Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Also muss ich überleben! - Savita Wagners ukrainisches Fronttagebuch Autor: Manfred Bonson Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2025 Erstsendung: 21.01.2025, 19.15 Uhr Es sprachen: Picco von Groote, Nikolaus Benda, Judith Jakob, Jochen Langner und Claudia Mischke Ton und Technik: Thomas Widdig, Caroline Thon und Elisabeth Klingenberg Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - SAVITA Sprecherin 1: So sehr ich fühle, dass dieser Krieg ein Alptraum ist, und manchmal wünsche, dass ich aus ihm aufwachen könnte... Ich finde mich an der Schulter meines Mannes in der Nacht und denke an einen mathematischen Beweis, an dem ich arbeite, in Deutschland, in meinem 'alten Leben', als ich keine Ahnung hatte, was Streumunition ist, oder 'Pfeilmunition' - oder wie brennende Körper riechen oder wie schnell jede kleine Wunde sich entzündet, wenn du in einem Schützengraben lebst, - und meine größten Probleme waren, meine Arbeiten rechtzeitig vor der 'Deadline' an der Uni einzureichen und die Katze satt und glücklich zu machen. Als das Leben noch normal war und friedlich und angenehm und sicher. Ansage: "Also muss ich überleben!" - Das ukrainische Fronttagebuch der Diana Savita Wagner. Ein Feature von Manfred Bonson. SAVITA Sprecherin 1: 22.Juli 2023, 1:03 Uhr: "Unser Himmel ist tödlich. Dinge, die uns zerstören sollen, fallen plötzlich vom Himmel. Der Himmel ist voller Rauch, Phosphor, Leuchtsignale, übersät mit feindlichen Drohnen, die Artillerie auf unsere Stellungen lenken oder Sprengstoff auf uns fallen lassen. Und Hubschraubern, die auf uns schießen, und Flugzeugen, die Bomben oder Gefechtsköpfe auf uns werfen. Unser Himmel blitzt in der Nacht, und grollt, und nicht von Gewittern. Es ist furchterregend, und es will mich töten." O TON KARL: "We met at 11:30 pm. We just decided to go to the cathedral. It was night time and we were watching the bats flying around.at the top of the cathedral. And then we found a bar that was still open. Yes and that was basically how we met the first time. But unfortunately I was going back, we were on the way back. So I had to catch a plane the next morning. We only had that one night and then off I went back to Canada." OV-Sprecher 1 Am Kölner Dom hatten wir uns zum ersten Mal verabredet. Kurz vor Mitternacht kam sie. Schwarz gekleidet, mit Zöpfen bis zur Hüfte. Es war ihr 30. Geburtstag. Wir beobachteten die Fledermäuse am Dom, und fanden schließlich noch eine späte Bar. Am nächsten Tag flog ich nach Kanada, nach Hause. SAVITA Sprecherin 1: Es hatte geklickt in Köln. Karl hatte seine Farm in Kanada, auf der er lebte, vermietet - und kam zu mir. Als Software-Engineer konnte er in Deutschland online arbeiten. Ein Jahr später heirateten wir in Vancouver, verbrachten schöne Wochen, Flitterwochen in Kanada und danach lebten wir in Deutschland mehrere Jahre glücklich bis... bis der 24. Februar 2022 kam. Die Nachricht von der russischen Großinvasion in die Ukraine. Erzähler: Diana Savita Wagner wurde 1987 in Bonn geboren. Sie studierte Mathematik in Halle, wo sie mit ihrem Mann bis zum russischen Überfall auf die Ukraine lebte. Zuvor hatte sie zwei Jahre Medizin studiert. SAVITA Sprecherin 1: 28. Februar 2022, 6:14 Uhr: "Es ist jetzt eine Woche her, dass Russland die große Invasion startete, und die Reaktion ist enttäuschend. Karl sagt, der Westen wird wieder feige reagieren, so wie sie es mit Polen 1939 taten. O-TON 2 SCHOLZ: "Jetzt müssen wir hoffen, dass unsere klare Haltung, dass unsere Sanktionen, die wir wirtschaftlich sehr sorgfältig über viele Wochen, viele Monate vorbereitet haben, Eindruck machen, und dass damit ein wenig ein Feld eröffnet wird für diplomatische Bemühungen. Immerhin gibt es jetzt Gespräche zwischen der Ukraine und Russland, auch wenn sie noch keine Fortschritte mit sich gebracht haben, sind sie erstmal da..." (Scholz: Pressekonferenz 7.März 2022) SAVITA Sprecherin 1: 9. März 2022, 19:30 Uhr: "Das ist verrückt. Jeder sitzt auf seinem Arsch, während ein echter Weltimperialist durch Europa tobt - wieder. Ich kann hier nicht mehr sitzen und gucken. Es macht mich krank. Wir haben darüber gesprochen, und Karl ist damit einverstanden, dass ich dorthin gehe und helfe (aber besorgt ist er schon). Wir suchen ein Fahrzeug, einen Geländewagen, denn die Straßen sollen dort schlecht sein... O -TON KARL "For her principles were the most important thing. You have to defend them, you have to defend your freedoms. She said: I can't make them do anything. So I will do something myself, what I can do. - And, of course, I was worried about that because it means like you are going to a war and so. And she said: yes, but I'll just be there as a volunteer, (you know), I'll be helping to move goods, to move people to hospitals or something. I'll just be there as a humanitarian - Yeaaah, and she said, this is really important to me. And when she says, this is very important to me, you believe her, because that -, she doesn't say that lightly. So I knew that, okay this, I have to let her go there, yeah." OV-Sprecher 1 Für sie