Hörspiel Feature Radiokunst Das Feature Paradise On Fire - Leben mit dem Inferno in Kalifornien Autor: Arndt Peltner Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Christiane Habermalz Produktion: Deutschlandfunk 2021 Erstsendung: Dienstag, 02.11.2021, 19.15 Uhr Wiederholung: Dienstag, 24.09.2024, 19.15 Uhr Es sprachen: David Vormweg, Bruno Winzen, Tom Jacobs, Justine Hauer und Sigrid Burkholder Ton und Technik: Gunther Rose und Caroline Thon Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Atmo 1 TV News Tubbs Fire 2017 O-Ton 1 (Schmid) They were very, very strong, probably 40, 50, 60 miles an hour when I went to bed, and what happened was around one in the morning, I got one 15, I got a call from a neighbor who said, there's a fire. We need to get out. Übersetzerin 1: Die Winde waren sehr, sehr stark, bis zu 100 Stundenkilometern. Um ein Uhr nachts rief mich ein Nachbar an und sagte: Da ist Feuer. Wir müssen raus. Sprecher 1: Ich kenne Kathie Schmid seit mehr als 15 Jahren. Sie ist eine umtriebige Frau, die ihre eigene Theatergruppe unterhält und sich vor vielen Jahren mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann ein Traumhaus im Bennett Creek Valley am Rande der nordkalifornischen Kleinstadt Santa Rosa gebaut hat. Von hier nach San Francisco fährt man etwa eine Stunde mit dem Auto. Es ist eine abgelegene, auf einer Anhöhe liegende Ansiedlung mit etwa 130 Häusern. Nur eine Straße führt hinauf und hinab. Ein Idyll im Grünen. Dann kam der Oktober 2017, heftige Winde trieben die Flammen des "Tubbs Fires" durch die Bezirke Napa und Sonoma. O-Ton 2 (Schmid) I went on my roof deck and looked out toward the park and I saw a light dome, no flames yet, but the light dome from the fire that was clearly in the park was so tall. It seemed like it was maybe 10 stories, 10 stories, high, 15 stories high. And the wind was so strong. And at that point, um, it was probably 65, 70 miles an hour. I knew that the neighborhood would probably be rubbel by the morning and I needed to get out. And I basically grabbed a computer, a laptop computer, put it in a laundry basket with a pillow, uh, my eyeglasses and left. And that was it. And I figured the house will be gone within hours. Übersetzerin 1: Ich bin hoch auf meine Dachterrasse und habe rüber zum Park geschaut, und da war ein Lichtdom, keine Flammen, aber der Lichtdom war riesig, zehn, fünfzehn Stockwerke hoch. Und der Wind wurde immer stärker, über 100 Stundenkilometer. Ich wusste, dass die Nachbarschaft am Morgen in Schutt und Asche liegen würde und ich weg musste. Ich habe meinen Laptop in einen Wäschekorb gelegt, ein Kissen, meine Brille genommen. Das wars. Und ich dachte, das Haus gibt es in ein paar Stunden nicht mehr. Atmo: Feuer, Wind, Einsatzkräfte Tubbs Fire Darüber: Sprecher 2: Paradise On Fire. Leben mit dem Inferno in Kalifornien. Ein Feature von Arndt Peltner. Atmowechsel: Außenatmo Bennett Creek Valley Sprecher 1: Das Haus von Kathie blieb damals stehen, wie durch ein Wunder. In dieser Nacht verbrannten 100 der 130 Häuser in ihrer Nachbarschaft. Vier Jahre später sitzen Kathie und ich in ihrem Wohnzimmer mit einem sagenhaften Blick auf das Bennett Creek Valley. Die Nachbarhäuser sieht man kaum, jedes Grundstück ist zwischen 8000 und 10.000 Quadratmeter groß. Häuser hier kosten zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Dollar. Draußen ist es warm und verraucht. Der Wind trägt den Rauch und die Asche von zwei Großfeuern in etwa 150 Kilometer Entfernung bis hierher. O-Ton 3 (Schmid) Much of the forest was burned and my house had survived basically because my vegetation management is good. I didn't have any trees that were right around the house. My grass, all my grass, I have two acres is kept short. Um, and I had watered garden flowers and shrubs around the house that was very green. And so the fire came up to the edge of the watered garden and then just went around it, stopped and, and bypassed it. Übersetzerin 1: Fast der ganze Wald im Park hier drüben brannte ab. Mein Haus blieb stehen, weil ich schon immer den Wildwuchs der Pflanzen in meinem Garten zurückgeschnitten habe. Ich habe hier keine Bäume direkt am Haus. Das Gras auf dem Grundstück wird regelmäßig gemäht. Außerdem sind mein Blumengarten und die Büsche am Haus gut bewässert. Das Feuer kam also bis genau dorthin, kroch außenrum, stoppte und machte dann kehrt. Sprecher 1: In jener Nacht, als das Feuer in Sonoma County wütete, rief ich Kathie an, wollte wissen wie es ihr geht, ob sie sicher sei, und bot ihr an, zu mir nach Oakland zu kommen. Doch ich erreichte sie nicht, sprach ihr nur auf die Mailbox. Es war nicht das erste und auch nicht das einzige Mal, dass ich in den letzten Jahren in solchen Momenten Freunde anrief. Die Feuergefahr ist für viele in Kalifornien zum bitteren Alltag geworden. Auch für mich. Ich muss nur aus dem Fenster meines Büros blicken und sehe den East Bay Regional Park vor mir, ein riesiger Park am Rande von Oakland mit Redwoods und Eukalyptus-Bäumen, endlosen Wanderwegen. Ein wunderbares Naherholungsgebiet, doch gleichzeitig eine Waldfläche, die immer öfter an den sogenannten "Red Flag Days" gesperrt wird - dann, wenn die Feuergefahr in der Region als "extrem" eingestuft wird. Als ich vor 25 Jahren von Deutschland nach Kalifonien zog, wurde mir erzählt, es gebe hier fünf Jahreszeiten. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und dann noch die "Fireseason": die Wochen und Monate nach einem heißen Sommer, wenn, aus dem Landesinneren kommend, heftige trockene Winde schon die kleinsten Funken und Flammen anheizen können. Doch das ist lange her. Atmo: Wettervorhersage mit Red Flag Warning Sprecher 1: Obwohl das "Tubbs Fire" 2017 nur etwa 15.000 Hektar vernichtete, galt es damals als das zerstörerischste in der Geschichte Kaliforniens. 