Hörspiel Feature Radiokunst Feature Mein Jahr unter Sprachrettern Der Verein Deutsche Sprache und sein Umfeld Autor: Rainer Link Regie: Eva Solloch Redaktion: Wolfgang Schiller, Lena Rocholl Produktion: Deutschlandfunk 2024 Erstsendung: Dienstag, 10.12.2024, 19.15 Uhr Es sprachen: David Vormweg, Maya Bothe, Daniel Berger und der Autor Ton und Technik: Christoph Bette Urheberrechtlicher Hinweis Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. (c) - unkorrigiertes Exemplar - Musik O-Ton Thüringer Landtag, AFD Abgeordnete: "Eine Regierung..., deren Familienministerin keine Geschlechter kennt, während sich das Volk sich an schwangere Männer und eben an die linkswoke Zwangsdressur des Genderns gewöhnen soll. Wir lehnen das ab..." O-Ton Walter Krämer, Chef des VDS: "Jetzt hat Karl Heinz, diese Drecksau, die Drecksau, das Klo nicht geputzt, das musste Erika, der Putzteufel, für ihn tun. Dass der oder die vor einem Hauptwort steht, sagt nichts über das Geschlecht einer Person aus ... Die Person kann ein Mann sein oder eine Frau oder auch ein Transsexueller." O-Ton Olga Petersen, Abgeordnete AFD: "Kinder und Jugendliche sind den Einflüssen der Gender Bewegung schutzlos ausgeliefert mit verheerenden Auswirkungen auf die Psyche der heranwachsenden Generationen. Ich halte diese Politik für katastrophal und kämpfe gegen den Versuch der Links- Woken durch Umerziehung eine neue Normalität zu schaffen. Ansage: Mein Jahr unter Sprachrettern Der Verein Deutsche Sprache und sein Umfeld Ein Feature von Rainer Link Autor: Wir starten zu einer Entdeckungsreise durch ein sprachpolitisch geteiltes Land. Wir besuchen Akteure, die sich dem Schutz der Muttersprache verpflichtet fühlen und sich zumeist unversöhnlich und in harscher Wortwahl gegen das Gendern wehren. Bei meinen Gesprächen wird klar: Da, wo es vermeintlich nur um korrekten Sprachgebrauch geht, geht es immer auch um politische Haltungen und häufig auch um die Wiederbelebung rückwärtsgewandter Weltbilder. Sprecher: Gendern - das ist der Versuch, mittels geschlechtergerechter Sprache die weibliche Form aber auch auch queere, transsexuelle, bisexuelle, intersexuelle und asexuelle Personen zu berücksichtigen. Ein Versuch, der zuweilen auch unter Wohlmeinenden Spott erntet. Etwa, wenn eine Berliner Behörde zu einem "MädchenInnen-Tag" einlädt. Gendern gilt aber vor allem unter Sprachpuristen als ein Zeichen von Dekadenz und wird als Sprachpanscherei verspottet. Musik Sprecher: Rückblick. November 2023. In einem gediegenen Hotel in Potsdam treffen sich Vertreter aus rechten, rechtsradikalen und rechtsextremistischen Organisationen, um über eine als "Remigration" bezeichnete Deportation von Millionen Menschen mit Migrationshintergrund aus Deutschland zu beraten. Unter den Anwesenden befindet sich auch Silke Schröder, eine Frau aus dem Vorstand des Vereins Deutsche Sprache e.V. . Sie ist beileibe keine Unbekannte, seit Jahren ist sie mit AfD-nahen Videobotschaften in einschlägigen Foren unterwegs. O-Ton Silke Schröder: "Was kann uns Deutschen eigentlich noch zugemutet werden, als Zahlmeister für EU Verfehlungen, Humanitätsweltmeister im Umgang mit Flüchtlingen aller Herren Länder, als Umweltschutz Primus bis zur Zerstörung der eigenen Schlüsselindustrien und als Gesundheitsvorreiter in der Impfung Gesunder mit einem nicht zugelassenen Wirkstoff? Das eigene Land hatte seinerseits bereits Angela Merkel zum frei wählbaren, alimentierten Siedlungsgebiet für alle Interessierten aus der 3. Welt erklärt." Sprecher: Den Verein Deutsche Sprache gibt es seit 1997. Er hat 36.000 Mitglieder, von denen rund die Hälfte im Ausland lebt. Der Vereinsvorstand besteht aus 10 Personen, darunter zu Anfang des Jahres 2024 drei Frauen. Eine davon Silke Schröder. Wer im Verein etwas über ihre politischen Ansichten wissen wollte, hätte dazu im Netz ausgiebig Gelegenheit gehabt. Aber als im Januar 2024 Hunderttausende Menschen gegen die Potsdamer Remigrationsphantasien auf die Straße gehen und kurz darauf auch die Verknüpfung zwischen dem "Geheimtreffen" und dem Mitglied Schröder öffentlich wird, zeigt sich der Verein Deutsche Sprache überrascht, überrumpelt und unter Zugzwang. Es hagelt Kritik, die taz titelt "Sprachpolizei auf Abwegen" und konstatiert, es sei "höchste Zeit, den "Club ins Aus zu schießen". Der Vorstand erklärt schließlich Silke Schröders Anwesenheit in Potsdam zur Privatsache. Zu einer Privatsache allerdings, von der man sich distanziere, sagt der Vereinsvorsitzende Walter Krämer. Hunderte Mitglieder kündigen mit Bekanntwerden des Skandals ihre Mitgliedschaft, darunter auch Prominente wie der Philosoph Peter Sloterdijk. Von der Presse kommen