dank sicher! Entscheidend ist die Haltung der deutschen Regierung. Wenn die auf Einhaltung aller bürokratischen und gesetzlichen Bestimmungen besteht, dann würde ich die Sache auf sich beruhen lassen. Wenn alles verbürokratisiert wird, zu viele rechtliche Fragen geklärt werden müssen, dann bleiben die Masken wohl besser da, wo sie sind. Autor Aus den Worten des Cabildo spricht tiefes Misstrauen gegen die Behörden - die deutschen und die kolumbianischen. Das liegt zum einen daran, dass die Kogi über die Jahrhunderte von den kolumbianischen Institutionen und der Regierung immer wieder getäuscht wurden und befürchten, die Masken landen in einem Museum statt dort, wo sie gebraucht werden, in den spirituellen Zentren der Kogi. Zum anderen haben die Indigenen durch die Verfassung von 1991 das Recht bekommen, sich selbst zu regieren, wie mir Juan Mayr später erläutert. O Ton 29 Mayr Ellos evidentemente se consideran gobierno en su propio territorio. Como las máscaras salieron de su territorio son ellos los que las piden. Para el mundo Kogi la tradición oral y la palabra son suficientes, no necesitan documentos. Por eso cuando ellos estuvieron en Alemania y posteriormente en algunas conversaciones se sostuvieron con el ministro de relaciones exteriores en este momento y posteriormente presidente de Alemania por parte de ellos - ellos formalmente a través de la palabra pidieron la devolución de sus máscaras explicando las razones y la importancia que tienen para su cultura. Sprecher 4 (OV) Die Kogi regieren auf ihrem Gebiet, und da die Masken aus ihrem Gebiet verschwanden, beanspruchen sie das Recht, selbst die Rückgabe zu verlangen. Die Kogi pflegen zudem eine orale Kultur, es gilt das Wort, sie brauchen keine schriftlichen Dokumente. Für sie war es deshalb ausreichend bei ihrem Besuch in Deutschland und später bei dem Besuch des damaligen Außenministers und heutigen Präsidenten Steinmeier ihr Anliegen mündlich vorzutragen: Die Rückgabe der Masken, die für ihre Kultur enorm wichtig sind. Autor Die kolumbianischen Behörden haben wohl noch einen anderen Grund, um sich mit Rückgabeforderungen an europäische Museen zurückzuhalten. Denn auch die Museen im eigenen Land sind voll mit kolonialem Raubgut. Objekte, die den indigenen Gemeinschaften mit Gewalt entwendet wurden. Allein das berühmte Goldmuseum in Bogotá beherbergt eine große Vielzahl an Objekten aus der Tayronakultur. Koloniales Denken ist hier genauso verbreitet wie in Europa. Und die Debatte, wem das kulturelle Erbe gehört, hat hier längst noch nicht begonnen. Das Thema Rückgabeforderungen der indigenen Völker ist also innenpolitisch durchaus heikel. Arregoces Concha cala, dem Führer der Kogi, ist das durchaus bewusst. Es geht am Ende um das gesamte Erbe der Tayronakultur, hatte er mir ins Mikrofon gesagt. O-Ton 30 Conchacala (stehen lassen) La herencia Tayrona - es el heredero de Tayrona - todo lo que se ha desaparecido en Colombia o en otro mundo - por favor la devolución! Sprecher 2 Als Vertreter der Erben der Tayrona fordere ich die Rückgabe aller entwendeten Objekte, überall auf der Welt, auch derjenigen, die in Kolumbien sind. Bitte gebt sie zurück! Autor Allerdings sind sich auch die Kogi untereinander nicht einig. Arregoces Conchacala vertritt als Cabildo Gobernador nur einen Teil der Kogi. Für die Gemeinschaften in der Region Magdalena hat die kolumbianische Regierung auf Druck einiger Kogi-Gruppen einen eigenen Cabildo Gobernador anerkannt. Angeblich hat es Streit um die Verteilung staatlicher Fördermittel gegeben. Am Ende könnten beide Gruppen die Masken für sich beanspruchen. Um dann: Noch einmal eine Wendung. Kurz vor Schluss meiner Recherchen erreicht mich schließlich die Nachricht, dass die Regierung in Bogotá nun doch auch die Herausgabe der Kogi-Masken gefordert hat - in einer offiziellen Verbalnote an das Auswärtige Amt. Neun Jahre nach dem ersten Besuch der Kogi in Dahlem. Können die Masken also endlich bald zurückkehren aus der Gefangenschaft? Atmo 2 Wellen, Meeresrauschen. Autor Mit dem Kauf von Jaba Taniwashkaka haben die Kogi verhindert, dass ein für sie heiliger Ort durch wirtschaftliche Interessen entweiht wird. An anderen heiligen Stätten jedoch entstanden Kohleverladehäfen - gegen ihren Willen. Mit dem ‚Cerrejón' befindet sich eine der weltweit größten Steinkohletagebaustätten auf einst indigenem Gebiet. Was bedeutet das für die Kogi frage ich den Cabildo Gobernador Arregoces Conchacala. O Ton 31 Conchacala Destroyendo corazon! Destruyendo corazon dia a dia. Es asi! Sprecher 2 Das Herz der Welt wird zerstört - jeden Tag ein wenig mehr. Frage Birke auf spanisch: El carbon para los Kogi que significa? El carbon que daño hace? / Destruyendo corazón! Destruyendo corazón dia a dia. Es asi! / Y si yo construyo represas que significa? / Pues tapo una vena del corazon. Tapon al corazon. Tapon al corazon. Autor Und wenn Talsperren gebaut werden, frage ich. O-Ton 31 (wieder hoch) Sprecher 2 Dann verschließe ich eine der Herzvenen, dann blockiere ich das Herz. Autor Talsperren, Bergbau, Kokaanbau zur Kokainproduktion, schmelzende Gletscher, schwindende Artenvielfalt und jetzt die Pandemie - weltweit. Wer wollte da noch bezweifeln, dass die Masken in ihrer ursprünglichen Funktion dringend gebraucht werden? Wer sind am Ende die Bestohlenen? Die Kogi oder wir? Im Ritual der Sonnenmaske Tayku, das die Mamos Karl Theodor Preuss im Jahr 1915 beschrieben, heißt es: Sprecher 1 Zitat Ritual Sonnenmaske (4) "Und so kommt es, dass die Priester, die neun oder zwei Mal neun Jahre als Novizen gelernt haben, seine Maske aufsetzen, Gespräche pflegen und alle Himmelsrichtungen anreden. Sie sollen in jeder Hinsicht Sorge tragen, dass die Welt nicht einstürze und dass die jüngeren Brüder, die Fremden, nicht zugrunde gehen." Atmo Ritual oder Musik Darüber: Absage Gefangene Geister. Tauziehen um die Masken der indigenen Kogi Ein Feature von Burkhard Birke Es sprachen: Claus Dieter Clausnitzer, Jochen Langner, Thomas Balou Martin, Matthias Ponnier, Heike Trinker und der Autor Ton und Technik: Gunther Rose und Thomas Widdig Regie: Claudia Kattanek Redaktion: Christiane Habermalz Eine Produktion des Deutschlandfunks 2022. 1