waren Prinzipen das Wichtigste: Man muss sie verteidigen, man muss seine Freiheiten verteidigen. Sie sagte, ich kann sie nicht dazu bewegen, etwas zu tun, also muss ich selbst etwas tun, etwas, was in meiner Macht steht. - Und natürlich machte ich mir deshalb Sorgen, weil es bedeutet, man geht quasi in den Krieg und so. Und sie sagte: Ja, aber ich mach dort nur Freiwilligenarbeit, ich transportiere Hilfsgüter und fahre Menschen zu Krankenhäusern und ähnliches. Ich leiste nur humanitäre Hilfe. Und sie sagte: Das ist mir wirklich wichtig. Und wenn sie sagt, dass ihr etwas wichtig ist, dann glaube ich ihr, sie sagt das nicht leichthin. Da wusste ich: Okay, ich muss sie gehen lassen." O-TON Meine Tochter Savita hasste jegliche Ungerechtigkeit, Unterdrückung, das war überhaupt nicht ihr Ding, aber Ungerechtigkeit konnte sie nicht ertragen... wenn sie etwas für falsch hielt ... Insofern kann ich ihren Entschluss verstehen, den sie damals getroffen hat. SAVITA Sprecherin 1: "Ich habe einen Blog auf tumblr. In ihm schreibe ich euch jetzt, was ich in der Ukraine erlebe. Ich habe zwei Tage Fahrt vor mir. Ich bin in Kontakt mit einigen NGOs, sie brauchen vor allem Fahrer, um Hilfsgüter rein und Flüchtlinge rauszukriegen. Damit werde ich erst mal anfangen. 28. März 2022 - 22:15 Uhr: "Ich bin nun aus Deutschland über Polen in die Ukraine gefahren. Gerade in Kyiv angekommen. Die Russen zielen speziell auf Rettungswagen. Sie bombardieren Krankenhäuser und Flüchtlingsunterkünfte. Vor wenigen Tagen schossen sie auf zwei Teenager, 16 und 17 Jahre alt, die in einem Fahrzeug mit an jeder Seite zwei weißen Fahnen fuhren. Sie überlebten schwer verwundet. Ich habe heute mit jemandem mit viel Kampferfahrung gesprochen. Er sagte: "Ich war im Irak und in Bosnien und an anderen Orten, aber ich habe niemals einen Krieg wie diesen gesehen. Flugzeuge fallen vom Himmel, Kindern wird in den Rücken geschossen, während sie wegrennen, Exekutionen auf der Stelle, Rettungswagen werden absichtlich 'pulverisiert'". Ich kann jetzt schon auf Ukrainisch sagen: Ich bin eine Freiwillige Helferin aus Deutschland und habe keine Waffen in meinem Wagen. Und: "Putin ist eine Arschgeige". Wichtig für Checkpoints! O TON KARL well, she went. That was, that was hard.... I mean we stayed in contact over the messaging app. But that was not the same thing. I mean we have never been apart. As I said, we were never apart, except for a couple of time where I had a business trip. And, mm, suddenly she was gone. .. Yeah that's hard. And yeah, I mean .. "I agreed, yes, didn't mean I had liked it. Yeah,..., anyway it was the first time I realized just what and how she meant to me. ... And so yeah I started to worry of course,ehm, a lot.... What if, what if, what if those Russian missile lands and kills her, and what do you then and" OV-Sprecher 1: Als sie ging, war das sehr hart. Wir blieben in Kontakt über eine Messaging App. Aber das war nicht dasselbe. Wir waren bis dahin niemals getrennt, außer wenn ich mal auf Geschäftsreise war. Und, ja, plötzlich war sie weg. Es war das erste Mal, dass ich erkannte, wieviel sie mir wirklich bedeutete und warum. Und ich begann mir natürlich Sorgen zu machen. Was, wenn diese russischen Raketen kommen und sie töten, und was machst du dann? SAVITA Sprecherin 1: 3.April 2022 - 20.06 Uhr: "Ich transportiere nicht nur Hilfsgüter, sondern ich fahre auch ausländische Journalisten in die nun gerade befreiten Orte rund um Kyiv. Mit einem neuseeländischen Journalisten war ich in Butscha. Trümmer, Reste, Unrat von allem möglichen... Ich pass auf meine Schritte auf ... Nicht explodierter Sprengstoff liegt überall ... Die Kirche mit den Einschusslöchern. Man fand ein Massengrab daneben. Sie erschossen Zivilisten, auf die sie zufällig trafen, Männer, Frauen, Kinder. Wir fanden ganze Straßen mit toten Körpern, Hände hinter dem Rücken zusammengebunden, sie lagen vor den Türen ihrer eigenen Häuser ... Massenhinrichtungen. Die Hinterhöfe der Leute wurden vermint. Sie vergewaltigen die Mädchen, während die Eltern zu Tode verbluten direkt neben ihnen, sie plündern die Häuser und zünden sie an, verminen die Felder und Wälder und alles andere mit Sprengfallen... O-TON Tagesschau "Die möglichen Kriegsverbrechen in der Stadt Butscha in der Nähe von Kiew haben weltweit Entsetzen ausgelöst. Gestern hatte die Ukraine gemeldet nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region, die Leichen von mehr als 400 Zivilisten geborgen zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft sprach von einer Hölle, die dokumentiert werden müssen." Tagesschau 04.02.2022 https://www.youtube.com/watch?v=DMtMr5iy8es SAVITA Sprecherin 1: 23. Dezember 2023, 14:29 Uhr: "Es ist nun eineinhalb Jahre her, dass ich diese Bilder in Butscha sah. Ich war eine der ersten, die das sahen. Und es ist dies, was mich dazu brachte, Wochen später in die ukrainische Armee einzutreten - obwohl das ursprünglich nicht der Plan war, als ich in die Ukraine kam. Hätte man mich gefragt, ich hätte gesagt: niemals! Aber diese Erlebnisse wühlten mich ungeheuer auf, und führten mich zu dem