bohrende Nachfragen. Schließlich signalisiert der Vorsitzende Silke Schröder, dass sie im Verein nicht mehr zu halten sei. Sie verlässt daraufhin unter Protest ihren Vorstandsposten und auch den Verein. O -Ton Krämer: "Sie musste nicht austreten, aber wäre sie nicht ausgetreten, wäre sie mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen worden. Denn es ist ja eins unserer ständigen Prinzipien: Parteipolitik ist in unserem Verein nicht erlaubt und wer sich als Vereinsmitglied parteipolitisch äußert, handelt vereinsschädlich." Sprecher: Vereinsschädliches Verhalten also auf der einen Seite. Andererseits: Die Enthüllungen des Recherchekollektivs Correctiv über das Potsdamer Remigrationstreffen. Zitator: "Dass es sich bei Correctiv um einen fleißigen, regierungstreuen Zuträger der linken Medienmafia und um alles andere als eine seriöse Informationsplattform handelt, ist aber nur ein Teil der Sache. Von solchen Leuten werde ich schon seit 40 Jahren attackiert, das geht mir sozusagen am A... vorbei." Sprecher: So äußert sich Vorstand Walter Krämer im Interview mit dem Internet Portal "Corrigenda" im Januar 2024. Ähnlich wie ihr Vorsitzender dürfte dies auch Regine Stefan sehen, sie besitzt das Parteibuch der AfD und agiert unangefochten im Vorstand des Sprachvereins. Sie äußert sich im Sommer 2024 gegenüber dem Autor dieser Sendung nur schriftlich: Zitatorin: "Man hätte sich anders verhalten müssen ... statt in vorauseilendem Gehorsam - ohne mit Frau Schröder vorher zu sprechen - sich von ihr zu distanzieren. Das war ganz sicher falsch und Silke Schröder hätte den Verein nie verlassen dürfen, ihre Arbeit im Vorstand war nämlich bemerkenswert gut." Autor: Oliver Baer ist langjährig im Vorstand des Verein Deutsche Sprache engagiert. Von Beruf war er vor dem Ruhestand als Ingenieur tätig. Jetzt verbringt er viel Zeit in der Zentrale des Vereins. Er ist Mitautor des wöchentlichen, vereinsinternen Infobriefs. Durch seine Anwesenheit in der Zentrale erfährt er viel über die Stimmungslage in den Untergliederungen des Vereins. Er berichtet, zahlreiche Distriktvorsitzende, aber auch einfache Mitglieder, hätten ihn und die anderen Mitarbeiter mit eindeutigen Telefonbotschaften konfrontiert. Häufiger Tenor: Silke Schröder sei durch die Distanzierung des Vereinsvorstandes Unrecht widerfahren. O-Ton Baer: "Ja, ja, wir haben ja Anrufe jeglicher Provenienz bekommen. ... Es gibt Leute, die meinen, das war total undemokratisch und man müsse sich bei ihr entschuldigen, sie auf alle Fälle bitten, wieder Mitglied zu werden. Na ja, wir haben im Verein auch Meinungsvielfalt." O-Ton Baer: "Als Mitglied des Vorstands hab ich das natürlich hautnah mitgekriegt ... Und ich sag´s mal so: Wenn die in Potsdam nichts anderes getan hätten, als Zimtplätzchen für Weihnachten zu backen; das ist mir ziemlich egal. Aber nicht in Anwesenheit von Identitären haben wir uns aufzuhalten." Sprecher: Für diese vorsichtige Distanzierung von den Vorgängen in Potsdam und der AfD erhält Oliver Baer vereinsintern Widerspruch. Als Vorstandsmitglied geht er schließlich Anfang 2024 an die Öffentlichkeit: "Es gebe den Versuch einer feindlichen Übernahme durch Leute, die der AfD nahestehen", warnt er in öffentlicher Veranstaltung und in der Regionalzeitung. "Zudem gebe es Bestrebungen, sofort einen neuen Vorstand zu wählen - offenbar solle der dann mit AfD-Sympathisanten besetzt werden." Doch seine Warnungen bleiben folgenlos. Als er später in seinem persönlichen Vorstellungsprofil auf der Webseite des Vereins den Satz unterbringt: "Die AfD stinkt", kommt es zur Zensur durch seinen Vorsitzenden. O-Ton Walter Krämer: "Der spinnt doch vollkommen der gute Oliver.... Der Oliver ist einer derjenigen, die ihre Abscheu gegenüber der AfD auch innerhalb des Vereins kundtun, was ich übrigens auch nicht gut finde, Also, ich habe mir erlaubt, seinen Eintrag, wo die Vorstandsmitglieder sich vorstellen, zu löschen, weil er da die AfD als eine Partei bezeichnet hat, die stinkt. Und sowas kommt auf unserer Webseite nicht vor." Autor: Es wird deutlich: Der Verein Deutsche Sprache hat offenkundig ein Problem mit der Abgrenzung nach Rechtsaußen. Ist der Verein unterwandert? Und wie rechts sind die Landesverbände, die Funktionäre und das Gros der immerhin rund 36.000 Mitglieder? Wo stehen sie, die Sprachschützer, die Anglizismen-Verächter, die Anti-Gender-Aktivisten? O-Ton Atmo: Rufe: Wir gendern Euch alle, Haut ab, Gegen die Sprachdiktatur... (läuft unter der folgenden Sprecher Passage weiter ) Autor: Meine erste Station auf der Reise durch die sprachpolitischen Hotspots des Landes führt mich im Frühsommer 2024 in die beschauliche