5643 Gebäude wurden Opfer der Flammen, 22 Menschen starben. Doch dieser "Rekord" hielt nicht lange. Schon ein Jahr später vernichtete das "Camp Fire" in Butte (Bi-uht) County auf einer Fläche von 62.000 Hektar 19.000 Gebäude, 85 Menschen starben in den Flammen. Das "Tubbs Fire" taucht heute, nach vier Jahren, noch nicht einmal mehr in den Top Ten der größten Feuer Kaliforniens auf. Der Golden State brennt, nicht mehr nur in der eigentlichen "Fire Season". Nein, mittlerweile ist das ganze Jahr über "Fire Season". O-Ton 4 (Foreman) You know, I think that's a pretty accurate statement. We almost aren't at a fire season, uh, at all anymore. Um, we had red flag warnings in January in 2020. Sprecher 1: Cindy Foreman ist Leiterin einer Feuerwehrwache in Windsor und "Fire Marshall", Brandinspektorin für den gesamten Bezirk Sonoma. Ich habe sie in ihrem Büro aufgesucht, weil ich wissen wollte, wo sie die Hauptgründe für die allgegenwärtigen Feuergefahr sieht. Für Zweidrittel der US Bürger - das ergab eine Umfrage des "Pew Research Centers" in diesem Jahr, ist der Klimawandel mittlerweile ein "urgent problem", ein akutes Problem. Und Kalifornien hat auch unter Donald Trump den Klimaschutz nie aus den Augen verloren. Der Golden State gilt als Vorkämpfer in den USA, wenn es um eine grüne und klimafreundliche Politik geht. Cindy Foreman kommt denn auch im Gespräch schnell zur Sache. O-Ton 5 (Foreman) I'm not a climate change expert, but I will tell you that as a lay person, um, I can actually see the effects of climate change. I can see, um, you know, right now we're in historical drought conditions in California. The last time that I experienced this in my lifetime was in the mid early to mid seventies. And it wasn't even as bad as it is now. Um, the wind events that we're starting to see in Sonoma county, I've been working in Sonoma county for 20 years. And up until 2017, we did not have the kind of wind events that we've had in this county since then. Now we have them not just in the fall, but we've had some pretty significant wind events in the winter and in the spring. Um, so that was not present 20 years ago when I moved into Sonoma county. Übersetzerin 2: Ich bin keine Klimaexpertin, aber als Laie kann ich die Auswirkungen des Klimawandels sehen. Wir haben hier in Kalifornien eine historische Dürre. Das letzte Mal, dass ich so was erlebt habe, war Anfang der 1970er Jahre und damals war es nicht so schlimm wie jetzt. Auch diese Winde, die wir hier nun haben, gab es anfangs nicht. Seit 2017 ist das alles anders. Wir haben den Wind nicht nur im Herbst, sondern auch im Winter und im Frühjahr. Das gab es vor 20 Jahren nicht, als ich hier nach Sonoma County zog. Sprecher 1: Auch 2020 war ein schlimmes Jahr. Im September brannten fünf der sechs größten Brände, die der Bundesstaat je erlebt hatte, gleichzeitig. Zeitweilig mussten 140.000 Menschen evakuiert werden, es gab 31 Tote. Und jetzt, während wir hier sitzen und reden, sorgt das Dixie-Fire jeden Tag für neue Schlagzeilen. Atmo: Dixie Fire im August/News Sprecher 1: Das Dixie Fire brach am 14. Juli 2021 aus. Innerhalb von fast zwei Monaten wuchs es auf eine Größe, die rund viermal so groß ist wie das gesamte Stadtgebiet von Berlin. Im August erreichten die Flammen die 90.000 Einwohner-Stadt Greenville. Innerhalb von Stunden wurde die historische Goldgräberstadt zerstört. Die Nachrichten von den fassungslosen Menschen, die vor den rauchenden Trümmern standen, gingen um die Welt. Einspiel Musik: "California Dreaming" Dark Version von Robot Koch & Delhia de France Sprecher 1: Und mittendrin in diesem Kampf gegen die Flammen, brach Mitte August nur etwa 130 Kilometer weiter südlich das Caldor Fire aus, das gleich mehrere Ortschaften in der Nähe des Lake Tahoe gefährdete. Hinzu kamen weitere Brände im Bundesstaat. Einspielmusik kurz hochziehen Sprecher 1: Kalifornien war lange Zeit der Inbegriff des American Dream. Es ist das Land der Schönen und Reichen. Silicon Valley und Hollywood, LA und San Francisco. Fortschrittlich und liberal. Doch über dem Paradies hängt immer öfter ein beißender Geruch nach Rauch. Wegen der andauernden Brände gab es in der jüngsten Zeit regelmäßig Tage, da gehörten San Francisco und Oakland zu den Orten mit der schlechtesten Luftqualität weltweit. Einspielmusik hochziehen Sprecher 1: Was ist geblieben vom Traum eines besseren Amerika im sonnenverwöhnten Golden State? Wie schön lebt es sich hier noch, wenn das Inferno zum Alltag wird? O-Ton 6 (Willcutt) How are you? I am in the middle of a meeting, but it's, it's, uh, it's not that kind of meeting. I can talk if that makes sense. I don't know if it does or not. Sprecher 1: Bobbin Willcutt erreiche ich in ihrem Büro in Saint Helena, im Napa Valley. Sie ist Immobilienmaklerin für den gehobenen Anspruch, vermittelt Grundstücke und Häuser in Napa und Sonoma County für zehn und mehr Millionen Dollar. Nein, dass die Leute scharenweise die Gegend verlassen, habe sie noch nicht bemerkt, sagt sie. Durch die Pandemie seien zuletzt eher sehr viele Menschen aus San Francisco hierher gezogen, weil sie hier mehr Platz, einen Garten, Privatsphäre haben. Und klar, es ziehen immer auch wieder Leute weg. O-Ton 7 (Bobbitt) You know, sometimes you get that, you get politics, fire, drought taxes. Um, I don't know. All I know is all my friends had moved out of California. Most of my friends have left and I, I don't know if it's just so much the drought or, um, the fires. I think it's more, I think it's more politics and taxes. A lot of people who've moved to Nevada. They've moved to Texas because it's less expensive to get a lot more for your money. Um, Arizona, Colorado, Montana, Idaho. Übersetzerin 3: Da hört man als Gründe alles, Politik, Feuer, Dürre, hohe Steuern. Aber alle meine Freunde sind mittlerweile aus Kalifornien weggezogen. Ich weiß nicht, ob es nur die Dürre oder die Feuer sind. Ich glaube, es liegt mehr an der Politik und den Steuern. Viele sind nach Nevada gezogen, nach Texas, denn da ist es weniger teuer und man bekommt mehr für sein Geld...auch in Arizona, Colorado, Montana, Idaho. O-Ton 8 (Davis) We have considered that. I have to say, I have to admit. With the real estate market here in California right now, I mean, where would we go? So, um, so I kind of, we've kind of decided to stay for a while. Übersetzer 1: Wir haben drüber nachgedacht, das muss ich zugeben. Aber bei den Immobilienpreisen hier in Kalifornien, wohin will man denn da? Also bleiben wir hier noch eine Weile. Sprecher 1: Warren Davis lebt