Hörspiel Feature Radiokunst Feature Exportschlager Gift Der Einfluss der Agrochemie-Lobby Autoren: Birte Mensing und Paul Hildebrandt Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2024 Erstsendung: Dienstag, 09.07.2024, 19.15 Uhr Es sprachen: die Autorin, der Autor sowie Philipp Engelhardt, Robert Frank und Talin Lopez Wiegmann Ton und Technik: Lukas Wilke Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - 01 Atmo Imker läuft Erzählerin Ein schmaler Pfad am Rande eines Waldes in Zentralkenia. Der Imker Henry Muriuki stapft den Weg entlang zu seinen Bienenstöcken, die hier in den Bäumen hängen. Er trägt schwarze Gummistiefel, eine Fleecejacke und um seine Schulter baumelt ein Beutel aus Ziegenleder. Darin will er alte Waben nach Hause bringen. Überall riecht es nach Eukalyptus, der hier angebaut wird. 02 Atmo Bienen summen 03 Atmo Hantieren an den Bienenstöcken Erzählerin Muriuki zieht sich seinen Gesichtsschutz über und öffnet vorsichtig einen der Kästen. 120 Völker besitzt er, mehrere Millionen Bienen. Doch in der Region gibt es nicht mehr viele Imker wie ihn, besonders dort, wo weiter südlich am Hang Kaffee und im Tal Tomaten angebaut werden. Vor ein paar Jahren gab es dort eine Katastrophe. Was genau dazu führte, ist bis heute unklar. 01 O Ton Muriuki Some people started spraying pesticides on the coffee crops. This led to the death of bees. You'd check the beehives and find dead bees.I remember there was a remote area 18 km away where a lot of bees died. The harmful effects of the pesticides are still felt to this day. OV-Sprecher 1 Leute haben angefangen Pestizide auf den Kaffee zu spritzen. Dann starben die Bienen. Du hast deine Bienenstöcke geöffnet und tote Bienen gefunden. 18 Kilometer von hier starben besonders viele Bienen. Die schlimmen Auswirkungen der Pestizide spüren wir bis heute. 04 Atmo Auf Muriukis Feld Erzählerin Fast jedes siebte verkaufte Pflanzenschutzmittel in Kenia ist ein Produkt der deutschen Firma Bayer. Eines der meistgenutzten heißt Thunder, der Wirkstoff: Imidacloprid. Ein so genanntes Neonicotinoid, das in Europa seit 2018 verboten ist, weil es die Nervensysteme von Bienen und anderen Insekten schädigt und sie dadurch tötet. Alleine im Jahr 2022 wurden laut eines Berichts der NGOs "Public Eye" und "Unearthed" mehr als 18.000 Tonnen Pestizid-Wirkstoffe aus Deutschland exportiert, die hier nicht mehr zugelassen sind. Etwa 37% der vertriebenen Wirkstoffe gelten als schwer gesundheitsschädigend und wurden deshalb verboten. Es sind teilweise hochgiftige Mittel, die Krebs erregen oder massiv die Umwelt schädigen. Im September 2022 verkündete der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir von den Grünen deshalb: Ein Exportverbot für hierzulande aus gesundheitlichen Gründen verbotene Stoffe werde "zeitnah" kommen. Man müsse nur noch einige Details klären. Es war eine Ankündigung, die große Wellen schlug. Aber dann - passierte nichts. Sprecher: Exportschlager Gift. Der Einfluss der Agrochemie-Lobby. Ein Feature von Paul Hildebrandt und Birte Mensing. 02 O Ton Bollmohr In vielen Ländern ist es so, dass die Industrie es clever angeht, sich im Grunde ihre eigenen Gesetze zu machen. Erzähler Etwa 6.000 Kilometer entfernt vom Imker Muriuki sitzt Silke Bollmohr in ihrem Büro am Rande von Berlin. Seit vielen Jahren kämpft die Wissenschaftlerin und Aktivistin für ein Exportverbot nicht zugelassener Pestizide - es ist auch ihrem Engagement zu verdanken, dass die Grünen das Thema auf den Tisch gebracht haben. Den Status Quo findet sie unhaltbar. 03 O Ton Bollmohr Ich würde auch niemals sagen, dass wir komplett die Pestizidanwendung verbieten sollen, um Gottes Willen. Aber, dass die hochgiftigen Pestizide, die wissenschaftlich erwiesen sind, dass sie einen Einfluss haben auf Umwelt oder Gesundheit. Also da steht ja eindeutig Profit wirklich vor Menschenrecht. Jeder Mensch hat ein Recht auf Nahrung. Und wir sagen immer angemessene und ausreichende Nahrung. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Saubere und vor allem auch sichere Nahrung. Und diese "sichere Nahrung" wird einfach vernachlässigt. Erzähler Nach der letzten Bundestagswahl sah es kurz so aus, als hätte Bollmohr Erfolg gehabt. Die Grünen nahmen das Exportverbot für hochgiftige Pestizide mit in die Koalitionsverhandlungen und es wurde sogar als Projekt für die Legislaturperiode beschlossen. Aber während Bollmohr noch glaubte, einen Erfolg errungen zu haben - begann die Lobby längst zu arbeiten. Denn in Deutschland haben zwei der weltgrößten Agro-Chemie-Unternehmen ihren Sitz: Bayer und BASF. Und der Handel mit Pestiziden ist ein Milliardengeschäft. 05 Atmo Bienen/Kenia Erzählerin Als das Bienensterben in Kenia begann, hat der Imker Muriuki unzählige Briefe an kenianische Politiker und Wissenschaftler geschrieben. 