Universitätsstadt Lüneburg. Vor der Tür eines Tagungshauses haben sich ein Dutzend Gegendemonstranten - junge Studierende der örtlichen Universität - eingefunden. "Stoppt Gendern in Niedersachsen" ist der Name einer Volksinitiative, die hier tagt und die Unterschriften gegen das Gendern in Verwaltung und Bildungseinrichtungen sammeln will: O-Ton: Ausführungen von Aktivisten im Hintergrund Autor 5 Die Volksinitiative wird unterstützt vom Verein Deutsche Sprache. Ein weibliches Vorstandsmitglied dieses Vereins, Sabine Mertens, die außerdem Genderbeauftragte des VDS ist, wird eine Rede halten. Die Anwesenden - etwa 40 an der Zahl - sind überwiegend männlich und von höherem Lebensalter. Sprecher: Während die Gender-Gegner im Saal diskutieren, ergreift ein jüngerer Teilnehmer das Wort. Atmo hoch Er erklärt den Kampf der Volksinitiative für absolut notwendig, gleichzeitig aber fordert er, man müsse sich in diesem Kampf ausdrücklich von der AfD fernhalten. Atmo hoch Er verlässt schließlich die Veranstaltung. Atmo hoch Niemand der verbleibenden Teilnehmenden teilt seine Forderung nach einem Kontaktverbot zur AfD. O-Ton Sabine Mertens: "Wenn ich aus meiner eigenen Meinungsbildung heraus zu einem bestimmten Schluss komme, und da ist jemand von der AfD, der sagt, ich sehe das genau so: Wo ist das Problem?Darf ich jetzt diesesThema gar nicht angehen. Also: Was soll das?" Autor: So die Haltung von Sabine Mertens. Achim Sohns ist einer der Initiatoren der niedersächsischen Anti Gender Initiative. Er war mit der Veranstaltung zufrieden: O-Ton Sohns: "Wir sind der Auffassung, dass für Niedersachsen bayerische Verhältnisse hergestellt werden sollten. Wir orientieren uns also am bayerischen Modell." ... Einschub Sprecher: ...In Bayern ist seit dem Frühjahr 2024 die Gendersprache in Behörden und Schulen verboten. Genderstern, Doppelpunkt, Großes Binnen-I oder Mediopunkt sind nun ausdrücklich unzulässig. O-Ton Sohns: ..."Wenn die AfD das auch so sieht, ist das deren Sache, das kann uns nicht betreffen. Das ist ja gesagt worden in der Diskussion vorhin. Für uns gilt - wir haben uns lange damit auseinandergesetzt, wir wussten dass so etwas möglicherweise von der AfD rangetragen wird - es gibt keine Zusammenarbeit mit der AfD. Punkt." Sprecher: Gemeint ist: Keine institutionelle Zusammenarbeit. Unterschriften dürfen gesammelt werden. Und im niedersächsischen Parlament singen die AfD Landtagsabgeordneten sowieso ein Loblied auf die Initiative. Im Nachbarland Brandenburg wurde 2024 kurz vor der Landtagswahl ebenfalls eine Volksinitiative gegen das Gendern gestartet. Erstmals ganz ohne den Sprachverein oder eine Bürgerinitiative. Es war die AfD allein, die die Bürger dazu aufrief, gegen das ‚Gender Unwesen' aufzustehen. Und das in Wortwahl und Diktion zum Verwechseln ähnlich mit der Anti Gender Kampagne in Niedersachsen. Musik Autor: Am malerischen Steinhuder Meer - unweit von Hannover - wohnt der Gründer und Dauervorsitzende des Verein Deutsche Sprache, Walter Krämer, Statistikprofessor im Ruhestand. Ihm eilt der Ruf voraus, mit ruppiger, bisweilen aggressiver Rhetorik gegen alle sogenannten "Sprachverderber" zu kämpfen. O-Ton Krämer: "Durch amateurhaftes Herumdoktern an einer in Jahrtausenden gewachsenen Kultursprache verbessern wir die Rolle der Frauen in keiner Weise, Und der krampfhafte Horror vieler genderbeflissenen Frauen vor dem Artikel "Der" ist einfach nur lächerlich." Autor: Bei meinem Besuch im Spätsommer 2024 treffe ich auf einen freundlichen, älteren Herrn, der Kaffee und Kekse im Garten serviert und durchaus einräumt, es könnte an seiner Performance berechtigte Kritik geben - jedenfalls ab und zu: O-Ton Krämer: "Gut, dass ich ab und zu mal härtere Ausdrücke gebrauche als nötig wären, wird mir schon seit ich Student war vorgeworfen. Hat nen Vorteil, weiß jeder gleich, wo er bei mir dran ist. Also, ich mach da keine großen Umwege. Wenn mir was nicht gefällt, sage ich das auch sehr deutlich." Sprecher: Und das bevorzugt in rechtspopulistischen Postillen und Videoplattformen wie der neurechten "Jungen Freiheit" oder auf Silke Schröders Videoplattform "Politikum" oder bei "Tichys Einblick". Vorstandskollege Oliver Baer ist selten entzückt über die Statements seines Vorsitzenden: O-Ton Baer: "Ich hab ihn schon oft als unbeherrscht erlebt. Es wäre gut, wenn er das, was er in der Öffentlichkeit äußert, erst mal nicht äußerte, sondern darüber schliefe und dann gefiltert - was davon übrig bleibt - äußern würde. Macht er aber nicht." Autor: Wer Walter Krämer im Gender Duktus anspricht, muss mit harscher Reaktion rechnen. O-Ton Krämer: "Ich werde dann durchaus auch zornig und kann auch wütend