in der Nachbarschaft von Kathie Schmid im Bennett Creek Valley. Auch er erlebte die Feuernacht 2017: O-Ton 9 (Davis) We were overnight in San Francisco and our petsitter called and said that there was 70 foot flame links, uh, down the hill from the house and that she was leaving with the pets. Übersetzer 1: Wir waren über Nacht in San Francisco, als uns unser "Petsitter" anrief und sagte, bergab seien 20 Meter hohe Flammen zu sehen. Sie wird jetzt mit den Tieren das Haus verlassen. Sprecher 1: Warren Davis ist pensionierter Feuerwehrmann. In jener Nacht wollte er nicht einfach abwarten und hoffen, er sprang ins Auto und fuhr geradewegs dem Feuer entgegen. Er wusste, was zu tun war und auch, wann der Augenblick gekommen ist, die Flucht vor den Flammen anzutreten: O-Ton 10 (Davis) I drove home and proceeded to save my house. Um, when I first arrived, I had, uh, water for only about 20 minutes. So when I, when a house burns down, obviously the water line is open. And so with 80 homes burning, that was 80 pipes that were open and they drained the tanks. So I had 20 minutes and I used that time to put the fires out that were going up the tree trunks, uh, to prevent the canopies of the trees from, uh, igniting, because once the canopies are, are going, the radiant heat is unbearable and, and not survivable. Übersetzer 1: Ich fuhr zurück, um mein Haus zu retten. Als ich ankam, hatte ich nur 20 Minuten lang Wasser. Denn wenn 80 Häuser brennen, sind 80 Wasserleitungen geöffnet. Weil die Leute löschen oder weil durch das Feuer die Leitungen geplatzt sind, ist der gemeinsame Wassertank dann schnell leer. Also hatte ich nur 20 Minuten, um die Flammen zu löschen, die schon an den Bäumen hochloderten. Denn wenn einmal die Baumkronen brennen, wird die Hitze unerträglich, das überlebt man nicht. Sprecher 1: Als kein Wasser mehr aus seinem Gartenschlauch kam, nahm er eine Schippe und schaufelte die ganze Nacht Erde auf die Flammen am Boden rund um sein Haus. Zwei Wochen lang schaufelte er Erde, immer und immer wieder, bis die letzte rauchende Glut erstickt war. So rettete er sein Haus vor dem Feuer. O-Ton 11 (Davis) So, um, so that's, that's pretty much, uh, how I did it. Sprecher 1: Vor allem die Kleinstadt Santa Rosa wurde 2017 vom Tubbs Fire hart getroffen. Die heftigen Winde mit bis zu 120 Stundenkilometern Geschwindigkeit wirkten wie ein Fön auf die Flammen. Funken wurden kilometerweit getragen, um an anderer Stelle neue Brände zu entfachen. Was viele für nicht möglich gehalten hatten passierte: Die Flammen überquerten den Freeway 101 (One-Oh-One), den Feuerexperten als natürliche Barriere angesehen hatten. Auf der westlichen Seite des 101 liegt der Stadtteil "Coffey Park". Dort wohnte seit Anfang der 1990er Jahre die Deutsche Birgit Liskey mit ihrem amerikanischen Mann und zwei mittlerweile erwachsenen Kindern. Birgit habe ich über eine gemeinsame Freundin kennengelernt. Ja, sie könne mir einiges über diese Nacht erzählen, meinte sie am Telefon, als ich sie anrief. Ich solle doch einfach mal hoch nach Santa Rosa kommen, dann könnten wir reden bei einem Glas Wein. Atmo: Gespräch Liskey Birgit Liskey erinnert sich noch genau an die Nacht vom 8. auf den 9. Oktober 2017: O-Ton 12 (Liskey) Das war am Sonntag, Sonntagabend, wir sind ins Bett gegangen, wie gewohnt, das war so 10 Uhr. Es war sehr warm draußen und sehr windig. Und ich hatte so die Tür offen und bin immer mal wieder aufgewacht und habe diesen Feuergeruch, ich habs gerochen. Ich habe gedacht, mein Nachbar macht irgendeinen Grillabend und die sind noch nicht ins Bett gegangen. Sprecher 1: Gegen 2 Uhr morgens wachte sie erneut auf. Der Rauchgeruch lag intensiv in der Luft, draußen wehte ein heftiger Wind, es war heiß. Und dazu dieses orangene Licht. O-Ton 13 (Liskey) Ich habe meinen Mann aufgeweckt und gesagt, also es ist irgendwie seltsam hier, es ist irgendwas los. Und er guckt, versucht das Licht anzumachen, geht alles nicht, Licht ist aus. Das einzige was noch funktioniert hat ist unser Telefon, wir hatten noch Internet und hatten dann rausgefunden, dass es hier brennt irgendwo. Und sind dann nach vorne gelaufen und unsere ganze Straße war voll mit Autos...und wir dachten, morgens um 2, was ist denn jetzt los, wo fahren die alle hin und warum? Sprecher 1: Liskey und ihr Mann waren überrascht, denn keine Feuerwehr, keine Polizei war zu sehen. Auch gab es keine Warnungen und Aufrufe zur Evakuierung. Sie wollten dennoch auf Nummer sicher gehen. Birgit Liskey packte ein paar Sachen in einen Rucksack, etwas Futter, Wasser und eine Decke für die beiden Hunde. Die Familienkatze konnten sie bei ihrem überraschenden Aufbruch nicht finden. O-Ton 14 (Liskey) Dann sind wir losgefahren, ich arbeite ungefähr zehn Minuten von hier in einer Tierklinik und wir hatten vor, dass wir unsere Hunde bei der Tierklinik abgeben. Und da sind wir dahin gekommen, die hatten kein Licht, keine Elektrizität. Dann hat sich Ron überlegt, ich fahre jetzt mal zurück und guck mal an, was da los ist. Und er ist nicht weit gekommen, bis vorne an die Kreuzung, an der Ecke, da war so ein Waffengeschäft und das ist explodiert, und er ist gar nicht mehr reingekommen, es hat alles schon gebrannt. Sprecher 1: Die beiden halfen in diesen dramatischen Nachtstunden, die Tierklinik zu evakuieren. Mit ihrem Auto brachten sie Hunde, Katzen und andere Tiere in eine Notfallklinik im benachbarten Rohnert Park. O-Ton 15 (Liskey) Bis wir fertig waren, da war es 6 Uhr morgens, da sind wir zu so einem Cafe gegangen, das offen war und haben dann rausgefunden, unsere Tochter hat uns angerufen, hat gesagt, euer Haus steht nicht mehr. Also unsere Nachbarn da oben haben gesagt, wir sind um halb drei morgens los und um drei war alles weg. Alles abgebrannt. Sprecher 1: Wir sitzen bei diesem Gespräch auf der Terrasse des neuen Hauses, das an gleicher Stelle wieder aufgebaut wurde. Der Garten ist nur trockener, schwarzer, kahler Boden, noch ist nichts gepflanzt. Direkt hinter dem Garten verläuft die Trasse der Regionalbahn. Seit ein paar Wochen leben die Liskeys wieder hier, nach etwa dreieinhalb Jahren, in denen sie erst bei Freunden, dann in einem kleinen Apartment in einer