Entschluss, selbst an die Front zu gehen. O TON KARL: "And I knew it was important. ... so ... meaning in the end I said 'okay', and I ...... oh I ask myself If that was the right decision ... but that's, (yeah), that's how it went.... ... And so she, she went to sign up to become part of the military, and to work as a medic, as a combat medic." OV-Sprecher 1: Ich wusste, es war ihr wichtig. Also am Ende habe ich okay gesagt, aber ich fragte mich, ob das die richtige Entscheidung war. Aber, ja, so lief das, und so ging sie, unterschrieb und schloss sich dem Militär an, als Kampfsanitäterin. SAVITA Sprecherin 1: Donetzk-Front, 26. Juni 2023, 23:27 Uhr: "Unser Erdbunker ist 2 mal 2 Meter, die Hälfte davon Stockbetten. Wir leben hier drin mit vier Leuten. Du kannst nicht mal einen einzigen Schritt machen, selbst wenn du allein bist. - Über uns ist ein Tarnnetz gespannt, anderthalb mal einen halben Meter, und das Tarnnetz hängt nur anderthalb Meter an der höchsten Stelle hoch. Also kann man zwei kleine Schritte gehen - mit gebeugtem Rücken oder kriechend. Nie aufrecht zu stehen, nie einfach normal zu gehen, das empfinde ich wie eine Folter. AUDIO CLIP SAVITA mit military-radio-Stimmen O-TON SAVITA: "I'm on the foremost position and there is no Starlink. I'm on the neighbor position this moment, and this has Starlink, but the connection's gone shortly when I have to go back to Position, and then I will be offline for another one and a half day at least. I will get back to you as soon as I'll back at base. Sprecherin 1: Ich bin in der vordersten Stellung, da gibt es keine Starlink-Verbindung...jetzt gerade bin ich in der Nachbarstellung, da gibt es Starlink, aber die Verbindung wird gleich wieder abbrechen, wenn ich zurück auf meiner Position bin. Wenn ich zurück in der Basis bin, bin ich wieder bei dir! " SAVITA Sprecherin 1: "Wenn es regnet, ist überall Matsch. Es gibt Schimmel hier unten und es ist immer kalt und nass. All dein Zeug, deine Kleidung, dein Schlafsack, alles ist die ganze Zeit feucht. Und wenn es eine Weile nicht regnet, ist überall Staub. Es gibt Insekten und Spinnen und Schnecken, in deinem Bett, in deinem Essen, unter deiner Kleidung. Es gibt so viele Mosquitos, dass man von meiner Position mit Dutzenden, wenn man Moskitospray hat, oder, wenn nicht, wirklich Hunderten Moskitostichen zurückkommt. Letzte Woche gab es Angriffe auf die vorderste Position - wirklich jede einzelne Nacht. Richtige Bodenangriffe, russische Infanterie versuchte unsere Stellungen einzunehmen. Es gibt keine Pause, es gibt keine Ruhe mehr, es ist so aufreibend. Letzte Nacht, nach fast einer Woche mit all dem, fühlte ich mich so miserabel, so kaputt, körperlich und seelisch, dass es um mich, in mir wirklich dunkel wurde. Ich saß da und dachte eine Weile darüber nach, welches der Felder hier um uns das Beste wäre, um dahinzugehen, wo die höchste Chance ist, auf eine Mine zu treten - Ich würde in Wirklichkeit nicht so blöde sein, diesem Gedanken zu folgen, aber dass mir so etwas überhaupt in den Sinn kommt, zeigt, wie fertig ich war. Dies hier ist die Hölle - außer gefangen genommen zu werden, die eine Ausnahme, die mich wirklich bis aufs Blut ängstigt, fürchte ich nichts mehr. Nichts. Weil ich jetzt keine Angst habe und es nicht schlimmer werden kann als es schon ist. Sprecherin 2: "Wiegenlied für einen Soldaten" - Eines Tages wird es keine Minen geben. Du hältst den Gedanken in deinem Inneren fest eine Ikone verwahrt hinter geschlossenen Augen. In der Abendstille kannst du es sehen. Die Felder sind gelb, reifend, der Himmel ist blau und leer, das Meer ist endlos, die Brücke unter dem Wasser wie die Kette eines Gefangenen, zertrümmert. SAVITA Sprecherin 1: 27. Juni 2023, 6:21: "Schließlich kam ich 'zurück nach Hause', in das Dorf, das uns als Basis dient, nach dieser 'Woche der Hölle'. Und der alte Mann, bei dem ich wohne, rief mich mit dem Namen wie immer, wenn ich von der Front kam, in der Verkleinerungsform: - 'Dianotschka' und fünfmal hintereinander, "Dianotschka", "Dianotschka", "Dianotschka", mit einer Stimme der Erleichterung. Er schaut mich an und muss bemerkt haben, dass ich absolut scheiße aussehe, noch schlimmer als normalerweise - Ich steh hier stumm in seiner Küche, einen Moment Atem holend, völlig durchnässt vom Regen, meinen gepanzerten Körperschutz und die ganze Ausrüstung, plus Patronengurt noch an, Rucksack mit Schlafsack und allem auf dem Rücken, MG in der einen Hand, Medizintasche in der anderen mit frischen Blutflecken darauf - weil er mich ein bisschen mit besorgtem Gesicht anstarrt. Und dann sagt er: "Djákujo" - "Danke". Wir, die Soldaten, die jetzt im Dorf wohnen, sind wortwörtlich die einzigen, die zwischen der russischen Armee und seiner Familie stehen. Ich erwarte keine Dankbarkeit von jemandem hier, aber dieses einfache "Djakujo" half in diesem Moment, mich seelisch wieder vom Boden aufzurichten und mich daran zu erinnern, warum ich dies mache. "Djakujo", old man. Und auch, ich fand Simka, des alten Mannes winzige Katze, die gerade Junge hatte, sie schlief und schnurrte im Schlaf in meinem Bett." VIDEO Savita