werden, wenn ich selbst so angeredet werde. Wenn im Fernsehen während der Olympiade andauernd von Zuschauerinnen und Zuschauern von den Tribünen Applaus gespendet wird den Athletinnen und Athleten. Die ganze ARD und ZDF Olympia Berichterstattung war doppelt so lang wie nötig, weil jeder Sprecher meinte, er müsse immer beide Geschlechter nennen, obwohl das generische Maskulinum völlig ausgereicht hätte. Und das ärgert mich einfach." Autor: Der Verfassungsschutz prüft die Verfassungskonformität der AfD. Drei Landesverbände, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die gesamte Jugendorganisation, Junge Alternative, gelten mittlerweile als gesichert rechtsextrem. Bundesweit wird die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall geführt. Was bedeutet das für AfD Mitglieder innerhalb des VDS? Und was bedeutet es für den Vorsitzenden des Vereins? O-Ton Krämer: "Also, wenn der Verfassungsschutz das sagt, dem glaub ich ja kein Wort mehr.... Das ist eine Organisation, die hat ihren Namen total verfehlt. Der Verfassungsschutz ist ja ne weisungsgebundene Behörde und eine Behörde, die sich von der aktuellen Regierung Weisungen erteilen lässt, die ist für mich nicht vertrauenswürdig. Aber, wenn ein unabhängiges Gericht irgendwas als grundgesetzwidrig feststellt, dann ist eine Mitgliedschaft in unserem Verein nicht mehr möglich." Musik Sprecher: Das Jahr 1997 ist das Gründungsjahr des Vereins Deutsche Sprache. Walter Krämer war Mitglied der ersten Stunde. Er habe sich damals geradezu überschwemmt gefühlt von - für ihn furchtbar klingenden - Anglizismen im Alltag: Service Points im Bahnhof, Call by Call Tarife bei der Telekom, Coffee to go in der Ladenzeile und Tausend weitere anglophile "Kunstwörter". Sprecher: Wo Deutsch zu Denglisch mutiert, wird Widerstand zur Pflicht - so könnte man das Anliegen der Vereinsgründer beschreiben: Kampf gegen die Verhunzung der deutschen Sprache. O-Ton Krämer: "Es ist einfach ein Instrument, um zu dokumentieren, wer hier die Lufthoheit besitzt, wer sagt, wo es lang geht, wem zu folgen ist, wer die Dummen sind und die Rückständigen." Sprecher: Der rechtspopulistische Tonfall gehört zur Gründungs-DNA des Vereins. Schon damals wiesen Kritiker des VDS darauf hin, dass der Verein einen rechts konnotierten Antiamerikanismus pflege, etwa, wenn es im April 2003 in der Vereinszeitschrift hieß: Zitatorin: "Die Wiege der abendländischen Kultur steht immer noch in Europa, und auch in sonstiger Hinsicht haben wir keinen Anlaß, vor den selbsternannten Hütern von Freiheit und Gerechtigkeit jenseits des Atlantiks irgendeine Demutshaltung einzunehmen... Viel zu lange haben wir uns von Hollywood und der amerikanischen Kulturindustrie wie Zirkusbären - oder sollte ich besser sagen: Zirkusaffen - an der Nase herumführen lassen. Schluss damit!" Musik Autor: Frühsommer 2024. Ich besuche das Hauptquartier des VDS in Kamen, einem kleinen Ort in der Nähe von Dortmund. Die Schaltzentrale des Vereins befindet sich in einem großen, früher landwirtschaftlich genutzten Gebäudekomplex. Arbeitsplatz für den Geschäftsführer, die Pressesprecherin und weiteres Büropersonal. Ich treffe mich hier mit Männern, die von Anfang an den Kurs des Vereins mitverantwortet haben. Einer von ihnen ist der 1947 geborene Schriftsteller Horst Hensel. Er war in den 1970er Jahren aktiv im "Werkkreis der Literatur der Arbeitswelt", einer kulturpolitisch linken Vereinigung proletarischer Laienschriftsteller; war zeitweilig auch deren Bundesvorsitzender. Ein Mensch, der sich zeitlebens links verortete. Den in den späten 1990er Jahren dominierenden Vereinszweck, den Kampf gegen Anglizismen, trug er voll mit. O-Ton Hensel: "In diesem Land ist die Pflege der deutschen Sprache und Kultur in Misskredit geraten. Anders wäre es in Italien oder Frankreich, wo sich auch die Linke zur nationalen Kultur bekennt. .. Das ist der Weg, den die DDR geht ...Ich habe gesagt, wir sollten wie in der DDR das nationale Kulturerbe pflegen, die deutsche Sprache pflegen, die deutsche Kultur insgesamt. Auf diesem Weg wäre ich bereit zu gehen." Sprecher: Insbesondere das Eindringen angloamerikanischer Vokabeln erzürnte die Vereinsmitglieder der ersten Stunde, ist quasi ihre gemeinsame Geschäftsgrundlage. Warum heißt mein tragbarer Computer notebook oder Laptop? Der VDS setzte sich dafür ein, dieses Gerät mit dem deutschen Namen Klapprechner zu belegen. O-Ton Hensel: "Als ich Mitglied des Bundesvorstandes war, hat es Kommunisten im Verein gegeben, es hat Mitglieder der PDS aus der ehemaligen DDR gegeben. Das waren welche, die schon in der SED gewesen waren und die Formulierung "Pflege des Kulturerbes" noch