Nachbarstadt untergekommen waren. In derselben Straße, in denen ihre Kinder aufgewachsen sind. Doch sie ist nicht wiederzuerkennen. Wenn man von der Hauptstraße abbiegt, scheint alles noch ganz normal zu sein. Ältere Häuser, davor größere Bäume, die Schatten spenden. Und dann auf einmal eine Schneise. Neue Gebäude, kaum Pflanzen, wie in einem Neubaugebiet. Der Wiederaufbau wurde mithilfe von staatlichen Notfonds und durch Versicherungsgelder bezahlt, zumindest bei denen, die eine Brandversicherung hatten, wie die Liskeys. Doch viele andere Hausbesitzer sind unterversichert, selbst in den stark brandgefährdeten Gebieten. Und es wird zunehmend schwieriger, überhaupt noch Versicherungen zu finden, die bereit sind, für Häuser in Kalifornien Brandschutzpolicen abzuschließen. O-Ton 16 (Liskey) Wir haben dann versucht am nächsten Tag hier reinzukommen und wir konnten nicht. Ich glaube, am übernächsten Tag sind wir dann...und ich kann Dir Bilder zeigen...wir sind dann reingekommen und es war so unwirklich. Du läufst dann rein und da ist alles Asche. Alles ist nur flach. Du hast irgendwie keine Gefühle. Du sitzt irgendwo nur und bist so...guckst Dir das nur an und denkst Dir, das ist so unwirklich, als wärst Du das gar nicht selber. Sprecher 1: Nichts war mehr da. Die Autos waren in der Hitze der Flammen geschmolzen. Das Holzhaus, bis auf das Beton-Fundament, mit allem darin verbrannt. O-Ton 17 (Liskey) Wir haben alles verloren. ...mein Vater war gestorben und das einzige, was ich von ihm hatte, war ein Ring, den er zur Geburt meines älteren Bruders bekommen hat, meine Mutter hatte mir den gegeben. Ich bin hier im Garten gesessen mit einem Sieb und habe versucht den Ring zu finden, nur dieses eine Teil...hab nichts gefunden. Atmo: Fire Department Radiofunk bei Ausbruch eines Großfeuers Sprecher 1: Kalifornien - da denken viele vor allem an Strand, Sonne und Palmen. Doch tatsächlich sind große Teile des Landes mit Wald bedeckt. Seine Forste sind zusammen so groß wie alle neuen Bundesländer plus Hessen zusammen. 60 Prozent davon sind im öffentlichen Besitz, kontrolliert von der nationalen Forstbehörde, den Nationalparks, vom Staat Kalifornien oder den Bezirken. 40 Prozent des Waldes im Golden State sind in Privathand. Dass die Brände in Kalifornien heute so verheerende Ausmaße angenommen haben, liegt jedoch nicht nur am Klimawandel. Es hat auch viel mit Fehlern in der bisherigen Forstwirtschaft zu tun. O-Ton 18 (West) And they came out after studying all the fires that we ought to have what they call at 10:00 AM policy. And the 10:00 AM policy states that you re you get all the resources you can get by the fire stop to put it out before 10:00 AM the next morning. In other words, don't let it burn, just go and put it out. That was a policy all the way through, uh, until about 1970, all right, actually about 75. Übersetzer 2: Es gab nach der Gründung der nationalen Forstbehörde vor über 100 Jahren die sogenannte "10 Uhr Regel", die da hieß, dass bis zum nächsten Morgen um zehn das Feuer gelöscht sein musste, mit allen verfügbaren Mitteln. Mit anderen Worten, man darf das Feuer nicht ausbrennen lassen. Und diese Regel war bis 1975 gültig. Sprecher 1: Allan West ist ein Veteran im Kampf gegen das Feuer in Kalifornien. 40 Jahre lang war der Forstwissenschaftler für die Brandbekämpfung beim US Forest Service zuständig. Jetzt ist er im Ruhestand. Ich habe ihn telefonisch zuhause im südkalifornischen Ojai erreicht. Ja, räumt er ein, es seien fatale Fehler gemacht worden im Kampf gegen die Feuer. Vor allem in den westlichen Bundesstaaten mit ihren riesigen Waldgebieten. Brände waren früher hier normal, sie gehörten zur Natur dazu, wurden regelmäßig ausgelöst zum Beispiel durch Blitzschläge. Sie lichteten den Wald aus und sorgten für Freiflächen und Regeneration. Durch die Unterdrückung dieser Feuer sammelte sich über Jahrzehnte Totholz und Gestrüpp an, dass nun brennt wie Zunder. Als man den Fehler bemerkte, war es bereits zu spät, sagt West. O-Ton 19: (West) Unfortunately, by this time in the seventies, the forest was so dense by no burning and putting all fires out that, uh, you couldn't let them just burn because they went on for days and weeks and, and so forth. However, we drew up plans as to where you could allow it, but when there's a drought like you have today, you just can't let them burn. So the alternative to that is managed the forest, thin the forest, get it back to a more natural state, uh, by, uh, put it in fuel breaks and, uh, thinning the forest and so forth. Übersetzer 2: Unglücklicherweise waren zu der Zeit in den 70ern die Wälder schon so dicht, dass es irgendwann auch gar nicht mehr möglich war, die Feuer ausbrennen zu lassen, denn sie hätten sonst wochenlang angedauert. Wir machten dann Pläne, wo es doch erlaubt sein sollte. Aber wenn man dann in einer Dürreperiode ist, wie wir sie heute haben, kann man nicht mehr einfach Feuer legen. Die Alternative dazu ist, die Wälder besser zu managen, auszudünnen, Schneisen zu schlagen, sie mehr auf einen natürlichen Stand zu bringen. Sprecher: So sieht es auch Scott Stevens, Professor für "Fire Science" an der University of California in Berkeley. O-Ton 20 (Stevens) If we're talking about forest, you know, the way we've managed them for the last hundred years has increased their density, increased their, um, fuel loads, vulnerability. And unfortunately we, there was never at least a comparable response with the federal agency, like the US forest service in particular to really look forward and say, okay, we need to begin to kind of address this issue identified, you know, in the sixties and seventies. Übersetzer 3: Wenn wir über den Wald sprechen und darüber, wie wir damit umgegangen sind, dann wird deutlich, dass im letzten Jahrhundert die Dichte zunahm, und damit auch das brennbare Unterholz und die Anfälligkeit. Das alles ist schon seit den 1960er Jahren bekannt. Aber es gab nie eine Reaktion der Bundesbehörden, wie dem US Forest Service, um gemeinsam dieses Problem anzugehen. Sprecher 1: Die Verantwortung für die Versäumnisse bei Wäldern und Nationalparks wurde hin- und hergeschoben, von Kalifornien auf die Bundesbehörden