an Mutter O-TON SAVITA: "Hallo Mama. Ich dachte, du freust dich über ein Video. Ja, ich bin hier gerade an der Arbeit am Medpunkt. Das ist so 'ne Art, ja wie so, so 'ne Art Arztpraxis oder so, für die ukrainische Armee. Ich zeig dir das mal. Hier haben wir ganz viele Medikamente, wie so 'ne Apotheke. Und die Infusion hängt hier an diesen Kleiderbügeln. Und hier sind ganz viele süße gemalte Bilder von ukrainischen Kindern, die die an die Armee schicken. - Es ist richtig schönes Wetter hier. Kannst du die Vögel zwitschern hören. Ich geh gleich mal, ich geh gleich mal raus, dann kannst du es noch besser sehen. Ach nee,... Wart mal kurz. (Vogelzwitschern) Ja hier. Kann gar nicht sehen, was ich hier flme, weil es so hell ist. Aber, die Sonne blendet mich. Aber ja kannst du hören, nicht. Schönes Vögelzwitschern, Sonne. Endlich, nachdem wir so viel Regen und Matsch hatten, ist jetzt Sommer angesagt. So.." O TON ULA: Sie wollte mich schützen. Sie wollte nicht, dass ich mir Sorgen mache und in der Tat, ich hätte ja keine Nacht kein Auge zugetan. Wenn ich gewusst hätte, was sie dort tat, wäre ich ja nie mehr in den Schlaf gekommen, weil ich immer nur Angst gehabt hätte. Und das wollte sie offensichtlich nicht. ... SAVITA Sprecherin 1: 13. August.2023, 15:49 Uhr: "Mein verwundeter Kamerad war tot. Es war irgendwie friedlich, trotzdem. Der Nachthimmel war so schön und der Junge lag neben mir tot, und ich fragte mich, was ist eine Sternschnuppe und was ist eine schwebende Drohne, oder was ist ein Satellit oder eine fliegende Drohne, oder was ist eine Sternschnuppe oder eine Rakete. Die niedrig fliegenden sind natürlich leicht zu erkennen, Sternschnuppen fliegen nicht direkt über deinem Kopf und schlagen neben deinem Fahrzeug ein, aber ich konzentrierte mich auf die hoch oben am Himmel. Es ist wirklich kaum zu unterscheiden, was eine Sternschnuppe ist und was eine Rakete. Dann sagte ich mir, Raketen sind eine Art Sternschnuppen, denn das gab mir hundert Wünsche." SAVITA Sprecherin 1: 25. September 2022, 8:31 Uhr: "Ich erlebe es, manchmal schreien sie nach ihrer Mutter, wenn sie zerfetzt, aber immer noch lebend auf dem Schlachtfeld am Boden liegen. Ich dachte irgendwie, dass es nur so ein Hollywood-Weltkriegs-eins oder -zwei - Filmquatsch, man kennt es, dramatisiert, aber nein, es ist wahr. Die Ukraine ist so eine massive Shitshow, jenseits von allem, auf das du dich möglicherweise seelisch, geistig vorbereiten kannst, ich habe das Gefühl, ich bin auf einem anderen Planeten." Sprecherin 2 Eines Tages wird es keine Minen geben. "Die Häuser sind repariert und bewohnt die Verbindung der Steine - zwischen alt und neu - die alten, lange-geheilten Wunden. Die Motoren von Traktoren brummen, in der Straße singt ein Musikant ein Lied von der 'Tschervona Kalina', vom roten "Schneeball", der Blume der Ukraine. Keine Männer müssen mehr begraben werden, keine Appelle müssen mehr ertönen. Nicht mehr. Du kannst ruhen." SAVITA Sprecherin 1: 2.6.2023, 13:49 Uhr: "Einer meiner Jungs wurde heute Morgen von einem Granatsplitter schwer getroffen. Ich war gerade aufgestanden, und musste sofort raus. Wir fuhren mit einem Schützenpanzer los. Es war, als wenn man jemanden auf einem Rodeo-Ritt verarzten muss, ohne Übertreibung... Ich stellte fest, man kann die wichtigsten Dinge auf dem Schützenpanzer machen. Solange du die Piste sehen und ein bisschen voraussagen kannst, wie das Fahrzeug sich bewegen wird, sodass du wechseln kannst zwischen der Arbeit mit deinen Händen und dem sich Festhalten an irgendetwas, solange du deinen Fuß irgendwo reinklemmen oder dein Knie gegen irgendwas pressen kannst, oder was immer einige Stabilität bietet, und du die Muskeln hast, dich stabil genug zu halten, um nicht auszugleiten oder umzufallen, und den Verwundeten dann dabei zu behandeln. Dann kannst entweder eine Infusion machen, wenn du ein bisschen Glück hast und der Junge keine schrecklichen Adern hat. Das ist der Punkt, wo du wirklich Superkräfte brauchst, Superstärke, und Superreflexe, um dies alles auf einmal zu managen. Es ging dann alles gut, so gut es möglich war, und ich hoffe, sie können ihn retten. AUDIO-CLIP SAVITA O TON SAVITA: "Ukraine is really beautiful, and Ukrainian culture and people are really very nice and very pleasant to live around. Once we have more time to spend together in Ukraine and I'm sure you'll notice that." SAVITA Sprecherin 1: Die Landschaft ringsum ist so schön. Ich kann es euch leider nicht richtig zeigen, weil ich nichts veröffentlichen kann, was den Standort anzeigt. Ich muss darauf achten, was im Hintergrund meiner Bilder ist, aber ... es ist eine schöne Umgebung. Erzähler: Janina Nikitina, Mail vom 15. September 2024. JANINA Sprecherin 3: "Ich war ihre Sprachlehrerin. Als wir den Sprachkurs online anfingen, vermutete ich wegen ihrer Khaki-farbigen Kleidung, und weil sie rauchte, dass sie Soldatin war. Am 6.Dezember, dem Tag der ukrainischen Armee, gratulierte ich ihr. Und da schrieb sie mir mehr über sich, über die Geschichte ihrer Familie und warum sie in der Ukraine war. Wir trafen uns wochenlang täglich online und sie lernte