kannten. Diese Generation von Linken und Kommunisten, aus dem Umfeld der SED, ist sozusagen ausgestorben. Die Mitglieder der neueren Linken befinden sich bei uns - so viel ich weiß - nicht." Sprecher: In der DDR galt als allgemeine und unangefochtene Sprachregelung die alleinige Nutzung des generischen Maskulinums. Musik Zitatorin: "Abteilungsleiter Marion Müller steht ihren Mann. Kranführer Luise Meyer arbeitet in der Frühschicht. Monika Honecker ist der Bestarbeiter des Monats." O -Ton Uta Sändig: "Man ist überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dieses generische Maskulinum - und ich kannte, glaube ich, diesen Begriff noch gar nicht - dass dieses generische Maskulinum vielleicht ein Geschmäckle haben könnte. Da sind wir eigentlich nicht drauf gekommen. Wir haben es genommen, wie es kam." Sprecher: Uta Sändig, Jahrgang 1951, ist in der DDR aufgewachsen und arbeitete an der Universität Potsdam als Hochschullehrerin für Deutsche Didaktik. Davor war sie tätig als Facharbeiter, Abiturient, Student, stellvertretender Direktor. Alles ohne weibliche Endung. Mit der Wende in den 1990er Jahren kam auch der sprachliche Neustart: O-Ton Sändig: "Es war für mich völlig überraschend. Und ich war zum ersten Mal in diesem Gremium von lauter Kolleginnen aus den westdeutschen Bundesländern. Die haben mich sofort attackiert und ich wusste gar nicht, wie mir wurde. Nämlich als ich sagte: Ich heiße Uta Sändig und bin Lehrer, schallte ein vielstimmiges -rin, -rin, -rin von hinten. Da war ich ganz verdutzt und hab gesagt, dass ich eine Frau bin, sieht man doch." Musik Sprecher: Die Abwehr von Fremdwörtern hat in Deutschland eine lange Tradition. Ein markantes Datum bildet das Jahr 1865. Damals gründete sich der "Allgemeine Deutsche Sprachverein", der zur Hetze gegen französische Wortgebilde aufrief und bis zum Ende des 2. Weltkriegs den sprachpolitischen Diskurs zu bestimmen versuchte. Zitatorin: Es hieß: Die "Fremdwörterseuche" ist eine "schwere, tief eingewurzelte Krankheit der deutschen Sprache", ein "Krebsgeschwür am Leibe deutscher Sprache". ...Gegen die "Überlast französischer Schmarotzer" müsse man sich zur Wehr setzen. "Geldbußen, Gefängniß und Vernichtung ihres Machwerkes" für alle "Sprachwälscher und Sprachfälscher". Musik Autor: Sommer 2024. Ich reise nach Köln und besuche den emeritierten Germanistik Professor Karl Heinz Göttert. Er veröffentlichte im Jahr 2019 ein Buch, dem er den Titel: "Die Sprachreiniger - der Kampf gegen Fremdwörter und der deutsche Nationalismus" gab. Er hat darin die Geschichte dieses Sprachvereins untersucht und, allein aus wissenschaftlichen Motiven, die Vereinszeitschriften von 1865 bis 1943 durchgelesen, besser gesagt: durchlesen müssen: O-Ton Göttert: "Es ist schrecklich gewesen, das zu lesen - und zwar wegen der Eintönigkeit. Sie können sich das nicht vorstellen. Das sind ja zig Jahrgänge, die man da durchblättert und in allen Jahrgängen wird eigentlich dasselbe behandelt." Sprecher: Jagd auf Fremdwörter in heiligem Zorn und mit geballter nationalistischer Aggression: Da wurde aus dem Baby der Kleinling, die Sauce sollte fortan den Namen Tunke tragen. Das Kotelett wurde in Rippenschnitte umgetauft. Und aus der Zigarre sollte die Rauchrolle werden. Musik Zitatorin: "Stolz atmen die Raucher auf und jubeln über das grenzenlose Glück, endlich für ihre heißgeliebte Gesellschafterin ein echtes deutsches Wort zu besitzen"... "Frohlockend blasen sie Ringe von Rauchrollenrauch in die Lüfte und preisen den geistvollen Einfall des vaterlandsliebenden Menschen!" Sprecher: Eindeutschungen um jeden Preis waren der Schwerpunkt der Arbeit der frühen deutschen Sprachverteidiger. Die nicht nur sprachliche Kriegserklärung an die französischen Nachbarn war ebenfalls Teil der Vereinsarbeit. O-Ton Göttert: "Man zieht in den Krieg, um die deutsche Sprache wieder frei zu kriegen von dem französischen Unflat sozusagen. Das hat sich im 2. Weltkrieg wiederholt." Sprecher: Der Allgemeine Deutsche Sprachverein wollte die Schmach der Niederlage im 1. Weltkrieg durch verschärfte sprachliche Vorbereitung des nächsten Waffengangs wettmachen. Seine Mitglieder dienten sich dem Hitler Regime an: O-Ton 2 Göttert: "Sie haben sich selbst als die SA der Sprache bezeichnet. Hat alles nichts genützt, Göbbels hat gesagt, mit diesem Volk wollen wir nichts zu tun haben...Der wusste auch weshalb. Weil, Hitler sprach gerne in Fremdwörtern, dann verstand man ihn auch weniger." Sprecher: Die Feindschaft gegenüber französischen Begriffen ist heute passé - die Agitation gegen alles Fremde jedoch, das Schwadronieren vom Verlust der Identität, ist zurück. Laut Göttert operieren