im fernen Washington und von dort wieder zurück. Mittlerweile versuchen Forstwissenschaftler wieder, das Feuer mit Feuer zu bekämpfen. "Gute Feuer" präventiv gegen "böse Feuer" einzusetzen, also mit gezielten Bränden den Wald von Unterholz und Gestrüpp zu befreien und so resistenter zu machen gegen die verheerenden Großbrände. Auch Umweltschutzverbände unterstützen diese Maßnahmen. Denn Feuer schaffen Luft und Licht im Wald und sorgen so für mehr Artenvielfalt. Doch man renne der Zeit hinterher, meint Fire Marshall Cindy Foreman aus Sonoma County. Die langanhaltenden Trockenperioden mit heftigen Winden, den gewaltigen Bränden fast das ganze Jahr über machen eine präventive Feuerbekämpfung mehr als schwierig. O-Ton 21 (Foreman) It's very ecologically beneficial to put fire on the ground and get rid of the low fuels and the invasive species and the seasonal grasses. It's a very efficient and effective to do that. We used to do that a lot in California. Um, and the other thing is that we also used to put in very regular fuel breaks, Ridge top fuel breaks, fire roads, those kind of things to sort of manage fire when it does happen. And we've gotten so far away from that. Übersetzerin 2: Es ist ökologisch durchaus von Vorteil, wenn man mit Feuern das Brennmaterial aus invasiven Arten und Gräsern beseitigt. Es ist effizient und effektiv. Wir haben das in Kalifornien früher auch so gemacht. Dazu kam, dass wir auch ganz normale Schneisen gelegt haben, z.B. oben auf Anhöhen, Feuerwege, also all das, um Feuer besser kontrollieren zu können. Aber davon sind wir heute weit entfernt. Sprecher 1: Es ist ein Teufelskreis, denn für kontrollierte Brände muss das Wetter passen, es darf nicht zu heiß, zu trocken, zu windig sein, und auch die Luftqualität darf dabei nicht zu sehr belastet sein. Doch diesen Idealzustand gibt es nur noch selten in Kalifornien Hinzu komme, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit nichts lerne. Immer mehr Menschen wollen aus der Stadt aufs Land oder an den Stadtrand ziehen, möglichst in die Nähe von Waldgebieten. Das seien dann die Häuser, die brennen. O-Ton 22 (Foreman) Thousands of homes burn in these, um, in these conflagrations and what do we do, we turn around and build them right back where they are. And I live in the wild land, urban interface. So I'm, I'm, I'm, you know, I'm falling on my sword on that, but that's what we do. So we're just recreating the problem. The problem is we're not addressing the environment that we're building these homes in. Übersetzerin 2: Tausende von Häusern werden in diesen Flächenbränden vernichtet. Und was machen wir, wir bauen die Häuser an gleicher Stelle wieder auf. Ich lebe selbst am Stadtrand, ich bin also genauso, aber das machen wir. Wir lassen das gleiche Problem neu entstehen, wenn wir nicht das Umfeld verändern, in dem wir diese Häuser bauen. Atmo: Dry Creek Valley Sprecher 1: Seit vielen Jahren zieht es mich immer wieder ins Dry Creek Valley nach Sonoma County. Eine wunderschöne Gegend, ideal für eine kurze Auszeit. Und der hier angebaute Zinfandel, ein kalifornischer Primitivo, ist einzigartig. In diesem Tal findet man vor allem kleine Familienunternehmen. Seit 2017 war das Weinbaugebiet gleich mehrmals durch Feuerwalzen gefährdet. Immer wieder bangte ich mit den Hawleys, meinem Lieblingsweingut. John Hawley ist der Senior Winzer und einer der Alteingesessenen im Dry Creek Valley. Das nächste Feuer, wird, wenn es kommt, verheerend sein, ist sich Hawley sicher. O-Ton 23 John Hawley When I bought this property, uh, in 1977, it was because the previous owner, um, was discouraged because the entire property had burned down to the ground, uh, from a big fire that we had in dry Creek valley in 1972. And, and uh, and now you look around and there's trees a hundred feet tall or, or more, um, and you don't think about the fact that there's firesAnd, and so when you look out here and you see the area around here, it's like a jungle it's impenetrable, it's just, it's just biomass. It just plants of all descriptions growing as close as they possibly can. And on top of one another, and that's not a really natural situation and it's not really healthy situation. Übersetzer 3: Als ich 1977 dieses Grundstück vom früheren Besitzer kaufte, war es gerade fünf Jahre zuvor total abgebrannt. Und jetzt, wenn man sich umschaut, sind da 30 Meter hohe Bäume, und keiner denkt an Feuer. Und wenn du hier rüber schaust, ist das wie ein Dschungel, undurchdringbar, es ist die reinste Biomasse. Es sind verschiedene Pflanzen, die ganz dicht neben- und übereinander wachsen. Das ist keine natürliche und keine gesunde Situation. Sprecher 1: Eigentlich ist diese Gegend ideal für den Weinanbau. Von der Küste her weht nachts eine kühlende Nebeldecke ins Tal, die Temperaturen steigen im Sommer bis auf über 30 Grad. In den Wintermonaten wird es nie so richtig kalt. Und normalerweise gibt es pro Jahr ungefähr einen Meter Niederschlag, genug um hier Weltklasseweine zu produzieren. Doch in diesem, wie auch in den Vorjahren, waren es gerade mal 20-30 cm jährlich. Seit Jahren ist es hier zu heiß und zu trocken. Die Folgen für die Landwirtschaft sind dramatisch. Nicht nur, dass durch die ausgetrocknete Wälder die unmittelbare Feuergefahr in Regionen wie dem Dry Creek Valley mit seinen hügeligen Waldgebieten steigt. Auch der Grundwasserspiegel sei deutlich abgesunken, meint John Hawley. Sein Sohn Austin, der mittlerweile zum "Chief-Vintner", zum Chef-Winzer der Hawleys geworden ist, erzählt: O-Ton 24 (Austin Hawley) Some of the vineyards that we source fruit off of. Um, I never, I don't ever remember in the past them running their Wells running dry, but they're, they're all having a truck in water now towards the end of summer, because just, there's just no, no water to suck out of the Wells once. Uh, once we get into, you know, late September, October, um, we luckily haven't had that situation here, water gets pretty dirty towards the end of the summer though, you know, you can tell you're getting low . Übersetzer 5: Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in den Weinbergen, von denen wir unsere Trauben bekommen, jemals