04 O Ton Muriuki I have tried engaging members of the county assembly in Kirinyaga on these pesticides. However, they are always asking for bribes. There's no one to speak against injustice. If you have toxic pesticides, you just offer bribes, and you're good to go. OV-Sprecher 1 Ich habe versucht, die Abgeordneten hier in Kirinyaga auf das Thema Pestizide anzusetzen. Aber sie wollen immer Bestechungsgelder. Keiner spricht gegen diese Ungerechtigkeit. Wenn du giftige Pestizide hast - und Geld - steht dir niemand im Weg. Erzählerin Für die deutschen Konzerne sind Schwellenländer wie Kenia ein wichtiger, wachsender Markt. Die Chemiekonzerne sehen sich selbst als Entwicklungshelfer. In einer Stellungnahme von Bayer heißt es, ein Exportverbot würde die Nahrungssicherheit von Ländern im globalen Süden gefährden. Frank Terhorst, Leiter Strategie und Nachhaltigkeit von Bayer Crop Science, betont: Bayer-Produkte seien zu hundert Prozent sicher. 05 O Ton Terhorst Im Übrigen glaube ich auch, dass wir hier, glaube ich, aus dem globalen Norden, insbesondere aus Deutschland heraus, auch aufpassen sollten, jetzt anderen Ländern vorzuschreiben, welche Pflanzenschutzmittel sie zulassen sollen. 06 Atmo Büro Bollmohr Erzähler Das Büro von Silke Bollmohr sieht unscheinbar aus. In Pappkartons stapeln sich bunte Flyer, Broschüren fliegen herum. Ihr Arbeitgeber, das Inkota-Netzwerk, wurde in den 70er Jahren als ökumenischer Arbeitskreis in der DDR gegründet, es kommt aus der Weltladen-Bewegung. Silke Bollmohr arbeitet als Expertin für Welternährung und globale Landwirtschaft. Sie ist studierte Ökotoxikologin. Erzähler Im Rahmen ihres Studiums ging Bollmohr im Jahr 2005 nach Südafrika, um dort zur Auswirkung von Pestiziden zu forschen. Sie untersuchte dort zunächst Gewässer. Beobachtete, wie sich das Ökosystem verändert, wenn bestimmte Stoffe in der Landwirtschaft eingesetzt werden. 07 O Ton Bollmohr Und ich weiß noch, da habe ich vielleicht ein Jahr gearbeitet habe, da klingelte das Telefon und mich hat ein Hausarzt angerufen aus einem Gebiet, im Norden Südafrikas, wo halt auch ganz viel Gemüse und Obst angebaut wird. Und der meinte: Ich habe hier eine Beobachtung: Zu mir kommen extrem viele Menschen, die haben schmerzende Gliedmaßen, fühlen sich taub, haben Orientierungslosigkeit. Und ich nehme an, das hat was mit den Pestiziden hier vor Ort zu tun, die hier ständig gesprüht werden." Erzähler Noch während Bollmohr Wasserproben nahm, flogen Spritzflugzeuge über sie hinweg und ließen Chemiewolken zurück. Bollmohr wollte wissen: Was wird denn da genau gespritzt? Aber niemand konnte es ihr sagen. Es gab keine staatliche Stelle, die das erfasste oder den Einsatz kontrollierte. Die einzige Institution, die mehr wusste, war ein Zentrum, an das sich Menschen mit Pestizidvergiftung wenden können, ein so genanntes Poison-Center von Crop Life. 08 O Ton Bollmohr "Die werden eigentlich normalerweise von nationalen Krankenhäusern ausgerichtet oder vom Gesundheitsministerium. Und in Südafrika war das Crop Life, der Dachverband der Pestizid-Industrie. Und auch heute ist es noch so, dass jegliche Pestiziddaten eigentlich von Crop Life gemanagt werden. Also es gibt in Südafrika eine Datenbank, aber die Datenbank wird eben von der Pestizidindustrie selbst gemanagt." Erzähler Crop Life ist der größte Lobbyverband der globalen Agrochemie-Industrie, dieser Verband wird in unserer Recherche immer wieder eine Rolle spielen. Bei Crop-Life machen alle großen Agrochemie-Unternehmen mit: Bayer, BASF, Syngenta mit Sitz in der Schweiz, aber registriert in China. Der Verband ist gut vernetzt. Vertreterinnen und Vertreter von Croplife sitzen auf EU-Ebene als Berater in sämtlichen relevanten beratenden Ausschüssen: Agrar, Umwelt und Gesundheit. Schon damals fällt Bollmohr auf: Viele der angewendeten Produkte sind in Deutschland gar nicht mehr zugelassen, zum Beispiel das Insektizid Carbofuran, ein für Säugetiere, Vögel, Fische und Wildtiere tödliches Kontaktgift, das auch beim Menschen schwere Vergiftungen hervorrufen kann. Es wurde 2007 in der EU verboten. Oder Chlorfenapyr, das hochtoxisch für Bienen ist und Studien zufolge die Fortpflanzung von Vögeln schädigt. Es ist in Europa für Nahrungspflanzen nicht zugelassen. Im Jahr 2019 ging Bollmohr dann nach Kenia, um auch dort zu forschen. 09 O Ton Bollmohr Und da haben wir uns die Pestizide angeschaut. Und dann haben wir halt gesehen, knapp 45 % der registrierten Pestizide sind eigentlich schon in Europa verboten. Erzähler Im Jahr 2020 veröffentlicht Bollmohr ihre Ergebnisse in einer Studie, die in Kenia hohe Wellen schlägt. In einer Petition wenden sich lokale Nichtregierungsorganisationen an die Regierung und fordern eine Untersuchung zu den gesundheitlichen Folgen der eingesetzten Pestizide. Gleichzeitig fordert eine Kampagne Aufklärung über die rapide steigende Krebsrate im Land. Doch die Regierung in Nairobi unternimmt - nichts. 07 Atmo Bayer-Anlage Erzähler Monheim am Rhein. Hier befindet sich die Entwicklungsabteilung von BayerCrop, der Agrarsparte der Bayer AG. Der Chemiker Heiko Rieck leitet die Insektizidforschung. Er will zeigen, wie verantwortungsvoll diese Stoffe entwickelt und auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Seine Abteilung liegt umgeben von blühenden Feldern, abgeschirmt hinter einem hohen Gitterzaun. 