Rechtspopulisten etwa der AfD häufig mit exakt dem gleichen Vokabular wie die historischen Sprachreiniger. Ob "Überflutung", "Schmach" oder "Durchseuchung": "Es ist die Wiederkehr der Angst- und Panikmache, die den neuen Nationalismus mit dem der historischen Sprachreiniger verbindet", sagt Göttert. Musik Autor: Spätsommer 2024 in Hamburg. Eine Initiative gegen das Gendern sammelt Unterschriften. Der Verein Deutsche Sprache unterstützt die Kampagne, die AfD ebenfalls, die CDU nur halbherzig. Die Anti Gender-Beauftragte des VDS, Sabine Mertens, ist selbst Hamburgerin und steht an vorderster Front für das Anliegen dieser Initiative. O-Ton Sabine Mertens: "Diese Gender-Ideologie ist an sich schädlich und es gibt keinen Grund, irgendeine Form der gendergerechten Sprache einzuführen - weder milde Formen noch Hardcore-Formen." Sprecher: Sie gilt als eine besonders radikale Kritikerin des Gendermainstreaming. "Sprachlenkung sei Gehirnwäsche... Das sei ein "Merkmal politisch instabiler Systeme auf dem Weg zur Diktatur", sagt sie - und, Sprache werde, Zitat: Zitatorin: "instrumentalisiert, um Bürgern die totalitäre Ideologie des Feminismus als ‚Das-neue-Besser' beizukloppen". ..."Genderlobby und ihre Lakaien heucheln Freiwilligkeit des Gendersprechs, während ihre würdelosen Methoden die Demokratie nicht nur gefährden, sondern zersetzen." Sprecher: Im Schulunterricht sollen eventuelle Genderpassagen im Aufsatz als Rechtschreibfehler bewertet werden, so die Volksinitiative. Auch in ihrem Privatleben führt Sabine Mertens einen energischen Kampf gegen den von ihr so titulierten "Genderwahnsinn". Als sie in einem Fachmagazin einen Artikel veröffentlichte und der Verlag sie als Autorin vorstellte, ging sie vor Gericht, weil sie nicht Autorin sondern Autor genannt werden wollte. Zitatorin: "Als freier Autor habe ich meine Urheberrechte gegenüber einem ideologisch verblendeten Weiterbildungsverlag vor Gericht geltend gemacht." Sprecher: ... so Mertens Stellungnahme. Musik Sprecher: Es gibt viele Studien und Meinungsumfragen zum Gendern. Infratest Dimap ermittelte im Mai 2021: Zwei Drittel der Deutschen lehnen Sonderzeichen wie das Binnen-I ab. Nach einer Studie des Instituts Forsa stört es fast drei Viertel der Bundesbürgerinnen und Bürger, wenn Personen "Genderzeichen" wie Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt oder eine Pause zu Hilfe nehmen, um geschlechtsneutral zu sprechen. Zumindest die Sonderzeichen werden also offenbar von einer Mehrheit der Befragten abgelehnt. Dennoch hat die hamburgische Anti Gender Initiative ihr Ziel von rund 60.000 Unterschriften im Sommer 2024 deutlich verfehlt. Woran lag es? Beobachter weisen darauf hin, dass die besondere Radikalität in der Kampagnenführung schuld sein könnte. So trat Sabine Mertens, die VDS Vorstandsfrau, mit steilen Thesen in die Kampagnenarbeit ein. Sie bezeichnete Anfang 2023 das Gendern als "feministische Propaganda" und als "PR-Maßnahme der LGBTQ-Bewegung". Ebenfalls Anfang 2023, bei der Anmeldung ihrer Volksinitiative, einer Vorstufe des Volksbegehrens, holte sie noch weiter aus: Zitatorin: "Wenn wir jetzt alle schwul, lesbisch oder trans werden sollen, ist die Evolution am Ende." Musik Autor: Fahrt ins Hamburger Rathaus, ich besuche die Fraktionsräume der AfD und spreche mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Partei, Krzysztof Walczak. Seine Partei sei bemüht gewesen, öffentlich nicht allzu prägend in den Sprachkampf einzugreifen: O-Ton Krzysztof Walczak: "Wir hier in Hamburg haben eine gewisse Vorsicht walten lassen, wir waren uns durchaus bewusst, dass, wenn wir uns zu sehr dem VDS anbiedern, dass dann der überparteiliche Charakter dieses Anliegens schaden könnte, weil wir natürlich nicht wollen, dass die VDS- als eine Art AfD- Kampagne wahrgenommen wird. Ich lasse mir umgekehrt auch nicht erzählen, dass wir die bösen Schmuddelkinder sind und jetzt nichts mehr zum öffentlichen Diskurs beitragen können." Sprecher: Der AfD Politiker Krzysztof Walczak ist - wie viele andere Parteifreunde auch - bekennendes Mitglied des Verein Deutsche Sprache und sieht darin keinerlei Konfliktpotential. Aus seiner Sicht ist die Anti Gender Initiative in Hamburg auch deshalb gescheitert, weil es dem Senat gelungen war, die Abstimmung in die Sommerferien abzudrängen. Musik Sprecher: Im VDS wird zwar kontrovers über Nähe und Abgrenzung zur AfD gedacht, aber in der Konsequenz hat sich eine überragende Mehrheitslinie durchgesetzt, die heißt: Wir wollen keine Brandmauer gegen diese Partei errichten. Vorsitzender Walter Krämer hat diese Linie in der Vereinszeitschrift den Mitgliedern so vorgestellt: Zitator: "Der VDS begrüßt