die Brunnen ausgetrocknet waren. Aber das passiert nun regelmäßig, sie müssen am Ende des Sommers mit Tankwagen Wasser rankarren. Wir hier hatten das zum Glück noch nicht, aber ab September, Oktober wird das Wasser schon ziemlich dreckig, da weiß man, dass es weniger wird. Sprecher 1: Im vergangenen Jahr, 2020, waren gleich zwei gewaltige Brände in der Gegend folgenreich für die Winzer im Dry Creek Valley, auch wenn keine Ranch abgebrannt ist. Im August brachten die Nachrichtensender rund um den Globus Bilder des "LNU Lightning Fire Complex" mit seiner massiven Rauchentwicklung. Es war der Tag, an dem die Sonne in San Francisco und am Golden Gate nicht aufging. Und dann, Ende September, brannte auch noch das "Glass Fire": O-Ton 25 (John Hawley) We didn't, we didn't have any real physical damage to the winery. Um, we had had to make major changes in our production plans, um, because of the smoke, there were certain, certain grape varieties had to be dealt with differently are the Zinfandel, which we grow, which is what a quarter or more of our production. Um, we decided to make into rosé because we knew that if we left it in contact with the skins for long, during a regular red wine fermentation, that we would have smoke taint in the wine and smoke taint is, is not, it's not like smelling a roasty toasty barrel in your wine. It it's like, uh, somebody just dumped their Ash tray into your mouth. If you go down to the bottom of my hill here and you go left on west dry Creek virtually, I can't think of a single vineyard that was harvested last year. Übersetzer 4: Wir hatten keine wirklichen Schäden auf dem Weingut. Aber wir mussten wegen dem Rauch unseren Produktionsplan ändern. Die Traube Zinfandel musste anders behandelt werden, das ist ein Viertel unserer Produktion. Wir haben uns für Rosé entschieden, denn dabei wird die Haut von der Traube abgetrennt. Wenn wir das nicht gemacht hätten, hätte der Wein während der Fermentierung einen rauchigen Geschmack bekommen. Das schmeckt dann so, als ob dir jemand einen vollen Aschenbecher in den Mund schüttet. Wenn du hier vom Hügel runter zur Straße und dann nach links ins Dry Creek Valley gehst, da gibt es kein einziges Weingut, das im letzten Jahr wegen des Rauchs ernten konnte. Atmo: News Dixie Fire im August: Atmo: Blende zu Susanville Sprecher 1: Susanville in Nordkalifornien im August 2021. Das Dixie Fire brennt seit Wochen schon außer Kontrolle. Ich habe mich ins Auto gesetzt, um mir selber ein Bild zu machen. Wie sieht es aus, das Inferno? Wie gewaltig und unkontrollierbar sind diese Feuer wirklich? Schon in 200 Kilometer Entfernung vom Brandgebiet kann ich das Feuer riechen. Auf geparkten Autos liegt ein Aschefilm. Über der gesamten Region hängt eine dicke Rauchwolke, die das Atmen schwer macht. Auf der Wetterapp wird der "Air Quality Index" mit 500 angegeben, gesundheitsgefährdend. Aber ich fahre weiter. Ich will zumindest das "Base Camp" in Susanville erreichen, das Basislager für die fast 6000 Feuerwehrleute im Einsatz. Nahezu 600 Löschfahrzeuge werden von dort aus gegen die Flammen aufgefahren. Eine Stadt in der Stadt, in der die Einsatzkräfte rund um die Uhr mit allem versorgt werden können, was sie brauchen. Atmo: Susanville (Sirenen, Straßenlärm) Sprecher 1: Nach einer Nacht in einem Motel in Reno versuche ich am nächsten Morgen über den Highway 395 zum Basislager von CalFire nach Susanville zu kommen. Es ist noch dunkel, als ich aufbreche, dicht hängt der Rauch in der Luft. Doch dann kommt die Nachricht über das Navigationssystem, der Highway sei gesperrt, ich werde umgeleitet. Jetzt sind kaum noch Autos auf der Straße, weite Teile der Region wurden bereits evakuiert. Mit dem Sonnenaufgang wirkt das Licht apokalyptisch orange. Der Rauch allgegenwärtig. Über einige Nebenstraßen werde ich auf eine einspurige Landstraße Richtung Norden geleitet. 80 Meilen geradeaus, heißt es. Nach 20 Meilen hört die Teerstraße auf, auf einer Schotterpiste geht es in meinem alten Audi weiter. Mir wird mulmig, doch ich beschließe, weiter den Anweisungen des Navis zu folgen. Nach weiteren 40 Meilen wird der Rauch dichter. Ich fahre bergauf, direkt in ein Waldgebiet. Nach einer Kurve trete ich auf die Bremse, steige aus; vor mir links und rechts der Straße: Flammen. Es brennt überall. Kein Mensch zu sehen. Es ist absolut ruhig, nichts ist zu hören, kein Vogel, es ist windstill, selbst die Flammen züngeln ganz stumm an den Baumstämmen empor. Und ich denke mir - Fuck - in all den Jahren als Journalist, mit Reisen in Krisen- und Konfliktgegenden, habe ich mich hier in die wohl bislang gefährlichste Situation gebracht. Das Navigationssystem hat mich direkt in eines der Feuerlöcher des "Dixie Fires" manövriert. Ich fahre vorsichtig weiter, mir einredend, dass ich sofort umdrehen werde, wenn etwas auf der Straße liegt oder das Feuer die Fahrbahn erreicht. Nach zehn Minuten Fahrt hören die Flammen auf. Meine Anspannung lässt etwas nach. Es geht bergab Richtung Janesville. Vorbei an vereinzelten evakuierten Privathäusern. Auch hier ist es unglaublich still. Und dann sehe und höre ich die Einsatzkräfte, schweres Gerät, mit dem Schneisen in den Wald gepflügt werden. Am Ende der Straße treffe ich wieder auf den 395er Highway. Doch hier ist jetzt alles komplett gesperrt. Atmo: Lokaler Radiosender mit Feuerinformationen Sprecher 1: Ich bin erleichtert, als ich schließlich über weitere Umleitungen das "Base Camp" erreiche. Dort treffe ich Edwin Zuniga, einen jungen Feuerwehrmann, Ende 20, sportlich muskulös. Er ist zu diesem Zeitpunkt seit fünf Wochen rund um die Uhr im Einsatz gegen die Flammen des Dixie Fires. Mit ihm fahre ich erneut zum Highway 395, Zuniga will mir zeigen, warum die Landstraße in der Nacht gesperrt werden musste. O-Ton 26 (Zuniga) So right now we're on the section of a three highway 395, which is south of Susanville, uh, between right now we're at believe, uh, Janesville and Milford, which is, uh, towns that we ended up evacuating late last night. Übersetzer 6: Wir sind jetzt hier südlich von Susanville auf dem Highway 395 (Three Ninety Five oder Drei 95), zwischen Janesville und Milford. Diese beiden Gemeinden mussten wir