Ukrainisch. Eines Tages verschwand sie. Sie antwortete nicht auf Messages. Später sagte sie mir, dass sie Nachricht von der Front über den Tod eines oder mehrerer ihrer Kameraden bekommen hatte, und einfach nicht weitermachen könnte. Sie war an der Front, sie rotierte: immer ein paar Tage direkt an der Frontlinie, ein paar Tage in einem Haus in einem Dorf etwas weiter dahinter. Ich hoffte, sie würde weiter lernen, aber die Bedingungen an der Front erlaubten es nicht. SAVITA Sprecherin 1: 30. Juli 2023, 19:25: "In der Nacht, wachte ich auf und flüsterte: ja, wir lebten. Wir lebten, ja, sag nicht, es war ein Traum" - Ilja Kaminsky, Tanzen in Odessa. So sehr ich das Gefühl habe, dass dieser Krieg ein Alptraum ist, und ich manchmal wünsche, dass ich daraus aufwachen könnte ... Gleichzeitig bereue ich meine Entscheidung nicht, dieses Leben aufzugeben für die Ukraine, für die Realität hier. Der einzige Trost in all diesem ist, dass es alles wirklich ist. Nicht nur die Schrecken, sondern auch das Kostbare, das es hervorbringt. Wenn Tod überall ist, fühlst du dein Leben umso stärker. Wenn du von Feinden umgeben bist, wird die Verpflichtung für die eigenen umso stärker. Und Helden entstehen an Orten des Leidens und Opferns. Wenn ich den Krieg ungeschehen machen könnte, indem ich alle aufwecken könnte, würde ich es tun. Aber weil er wirklich ist, müssen wir ihn alle fühlen und das Gute wertschätzen." JANINA Sprecherin 3 Wir trafen uns im Februar 2023 in Lviv. Wir tranken Kaffee. Sie war so zart, nicht groß, sehr schön, in Militäruniform, und ihre Augen hatten dieselbe Farbe wie ihre Uniform. Sie holte sich in unserer Stadt den ukrainischen Militärpass ab, und erzählte mir über die quälenden Moskitos und den schrecklichen Schlamm an der Front. Sie sagte, das wäre das Schlimmste dort - abgesehen von den Russen. Ich war sehr berührt, wie sie sich um mich und meinen kleinen Sohn kümmerte, er war anderthalb Jahre damals. Und sie sagte, dass wir vielleicht besser nach Deutschland gehen sollten. Sie fragte mich immer, ob es mir gut ginge nach den Bombardements in Lviv. Nach unserem Meeting ging sie zu einer Freiwilligen-Küche, und half, Gemüse zuzubereiten für Trockensuppen fürs Militär. SAVITA Sprecherin 1: 28. August 2023, 23:47 Uhr: "Morgengedanken. - Ich verstehe nicht, wie Karl diesen Zustand, diese ständige Sorge und Angst um mein Leben ertragen kann. Wie kann er so stark sein? Ich denke manchmal, er hat es schlimmer als ich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ich damit fertig werden würde, wenn unsere Rollen vertauscht wären, mein Herz ist zu schwach für diese Art von Belastung. Mein Mann ist ein Wunder, und ich bin so dankbar." O TON KARL "You don't get accustomed to it, no. It's just this constant knot in your stomach, it doesn't go away. And I wouldn't wish to anybody to have that, that's just, that's awful. And it doesn't get better. No. You are living with this certainty that eventually this phone call is going to come. ... And so your every day is spent waiting for this phone call and hoping that it doesn't happen. And that's just every day. OV-Sprecher 1: Du gewöhnst dich nicht daran, nein. Es ist einfach dieser ständige Knoten im Magen, er geht nicht weg. Und es wird nicht besser, nein. Du lebst mit dieser Gewissheit, dass schließlich dieser Anruf kommen wird... Und so verbringst du jeden Tag damit, auf diesen Anruf zu warten und zu hoffen, dass es nicht passiert. Und das einfach jeden Tag. SAVITA Sprecherin 1: 18.1.2024, 10:25 Uhr: "Hier ist etwas wirklich Privates für euch. Oder wie ich es jedenfalls empfinde... Ich höre es gerade: meinen 'my go to trench-song'', mein 'Schützengrabenlied'. Ich fand es zufällig auf meiner Playlist. MUSIK: J.S.Bach, Partita für Sologeige Nr.1 in B-Moll, Itzhak Perlman SAVITA Sprecherin1: "Ein Stück von Bach, gespielt von Itzhak Perlman. Es ist nicht nur dieses Musikstück selbst, das mich bezaubert, sondern auch die Ausführung, die Interpretation. Falls ihr Itzhak Perlman nicht kennt - alles mit Geige klingt besser und geht tiefer, wenn er es spielt. Es ist tatsächlich das dritte Mal, dass ich seinen Namen in meinem Blog erwähne..., so viel bedeutet mir dieser Mann in meinem Leben... Es sind manchmal die kleinen Dinge, nicht wahr..." SAVITA Sprecherin 1: Jedenfalls, wenn ich in unserem Erdbunker manchmal liege und es ist so kalt, dass ich meine Zehen nicht mehr fühlen kann. Oder es ist unerträglich heiß und ich werde von Mosquitos lebendig aufgegessen, und du kannst die Drohnen über deinem Kopf fliegen hören, und Artillerie schlägt rund um dich ein, und ich starre auf die Balkendecke, nicht mal einen Meter von meinem Gesicht, und kleine Stücke der Borke fallen in meine Augen, immer wenn die Erde von den Mörsereinschlägen zittert, und Mäuse kriechen über meinen Körper, und ich denke, okay dies ist wirklich Scheiße, was zum Teufel mach ich hier (und ich keinen Radio-Dienst habe, sodass ich nichts anderes hören muss,) ... dann ist dies mein 'no.1 emotional support song', mein Seelenstärkungslied Nr.1. Ich mag es, dass ich nicht entscheiden kann, ob es fröhlich oder traurig