Mitglieder aus allen im Bundestag vertretenen Parteien und ist neben der Freiwilligen Feuerwehr und dem Roten Kreuz eine der wenigen verbliebenen Großorganisationen unseres Landes, die vereinen und nicht spalten, die verbinden und nicht trennen, die geeignet sind, das soziale und vor allem gefühlsmäßige Auseinanderfallen unserer Gesellschaft aufzuhalten." O-Ton Krämer: "Dass in diesen Organisationen Menschen sich zusammenfinden ohne dass es Knatsch gibt und dass man deswegen Krach macht, die in vielen anderen Dingen des Lebens total unterschiedliche Ansichten haben. Das ist... eine unserer großen Stärken, dass wir das schaffen und dass die Themen, die mit Sprache nichts zu tun haben, bei uns einfach keine Themen sind." Sprecher: Der Rat für deutsche Rechtschreibung erarbeitet Vorschläge für das amtliche Regelwerk im gesamten deutschsprachigen Raum. Der Rat kann nur Empfehlungen aussprechen, die aber in aller Regel von den Behörden in Deutschland, der Schweiz und Österreich übernommen werden. Zuletzt im Jahr 2023 hat sich der Rat zum Thema "Geschlechtssensible Sprache" geäußert. Zitator: "Der Rat für deutsche Rechtschreibung bekräftigt seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen... Der Rat hat dennoch ... die Aufnahme von Gender-Stern, Unterstrich, Doppelpunkt ...in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen." O-Ton Sabine Mertens: "Die Rolle des Rates ist zweischneidig. Der Rat ist dieser Gender Ideologie schon entgegen gekommen, wenn er sagt: Wir befürworten geschlechtergerechte Sprache. Und mit diesen Regelungen hat man schon ein Hintertürchen aufgemacht um im Laufe der Zeit diesen Sonderzeichen den Schrecken zu nehmen und überhaupt ein Stückchen weit Territorium eingenommen für diese Ideologie." Sprecher: Der Rechtschreibrat also eine Art Trojanisches Pferd der gegenderten Sprachlenkung. Auch die AfD hat ihren Kurs in Sachen Anti Gender verschärft. Synchron zum VDS löste sich die Partei von den Sprachvorschlägen des Rechtschreibrates hin zu einer Neujustierung, die weit über die Ablehnung von Gendersternchen hinausgeht. Auf dem Parteitag zur Europawahl wurde der Kurswechsel vollzogen. Krzysztof Walczak, Abgeordneter der Hamburger AfD: O-Ton Krzysztof Walczak: "Da stand im ursprünglichen Entwurf drin, wir wollen uns an dem Rat der Deutschen Rechtschreibung orientieren. Das haben wir gestrichen. Und der Bundesparteitag hat beschlossen, dass wir uns nicht am Rat für deutsche Rechtschreibung orientieren. Sondern, dass wir schlicht das generische Maskulinum wollen." Sprecher: Auf dem Feld der Sprachpolitik haben sich AfD und VDS synchron radikalisiert. Der Sprachverein polemisiert nun ganz offen gegen einzelne Mitglieder des Rates für Deutsche Rechtschreibung - sie würden die Gender Ideologie perspektivisch durchzusetzen versuchen. Auch weitere Institutionen mit jahrzehntelanger Reputation stehen nun im Visier der VDS Funktionäre. "Rettet die deutsche Sprache vor dem Duden", so nennt sich eine Kampagne mit der die Sprachretter gegen die Verwendung geschlechtersensibler Sprache in der Duden-Redaktion polemisieren. O-Ton Sabine Mertens: "...weil der Duden in vorderster Reihe bei der Gender Propaganda mitmacht. ...Und wenn ein Duden seine vorherrschende Stellung missbraucht, um so etwas zusammen zu treiben, dann hat er nicht recht." O- Ton Krämer: "Wissen Sie, was beim Duden Fußball heißt? Das Wort Soccer finden Sie im Duden als deutsches Wort. Das heißt, wenn Kinder jetzt im Schulaufsatz schreiben: Wir spielen nachmittags Soccer, dann ist das laut Duden korrektes Deutsch. Das sind doch Kulturkriminelle. Oder?" Musik Autor: Benedikt Kaiser ist Autor des rechtsextremen Antaios-Verlages, Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion und gilt als wichtiger Theoretiker des sogenannten Höcke-Flügels der Partei. Kaiser hat ein innerparteilich viel beachtetes Buch veröffentlicht, das den Titel "Die Partei und ihr Vorfeld" trägt. Auf meine Interviewanfrage reagiert er nicht. Wir zitieren sein Werk: Zitator: "Das Vorfeld einer Partei ist nun ihr Schutz-, Unterstützungs- und Rekrutierungsraum. Zum Vorfeld müssen jene Organisationen, Vereinigungen und losen Zusammenschlüsse gerechnet werden, die ideell einer bestimmten Partei nahestehen, deren Positionen und Begriffe in die Gesellschaft bzw. ihre Teilbereiche einspeisen und damit den Wirkungsradius der Partei vergrößern. Vorfeldakteure müssen keineswegs Parteimitglieder sein, um an der Resonanzraumerweiterung für eine Partei beteiligt zu sein." Autor: Kaiser entwirft in seinem Text eine Strategie, die er "Rechtes Mosaik" nennt. Kooperation zwischen Partei und Vorfeldorganisationen ohne festen Rahmen, aber