08 Atmo Roboter 10 O Ton Rieck Das sind zum Beispiel solche Spritzroboter, wo wir unsere Substanzen automatisiert durch Robotersysteme applizieren. Erzähler In einem Glaskasten fährt ein schwarzer Roboterarm auf einer Schiene entlang, der in einer Art Spritzpistole endet. Er hält vor einem grünen Setzling in einem Blumentopf, sprüht eine durchsichtige Flüssigkeit auf die Blätter. Der Kasten ist hermetisch geschlossen, damit der Wirkstoff nicht nach außen dringt. 11 O Ton Rieck Und da ist auch der Gedanke dahinter: Auch unsere Mitarbeiter werden geschützt, zu jedem Zeitpunkt. Keiner der Mitarbeiter ist mit einem nicht vollständig geprüften Stoff in Kontakt und dafür haben wir dann typischerweise Robotersysteme, die nehmen sich die Substanzen, automatisiert, die nehmen sich die Pflanzen automatisiert. Erzähler In der großen Halle gibt es mehrere solcher Glaskästen. Roboterarme fahren auf und ab. Einige Mitarbeiter in weißen Kitteln eilen vorbei. 12 O Ton Rieck "Können Sie für mich einordnen, wo wir gerade sind? Wir blicken jetzt auf so ein Gewächshaus." "Das ist sogar eins, was wir gar nicht mehr in Betrieb haben. Wir sind hier in einem Gebäude, das nennt sich Insektizidforschung. Wir haben aber andere Kollegen, dazu komme ich gleich, andere Nutzer auch mit drin. Und da haben wir hier ein Gebäude, das aus Büros und Labors besteht und im Anschluss haben wir einen Bereich, Gewächshausflächen, wo wir auch Produkte in ganz frühen Stadien untersuchen auf Wirksamkeit und Kompatibilität mit Nützlingen zum Beispiel." 09 Atmo Rieck führt durchs Haus Erzähler In Testreihen werden die Mittel nicht nur auf ihre Wirksamkeit, sondern auch auf ihre möglichen Nebenwirkungen für Mensch und Umwelt untersucht. Damit ein Mittel in Deutschland zugelassen wird, muss Bayer beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit umfangreiche Studien einreichen, einen Zulassungsantrag für den Wirkstoff auf EU-Ebene stellen und schließlich erneut beim Bundesamt die Registrierung des Produkts beantragen. All das kann Jahre dauern. 13 O Ton Rieck "Wir geben bis zu 400 Millionen aus, um ans Ziel zu kommen." "Wie viele MIllionen?" "400 Millionen!" "Für einen Wirkstoff?" "Für einen Wirkstoff. Und wenn wir im letzten Jahr scheitern, haben wir 380 ausgegeben und können nichts davon zurückholen und müssen alles abschreiben. Wenn wir scheitern an irgendeiner Stelle, dann wollen wir das in der Forschung so früh wie möglich erkennen und dann haben wir vielleicht nur 20 Millionen zum Fenster rausgeschmissen." Erzähler Für Bayer gleicht die Entwicklung eines Pflanzenschutzmittels einer Wette: Nur wenn der Wirkstoff zugelassen ist und lange genug auf dem Markt bleibt, gewinnt das Unternehmen. Nach 20 Jahren läuft der Patentschutz aus, egal wie lange das Zulassungsverfahren dauert. Ein Exportverbot würde die Gewinnchancen erheblich mindern. Deshalb nimmt Bayer viel Geld in die Hand, um öffentlich Einfluss zu nehmen. In Deutschland steckt das Unternehmen nach eigener Aussage jährlich rund zwei Millionen Euro in ein so genanntes Verbindungsbüro, das den Kontakt zur Politik herstellen soll. Auf EU-Ebene zahlte Bayer 2023 mehr als sieben Millionen Euro für die Lobbyarbeit. Weltweit hat die Aktiengesellschaft zusammen mehr als 100.000 Mitarbeitende. 10 Atmo Feld Kenia Erzählerin Kenia. Ein Tomatenfeld in der Region Kirinyaga im Zentrum des Landes. Am Rande des Feldes steht der Bauer Joshua Murimi und blickt auf tausende Tomatenpflanzen, die sich feinsäuberlich aneinanderreihen. 14 O-Ton Murimi What we'll be spraying today is not what I'll spray next week. I will change. Because the molecules are not the same. OV-Sprecher 2 Wir sprühen jede Woche was anderes, wir wechseln das ab, wegen der unterschiedlichen Wirkstoffe. 11 Atmo Wasser läuft, dann rührt Munene Wasser um Erzählerin Einer von Murimis Mitarbeitern pumpt Wasser in eine große blaue Regentonne. David Munene trägt zerfetze Hosen und Gummistiefel. In der Tonne rührt er die Pestizide an, kippt eine Flüssigkeit ins Wasser und rührt das Gebräu mit einem Plastikrohr um. Fertig ist das Pflanzenschutzmittel. Manchmal ist es "Belt" von Bayer, heute ist es "Topstar" von einem chinesischen Hersteller. Beide Mittel enthalten Wirkstoffe, deren Umweltschädlichkeit nachgewiesen und deren Zulassung in der EU nicht verlängert wurde. Munene füllt die Flüssigkeit in seine Pumpe. 12 Atmo Sprühen Erzählerin Mit der Pumpe auf dem Rücken schreitet Munene die Tomatenpflanzen ab, jede Pflanze wird einmal von unten nach oben, dann auf der anderen Seite von oben nach unten besprüht. Für die nächsten Stunden bewegt er sich in einer Wolke aus Chemiedampf. Es riecht jetzt giftig, der Geruch reizt die Nase. Aber der Sprüher trägt keine Schutzausrüstung. 15 O-Ton Munene I can't get a headache from this. I grew up doing it. I've become used to it. OV-Sprecher 3 Ich bekomme keine Kopfschmerzen, ich bin von klein auf daran gewöhnt. Erzählerin Auf der Verpackung des Pestizids steht: Verwendung nur mit Schutzanzug und chemikalien-resistenten Handschuhen. Nach dem Einsatz mit Seife und Wasser waschen, Kleidung wechseln. Doch Munenes Chef, der Bauer Murimi, kümmert sich nicht um die Schutzvorkehrungen. Wenn, dann müssen sich die Arbeiter selbst welche besorgen. 