in der letzten Nacht evakuieren. Sprecher 1: Links und rechts des Highways stehen verlassene Häuser, die Flammen kamen sichtlich sehr nahe, da verbrannte ein Schuppen, dort steht ein ausgebranntes Autowrack. Und noch immer brennen Bäume. O-Ton 27 (Zuniga) There was a Spotfire that started here, uh, on the hillside, um, which is six miles from the main fire. Uh, and when, I mean, six miles from the main five, we had a Amber cast or little small Amber that, uh, established itself on the hillside here. And with the winds, the Scarman winds is what we call them here in this area. Um, basically we're pushing anywhere from 40 or 30 to like 45 miles an hour yesterday, and basically blew across highway 3 95. Um, and where we ended up engaging in last night was a lot of structure protection where we find ourselves right here off the freeway, uh, with multiple residents, uh, right here with fire that I had burned all around these homes, thanks to the efforts of firefighters in the structure protection techniques and going into a defensible, uh, tactics. We're able to save a lot of these homes. Übersetzer 6: Es gab hier an dem Hügel ein neues "Spot Fire", etwa sechs Meilen vom eigentlichen Feuer entfernt. Das wurde durch Funken entfacht, die von den heftigen Winden in der Nacht bis hierher getragen wurden. In der letzten Nacht haben wir dann vor allem Gebäude geschützt, genau hier am Highway, wo es einige Anwohner gibt. Die Feuer haben dann um die Häuser herum gebrannt, sie konnten aber mit defensiven Mitteln von den Feuerwehrleuten geschützt werden. Wir haben zahlreiche der Häuser retten können. Atmo: Autofahrt Sprecher 1: Ein kleiner Sieg, zumindest heute Nacht. Zuniga ist die Erschöpfung anzusehen, wie den meisten Einsatzkräften hier. Die Feuerwehren im Golden State kommen immer öfter an ihre Grenzen. Im letzten Jahr war Edwin Zuniga 67 Tage am Stück im Einsatz. Weg von der Familie, von Freunden, keine Privatsphäre, wenig Schlaf, dazu der ständige gesundheitsgefährdende Rauch und all die Not, das Elend, das Leid, das sie jeden Tag erleben. O-Ton 28 (Zuniga) We talked to each other, um, we have services on base camp. We have counselors. Uh, if you don't want to talk to your engine crew, you can go talk to people. Um, we have the emotional support animals that come through days to like help firefighters, you know, pet a dog. It goes a long way. You know, playing with a little, a little furry animal, uh, does help. And it brings smiles to everyone's faces. And, uh, it's all about little things to brighten someone's day. Übersetzer 6: Wir reden miteinander, wir haben auch Unterstützungsangebote im Lager, also Therapeuten vor Ort. Wenn man also nicht direkt mit seiner Mannschaft sprechen will, dann geht man dahin. Wir haben auch Tiere hier, emotionale Helfer für die Feuerwehrleute. Weisst du, einen kleinen Hund streicheln, etwas mit ihm spielen, das hilft schon sehr. Es geht um diese kleinen Sachen, um den Tag etwas aufzuhellen. Sprecher 1: Zurück in Sonoma County. Ich sitze im Auto von Jim Boggeri und begleite ihn bei seiner Fahrt durch ein Wohngebiet. Boggeri hat jahrzehntelang als Feuerwehrmann gearbeitet, jetzt ist er im Ruhestand und als "Community Outreach Specialist" für das Sonoma Fire Department unterwegs. Sein Job ist es, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, sie darauf hinzuweisen, wie sie sich auf die allgegenwärtige Feuergefahr vorbereiten können. Atmo: Autofahrt Sprecher 1: Wir halten vor einem Haus, Boggeri deutet auf die Äste von Bäumen, die über dem Dach hängen: Das muss weg. Hochgewachsenes ausgetrocknetes Gras, das bis an die Terrasse heranreicht? Geht gar nicht! Brandgefährlich! Ich kenne das aus meiner eigenen Nachbarschaft. Ab Mai fährt die Feuerwehr durch die Straßen, schaut genau hin, wo Bäume, Gebüsche und Gräser zurück geschnitten werden müssen. Diese jährliche "Fire Inspection" muss jeder Hausbesitzer über sich ergehen lassen. Reagiert man nicht auf die Anweisungen der Feuerwehr, warten erhebliche Strafen. Bis hin zur "zwangsweisen Durchführung des Vegetationsmanagments", wie es in der Amtssprache heißt. Atmo: Rundfahrt mit Jim Boggeri Sprecher 1: Kalifornien stecke in einer tiefen Krise, aus der man nicht so einfach herauskomme, meint der "Fire Fighter" -Veteran. Und all das habe deutliche Spuren bei den Menschen hinterlassen. Boggeri spricht sogar von PTSD, der posttraumatischen Stresserkrankung für viele in Sonoma County. O-Ton 29: (Boggeri) Our communities are just they're suffering from PTSD is what they are. We've had so many years, we've had four straight years of large fires. Um, people losing their homes, people being evacuated, people trying to rebuild or a rebuilding and losing their second homes. The stories are numerous. And, uh, quite honestly, the people in Sonoma county, they need a break. We really need a break this year. It's been very tough. Same with our firefighters. We've had a rough go. Um, you know, we went from a really busy, pretty horrible fire season last year and rolled right into COVID. There was no real break. And here we are now just finishing up COVID and we're back into fire season again. Um, so that's been, the other problem is people are really, people are burnt out. People are tired, uh, people who deal with a lot of trauma on their own, um, in regard to what we're seeing today. Übersetzer 7: Unsere Community leidet unter PTSD. Wir hatten nun vier Jahren hintereinander mit gewaltigen Feuern zu kämpfen. Viele haben ihre Häuser verloren, viele mussten gleich mehrfach evakuiert werden. Manche haben alles wieder aufgebaut, um es erneut zu verlieren. Da gibt es so viele Geschichten. Ganz ehrlich, die Menschen in Sonoma County brauchen eine Pause. Das gleiche gilt für die Feuerwehrleute. Es war eine lange und schreckliche "Fire Season" im letzten Jahr. Danach kam direkt Covid...und nun von Covid erneut in die Feuer-Saison. Die Leute sind einfach ausgebrannt, müde, jeder hat mit seinen eigenen Traumata zu kämpfen, die wir jeden Tag erleben. Musik: California Dreaming Dark Version kurz einspielen Sprecher 1: Die Lage in Kalifornien wirkt aussichtslos. Viele Menschen leben hier mit der stetigen Gefahr