mit gegenseitiger Befruchtung. Ist der VDS also eine Vorfeldorganisation der AfD, ein Teil des Rechten Mosaiks? O-Ton Krzysztof Walczak: "Der VDS ist nicht die Vorfeldorganisation der AfD. Gott verhüte." Sprecher: Konstatiert Kristof Walczak. Allerdings: O-Ton Krzysztof Walczak: "Die AfD sympathisiert mit dem VDS, Teile des VDS sympathisieren mit der AfD. Gleichwohl haben wir unterschiedliche Funktionen und Aufgaben. Das hat eben Überschneidungspunkte und in diesen Überschneidungspunkten ist man natürlich Verbündeter." Sprecher: Aus Sicht Walter Krämers, des VDS Vorsitzenden, will man kein Verbündeter sein: O-Ton Krämer: "Gewisse Ziele decken sich komplett. Die AfD hat ja nicht nur das Thema Sprachpolitik auf ihrer Agenda, sondern viele andere, wo die Mehrheit unserer Mitglieder sich definitiv nicht mit identifizieren kann. Insofern sind die Übereinstimmung auf einen kleinen Themenausschnitt ist eigentlich noch kein hinreichender Grund, jemanden als Vorfeldtruppe oder Zubringerverein zu bezeichnen. Da würden die allermeisten meiner Vereinsfreunde sich heftig gegen verwahren gegen eine solche Unterstellung." Sprecher: Germanistik Professor Karl Heinz Göttert will dem Sprachverein nichts unterstellen, aber er kommt zu einer deutlich negativen Bewertung des VDS: O-Ton Göttert: "Ich würde niemals sagen, dass die Rechtsradikale sind.... Aber ich würde sagen, dass sie die Gefahr nicht sehen, dass sie mit dieser Argumentation etwas öffnen, was Rechtsradikalen Einschlupf generiert." Sprecher: AFD Mitglieder, AfD Wähler und diffuse AfD nahe Kräfte - diese drei Gruppen finden sich innerhalb des Sprachvereins. Sie bilden sicherlich keine Fraktion, treten somit also auch nicht als geschlossener politischer Block auf. Das sagt aber nichts darüber aus, ob diese drei Gruppen zusammengenommen nicht bereits eine numerische Mehrheit im Verein hätten, wenn sie denn wollten. Auf der anderen Seite: Es gibt im VDS auch einzelne langjährige Funktionäre, die mehr Abgrenzung zur AfD einfordern und sogar den Ausschluss von Mitgliedern in Erwägung ziehen - aber nur, wenn diese im Verein aktiv für die AfD werben. Rasche Anträge auf Ausschluss sind nicht zu erwarten. Es bestünden juristische und auch politische Bedenken, sagt im Frühsommer 2024 VDS-Vorstandsmitglied Oliver Baer: O-Ton Oliver Baer: "AfD Nähe kann kein Ausschlussgrund sein. Aus dem ganz einfachem Grund, dass es eine Partei ist, die verfassungsgemäß gewählt wurde und im Bundestag vertreten ist. Und ich kann doch nicht den Bundestag boykottieren, weil er eine Partei in seinen Reihen hat, die nach meinem Dafürhalten stinkt. Hab ich auch öffentlich so gesagt." Sprecher: In der AfD sieht man die Lage mit Gelassenheit. Krysztof Walczak ist der Meinung: O-Ton Krzysztof Walczak: "Wenn die AfD wirklich den VDS unterwandern wollte, dann hätte sie das längst machen können. Wäre also sozusagen ein Leichtes, wenn sich ein Parteifunktionär das wirklich in den Kopf setzen würde, vielleicht 50, 60 Leute zu organisieren, und dann plötzlich in einer Mitgliederversammlung dann die Mehrheit zu haben. Das will niemand von uns. Was würde das bringen? Auch unter dem Aspekt Cui bono würde es uns nichts bringen, sondern eher nur schaden. " Musik Sprecher: Ob es ein englisches Wort in den deutschen Wortschatz schafft, ist eine Abstimmung mit den Mündern, dem Kugelschreiber oder der Tastatur. Gleiches gilt für den Wortschatz der geschlechtergerechten Sprache. Im Jahr 2023 enthielten nicht einmal 0,005 Prozent aller Wörter in 19 deutschen Medien Genderzeichen, wollen Spiegel Redakteure ermittelt haben. Ohne die vielen Treffer aus der Tageszeitung taz, die konsequent gendert, hätte die Quote sogar unter 0,001 Prozent gelegen. Sonderzeichen haben es bisher nicht in die Alltagssprache geschafft. Durchgesetzt haben sich geschlechtsneutrale Formen wie Studierende oder Lehrkräfte - und auch die Doppelform, etwa Mieter und Mieterinnen, ist im Aufwärtstrend. Wo liegt also das Problem? Musik Autor: Es scheint: Je weiter die Verbreitung von sprech- und verstehbaren Gendervokabeln in die Alltagssprache vordringt, desto radikaler und lauter der Aufschrei aus der Sprachretterszene. Ein Verein, der sich der Sprachpflege verschrieben hat und dabei jegliche Distanz zu rechtspopulistischen Kreisen vermissen lässt, erzwingt die Frage: Cui bono? Wem nützt das? Absage: Mein Jahr unter Sprachrettern Der Verein Deutsche Sprache und sein Umfeld Ein Feature von Rainer Link Es sprachen: David Vormweg Maya Bothe Daniel Berger und der Autor Ton und Technik: Christoph Bette Regie: Eva Solloch Redaktion: Lena Rocholl und Wolfgang Schiller Eine Produktion des Deutschlandfunk 2024 2