16 O-Ton Munene The problem is that it's expensive because the little money you get is used on other expenses. So it's not not really enough. OV-Sprecher 3 Das Problem ist der Preis. Mein weniges Geld geht für andere Dinge drauf, für Ausrüstung reicht es nicht. 13 Atmo Schritte übers Feld Erzählerin Murimis Feld liegt abschüssig zum Fluss Rwamuthambi, der auch Trink-Wasserquelle für hunderte Menschen in der Region ist. Die Pestizide werden durch den Regen vom Feld direkt ins Wasser gespült. Niemanden kümmert es. Murimi besitzt nicht nur viele Hektar Ackerland, er betreibt auch zwei Agrovet-Shops, in dem er selber Pestizide verkauft, wie in einem Supermarkt. 14 Atmo Laden Sein Laden liegt direkt an der belebten Hauptstraße im nächsten Ort, davor stehen Säcke mit Tierfutter und Tomatensetzlinge. Drinnen stapeln sich auf Regalbrettern Chemikalien aller Art bis unter die Decke, in Flaschen, Tüten und Dosen. Auf Postern fällt sofort das bekannte Bayer-Logo ins Auge. Im Laden herrscht Betrieb, zwei Angestellte versorgen die Kunden. 17 O-Ton Murimi This is our shop - Karibu sana. We have fungicides, we have pesticide, we have everything that is supposed to be sold in the agrovet. OV-Sprecher 2 Willkommen in unserem Laden. Wir haben Fungizide, Pestizide, alles was in Agrovetläden verkauft wird. Erzählerin Der Großteil der Mittel, die hier die Regale füllen, kommt aus China, ein Teil auch aus Deutschland, von Bayer und BASF. In einer Bayer-Broschüre für kenianische Bauern zu Pflanzenschutzmitteln für Tomaten werden Gefahren oder Risiken mit keinem Wort erwähnt. Das Produkt Tihan - bei Murimi vorrätig - wird sogar als umweltfreundlich beworben, obwohl US Behörden es verboten haben, weil es erwiesenermaßen Wasserökosysteme gefährdet. Auch in der EU wurde die Zulassung nicht verlängert. 18 O-Ton Murimi You can spray today and harvest tomorrow. Because this is a local market. Nobody is checking on us. But when we're doing a greenhouse, most of the time we do exports even for tomatoes. On that one, we're very serious about what we're spraying. Not like this one. OV-Sprecher 2 Du kannst heute sprühen und morgen ernten - für den lokalen Markt. Keiner überprüft uns. Aber im Gewächshaus bauen wir für den Export an, auch Tomaten. Da nehmen wir die Sprühvorschriften ernst. 15 Atmo Murimi spricht mit seinen Mitarbeitern im Laden Erzählerin Das Pestizid Thunder mit dem in der EU verbotenen Wirkstoff Imidacloprid ist einer der Bestseller von Bayer in Kenia. Welche Auswirkungen die Anwendung in Kenia hat, dazu gibt es bislang wenig Studien, doch zuletzt wurden in einer Untersuchung Rückstände von Imidacloprid in Honig und Bienenstöcken nachgewiesen. Immer wieder berichten uns Menschen in der Region, dass es früher deutlich mehr Bienen in der Region gegeben habe. Murimi zuckt mit den Schultern. 20 O-Ton Murimi Yes, that is very true because of the chemicals that we're using. So we are killing ourselves. We are killing even what we're doing. When you have decided to spray, you spray everything. You kill everything. OV-Sprecher 2 Ja, das stimmt, wegen der Chemikalien, die wir nutzen. Wir töten uns selbst. Wir töten, was wir tun. Wenn man sich entscheidet zu sprühen, dann stirbt alles. MUSIK AUDIO ORTSWECHSEL Erzähler Zwei Jahre lang reiste Silke Bollmohr immer wieder durch Kenia und besuchte Landwirte wie den Bauern Murimi. Pflanzenschutzmittel aus Indien und China machen in Kenia die Mehrheit der eingesetzten Pestizide aus, aber fast jedes siebte Produkt, das ergaben die Recherchen, ist ein Bayer-Produkt. 22 O Ton Bollmohr Und was wir dann auch durch die Daten gesehen haben, durch die Datenanalyse war das Bayer eben ja nach Syngenta Marktführer ist und circa 45 % des gesamten Umsatzes mit Pestiziden macht, die in Europa verboten sind. Und das war 2020. Bei BASF, obwohl der Marktanteil so gering ist, sind es sogar 75 % gewesen. 75 % des Umsatzes von Pestiziden, die hier verboten sind. Und das ist nicht okay. Erzähler Auch Silke Bollmohr ist Lobbyistin, für die andere Seite. Doch im Gegensatz zu den Millionen, die Bayer für seine Interessenvertretung in der Politik aufwendet, wird ihr Verein, das Inkota Netzwerk, durch Spendengelder, Zuwendungen vom Bund und Stiftungsgelder finanziert. Mehr als ein Drittel der rund fünfzig Mitarbeitenden sind Freiwillige. Bollmohrs Studie zu den Auswirkungen von Pestiziden in Kenia erreichte auch in Deutschland ein großes Publikum. Der Spiegel berichtete darüber, auch der Deutschlandfunk. 