ist. Mehr traurig, aber nicht ausschließlich, als ob Hoffnung in ihm ist. Wie Schützengrabenleben." SAVITA: Sprecherin 1 21. Juli 2023, 23:55 Uhr: "Ich bin so verdammt erschöpft von diesem Job. ... Nicht einmal von dem Krieg im Allgemeinen (obwohl wir alle müde sind vom Krieg, aber direkt jetzt meine ich das nicht), sondern speziell von dem, was ich mache, Feldmedizin und Bergung von Verwundeten. Manchmal wünsche ich, ich könnte nur in einem Schützengraben sitzen, von Granaten beschossen, und könnte auf alles, was sich bewegt schießen, was die meisten unserer Jungs hier tun, weil es in bestimmter Weise das einfachste ist.. Ich bin so fertig und müde, die ganze verfluchte Zeit mit Blut bedeckt zu sein; immer nur zu den allergefährlichsten Zeiten rauszufahren und zu hoffen, dass ich es wenigstens zu dem verwundeten Kameraden lebend schaffe, und von jeder Evakuierung zurückzukommen mit neuen Granatsplitterlöchern oder Granatsplitterteilen im Wagen oder in meinem Gepäck und zum hundertsten Mal zu denken 'Glück gehabt', und mich zu fragen, wie lange mein Glück dauern wird. SAVITA Sprecherin 1: 10. August 2023, 18:31: "Heute ist unser 5. Hochzeitstag. Vor fünf Jahren in Vancouver, nur 11 Monate nachdem wir uns zum ersten Mal direkt trafen, sprachen wir unsere Gelöbnisse und versprachen, uns zu lieben und zu unterstützen in guten Zeiten und in schlechten (Ein Versprechen, das wir immer hielten). Am Tag nach unserer Hochzeit machten wir zusammen einen Spaziergang, durch einen Regenwald zum Strand. Wir setzten uns auf einen Stein und Karl spielte und sang. Sprecherin 1: Ich merke gerade - von fünf Hochzeitstagen verbrachten wir drei zusammen und nun zwei getrennt ... das ist traurig. Aber wenn der Krieg vorbei ist, werden wir weitere 50 Hochzeitstage - zusammen - in Freiheit und Sicherheit haben. ... Und wir werden zusammen alt werden, in dem Wissen, dass wir - beide zusammen - dazu beitrugen, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und das ist es wert. Oh ich hoffe so, dass ich den Krieg überleben werde, weil - ich möchte wirklich, wirklich nicht, dass Karl dafür, dass er mich und die Ukraine unterstützt hat, gestraft wird, indem er mich verliert. Das würde mein Herz in meinem Grab und seines brechen. Also muss ich überleben." O-TON AUDIO CLIP Karl und Savita singen abwechselnd: "You are my sunshine. Savita: I know how much you love me and you know how much I love you SAVITA Sprecherin 1: "Ich wäre nicht hier, wenn nicht für die Ukrainer, denn ich habe gesehen wie sie in den ersten Wochen des Krieges unglaublichen Mut gezeigt haben angesichts einer überwältigenden Macht des Bösen, und wie sie für ihre Freiheit kämpften, und für die Europas, gegen alle Wahrscheinlichkeiten. Sie verdienen unseren Dank, und all die Unterstützung, die jeder von uns leisten kann, was immer das für jeden von uns individuell bedeuten mag." AUDIO-CLIP SAVITA "New position" O TON 14 SAVITA: "By the way tomorrow I will for the first time go to the new position, after two weeks at base now, and it's really fucking bad. We had two killes today, one killed yesterday, another two killed the days before that. I's rally like a full-blown Russian offensive going on, attacks like every single days. It's worse than at any other place, it's really bad. And also it's as close to the zero line as never before. Had like three Russian attacks already, that's like almost broke, broke our forward positions. So it's a really, really dangerous place there to be. And it's also so fuckoff cold. The winter, it's so fuckoff cold, it feels so fuckoff cold. It's absolutely miserable. But I hope it's the?I am scared... We'll see. Sprecherin 1: Übrigens morgen werde ich zum ersten Mal zur neuen Stellung gehen, nach zwei Wochen an der Basis, und es ist wirklich 'fucking bad'. Wir hatten zwei Getötete heute, einen Getöteten gestern, zwei weitere Getötete die Tage davor. Es ist wirklich eine regelrechte russische Offensive, die da rollt, Angriffe jeden einzelnen Tag. Es ist schlimmer als an irgendeinem anderen Ort, es ist wirklich furchtbar. Wir sind so nah an der vordersten Front wie nie zuvor. Die Russen wären schon dreimal beinahe durchgebrochen. Also es ist eine wirklich, wirklich gefährliche Stellung, wenn man dort ist. Und es ist auch so verdammt kalt. Es ist absolut miserabel. Wir werden sehen. Ich liebe dich. SAVITA Sprecherin 1: "Ich habe das Gefühl, als ob ich es fast will, getroffen zu werden, irgendwie, einfach, damit es vorüber ist, weil es einmal sowieso geschehen wird, nach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit. Und bis dahin leide ich einfach seltsam unter diesem 'lone survivor syndrom'. Und es ist scheiße, es fühlt sich einsam an, in einer Weise, die ich euch nicht beschreiben kann, nicht einmal anfangen kann zu beschreiben. Das ist seelisch zerstörend. Und obwohl ich mein Leben liebe und es liebe, am Leben zu sein, das lässt mich manchmal wünschen, es wäre anders. Es gibt überhaupt keinen Grund, warum ich okay bin und sie es nicht sind, es ist nur Zufall, reines Glück, und ich bitte verdammt noch nicht einmal darum. Tu es