von gewaltigen Feuerwalzen. Von der Erdbebengefahr spricht so gut wie niemand mehr, auch wenn sie mehr als gegenwärtig ist. Kalifornien wartet schon seit Jahren auf "The big one", das ganz große Beben. Im fernen Washington sind die Hilferufe aus dem Golden State immerhin angekommen. Mehrere Milliarden Dollar sind alleine in dem im Sommer verabschiedeten Infrastrukturprogramm des Kongresses für die Brandprävention in der Forstwirtschaft vorgesehen. Und es wird nach Lösungen gesucht, Wissenschaftler versuchen neue Ansätze sowohl in der Brandprävention wie auch in der Brandbekämpfung zu finden. Atmo: Gespräch mit Zohdi im Hintergrund einspielen, er stellt sich vor Sprecher 1: So wie Tarek Zohdi, Professor für Maschinenwesen an der "University of California in Berkeley". Er und seine "Fire Research Group", einer Gruppe von Wissenschaftlern, Forschern und Ingenieuren, die sich über Fachgrenzen hinweg mit dem Thema Feuer beschäftigen, wollen Kalifornien künftig mit Infrarotkameras aus dem All beobachten, die Hitzeentwicklung und Feuchtigkeit aufzeichnen und sogar Baumarten erkennen können. O-Ton 30 (Zohdi) So what I mean is, for example, below a certain water content, for example, in a tree, a tree becomes vulnerable and actually can start to burn. If a tree is healthy and is fully saturated to an appropriate level, a tree will not burn. So if you're scanning then in a way from a satellite or from drone coverage, looking for those patches of trees where there's a vulnerability that allows you to have a preemptive headstart on potentially where a fire might occur. So this is sometimes called smart forest management. Übersetzer 8: Ein Baum, der unter einen gewissen Wassergehalt sinkt, ist anfällig und kann leichter brennen. Ein Baum, der gesund und mit genügend Wasser versorgt wird, brennt nicht. Wenn man also von einem Satelliten oder einer Drohne aus die Landschaft scannt, kann man diese Stellen mit Bäumen finden, wo es diese Schadensanfälligkeit gibt. Damit gewinnt man Zeit, wenn man schon vorab weiß, wo es brennen könnte. Das nennt man dann kluges Forst Management. Atmo: News Collage von den Feuern Sprecher 1: Doch bislang ist das Zukunftsmusik. Die Feuer in Kalifornien sind allgegenwärtig. Sie sind Alltag geworden. Abend für Abend werden in den Nachrichtensendungen die Entwicklungen der letzten Brände gemeldet. Täglich gibt es in den Wettervorhersagen Informationen zur Rauchentwicklung und gegebenenfalls Warnungen für Außenaktivitäten. Nach dem Dixie Fire, das Mitte Juli ausbrach, wurden allein bis Ende September weitere 20 Großfeuer gezählt, darunter das Caldor Fire, das die Gemeinden um den Lake Tahoe gefährdete, 90.000 Menschen mussten evakuiert werden. Und auch das Complex Fire, bei dem Feuerwehrleute versuchten, mit feuersicheren Aludecken die gewaltigen und weltbekannten Redwoods zu schützen. In Kalifornien hat man sich an diese neue Normalität gewöhnt und stellt sich irgendwie darauf ein. Auch ich. Ich weiß genau, was ich zu packen habe, wenn es im nahegelegenen East Bay Regional Park brennen sollte und eine Evakuierung anstände. Schon mehrfach war die Feuergefahr so hoch, dass ich auf gepackten Koffern saß..."ready to go". Birgit Liskey, die ihr Haus, ihr gesamtes Hab und Gut in den frühen Morgenstunden des 9. Oktober 2017 verloren hat, und nun wieder an gleicher Stelle wohnt, will mit dieser ständigen Gefahr nicht mehr leben: O-Ton:31: (Liskey) Ich wollte eigenlich hier nicht mehr zurück. Ich würde eigentlich gerne wo sein, wo man sich sicher fühlt. Ich will eigentlich nicht darauf warten, dass es noch einmal passiert. Also, wir werden hier wegziehen. Wir bleiben hier erstmal ein, zwei Jahre, weil wir hier bleiben müssen, um unser Haus zu verkaufen, aber, wir bleiben hier nicht. Ich will hier nicht mehr sein. Sprecher 1: Birgit Liskey und ihr Mann wollen weg. Mit ihnen einige, aber nicht viele. Die Immobilienpreise sind allein innerhalb des letzten Jahres um fast 20 Prozent gestiegen. Trotz Erdbeben, trotz Feuer: Der kalifornische Traum lebt weiter. Und noch immer werden Häuser in den Wald gebaut. O-Ton 32: (Schmid) There are people in my neighborhood who expected to be rescued, who, who expect to have help in the next fire. And I expect that we won't have help because there isn't enough. Übersetzerin 1: Es gibt Leute in meiner Nachbarschaft, die davon ausgehen, gerettet zu werden, beim nächsten Feuer Hilfe von außen zu bekommen. Aber ich erwarte das nicht, denn es gibt einfach nicht genügend Einsatzkräfte. Sprecher 1: Kathie Schmid will sich darauf nicht verlassen. Im Tubbs Fire hatte sie Glück. Ihr Haus blieb stehen. Doch sie weiß, das nächste Feuer kommt garantiert. Einfach nur abwarten will sie nicht. Die Außenwände ihres Hauses werden erneuert, das Dach neu gedeckt, alles mit flammenresistenten Materialien, eine Sprinkleranlage installiert, ein riesiger Wassertank angelegt. Und sie engagiert sich in ihrer Nachbarschaft. Mit öffentlichen Geldern für die Brandprävention versucht sie nun, die Ansiedlung im Bennett Creek Valley sicherer zu machen. Für sich und ihre Nachbarn. Sie hat eine What's App Gruppe eingerichtet, um im Ernstfall den Informationsfluss zu garantieren, dann, wenn keine Frühwarnung von offizieller Seite kommt, oder das nach dem Tubbs Fire 2017 eingerichtete Frühwarnsystem des Bezirks versagen sollte. Atmo: Kettensägen Sprecher 1: An mehreren Tagen in der Woche setzt Kathie Schmid nun ihren Schutzhelm und ihre Schutzbrille auf und lichtet mit einer Baumcrew das Unterholz, fällt Bäume, schult Nachbarn in der Brandprävention. So will sie unabhängig werden, sagt sie, und ihr Haus selber schützen. O-Ton 33: (Schmid) Um, so I am becoming more, self-sufficient more independent, um, in order feel that I can protect my house and, and stay here. Atmo: Kettensäge Baumfällen. Musik: Ende von California Dreaming Dark Version Sprecher: Paradise on Fire - Leben mit dem Inferno in Kalifornien. Ein Feature von Arndt Peltner. Es sprachen: David Vormweg, Bruno Winzen, Tom Jacobs, Justine Hauer, Sigrid Burkholder Ton und Technik: Gunther Rose und Caroline Thon Regie: Thomas Wolfertz Redaktion: Christiane Habermalz Eine Produktion des Deutschlandfunks 2021 29