23 O Ton Bollmohr Noch mal kurz zu dem Moment, als dann Özdemir das angekündigt hat. Hattest du da das Gefühl, jetzt passiert endlich was? Ja, also da haben wir uns natürlich alle super gefreut, weil wir eigentlich davon ausgegangen sind, dass die Ressortabstimmung relativ schnell über die Bühne geht und da lagen wir halt falsch, denn wir sitzen immer noch in der Ressortabstimmung und wir fragen uns natürlich alle: Warum? Erzähler Die Ressortabstimmung von der Bollmohr spricht, ist die Absprache zwischen den zuständigen Ministerien, bevor ein Gesetz dem Parlament vorgelegt wird. Hier steckt der Entwurf aus dem Landwirtschaftsministerium seit fast zwei Jahren fest. Dabei wurde das von den Grünen geplante Gesetz schon während der Koalitionsverhandlungen massiv abgeschwächt. Ursprünglich sollte das Exportverbot generell alle verbotenen Pestizide betreffen. In Berlin treffen wir uns mit Staatssekretärin Silvia Bender aus dem Landwirtschaftsministerium, die auch schon in den Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß. 24 O Ton Bender In den Verhandlungen hat man sich dann am Ende darauf geeinigt zu sagen, wie in einem ersten Schritt, zunächst oder als als Ziel für diese Koalition konzentriert man sich jetzt auf die Pestizide, die tatsächlich aus Gesundheitsgründen nicht zugelassen sind. Erzähler Als Özdemir im September 2022 das Gesetz ankündigte, war also bereits klar: Umweltschädliche Stoffe wie das bienenschädliche Imidacloprid zum Beispiel werden vom geplanten Exportverbot ausgenommen. Denn BASF und Bayer hatten sich da schon längst in Stellung gebracht. Wie das abläuft, belegen Dokumente aus Rheinland-Pfalz, an die wir bei unseren Recherchen gelangen. Über ein Verbot muss im Bundesrat abgestimmt werden. Legen die Länder ein Veto ein, scheitert der Plan. In Rheinland-Pfalz ist die FDP-Ministerin Daniela Schmitt zuständig für Landwirtschaft. Am 19. November 2022, wenige Monate nach Özdemirs Ansage zum "zeitnahen" Exportverbot, schickte BASF ein Rechtsgutachten an den Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums Rheinland-Pfalz. Die Briefe liegen uns vor. Darin wird erläutert, warum ein Exportverbot rechtlich nicht zulässig sei. Sprecher Eine nationale Verordnung zur Regelung des Exports bestimmter Pflanzenschutzmittel wäre nicht in Einklang zu bringen mit höherrangig geltendem Europa- und Völkerrecht. Erzähler Zwei Monate später, am 19. Januar 2023 traf FDP-Landwirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz, Daniela Schmidt, sich mit einer Bayer-Delegation. Worum es bei dem Treffen ging, ist nicht bekannt. Wenige Wochen später besuchten dann BASF-Leute die Ministerin, Thema: Das Pestizid-Exportverbot. Anschließend schrieb ein Vertreter des Unternehmens in einer Mail, Unternehmen und Ministerin verbinde die "Leidenschaft für Landwirtschaft und Natur." Im April 2023 kamen dann schon wieder BASF-Leute ins Ministerium, wieder ging es ums Exportverbot. Dieses Mal hatten sie eine Liste an Gegenargumenten in der Tasche, die sie der Ministerin da ließen, als Argumentationshilfe. Zum Beispiel, dass ein deutsches Exportverbot gegen EU-Recht verstoßen würde. Ausführlich dargelegt auf 29 Seiten. Und natürlich: Ein Exportverbot würde die Nahrungssicherheit im globalen Süden gefährden. Außerdem müsse man bedenken, dass bei einem Exportverbot die Produktion von Pflanzenschutzmitteln ins Ausland abwandern könnte und zahllose Arbeitsplätze verloren gehen würden. In Rheinland-Pfalz hat BASF viele Standorte. Wir wollen von der Staatssekretärin Bender wissen: Wer bremst bei dem Gesetz? 25 O Ton Bender Also wir sprechen nicht über solche internen Streitigkeiten innerhalb der Bundesregierung, denn das führt natürlich dazu, dass die Verhandlungen auch nicht leichter werden. Erzähler Aus Parteikreisen der Grünen heißt es jedoch, die FDP-geführten Ministerien würden bei der Ressortabstimmung blockieren. Auf Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz schreibt das Justizministerium, man gebe keine Informationen zu laufenden Verhandlungen heraus. Das Verkehrsministerium, ebenfalls FDP, reagiert auf Presseanfragen über Monate hinweg nicht. Nur der Bundestagsabgeordnete Gero Hocker ist zum Interview bereit. Hocker ist Agrarpolitischer Sprecher der FDP, auch er hat beim Koalitionsvertrag mitverhandelt. 26 O Ton Hocker Die Frage ist, ob man nicht eine Industrie dazu, ich sage mal dazu treibt, geradezu im Ausland zu produzieren Erzähler In unserem Gespräch wiederholt Hocker all jene Argumente, die wir auch schon von Bayer und BASF kennen, vor allem: Die Industrie wandere ab, wenn das Verbot komme. Arbeitsplätze seien in Gefahr. 27 O Ton Hocker Ich könnte mir nur vorstellen, dass man vielleicht dann perspektivisch in Länder geht, wo nicht nur Wege kürzer sind, sondern wo auch Zulassungsverfahren unkomplizierter sind, als das vielleicht in Deutschland oder in Europa der Fall ist. Erzähler Über die Verhandlungen um das Exportverbot selbst will Hocker nichts sagen. MUSIK 28 O Ton Maurin Die FDP führt da so Argumente an, dass das Exportverbot nicht viel bringen würde, denn wenn Deutschland die Wirkstoffe nicht liefern würde, würden das andere machen und außerdem seien die Wirkstoffe sehr wichtig für die Länder, die die Wirkstoffe kaufen, um Lebensmittel zu produzieren. Erzähler Das ist der Journalist Jost Maurin von der taz. Er berichtet seit Jahren über Agrarpolitik und verfolgt auch das Thema Pestizidexportverbot genau. Er ist sich sicher, der Einfluss der Industrie hat längst gewirkt. 29 O Ton Maurin Ich halte diese Argumente der FDP für vorgeschoben, denn es geht hier tatsächlich um Wirkstoffe, die sehr gefährlich sind für die Gesundheit, die zum Beispiel Embryonen schädigen, Krebs erregen oder in geringer Menge tödlich wirken können. Und teils ist es auch so, dass Deutschland in der EU der einzige Exporteur ist. Also man kann schon sagen, dass die Verschleppung dieses Gesetzesvorhabens ein Erfolg des Lobbyings ist, der Chemieindustrie. 