schon, verdammter verfluchter Krieg, ich warte!" MUSIK: Rather Die, Barn's Courtney SAVITA Sprecherin 1 19. November 2023: Meine Katzen sind tot, alle außer Simka. Ich fand die drei Mädchen vor der Haustür liegen, als ich zuletzt von der Stellung zurückkam. Die beiden Jungen sind gerade verschwunden, d.h. starben irgendwo, wo ich sie nicht finden kann. Vermutlich sind sie jemandem in unserem Dorf zum Opfer gefallen, der all das Stroh vergiftet.... Aber ich habe immer noch Simka. Das Kätzlein ist hier bei mir vom 1.Tag im Donbass, das tapferste und liebste und unschuldigste kleine Geschöpf, und das kostbarste kleine Ding, das ich übrig behalten habe in diesem fucking Höllenloch. MUSIK: Rather Die, Barn's Courtney Sprecherin 2 Eines Tages wird es keine Minen geben. Atme: Hier duftet die Erde süß, nicht von Asche, sondern von Mamas Kochen. Sie schneidet die Wassermelone am Fenster. Keine Enten schwimmen auf dem Fluss der Trauer, aber ein Hund rennt zu dir hin durch das Gras, und sein Fell ist weich unter deinen weichen Fingern, Schwielen vom Tragen der Waffe sind verschwunden. Du kannst deine Augen schließen; du bist sicher. Du kannst unter Sonnenblumen liegen, auf fruchtbarem Boden wo deine einstigen Feinde für immer liegen. SAVITA Sprecherin 1: 21.12.2023, 9:15 Uhr: "Je länger dieser Krieg dauert, je mehr von den russischen Grausamkeiten in der Ukraine und ihrer Ideologie dahinter bekannt wird, bis zu dem Punkt, wo es absolut unleugbar ist, was hier geschieht, desto mehr verliere ich meinen 'Glauben an die Menschheit'. Wenn es nur irgendeine angemessene Reaktion von irgendjemandem mächtig genug gäbe, hätte ich niemals gedacht 'ausgerechnet ich von allen bin es, die die Ukraine jetzt braucht'. Warum muss ich hier sein und in einem verdammten Schützengraben im Dezember im Donbass sitzen, ich, die Frau, Zivilistin, die niemals vorher auch nur entfernt irgendetwas mit diesem Shit zu tun hatte. Ich hatte niemals in meinem ganzen Leben vorher auch nur einen einzigen Kriegsfilm gesehen. Und jetzt bin ich dazu verdammt, hier zu krepieren, weil niemand bereit ist, etwas zu tun, irgendetwas, das ausreicht, den Krieg zu gewinnen. Du könntest, Welt! Alle Mittel sind vorhanden. Es ist der Wille, der fehlt. Wie könnt ihr alle entweder nicht sehen, was geschieht oder nicht wollen, das dies endet? Ich bin frustriert - unsagbar. AUDIO CLIP Savita: O TON "Sorry this background noise is the generator. What do we do if this war takes longer? First you have to tell me the truth now, like, how far you're willing to go to this with me. If at some point next year something you would demanding I've to come home, then rather tell me that now than at some point giving me an ultimatum or something ... Because I'm not willing to let this go, you know. But you are my person, of course. You are more important. But at the same time I'm also not willing to let this go. So, yeah I don't know. That's the situation, hm, yeah. Sprecherin 1: Sorry, der Lärm im Hintergrund kommt von unserem Generator. Was machen wir, wenn der Krieg länger dauert? Zuerst: Sag mir die Wahrheit, wie weit bist du bereit, mit mir zu gehen. Wenn du irgendwann nächstes Jahr etwas von mir forderst, dass ich zurückkomme, dann sag mir das lieber jetzt, als dass du mir irgendwann ein Ultimatum stellst. ... Weil, ich will das hier nicht aufgeben, weißt du. Aber du bist mein Partner, natürlich. Du bist wichtiger. Aber gleichzeitig will ich das hier auch nicht aufgeben. Ich weiß nicht... Das ist die Lage. SAVITA: Sprecherin 1: 29.12.2023, 12:40 Uhr: "Noch drei Tage und ich bin in Kyiv und treffe meinen Mann wieder, und meine Mutter das erste Mal in zwei Jahren. Die einzigen beiden Menschen in meinem Leben, die mich immer geliebt haben in allen Situationen, egal in welcher Scheiße ich war oder was Verrücktes ich mit meinem Leben anstellte. Und ich sollte mich freuen, aber stattdessen fühle ich mich schuldig. Der Gedanke an den Schmerz, den ich zu Hause verursachen würde, für Karl und meine Mutter, wenn ich hier sterben würde. Und für was? Ich bin keine Ukrainerin. Ich war niemals in der Ukraine und habe niemals eine einzige ukrainische Person gekannt vor März 2022. Ich wusste nichts über die Ukraine. Die Sache ist ... ich fühle wirklich, dies ist auch mein Krieg. Nicht am Anfang, aber zu diesem Zeitpunkt und schon seit einer Weile. Als ich hierhin kam, war ich ein Außenseiter, der einfach den Ukrainern half bei ihrem Krieg, und es war ein Mix aus Naivität und Verrücktheit, der mich die Risiken auf mich nehmen ließ, wie zu Beispiel von Lviv nach Kyiv zu fahren, während ich gerade von der russischen Armee mehr und mehr umzingelt wurde. Ich war mir nicht voll bewusst, wie gefährlich es wirklich ist, was ich tu, und wo ich mir dessen bewusst war, hatte ich immer noch meinen kindlichen Optimismus, dass es alles gut gehen wird. Andere Menschen sterben, aber ich nicht. Ich habe beides jetzt verloren. Ich kenne genau jede einzelne Bedrohung an jedem einzelnen Ort in der Ukraine, und ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich nicht besonders bin, nicht sicherer vor den Gefahren als