30 O Ton Terhorst Wir glauben, dass es andere und bessere Möglichkeiten gibt als ein Exportverbot. Erzähler Frank Terhorst, Leiter Strategie und Nachhaltigkeit von Bayer Crop Science. Wir treffen ihn in einem Büroraum von Bayer. Zwei Pressesprecher begleiten das Gespräch. Terhorst betont, schon seit 2013 habe sich Bayer selbst verpflichtet, keine Produkte mehr zu exportieren, die von der WHO als extremely hazardous, also "extrem gefährlich" eingestuft würden. Weiterhin im Einsatz sind allerdings Stoffe der Klasse highly hazardous, also "hoch gefährlich". 33 O Ton Terhorst Wir verkaufen ohnehin nur Produkte, die in mindestens einem OECD Land zugelassen sind. Das, glaube ich, wären gute Rahmenbedingungen für ein zukünftiges Portfolio. Und von daher werden wir das war, dass wir hier auf Innovation uns fokussieren und nicht auf Verbote. Erzähler Seit fast 20 Jahren beobachtet und dokumentiert der Verein Lobbycontrol den Einfluss von Lobbyisten auf die Politik. Ihre zentrale Forderung: Es braucht mehr Transparenz, denn jene mit mehr Geld, wie die großen Agrochemiekonzerne, würden deutlich mehr von der Politik gehört, als kleine Nichtregierungsorganisationen wie das Inkota-Netzwerk, bei dem Silke Bollmohr arbeitet. 35 O Ton Katzemich "Das, was wir so beobachten, ist schon, dass wenn Gesetze nicht kommen oder verwässert werden und die Öffentlichkeit wenig darüber spricht. Dann würde ich sagen, das ist schon ein klarer Lobbyerfolg für die Industrie. Erzähler Am Telefon sprechen wir mit Nina Katzemich, EU-Expertin von Lobbycontrol über das Exportverbot. Insbesondere die Chemieriesen Bayer und BASF beobachtet sie schon eine ganze Weile: 15 Millionen Euro geben die größten Chemiekonzerne und ihre Interessenverbände laut Lobbycontrol in Berlin im Jahr für Lobbyarbeit aus, in Brüssel waren es 2022 sogar über 33 Millionen. 36 O Ton Katzemich "Es ist ein unglaubliches Machtungleichgewicht. Da ist echt sehr sehr viel Geld im Spiel und mit viel Geld kann man natürlich auch was machen." Erzähler Wie aber funktioniert die Lobbyarbeit? Das gehe manchmal sehr diskret vor sich, sagt Katzemich. Bayer zum Beispiel wirbt gezielt ehemalige Politikerinnen und Politiker mit guten Kontakten an. So leitet seit ein paar Jahren zum Beispiel der ehemalige Grünen-Politiker Matthias Berninger den Bereich "Öffentlichkeit und Nachhaltigkeit" bei Bayer. Berninger saß lange im Bundestag und war sogar Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium. Bestens vernetzt also. Oder: Die Unternehmen laden Abgeordnete zu netten Events ein, wie zum Beispiel, als auf EU-Ebene darüber nachgedacht wurde, Landwirtschaft regionaler und umweltfreundlicher zu gestalten. Farm to Fork hieß die Initiative der EU, vom Hof auf den Tisch. 37 O Ton Katzemich Da hat BASF im EU-Parlament ein Wein-Tasting angeboten und dann der hauseigene Sommelier in so einer Videokonferenz was darüber erzählt über den Wein. Man hatte also eine nette Runde und danach gab es dann im Anschluss über Farm to Fork zu diskutieren. Und das ist auch so ein Klassiker. Die sitzen da in ihren großen Lobbybüros in Berlin und die haben einfach genug Ressourcen, um an alle wichtigen Politiker:innen heranzutreten und mit denen im jeweils im angemessenen Ton. Und bei Abgeordneten macht man das so, zum Essen einladen, gerne auch mal in Sternerestaurants oder wie hier mit dem Sommelier. Das ist nicht Korruption oder so, aber das schafft natürlich auch ein sehr angenehmes Klima. Erzähler Es gibt auch andere Formen der Einflussnahme. So hat das Unternehmen Bayer 2013 in Washington mehr als eine halbe Million Euro in Werbung investiert, um die Einführung eines Gentechnik-Labels auf Lebensmitteln zu verhindern. Mit Erfolg. Oder der Weg über die Wissenschaft: Über Jahre zahlte Bayer einen jährlichen sechsstelligen Betrag an die Universität Köln für die Zusammenarbeit an Forschungsprojekten, berichtete der Spiegel. Wie genau die Kooperation aussieht, das halten Universität und Unternehmen geheim. 38 O Ton Katzemich Und last but not least denke ich, ist natürlich auch super relevant, dass sie auch immer mit ein bisschen, wir nennen es Panikmache, winken können. Also dass man sagt hier, also erstens kommt da wieder der Hunger ins Spiel, aber natürlich auch das Thema Arbeitsplätze, wir können dann gar nicht mehr produzieren. Das sind einfach gigantische Arbeitgeber und da guckt Politik tatsächlich auch zwei Mal hin. Erzähler Aber nicht nur in Deutschland nehmen die Agrochemie-Unternehmen wie Bayer Einfluss auf die Politik, sondern auch in Kenia. Und auch hier gibt es Menschen, die versuchen, sich dagegen zu wehren. 