jeder andere, den ich kenne oder kannte, und der schon tot oder kriegsversehrt ist. Ich fühle mich durch diesen Lernprozess immer mehr verbunden mit der Ukraine, als wären wir Geschwister. Meine Treue-Verpflichtungen gelten zwei Orten, zwei Familien, zur gleichen Zeit, und ich kann nur einer dienen. Egal was ich tue, ein Teil von mir wird immer fühlen, dass ich die Menschen im Stich gelassen habe, die ich liebe und vor Schaden schützen muss. Ich hoffe, sie können mir vergeben." O TON ULA Meine Tochter, sie war eine sehr verantwortungsbewusste Person, die nicht leichtfertig sagt, also das bringt jetzt alles nichts, ich gehe wieder nach Hause. Wenn man das einmal beginnt. Für sie war es Überzeugung. ... Dem konnte sie nicht zuschauen, natürlich wohl wissend, dass sie alleine nichts ausrichten kann. Aber es geht auch um viele Einzelne. Viele Einzelne machen ein großes Ganzes aus. Und sie wollte von diesem großen Ganzen ein kleines Teilchen sein - jetzt ist es ein großes Teilchen geworden." O TON KARL: "When, so, in January when I went to visit her that was when I have said: Okay we have to set a timetable for you to end this, because by that point we all knew that this war was not going to end soon, that this was to keep on going and get worse and worse and worse. And so I told her, I basically said: You have two years. At the end of those two years, I don't care what's happening anymore, I don't care what the situation is anymore, once the two years are up, you come back. And that's that. And she said okay, I'll do that. So that's what we agreed." OV-Sprecher 1: Als ich sie im Januar in Kyiv besuchte, habe ich gesagt: Okay, wir müssen einen Zeitplan für dich festlegen, um dies beenden, denn jetzt wissen wir alle, dass dieser Krieg nicht bald enden wird, dass er weiter geht und schlimmer und schlimmer wird. Und deshalb sagte ich ihr: 'Du hast zwei Jahre, am Ende dieser zwei Jahre, ist es mir egal, wie es weitergeht, es ist mir egal wie die Situation ist, wenn die zwei Jahre vorbei sind, kommst du zurück. Und sie sagte okay, ich mach das. Also vereinbarten wir das." SAVITA Sprecherin 1: 17. Januar 2024, 12:40 Uhr: Simka ist verschwunden, während ich auf Urlaub in Kyiv war, und unser Haus ist verwüstet und von irgendwelchen Leuten übernommen worden, die da geschlafen haben. - Willkommen im Kriegsgebiet. Simka, sie war das Einzige, was meinen Verstand intakt hielt, glaube ich. Erwartet irrationales Verhalten von mir von jetzt an. SAVITA: Sprecherin 1: 20. Januar 2024, 11:56 Uhr "Wenn ich sterbe, möchte ich, dass jeder weiß, dass ich nichts bereue. Ich möchte nicht, dass alle denken 'Armes Mädchen, hätte sie gewusst, worauf sie sich einlässt...'. Ich weiß es genau, und habe mich hierfür entschieden. Oder 'Die Ukraine tötete sie'. Die Ukraine tat es nicht, die Russen taten es. Oder 'So jung, eine Schande, sie hatte noch ihr ganzes Leben vor sich, das ist nun vergeudet'. Nicht vergeudet, ein Opfer, das es wert ist. Ich sterbe lieber aufrecht im Kampf für eine Sache, an die ich glaube als die nächsten 50 Jahre so zu verbringen, dass ich nichts mache, was etwas bewegt, 'was einen Unterschied macht', was wesentlich ist, und dann in meinem Bett sterbe und denke 'Ich wünschte, ich hätte...'. Ich hoffe, dass ich den Krieg überleben werde, aber wenn nicht, möchte ich, dass ihr wisst und dass jeder weiß, dass es meine eigene Entscheidung war, dass Risiko auf mich zu nehmen, und ich stehe dazu bis zu meinem letzten Atemzug. Denn manche Dinge sind wichtiger als du selbst." Erzähler: Am Nachmittag des 31. Januar 2024 wurde Savita getötet, als sie zwei verwundete Kameraden bergen wollte. Der Splitter einer russischen 120-mm-Mörsergranate durchdrang ihre Halsschlagader. Sie wurde 36 Jahre alt. In ihrem Blog erschien ein Foto von ihr mit einer kurzen Nachricht von Karl. KARL OV-Sprecher 1 1. Februar 2024, 01:51 Uhr: She's gone ... "This is her husband. I can hardly even type right now. She was killed in action today. My soulmate is gone." I lived two years with fear..." Sie ist gegangen... Dies ist ihr Mann. Ich kann jetzt im Moment fast nicht mehr tippen. Sie wurde im Einsatz vor wenigen Stunden getötet. Mein Seelenpartner ist gegangen. Ich lebte zwei Jahre mit der Angst ..." Erzähler: Die ukrainische Bloggerin "sister of isis" schrieb für Savita das Gedicht "Wiegenlied für einen Soldaten". Eines Tages wird es keine Minen geben. Du kannst schlafen, Soldat nicht länger ein Soldat. Schlaf, in diesem Land ohne Krieg Schlaf - hör nicht auf die fernen Explosionen. Schlaf, lass die Jets zu Kranichen werden. Schlaf, du bist müde vom Kämpfen für die Freiheit. Du wirst sie gewinnen - aber jetzt, schlaf. Schlaf Soldat, der kein Soldat werden wollte. Eines Tages wird es keine Minen geben. Absage: Also muss ich überleben! - Das ukrainische Fronttagebuch der Diana Savita Wagner Ein Feature von Manfred Bonson Es sprachen Picco von Groote Nikolaus Benda Judith Jakob Jochen Langner Und Claudia Mischke Ton und Technik: Thomas Widdig, Caroline Thon und Elisabeth Klingenberg Regie: Matthias Kapohl Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2025. 24