18 Atmo Daniel stapft über das Feld bei seinem Seed Savers Network, man hört Schritte auf Gras 39 O Ton Wanjama The traditional way of farming, the way my grandmother used to do farming, is a combination of a lot of things. The focus of my grandmother was never money. Her focus was to grow food for her family, who were my mother and other people. The focus was just to feed people. OV-Sprecher 4 In der traditionellen Landwirtschaft hat meine Großmutter vieles kombiniert. Ihr Fokus war nie Geld, ihr Ziel war es, Essen für ihre Familie anbauen. Es ging darum, Menschen zu ernähren. Erzählerin Das ist Daniel Wanjama, wir treffen ihn am Rande der kenianischen Kleinstadt Gilgil auf dem Gelände des Seed Savers Network, einer Organisation, die sich für ökologische Landwirtschaft stark macht. Sie bauen hier im Garten lokale Sorten an, ohne Pestizide, und bieten Workshops für Bauern an. Wanjama stammt selbst aus einer Familie von Kleinbauern. Als junger Mann arbeitete Wanjama beim Landwirtschaftsministerium in Nairobi, er sollte Landwirte unterstützen, Trainings organisieren, ihnen zeigen, wie sie effizienter Landwirtschaft betreiben können. 40 O-Ton Wanjama While I was working for the ministry, the people who were collaborating closely with the ministry are these agrochemical companies. I could remember being invited to trainings by Syngenta. Syngenta would organize trainings, even Bayer, trainings for the ministry people including the people who have agro shops. OV-Sprecher 4 Im Ministerium haben wir eng mit den Agrochemie-Konzernen zusammengearbeitet. Ich erinnere mich, zu Trainings von Syngenta eingeladen worden zu sein. Auch Bayer organisierte diese Trainings für die Mitarbeiter des Ministeriums und für Leute, die Agroshops betreiben. 41 O-Ton Wanjama For instance, there is a program that we were giving vouchers so that farmers would go and access chemicals and hybrid seeds. And once they get used to using chemicals, fertilizers, and hybrid seeds, they're supposed to buy on their own. I realized it's not really serving the people, it's serving only the companies OV-Sprecher 4 Es gab zum Beispiel ein Programm, bei dem Gutscheine für Pestizide und hybrides Saatgut an Bauern verteilt wurden. Und sobald sie daran gewöhnt waren, sollten sie es selbst kaufen. Irgendwann merkte ich, dass das am Ende nicht den Menschen dient, sondern den Firmen. Erzählerin Schließlich sei ihm klar geworden: Ausländische Unternehmen gestalten die Landwirtschaftspolitik in Kenia, und zu ihren Gunsten. Und die Behörden sind sogar noch dankbar dafür. Die Empfehlungen für die Bauern klingen wie aus einem Bayer-Werbekatalog: Mehr Monokulturen, mehr Dünger, mehr Pestizide. 42 O Ton Wanjama One of the weird methods I used to find with the agro chemical industries is that they used to organize workshops for the ministry of agriculture staff. And in this case they used to say we have come up with this new product, it is working like this, and you need to recommend it. Even the very senior ministry officials would attend these functions and say we will support you in this. OV-Sprecher 4 Ich fand es merkwürdig, dass die Agrochemie-Konzerne Workshops für Mitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums organisiert haben. Sie kamen mit neuen Produkten, stellten sie vor und sagten, die müsst ihr empfehlen. Und hohe Beamte des Ministeriums kamen und sagten ihnen ihre Unterstützung zu. Erzählerin Was Wanjama uns erzählt, wird uns auch von anderen in Kenia berichtet. Gespräche zwischen Ministerium und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu den Folgen von Pestizideinsatz, bei denen plötzlich Vertreter von Bayer oder BASF auftauchen. Gesponserte Reisen für Politikerinnen oder Beamte, von der Industrie bezahlt. Doch auch Bayer steht zunehmend unter Druck. Nach der Übernahme des umstrittenen Konzerns Monsanto im Jahr 2018 und den Klagen in den USA wegen des Unkrautvernichters Glyphosat ist das Unternehmen um seinen Ruf bemüht. Deswegen gibt es seit einigen Jahren "Bayer Center of Excellence" im ganzen Land. 19 Atmo Autofahrt Erzählerin Wir sind auf dem Weg zu einem Bayer Center of Excellence in Mwea. Angeblich sollen Bauern dort den richtigen Umgang mit Pestiziden lernen - und den richtigen Schutz. Auf dem Testfeld stehen die Maisstauden besonders hoch, leuchtend grün. 20 Atmo Bayercenter Unser Gesprächspartner heißt Erastus Mwangi, seit mehr als sechs Jahren führt er Schulungen für Bayer durch. 44 O-Ton Mwangi There was a need to bring such an institution around here because farmers don't know. They just go into a shop, get a chemical and just apply it anyhow. OV-Sprecher 5 Es gab großen Bedarf für unsere Einrichtung, weil die Bauern nicht Bescheid wissen. Die kaufen irgendwelche Chemikalien und sprühen sie dann einfach. 21 Atmo Erastus zeigt das Feld Erzählerin Mwangi zeigt stolz das Feld mit dem hohen Mais und den rot glänzenden Tomaten. Hier sollen die Bauern sehen, wie gut die Bayer-Produkte funktionieren. Mwangi hat für alles die entsprechenden Hochglanz-Broschüren zur Hand. Dann lässt er uns von einem Mitarbeiter das korrekte Anlegen einer Schutzausrüstung vorführen. Der Mann zieht die Schutzhose über die Gummistiefel, die Jacke über die Handschuhe, eine Schutzbrille und eine Atemmaske vors Gesicht. Immer wieder klingelt Mwangis Telefon. Es sind Bauern, die ihn bitten vorbeizukommen, weil sie Probleme mit ihren Pflanzen haben. Mwangi ist für viele der einzige Experte, an den sie sich wenden können. 45 O-Ton Mwangi I'm here, as an agronomist, to guide them on the good use of these chemicals. OV-Sprecher 5 Ich kann sie hier als Agronom zur richtigen Anwendung dieser Chemikalien beraten. Erzählerin Das klingt erstmal gut - aber die Produkte, die er empfiehlt: Natürlich ausschließlich Bayer-Produkte. Und die meisten Sprüher können sich die vorgeführte Schutzausrüstung gar nicht leisten. Auf den Feldern in der Umgebung sieht man niemanden, der auch nur annähernd geschützt ist. Es wird klar: Das vermeintliche Aufklärungszentrum ist am Ende ein reines Verkaufsprojekt. Erzählerin Auch in Kenia gibt es eine Behörde, die den Einsatz von Pestiziden kontrollieren soll. Doch sie ist chronisch unterfinanziert und arbeitet deshalb eng mit CropLife zusammen, dem Dachverband der Agrochemie-Industrie. CropLife finanziert den Mitarbeitern dieser Behörde Fortbildungen und Reisen und führt sie mit Agrar-Expertinnen und Experten zusammen. 47 O-Ton Kimunguyi We focus all our energies to change the mindset of the farmer so the farmers do profitable business and people see value in crop protection products. OV-Sprecher 7 Wir tun alles dafür, dass die Bauern verstehen, was für ein großes Potential in Pflanzenschutzmitteln steckt. Erzählerin erzählt uns der Geschäftsführer von Croplife Kenya, Eric Kumunguyi. Wie einflussreich Croplife ist, sieht man auch daran, dass rund die Hälfte der Gewinne durch Importzölle auf Pflanzenschutzmittel direkt an den Lobbyverband selbst fließen. Die Mittel erhält die Industrie für ihre Kontrollaufgaben, die ihr vom kenianischen Staat überlassen wurden. Für die Vision des kenianischen Präsidenten von einer industriellen Landwirtschaft sind die europäischen Unternehmen unabdingbar. 48 O-Ton Kimunguyi They bring innovations, they are adding value. They have invested in responsible care, responsible products and knowledge to manage the innovations sustainably. OV-Sprecher 7 Sie bringen Innovation ins Land und treiben die Landwirtschaft voran. Diese Unternehmen haben ihre Produkte verantwortungsbewusst entwickelt und sie fördern das Wissen bei den Bauern, wie man richtig mit ihnen umgeht. Erzählerin Was für Kimunguyi allerdings keine Rolle spielt: Die Produkte, die sie vertreiben, sind eigentlich für eine industrielle Landwirtschaft entwickelt worden. In Kenia werden sie aber größtenteils von Kleinbauern verwendet, nah an Häusern, an Trinkwasserquellen und ohne jeglichen Schutz, oft ohne die Einhaltung der nötigen Wartezeiten zwischen Sprühen und Ernten. 22 Atmo Insekten etc im Garten beim Seed Savers Network Erzählerin Auf dem Testfeld der Organsiation "Seed-Saver-Networks" steht Daniel Wanjama und will zeigen, dass es auch Alternativen gibt. Hochbeete in Kreisform, ein Hasenstall, Bäume, um die herum Wassersammelbecken ausgehoben sind. Hier wird mit verschiedenen Methoden der Agrarökologie experimentiert: Pflanzenschutzmittel aus Tier-Urin, sparsame Wasserkreisläufe oder das Züchten von Nutzpflanzen, deren Saatgut wieder verwendet werden kann. Ziel ist es, Synergien zwischen Pflanzen, Tieren, Boden und Wasser zu nutzen. 49 O Ton Wanjama A lot has changed. I won't say it's because of me. But I think times have changed, and there is now some progress in ideas, in openness to see whether there are also options as opposed to only the use of agro chemicals OV Sprecher 4 Vieles hat sich schon geändert, nicht unbedingt wegen meiner Arbeit, aber ich glaube, es gibt Fortschritte und neue Ideen, mehr Offenheit für Alternativen zu der einseitigen Nutzung von Pestiziden. Erzählerin Jede Woche kommen Bauern aus der Region zu Wanjama, um zu lernen, wie man ohne chemische Pestizide erfolgreich Landwirtschaft betreiben kann. Viele erzählen, dass es Krebsfälle in der Familie, eigene Pestizidvergiftungen oder verunreinigte Gewässer sind, die sie hierhergetrieben haben. 50 O Ton Wanjama I know agrochemical industries have been using policy makers. I don't know how they talk, whether they bribe them or not. I know that has been their strength. But they may not have strength at the grassroots, and they will not have strength in support of the law because we're talking about constitutional rights that they are violating. That way they might not have an escape. They have to do a fair business. our food should be as safe as the food that we are sending out of the country. OV Sprecher 4 Ich weiß, dass die Agro-Chemie-Industrie Einfluss auf die Politik nimmt, ich weiß nicht, ob es Korruption ist oder nicht. Sie können das gut. Aber was sie nicht können, ist die Graswurzelbewegungen zu beeinflussen oder die Gesetze. Es geht hier um Grundrechte, die sie verletzen. Aus der Verantwortung kommen sie nicht raus. Unser Essen sollte genauso so sicher sein, wie das Essen, das wir exportieren. Absage Exportschlager Gift. Der Einfluss der Agrochemie-Lobby. Ein Feature von Paul Hildebrandt und Birte Mensing. Es sprachen: die Autorin, der Autor sowie Philipp Engelhardt, Robert Frank und Talin Lopez Wiegmann Ton und Technik: Lukas Wilke Regie: Beatrix Ackers Redaktion: Christiane Habermalz Eine Produktion des Deutschlandfunks 2024. 1